Warum wurde Hitler nicht gestoppt?

Jacobum schrieb:
Noch heute wird er in GB "The Great War" genannt, obwohl der 2. WK ihn weit in den Schatten gestellt hat.
Hat er das?

Die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung in England waren zweifellos im 2. Weltkrieg deutlich höher. Aber die englische Armee war im 1. Weltkrieg wesentlich stärker als im 2. in verlustreiche Kämpfe verwickelt (man denke nur an die Evakuierung in Dünkirchen). Die wirtschaftlichen Folgen wurden in der Öffentlichkeit nach dem 1. Weltkrieg (den man ja gewonnen hatte!) wohl auch stärker wahrgenommen. Der 2. Weltkrieg ging ja in den kalten Krieg über (Churchill war gegenüber Stalin und Roosevelt/Truman halt der Juniorpartner) und der Marshallplan hat die Rationierung der Lebensmittel zumindest aus den Köpfen zu verdrängen geholfen.

Solwac
 
Repo schrieb:
Und weiter?

Nun der Versailler Vertrag enthält den Passus: >>Um die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen zu ermöglichen, verpflichten sich Deutschland, die im folgenden niedergelegten Bestimmungen über das Landheer, die Seemacht und die Luftfahrt genau innezuhalten<<.

Es kam eben nicht zu den "allgemeinen Rüstungsbeschränkungen, unmittelbare Nachbarstaaten Deutschlands, die wesentlich kleinere Bevölkerungszahlen hatten, unterhielten Truppen die jeweils mehrfach so stark wie die deutschen waren.

Wer bricht einen Vertrag, wenn klar zweiseitig abgefasste Vereinbarungen 14 Jahre nach Vertragsabschluss immer noch nur einseitig verwirklicht sind? Wer wollte denn da Hitler ernsthaft entgegen treten?
Rechtsbruch seitens der Alliierten?

Lies den Vertragstext mal genauer. Da steht, dass der Sinn und Zweck der "genauen" Einhaltung der Rüstungsbeschränkungen seitens Deutschlands darin besteht, den anderen Nationen die "Einleitung" einer allgemeinen Abrüstung "zu ermöglichen". Der Vertrag bringt damit zum Ausdruck, dass eine allgemeine Abrüstung aller Nationen erst dann beginnen kann, wenn sich Deutschland an die Rüstungsbeschränkungen hält. Bekanntlich hat sich jedoch das Deutsche Reich im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Roten Armee nicht an die Rüstungsbeschränkungen gehalten, so dass es auch nicht berechtigt war, irgendwelche Rechtsansprüche aus dem Nichtzustandekommen einer allgemeinen Abrüstung abzuleiten. Eigentlich ganz logisch.

Zudem ignorierst Du, dass die Alliierten in ihrer 5-Mächte-Erklärung vom 11.12.1932 die militärische Gleichberechtigung Deutschlands anerkannt haben "in einem System, das allen Nationen Sicherheit bietet". Damit war Deutschlands Rüstungsfreiheit IM RAHMEN EINER NOCH AUSZUARBEITENDEN ABRÜSTUNGSKONVENTION anerkannt. Mit diesem Vorgehen war die damalige Deutsche Regierung einverstanden. Hitler handelte deshalb entgegen Treu und Glauben, als er die deutschen Vertreter aus der Konferenz zurückzog, die diese Konvention verabschieden sollte, diese hierdurch scheitern liess und sich dann anschließend auf das Scheitern der Konferenz berief um die Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrags "außer Kraft" zu setzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Welcher spätestens mit dem 14-tägigen Widerufsrecht gefallen ist ;) "Ich hab´s mir anders überlegt. Schmeissen Sie´s weg."
Denkfehler! Ein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht lässt den widerrufenen Vertrag unwirksam werden. An unwirksame Verträge ist man natürlich nicht gebunden.

Enthielt der Versailler Vertrag ein Widerrufsrecht? Bist Du der Auffassung, dass dieser Vertrag unwirksam war? Und wenn ja, warum?
Arne schrieb:
E und F fanden die Entwicklung bis zum 1.9.1939 sicher nicht toll, waren also nicht damit einverstanden. Sie waren aber bis zum Angriff auf Polen bereit diese Kröten zu schlucken. Hätte es den Angriff auf Polen nicht gegeben, wäre es doch vermutlich nicht zu einem Krieg gekommen um die von Hitler erreichten Ergebnisse zu revidieren?
Es ist mühselig darüber zu spekulieren, ob das bis zum August 1938 Erreichte ohne Hitlers Angriff auf Polen Bestand haben konnte. Immerhin ging der Impuls zu dessen Vernichtung vom Deutschen Reich aus. Hitler war mit seinem "Lebensraum"-Programm nicht in der Lage eine Politik der Bismarckschen Saturiertheit zu verfolgen. Darüberhinaus waren 1938 aber auch viele Konservative mit dem Erreichten nicht zufrieden. Die standen ganz im Erbe des wilhelminischen Nationalismus und forderten noch mehr: Liquidation des polnischen "Saisonstaates", koloniale Revision, Aufbau einer großen Flotte, etc.
Arne schrieb:
Deine Erläuterungen, warum es in Frankreich dann zu einem zögerlichen Kriegseintritt kam, also die dahinter stehende Strategie, war mir neu.
Vorsicht: nicht der Kriegseintritt (3.9.39) erfolgte verzögert sondern der Angriff der Deutschen auf Frankreich (Mai 1940). Einen kurzen Überblick zum Sitzkrieg kannst Du hier finden: http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/sitzkrieg/
Arne schrieb:
Ich frage mich, ob das so seinerzeit auch in der Bevölkerung herübergekommen ist. :grübel: Ist schon eine Weile her, daß ich WKII-Bücher gelesen habe, aber ich meine mich an mehrere französische Zeitungsabdrucke zu erinnern, die als Quintessenz das Bild ergaben, daß man in Frankreich über den witzigen Krieg lachte, der anscheinend kein richtiger Krieg war - zum Glück, weil die Bevölkerung keine Lust hatte wegen Polen in den Krieg zu ziehen.
Die Bevölkerung hatte 1939 weder in Berlin noch in Paris noch in London Lust in den Krieg zu ziehen.

Die polnische Regierung stand bei den Westmächten nicht hoch im Kurs. 1938 hatte sich Warschau an der Zerschlagung der CSR beteiligt. 1939 erschwerte es dann auch noch die Verhandlungen der Westmächte mit Moskau.

"Komischer Krieg" ist im Sinn von "merkwürdiger Krieg" zu verstehen und nicht im Sinn von "witziger Krieg". Die Veteranen von 1914 wunderten sich, dass es nicht gleich nach den Kriegserklärungen zum großen Blutvergießen kam wie es eben 1914 war.

Die Bevölkerung wurde selbstverständlich über die Strategie der Militärführung und der Regierung informiert. Es gab große Plakate auf denen die britischen und französischen Kolonialreiche und das kleine Deutsche Reich abgebildet waren. Drauf stand: "Wir werden siegen, weil wir stärker sind!"
 
Gandolf schrieb:
Denkfehler! Ein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht lässt den widerrufenen Vertrag unwirksam werden. An unwirksame Verträge ist man natürlich nicht gebunden.

Enthielt der Versailler Vertrag ein Widerrufsrecht? Bist Du der Auffassung, dass dieser Vertrag unwirksam war? Und wenn ja, warum?

Gestern abend den Humor im Büro vergessen? :huh:
 
Arne: Natürlich nicht. Aber ich kann Deine Beiträge so schlecht einschätzen. Das wäre wohl anders, wenn wir uns kennen würden. Sorry!

Solwac schrieb:
Die Bevölkerung gab es ja in Frankreich nicht. Die politischen Wirren der Regierung zogen sich durch weite Teile (der politisch interessierten) Bevölkerung. Wenn man sich dann noch die pro Hitler-Propaganda der Kommunisten 1939-1940 ansieht, dann zeigt das doch Handlungsunfähigkeit Frankreichs.
Das Warten auf den Feind hat mürbe gemacht und innere Querelen gefördert. Zu Beginn des Krieges ist die KPF noch für den Krieg gegen Hitler gewesen. Nach dem Einmarsch der SU in Polen (17.9.1939) kam die Wende. Nun wies Stalin über die Kommintern die KPF an, sich gegen den Krieg der Kapitalisten auszusprechen, statt Hitler England und Frankreichs "reichsten 100" als die wahren Kriegsschuldigen darzustellen und sich für eine Annahme von Hitlers Friedensangebot auszusprechen. Die KPF entwickelte sich von der Avantgarde des Antifaschismus zur Avantgarde des Defaitismus.
Solwac schrieb:
@Gandolf: In England und Frankreich kamen ja selber Zweifel auf, ob man Deutsachland gegenüber auf einer Aufrechterhaltung der Versailler Verträge pochen könnte. Schließlich waren sie ja selber vertragsbrüchig geworden (Abrüstung). Daher wurden viele völkerrechtswidrige Aktionen toleriert.
Bei der These, die Alliierten hätten den Versailler Vertrag in Bezug auf die Abrüstung selbst gebrochen, handelt es sich um eine Legende. Auch fehlt jeder Anhalt dafür, dass die Alliieren WEGEN EIGENER VERTRAGSBRÜCHE die von Hitler toleriert hätten oder kannst du Quellen nennen aus denen sich dies ergeben soll? Vielmehr haben die Westmächte aus eigener Schwäche gehandelt und versucht den Krieg um fast jeden Preis zu vermeiden.
Solwac schrieb:
Dies war aber nicht auf Hitler und dessen Ideologie gemünzt und war bis München 1938 Ausdruck der Hoffnung, die als berechtigt angesehenen Revisionen wären genug. Als Hitler dann überzog wurde "gehandelt".
Berechtigt angesehene Revisionen?

Daladier Unterschrift unter das Münchener Abkommen kam zustande, weil die französischen Konferenzteilnehmer Angst vor einem deutschen Luftangriff auf die nur unzureichend geschützte französische Hauptstadt hatten. Nach dem Ende der Konferenz wirkte Dadalier auf Beobachter "wie ein völlig geschlagener und gebrochener Mann". Noch während seines Rückflugs nach Paris fasste er seine Niedergeschlagenheit in den Ausruf: "Meiner armer Léger, ich bin ein Sch..., und man sollte mich füsilieren". Am Flughafen hatte er angesichts der wild gestikulierenden Menge Angst in Paris wegen seiner Unterschrift zur Verantwortung gezogen zu werden. Auf die ihn in Wahrheit als "Friedensretter" bejubelnde Menge murmelte er: "Ah, die Dummköpfe! Wenn sie nur wüßten, was sie da bejubeln" (vgl. Heinrich Bartel, Frankreich und die Sowjetunion 1938-40, 1986, S. 12 ff.).

Verhält sich so ein Politiker, der die Revision von Versailles für berechtigt hielt? Wohl kaum!
Solwac schrieb:
Der Überfall auf Polen hat deswegen zur Kriegserklärung der Alliierten geführt, die Handlungsunfähigkeit Frankreichs beschränkte es aber auf eine hilflose Geste.

Das die alliierten Hoffnungen auf einen Boykott durch sowjetische Lieferungen unterlaufen wurden ist dann nur noch der Punkt auf dem i.
Spätestens nach dem Bekanntwerden des Hitler-Stalin-Pakts hätte Frankreich seine Militärstrategie überdenken müssen. Genügend Panzer und Flugzeuge hatte man ja. Es fehlte nur die richtige Einsatzstrategie.
Solwac schrieb:
In GB eindeutig ja. Dort durchlebte man im Zweiten WK die "tapferste Stunde" der britischen Geschichte.

In Frankreich hingegen überragt der 11.11. den 8.5. bei Weitem!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gandolf schrieb:
.Bei der These, die Alliierten hätten den Versailler Vertrag in Bezug auf die Abrüstung selbst gebrochen, handelt es sich um eine Legende. Auch fehlt jeder Anhalt dafür, dass die Alliieren WEGEN EIGENER VERTRAGSBRÜCHE die von Hitler toleriert hätten oder kannst du Quellen nennen aus denen sich dies ergeben soll?

!

Widerspruch!
Deutschland hat die Genfer Abrüstungskonferenz schon 1928 unter Protest verlassen.
Im November 1932 hat man dann Deutschland die militärische Gleichberechtigung versprochen, die von Dir zitierte 5-Mächte Erklärung, worauf wieder eine Delegation nach Genf geschickt wurde. Im Dezember 1933 wurde dann Deutschland eine "5-jährige Bewährungsfrist" auferlegt. Auf Antrag Frankreichs, mit Unterstützung Englands. Was Hitler als Anlaß nimmt, die Delegation aus Genf abzuziehen und aus dem Völkerbund auszutreten.

England macht in der Folge den Vermittlungsvorschlag, das Militärpotential Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Polens jeweils auf etwa die gleiche Höhe zu bringen. Wenn die Aufgerüsteten nicht abrüsten wollen, sollen die Abgerüsteten wenigstens nur beschränkt aufrüsten. Deutschland ist einverstanden. Frankreich lehnt empört ab.

Am 4. März 1935 kündigt England erstmals seit 1918 Aufrüstungsmaßnahmen an.
Am 10. März 1935 erklärt Göring, dass Deutschland eine starke Luftwaffe habe. Was zu dem Zeitpunkt allerdings reine Propaganda ist.
Am 6. März 1935 verkündet Frankreich die Herabsetzung des Wehrdienstalters und die gleichzeitige Verlängerung des Wehrdienstes von einem auf zwei Jahre. Was einer Verdoppelung der Kopfstärke entspricht. Am 15. März 1935 stimmt das franz. Parlament zu.
Am 16. März verkündet Hitler daraufhin die Wiedereinführung der allg. Wehrpflicht.
Er hat penibel darauf geachtet immer erst auf Schritte der anderen Mächte zu reagieren.

Aber selbstverständlich sind die Westmächte empört. Aber am empörtesten ist erstaunlicherweise der Duce! Er lädt nach Stresa, wo energische Maßnahmen gegen Deutschland beschlossen werden sollen. Dort wird am 11. April 1935 "der einmütige Wille" aller dreier kundgetan "der einseitigen Aufkündigung von Verträgen durch Deutschland" zukünftig mit "geeigneten Mitteln" entgegenzutreten.
Allerdings hat die Konferenz zwei Schönheitsfehler, der Duce hat sich Englands und Frankreichs Zustimmung zum Abessinienkrieg erhandelt, geheim natürlich, und Englands Außenminister war am 25./26. März in Berlin, wo ihm Hitler ein Flottenabkommen vorschlug, Deutschlands Flotte maximum 35% der britischen. Was im Juni 1935 (2 Monate nach Stresa!) zum Flottenabkommen mit England führte. Das führt zu riesiger Empörung in Frankreich, England hat Frankreich vorher nicht über die Verhandlungen informiert, und weigert sich hinterher auch dem Verbündeten Mitteilungen über den genauen Inhalt des Abkommens zu machen.

Die faktische Verweigerung der Abrüstung würde ich sehr wohl als Vertragsbruch sehen.
Mit dem Flottenabkommen bricht England dann selbst den Versailler Vertrag.

Die Gründe liegen nicht in einer "Schwäche" der Westmächte, sondern darin, dass keiner alleine handeln wollte, und jedem etwas anderes wichtig war. Vielleicht auch darin, dass (inoffiziell) die Meinung herrschte, dass manches, beispielweise die Wiederaufrüstung, auf Dauer sowieso nicht verweigert werden könne.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Widerspruch!
Deutschland hat die Genfer Abrüstungskonferenz schon 1928 unter Protest verlassen.
Im November 1932 hat man dann Deutschland die militärische Gleichberechtigung versprochen, die von Dir zitierte 5-Mächte Erklärung, worauf wieder eine Delegation nach Genf geschickt wurde. Im Dezember 1933 wurde dann Deutschland eine "5-jährige Bewährungsfrist" auferlegt. Auf Antrag Frankreichs, mit Unterstützung Englands. Was Hitler als Anlaß nimmt, die Delegation aus Genf abzuziehen und aus dem Völkerbund auszutreten.

England macht in der Folge den Vermittlungsvorschlag, das Militärpotential Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Polens jeweils auf etwa die gleiche Höhe zu bringen. Wenn die Aufgerüsteten nicht abrüsten wollen, sollen die Abgerüsteten wenigstens nur beschränkt aufrüsten. Deutschland ist einverstanden. Frankreich lehnt empört ab.

Am 4. März 1935 kündigt England erstmals seit 1918 Aufrüstungsmaßnahmen an.
Am 10. März 1935 erklärt Göring, dass Deutschland eine starke Luftwaffe habe. Was zu dem Zeitpunkt allerdings reine Propaganda ist.
Am 6. März 1935 verkündet Frankreich die Herabsetzung des Wehrdienstalters und die gleichzeitige Verlängerung des Wehrdienstes von einem auf zwei Jahre. Was einer Verdoppelung der Kopfstärke entspricht. Am 15. März 1935 stimmt das franz. Parlament zu.
Am 16. März verkündet Hitler daraufhin die Wiedereinführung der allg. Wehrpflicht.
Er hat penibel darauf geachtet immer erst auf Schritte der anderen Mächte zu reagieren.

Aber selbstverständlich sind die Westmächte empört. Aber am empörtesten ist erstaunlicherweise der Duce! Er lädt nach Stresa, wo energische Maßnahmen gegen Deutschland beschlossen werden sollen. Dort wird am 11. April 1935 "der einmütige Wille" aller dreier kundgetan "der einseitigen Aufkündigung von Verträgen durch Deutschland" zukünftig mit "geeigneten Mitteln" entgegenzutreten.
Allerdings hat die Konferenz zwei Schönheitsfehler, der Duce hat sich Englands und Frankreichs Zustimmung zum Abessinienkrieg erhandelt, geheim natürlich, und Englands Außenminister war am 25./26. März in Berlin, wo ihm Hitler ein Flottenabkommen vorschlug, Deutschlands Flotte maximum 35% der britischen. Was im Juni 1935 (2 Monate nach Stresa!) zum Flottenabkommen mit England führte. Das führt zu riesiger Empörung in Frankreich, England hat Frankreich vorher nicht über die Verhandlungen informiert, und weigert sich hinterher auch dem Verbündeten Mitteilungen über den genauen Inhalt des Abkommens zu machen.

Die faktische Verweigerung der Abrüstung würde ich sehr wohl als Vertragsbruch sehen.
Dass Du das so siehst, hast Du hinreichend propagiert. Aber mit dem Vertragstext ist Deine Auffassung nun mal nicht in Einklang zu bringen. Deutschland hätte erst dann einen Anspruch auf Abrüstung der anderen gehabt, wenn es selbst die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages "genau" eingehalten hätte. Das hat es aber nicht, insb. nicht im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Roten Armee. Folge: kein Rechtsanspruch auf Abrüstung.

Ferner trennst Du nicht deutlich genug zwischen Recht und Politik. Dass in der internationalen Politik die Bereitschaft bestand, zu einem neuen Sicherheitssystem zu gelangen, verändert die Rechtslage nicht. Es mag zwar keiner mehr die deutsche Abrüstung kontrolliert haben. Die entsprechenden Kommissionen wurden ja auch in den 20er abgeschafft. Aber einen Anspruch auf Abrüstung, der von den anderen gebrochen werden konnte, hatte hierdurch das Deutsche Reich nicht erworben.

Im übrigen drehte sich auf politischer Ebene der "Rüstungs-"Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich bis 1932 um die Frage, wie in Europa Sicherheit geschaffen werden sollte. Die Deutschen wollten offiziell "Sicherheit durch Abrüstung der anderen"; die Reichswehr hingegen Aufrüstung. Die Franzosen zuerst "Sicherheit und dann Abrüstung". Bei der von mir erwähnten 5-Mächte-Erklärung (Ende 1932) einigte man sich auf die Kompromißformel der militärischen Gleichberechtigung Deutschlands "in einem Systen, das allen Nationen Sicherheit bietet". Mit Hitlers Machtergreifung (Jan. 1933) stellte sich dann - auf politischer Ebene - die Frage, ob man mit dem Machtmenschen Hitler überhaupt ein solches Sicherheitssystem vereinbaren kann bzw. ob sich dieser an etwaige Vereinbarungen halten wird. Hitler selbst musste die Aufrüstung durchboxen. Das war die Bringschuld für sein mit der Wehrmacht eingegangenes Bündnis. Die war nämlich nur dann bereit, Hitler im Innern zu unterstützen, wenn er das Militär aufrüsten lässt und zwar so wie es das selbst für richtig hielt. Im Auswärtigen Amt raufte man sich die Haare, gerade weil man die Rechtslage kannte und Gegenmaßnahmen der Alliierten befürchten musste, zu denen es aber dann überraschenderweise nicht gekommen ist.
Repo schrieb:
Mit dem Flottenabkommen bricht England dann selbst den Versailler Vertrag.
Das ist Nebelwerferei! GB brach den Versailler Vertrag nicht durch eigene Rüstungsmaßnahmen. Diesbezüglich enthielt der Vertrag keine Regelungen. GB brach den Vertrag insoweit, als es dem Deutschen Reich eine Rüstung (z.B. U-Boote) zugestand, die im Widerspruch zu den Rüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags stand. Hitler konnte sich folglich auch nicht gegenüber den anderen Unterzeichnerstaaten des Versailler Vertrags auf den "britischen Vertragsbruch" berufen, da es sich bei diesem, um seinen eigenen Vertragsbruch handelte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das hat es aber nicht, insb. nicht im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Roten Armee. Folge: kein Rechtsanspruch auf Abrüstung.

Das wissen wir heute. Wusste man es damals? Vermutlich nicht, denn die westlichen Rüstungsexperten hielten z. B. den Aufbau einer Luftwaffe in 2 Jahren für absolut unmöglich!

aber man lässt sich nicht mit "gewissen Rechtsansprüchen" vor Gericht blicken.

Natürlich nicht, da behauptet man, dass das ein unverbrüchliches Recht ist, unverlierbar seit Adam und Eva und bis zum Untergang des Universums!

Grüße Repo
 
Bei der Rheinlandbesetzung sieht der Fall sehr ähnlich aus.

Rapallo hat ja eine gewisse abschreckende Wirkung auf die Polen gehabt, da sie ja nicht wissen konnten, ob weitere geheime Passagen in dem Vertrag enthalten waren, so z. b. Beistandsverpflichtungen gegen Polen. Sie haben solche jedenfalls vermutet.

Mit Hitlers Machtübernahme war es ja klar, dass die Zusammenarbeit DR - SU zumindest Brüche kriegen würde. Als dann 33/34 Frankreich versuchte sich an die SU anzunähern, haben die Polen Verrat geschrien, kalte Füsse bekommen und mit Hitler den Nichtangriffspakt geschlossen.

Als am 2. Mai 1935 der Vertragstext zwischen Fankreich und der SU bekannt wurde, hat Hitler sofort die Locarno-Unterzeichner darüber informiert, dass seiner Meinung nach der Fr-SU Vertrag dem Locarno-Pakt widersprechen würde. Er meinte 1. den Passus, der gegenseitige Hilfeleistung für den Fall eines "nicht herausgeforderten Angriffs eines europäischen Staates" auf einen von beiden verabredete. Im Locarno-Pakt war vereinbart, dass sich DR und Fr. verpflichteten "in keinem Fall zu einem Einfall, zu einem Angriff, oder zum Krieg gegeneinander" zu schreiten.
Und 2. "Weder Frankreich noch die Sowjetunion werden sich in einem Anwendungsfall des Vertrags der Entscheidung des Völkerbunds unterwerfen, sondern das tun, was sie für richtig halten".
Aber genau diese Unterwerfung unter Entscheidungen des Völkerbunds bei Streitfragen hatten DR und Fr. im Locarnopakt vereinbart.

Am 25. Mai 1935 hat Hitler diese Einwendungen allen Unterzeichner-Staaten mitgeteilt.
Am 27. Februar 1936 schließlich ratifiziert das franz. Parlament den Vertrag mit der SU.
Am 6. März kündigt Hitler den Locarnopakt und schickt Truppen über den Rhein, 3 Bataillone.

Auch hier hat er offensichtlich sorgfältig darauf geachtet, dass man ihm nicht einfach einen totalen Rechtsbruch vorwerfen konnte.

Grüße Repo
 
Ashigaru schrieb:
Mal so ein paar Überlegungen zum "Sitzkrieg": Warum es so kam, dass sich die Franzosen bis zum Juni 1940 fast untätig verhielten, ist mir gerade von der politischen Seite her auch noch nicht so bekannt.
Die politische Spitze Frankreichs, vor allem Daladier, hatte größtes Vertrauen in die alten Generäle des Ersten WK, soweit diese noch lebten: Petain, Weygand, Gamelin. Diese wiederum orientierten sich an ihren Erfahrungen aus dem Ersten WK. Dabei verloren sie jedoch das Neue, die moderne Panzerkriegsführung, völlig aus ihren Augen, und mit dem Neuen auch die neuen Zeitmaßstäbe. Bsp: Gamelin hielt bei einem deutschen Durchbruch entsprechend den Erfahrungswerten des WK1 einen Vorstoß von 5 bis 6 km pro Tag für möglich; tatsächlich stießen jedoch die deutschen Panzerverbände 50 bis 60 km pro Tag vor. Die moderne Kriegsführung war wesentlich beweglicher und schneller als die alte Kriegsführung, mit der die Franzosen rechneten. Währenddessen also die militärische Elite glaubte und die politische Elite glauben ließ, Frankreich habe für seine Maßnahmen viel Zeit, stießen die deutschen Streitkräfte für diese überkommenen Zeitvorstellungen nahezu "blitzartig" vor. Dementsprechend groß war die Konfusion in Frankreich 1940.
Ashigaru schrieb:
Es ist aber richtig, dass es in Frankreich nur eine Defensiv-Doktrin gegen einen deutschen Angriff gab. Die Kriegserklärung gegen Deutschland nach dem Angriff auf Polen war insofern ein symbolischer Akt, dass schon vor dem Feldzug klar war, dass England und Frankreich nicht in der Lage sein würden, Truppen zur Unterstützung zu entsenden. Das weitere zögerliche Verhalten ergab sich m.E. daraus, dass die Engländer sowohl mit der Kriegsrüstung als auch Truppenaufstellung unzureichend auf den Kriegsbeginn im September vorbereitet waren. Es konnte wohl auch keine zufriedenstellende gemeinsame Strategie der Alliierten entwickelt werden. Das einzige, was mir dazu bekannt ist, war der bizarre Plan, mit Fernbombern die Ölfelder bei Baku anzugreifen.
Die Blockadestrategie ging davon aus, dass Deutschland an der Front nicht niedergeworfen werden kann. Nachdem klar wurde, dass die Deutschen von Skandinavien und der SU genügend Rohstoffe für ihre Kriegsführung geliefert bekamen, hätten die Franzosen eigentlich Ende 1939 ihre Strategie ändern müssen. Aber sie hielten starrsinnig an dieser fest und begannen nun "bizarre" Planungen zu entwickeln über militärische Aktionen am Rande der Peripherie Europas, mit denen diese Rohstofflieferungen gekappt werden sollten.
Ashigaru schrieb:
Allerdings ist es auch nicht so, dass sich die Franzosen bis Mai 1940 völlig aus den Kampfhandlungen heraushielten: sie entsandten zumindest Truppen in die Kämpfe bei Narvik.
Sicher? Wenn ich mich richtig erinnere, wurden die französischen Truppen noch nicht einmal verschifft. Gamelin hielt für den Abruf seiner Truppen die Engländer für verantwortlich und wartete auf deren Abruf und wartete und wartete. Hm... ich muß mal in meinen Unterlagen kramen.;)
 
Gandolf schrieb:
Sicher? Wenn ich mich richtig erinnere, wurden die französischen Truppen noch nicht einmal verschifft. Gamelin hielt für den Abruf seiner Truppen die Engländer für verantwortlich und wartete auf deren Abruf und wartete und wartete. Hm... ich muß mal in meinen Unterlagen kramen.;)
Bei Narvik standen 24500 Alliierte 4600 Deutschen gegenüber. Die Franzosen stellten u.a. Gebirgsjäger (genaue Zahlen habe ich noch nicht gefunden). Die Deutschen wurden aus Narvik verdrängt und konnten die Stadt erst einnehmen, als die Allierten wegen des Frankreichfeldzugs abgezogen wurden.

Solwac
 
Solwac schrieb:
Bei Narvik standen 24500 Alliierte 4600 Deutschen gegenüber. Die Franzosen stellten u.a. Gebirgsjäger (genaue Zahlen habe ich noch nicht gefunden). Die Deutschen wurden aus Narvik verdrängt und konnten die Stadt erst einnehmen, als die Allierten wegen des Frankreichfeldzugs abgezogen wurden.

Solwac
Laut Raymond Cartier Geschichte des Zweiten Weltkriegs landeten
a. eine leichte Division unter General Audet in Namsos,
b. eine Halbbrigade Alpenjäger und zwei Bataillone Fremdenlegion unter General Béthouart in Narvik.

Während die Engländer gegen Trondheim vorrückten, blieben die Franzosen in Namsos. Die Engländer kehrten wegen Kälte und schlechten Wetters bald wieder um und die ganze Expedition wurde wieder eingeschifft. Da die Deutschen den Luftraum beherrschten verlor die Expedition mehrere Schiffe und mußte ihr Gerät zuücklassen.

In Narvik waren die Franzosen erfolgreicher. Sie konnten in der zweiten Maihälfte in Narvik eindringen, wurden aber am 24. Mai abgezogen. Bei den Fremdenlegionären, die frisch aus Sidi-Bel-Abbès gekommenwaren, waren übrigens auch Deutsche, denen die Franzosen Miltärpapiere ausstelten, in denen sie als "bretonische Partikularisten" ausgewiesen wurden.
 
Repo schrieb:
Das wissen wir heute. Wusste man es damals? Vermutlich nicht, denn die westlichen Rüstungsexperten hielten z. B. den Aufbau einer Luftwaffe in 2 Jahren für absolut unmöglich!
Die Zusammenarbeit zwischen der Reichswehr und der Roten Armee war so geheim, dass sie die außenpolitischen Beziehungen zu Frankreich schwer belasteten.:rolleyes:

Zudem hat Philipp Scheidemann im Dezember 1926 in einer öffentlichen Reichstagsrede (!) schonungslos den Umfang der geheimen deutsch-sowjetischen Rüstungskooperation offengelegt, was zum Sturtz des Kabinetts unter Reichskanzler Marx führte; Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/innenpolitik/reichswehr/index.html.

Im übrigen haben Pazifisten und Journalisten viele Verletzungen der Rüstungsbeschränkungen recherchiert und veröffentlicht, was natürlich auch im Ausland registriert wurde. Daraufhin wurden regelmäßig Hochverratsprozesse gegen diese durchgeführt. Traurige Berühmtheit erlangte das "Ponton"-Urteil des Reichsgerichts, demzufolge diese berichterstattung zwar rechtmäßig aber trotzdem strafbar sei, weil sie dem Interesse des Staates zuwiderlaufe.

Also: die Verletzungen der Rüstungsbeschränkungen waren damals sehr wohl bekannt.
Repo schrieb:
Natürlich nicht, da behauptet man, dass das ein unverbrüchliches Recht ist, unverlierbar seit Adam und Eva und bis zum Untergang des Universums!
Ganz schlechte Idee! Am Gerichtsverfahren nehmen ja auch noch andere Juristen teil wie z.B. Richter und Gegenanwalt. Die stürtzen sich genüsslich auf die argumentativen Schwächen, die mit der Geltendmachung "gewisser Rechtsansprüche" verbunden sind. Darauf kannst Du Dich verlassen.
 
Repo schrieb:
[FONT=Verdana, sans-serif]Bei der Rheinlandbesetzung sieht der Fall sehr ähnlich aus.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Stimmt, die war auch völkerrechtswidrig. Sie verstieß gegen Art. 42 und 43 des Versailler Vertrags, galt gem. Art. 44 des Versailler Vertrags als feindselige Handlung gegenüber jedem Signaturstaat des Versailler Vertrags und als Störung des Weltfriedens und verstieß zudem gegen Art. 1 des Vertrags von Locarno (1925). [/FONT][FONT=Verdana, sans-serif]Die Vertragstexte findet man bei [/FONT][FONT=Verdana, sans-serif]www.documentarchiv.de[/FONT]:
- Art. 42 ff. Versailler Vertrag: http://www.documentarchiv.de/wr/vv02.html
- Locarno-Vertrag: http://www.documentarchiv.de/wr/1925/locarno-vertrag.html
[FONT=Verdana, sans-serif]
Repo schrieb:
Rapallo hat ja eine gewisse abschreckende Wirkung auf die Polen gehabt, da sie ja nicht wissen konnten, ob weitere geheime Passagen in dem Vertrag enthalten waren, so z. b. Beistandsverpflichtungen gegen Polen. Sie haben solche jedenfalls vermutet.
Repo schrieb:
Repo schrieb:
[FONT=Verdana, sans-serif]Mit Hitlers Machtübernahme war es ja klar, dass die Zusammenarbeit DR - SU zumindest Brüche kriegen würde. Als dann 33/34 Frankreich versuchte sich an die SU anzunähern, haben die Polen Verrat geschrien, kalte Füsse bekommen und mit Hitler den Nichtangriffspakt geschlossen.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Polen und Frankreich hatten schon 1932 Nichtangriffspakte mit der SU abgeschlossen.;)[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Die entscheidende Initiative zum deutsch-polnischen Nichtangriffspakt ging von Hitler aus. Dieser schien zunächst die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit der Weimarer Republik fortzusetzen und ratifizierte am 5.5.33 die Verlängerung des deutsch-russischen Berliner Vertrags. Doch drei Tage zuvor, am 2.5.33 (!), hatte er dem polnischen Gesandten Wysocki die Idee unterbreitet, den bislang vom Deutschen Reich mit Revisionsforderungen überzogenen Polen entgegenzukommen und mit ihnen gegen die SU zusammenzuwirken.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Diese Idee blieb zunächst fruchtlos. Nachdem der polnische Versuch, Frankreich zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Deutschland zu bewegen, scheiterte, suchte Polen bei seinem deutschen Nachbarn jenen Halt, den Frankreich in gemeinsamer Frontstellung nicht zu geben bereit war. Am 26.1.34 schlossen das deutsche Reich und Polen einen Nichtangriffspakt ab.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Dieser Vertrag war eine Sensation. Hitler schien eine Wandlung vollzogen zu haben: vom revisionistischen Extremisten zum friedliebenden Staatsmann. Diese Fehleinschätzung sollte in der Folgezeit die vielen anderen Zeichen, die für Hitlers Gewaltbereitschaft standen, übertönen und in einem anderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere in GB entstand der verhängnisvolle Einruck, man könne mit Hitler vernünftige Abkommen schließen, die man mit den demokratischen Außenpolitikern der Weimarer Republik nicht hätte schließen können.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Der deutsch-polnische Nichtangriffspakt beschädigte die Reste der Pariser Friedensordnung stark. Frankreich drohte sein östliches Bündnissystem zu verlieren, in dem Polen eine zentrale Rolle spielte. Polen selbst geriet durch den Pakt in eine zwielichtige Position.[/FONT]

[FONT=Verdana, sans-serif]Frankreichs Außenminister Louis Barthou unternahm einen energischen Anlauf zur Bildung einer internationalen Anti-Hitler-Koalition. In diesem Zusammenhang ließ sich Stalin auf die Politik der kollektiven Sicherheit ein, die im französisch-sowjetischen Beistandspakt vom 2.5.1935 mündete.[/FONT]

Zum Rest bald mehr.;)
 
Warum die Remilitarisierung des Rheinlandes völkerrechtswidrig war

Als am 2. Mai 1935 der Vertragstext zwischen Fankreich und der SU bekannt wurde, hat Hitler sofort die Locarno-Unterzeichner darüber informiert, dass seiner Meinung nach der Fr-SU Vertrag dem Locarno-Pakt widersprechen würde. Er meinte 1. den Passus, der gegenseitige Hilfeleistung für den Fall eines "nicht herausgeforderten Angriffs eines europäischen Staates" auf einen von beiden verabredete. Im Locarno-Pakt war vereinbart, dass sich DR und Fr. verpflichteten "in keinem Fall zu einem Einfall, zu einem Angriff, oder zum Krieg gegeneinander" zu schreiten.
Und 2. "Weder Frankreich noch die Sowjetunion werden sich in einem Anwendungsfall des Vertrags der Entscheidung des Völkerbunds unterwerfen, sondern das tun, was sie für richtig halten".
Aber genau diese Unterwerfung unter Entscheidungen des Völkerbunds bei Streitfragen hatten DR und Fr. im Locarnopakt vereinbart.

Am 25. Mai 1935 hat Hitler diese Einwendungen allen Unterzeichner-Staaten mitgeteilt.
Am 27. Februar 1936 schließlich ratifiziert das franz. Parlament den Vertrag mit der SU.
Am 6. März kündigt Hitler den Locarnopakt und schickt Truppen über den Rhein, 3 Bataillone.

Auch hier hat er offensichtlich sorgfältig darauf geachtet, dass man ihm nicht einfach einen totalen Rechtsbruch vorwerfen konnte.
Man konnte Hitler - völlig zu recht - vorwerfen, mit der Besetzung des Rheinlandes klar und offensichtlich gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Hier nur die wichtigsten Gründe:

In zwei völkerrechtlichen Verträgen verpflichtete sich Deutschland zur Demilitarisierung des Rheinlandes: in Artikel 42 und 43 des Versailler Vertrags (1919) und in Artikel 1 des Vertrages von Locarno (1925). Beide Verpflichtungen standen rechtlich nebeneinander (vgl. Artikel 6 des Vertrags von Locarno). Selbst wenn also der Vertrag von Locarno wegen eines angeblichen französischen Rechtsbruchs untergegenagen wäre (was nicht der Fall war), war Deutschland noch aufgrund der Artikel 42 und 43 des Versailler Vertrags zur Demilitarisierung des Rheinlandes verpflichtet gewesen. Gegen diese Rechtspflicht verstieß der von Hitler angeordnete Einmarsch ohne jeden vernünftigen Zweifel.

Ferner konnte der Vertrag von Locarno nur durch die in seinem Artikel 8 vorgesehene Erklärung des Völkerbundrats beendet werden. Der Vertrag konnte nicht ordentlich gekündigt werden. Auch eine außerordentliche "Kündigung" wegen eines etwaigen vorherigen franzöischen Rechtsbruchs war nicht möglich. In Artikel 3 des Locarno-Vertrags verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten, "alle Fragen, bei denen die Parteienm über ihre beiderseitigen Rechte im Streite sind", einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen des Locarno-Paktes zwischen Deutschland und Frankreich ein Schiedsabkommen (1925) unterzeichnet. Hitler hätte also seine Einwände gegen den sowjetisch-französischen Beistandspakt (2.5.1935) einem Schiedsgericht vorlegen müssen. Hätte dieses Schiedsgericht in diesem Pakt eine Rechtsverletzung des Locarno-Vertrags erblickt, hätte der Beistandspakt nur unter Beachtung der sich aus diesem Urteil ergebenden Einschränkungen gegolten. In einem bei Abschluss des Pakts unterzeichneten Protokoll, auf das sich Hitler bei der Formulierung seines Einwands bezog, hatten sich Frankreich und Rußland darauf geeinigt, dass die Bestimmungen ihres Pakts keine Anwendung finden können, die als unvereinbar mit den "gegenüber dritten Staaten übernommenen Verpflichtungen" einer Vertragspartei diese "internationalen Sanktionen aussetzen würde". Bei einem Richterspruch zu Lasten Frankreichs hätte es sich um eine solche "internationale Sanktion" gehandelt, so dass die entsprechenden Bestimmungen des Pakts - in diesem Fall - keine Anwendung gefunden hätten.

Schließlich basierte Hitlers Einwand gegen den französisch-sowjetischen Beistandspakt (1935) auf einer frech-dreisten Verdrehung der Rechtslage. Der Beistandspakt sah Beistandspflichten nur für den Fall eines unprovozierten Angriffs auf Frankreich oder auf die UdSSR vor. Nur wenn Deutschland einen solchen Angriff unternehmen würde und somit den Kriegsächtungspakt brechen würde, konnte sich das von Hitler geltend gemachte "Problem" überhaupt einstellen. Beachtete jedoch Deutschland das im Kriegsächtungspakt übernommene Verbot des Angriffskrieges, konnte das von Hitler geltend gemachte "Problem" gar nicht entstehen.
Deswegen hat sich außerhalb Frankreichs nur noch Polen darüber aufgeregt. Alle anderen zeigten Verständnis.
Das Gegenteil ist richtig:

"Der Völkerbundsrat befindet auf die am 8. März 1936 durch Frankreich und Belgien erfolgte Anrufung hin, daß die Deutsche Regierung einen Bruch von Artikel 43 des Versailler Vertrages begangen hat, indem sie am 7. März 1936 Militärtruppen in die entmilitarisierte Zone, auf die sich Artikel 42 ff. des Versailler Vertrages und der Locarnovertrag bezeiehen, einmarschieren ließ und dort stationierte" (Völkerbundrat, Resolution vom 19.3.1936).

Quellen/Links:
Völkerbundsatzung (1919): www.documentarchiv.de/wr/vv01.html;
Artikel 42 und 43 des Vertrags von Versailles (1919): www.documentarchiv.de/wr/vv03.html;
Vertrag von Locarno (1925): www.documentarchiv.de/wr/1925/locarno-vertrag.html;
Kriegsächtungspakt (1928): vgl. www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8084;
Französisch-sowjetischer Besitandspakt (1935): Wilhelm G. Grewe (Hrsg.), Fontes Historiae Iuris Gentium, Band 3, Teilband 2, Dok.-Nr. 148, S. 1104;
Völkerbundrat, Resolution vom 19.3.1936: Herbert Michaelis / Ernst Schreapler, Ursachen und Folgen, Band 10, Dok.-Nr. 2457 b, S. 453.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben