Papa_Leo
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Gandolf schrieb:James M. Mc Pershan, Für die Freiheit sterben, 1988, S. 261ff:
"Die Nachricht von dieser Niederlage (gemeint ist die Zerstörung von Fort Sumter, Gandolf) elektrisierte den Norden. Am 15. April erließ Lincoln eine Proklamation, in dr er die Einberufung von 75.000 Milizsoldaten für 90 Tage forderte, um eine Revolte niederzuschlagen, die >>zu stark ist, um auf dem üblichen Gerichtswege unterdrückt zu werden<<. Die Reaktion in den "freien Staate" war überwältigend. Auf Kriegsversammlungen in jeder Stadt und jedem Dorf jubelte man der Nationalflagge zu und schwor den Verrätern Rache. >>Alles ist außer Rand und Band<<, schrieb ein Harvardprofessor (...). >>Ich habe gar nicht gewußt, wie sehr das Volk in Rage geraten kann (...)<<. (...) Aus Ohio und dem Westen ertönte ein >>mächtiger Adlerruf<< nach der Flagge. >>Die Leute sind total verrückt geworden!<<
In New York City, bislang eine Brutstätte prosüdlicher Gesinnung, strömten eine Viertelmillion Menschen zu einer Kundgebung für die Union zusammen. >>Der Wandel der öffentlichen Meinung hier ist phantastisch, ja grenzt fast an ein Wunder<< schrieb ein New Yorker Kaufmann am 18. April. (...)
Die Demokraten stimmten in den >>Adlerruf<< dieses patriotischen Taumels ein. Stephen Douglas machte einen von der Presse ausführlich kommentierten Besuch im Weißen Haus, um für die nationale Einigung zu plädieren, und bei seiner Rückkehr in die Heimatstadt Chiago erklärte er vor einer großen Versammlung: >>Das Problem hat nur zwei Seiten. Ein jeder muss sich für oder gegen die Vereinigten Staaten entscheiden. Parteilose kann es in diesem Krieg nicht geben - nur Patrioten - oder Verräter.<< (...) >>Unsere Feinde sollen durch das Schwert sterben<<, so der Tenor demokratischer Leitartikel im Frühjahr 1861. >>Wir sollten alle zimperliche Sentimentalitäten abschütteln und blutige Rache üben an den nichtswürdigen Verrätern, die dieses Schicksal mit ihren gemeinen Unverschämtheiten und ihren Rebellentaten selbst heraufbeschworen haben<<.
Gouverneure aus dem Norden bestümen das Kriegsministerium mit Gesuchen um Erhöhung der Truppenquote ihres Staates. Lincoln hatte von Indiana sechs Regimenter erbeten; der Gouverneur bot deren 12 an. Der Gouveneur von Ohio telegraphierte, nachdem er die angeforderten 13 Regimenter gestellt hatte nach Washington, dass er >>kaum unter 20 haltmachen könne, ohne die Begeisterung der Leute ernstlich zu dämpfen.<< Gouverneur John Andrew aus Massachusetts schickte zwei Tage nach Lincolns Mobilmachungsaufruf eine markig kurze Antwort: >>Zwei unserer Regimenter rücken heute Nachmittag aus – eins nach Washington, das andere nach Fort Monroe; ein drittes wird morgen in Marsch gesetzt und vierte vor Ende der Woche.<<“
Also: die Zerstörung von Fort Sumter durch den Süden belegte die Rhetorik von der Gesetzlosigkeit des Südens und den Gefahren für den künftigen Frieden, die von der Sezession ausgingen. Nun kam die Mobilisierung des Nordens in Schwung. Die Bereitschaft, den Süden austreten zu lassen, wich der Entschlossenheit, die Rebellion des Südens niederzuwerfen.
Gandolf, ich kenn den McPherson auch, sowohl im amerikanischen Original als auch in der dt. Übersetzung. Ein gutes Buch, keine Frage. Aber ich denke, hier liegt er nicht ganz richtig.
Erstens: die Einlassung in meinem Link, dass es sehr viele Arme und Arbeitslose im Norden waren, die sich meldeten, weil die Anwerber Prämien zahlten. Und: dass nur einige Staaten - nämlich die von McPherson genannten - gut auf den Aufruf reagierten.
Andere Staaten, die sich bisher der Sezession nicht angeschlossen hatten und es wohl auch ohne den Aufruf Lincolns nicht getan hätten, weigerten sich, Truppen zu stellen und sagten sich jetzt erst von der Union los (Arkansas, Tennessee) ... andere wiederum blieben offiziell in der Union, stellten aber offiziell keine Truppen (Kentucky, Missouri).
Das spricht doch gegen Deine These, dass die Frage nach dem Bewusstsein von Recht und Unrecht so klar für alle war.
Zweitens: McPherson zitiert hier Zeitungen, Politiker und Bildungsbürgertum ... ich habe mit Interesse Deine Ausführungen bzgl. der Kriegsbegeisterung am Anfang des Ersten Weltkriegs verfolgt und obwohl ich nicht sicher bin, ob sie auf den Ersten Weltkrieg wirklich zutreffen, denke ich, dass man hier auch vorsichtig sein muss. Meine Informationen und Quellen (eben nicht nur McPherson, sondern auch Bruce Catton, Shelby Foote etc) geben eine solche Kriegsbegeisterung unter den Truppen nicht her.