Warum wurden die Germanen nicht romanisiert ?

nochmal zur Diskussion um meine Person - ich hab schon Beiträge gelesen, die waren vom Thema so weit weg, wie die Erde vom Mond. Wurden aber nicht gerügt. Aber das ist wahrscheinlich von der Tageslaune der "Kritiker" abhängig?


Vielleicht kann man die Frage auch so beantworten: Die Germanen drehten auf gut deutsch gesagt den Spieß um drangen immer mehr ins Römische Reich ein, brachten es zu Fall und germanisierten es sogar teilweise. Zum Beispiel die Franken in Gallien, die Goten in Hispanien, oder die Langobarden in der Lombardei.

Trotz der Gefahr der Themaverfehlung - es ist interessant dass man z.B. die Lombardei noch im 19. Jhd. als "germanisch" betrachtete.

Der gute alte Friedrich Engels schrieb 1859 noch eher zurückhaltend: Diese Art, den Rhein am Po zu verteidigen, ist aber sehr zu unterscheiden von der Tendenz sehr vieler deutscher Militärs und Politiker, den Po, d.h. die Lombardei und Venedig, für ein unentbehrliches strategisches Komplement und sozusagen für einen integrierenden Teil Deutschlands zu erklären.

Schon deutlicher wurde die Augsburger Allgemeine Zeitung die die Lombardei, Trentino und Venetien als deutsche Gebiete bezeichnete.


Will damit nur sagen, dass die Sicht der Dinge auch immer vom Zeitgeist und der Politik abhängig ist. Damals war man halt noch der Meinung der Germanen hätten die Römer germanisiert.
 
@valao:

Also dass die Germanen die Romanen germanisiert haben soll doch wohl eher ein Scherz sein...

Dass mit der Lombardei, Venetien etc hatte mit der Auslegung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu tun, als dessen Nachfolger damals viele das Deutsche Kaiserreich ansahen und hatte eigentlich gar nichts damit zu tun, dass diese Gebiete germanisiert, geschweige denn nur annähernd deutschsprachig waren.

Allerdings wenn ich an Mallorca denke, da könnte man dann schon eher von "Germanisierung" reden...:D
 
@ Lungos

ein Scherz gerade nicht ... aber zu einem kleinen Teil war.

Laut einem Buch - Hermann Noelle / Die Langobarden - konnten die Langobarden die Lomardei wegen ihrer geringen Volkszahl, die Romanen zwar nicht germanisieren, aber Sie holten die Romanen aus ihrer Litargie nach dem Zusamenbruch des Reiches heraus, brachten frischen Wind rein :rolleyes: ... germanisierten die Kultur, das Gemeinswesen, das Rechtssystem etc. etc.

Die gegenseitige geistige Befruchtung von Romanen und Germanen soll ja Genies aus der "lombardischen Schule" wie z. B. keinen geringeren als [font=Arial, Helvetica, sans-serif] LEONARDO da Vinci hervorgebracht haben.

Dass die Lomardei und Venetien deutsch sind, war wohl eher ein Wunschgedanken bzw. Propagandamittel um die Einverleibung dieser strategisch sehr wichtigen Gebiete zu rechtfertigen.
[/font]
 
Valao schrieb:
Vielleicht kann man die Frage auch so beantworten: Die Germanen drehten auf gut deutsch gesagt den Spieß um drangen immer mehr ins Römische Reich ein, brachten es zu Fall und germanisierten es sogar teilweise. Zum Beispiel die Franken in Gallien, die Goten in Hispanien, oder die Langobarden in der Lombardei.

Wärst du so freundlich und könntest mir bitte einige Beispiele für die Germanisierung bzw. Frankisierung der gallo-romanischen Bevölkerung in Gallien nennen?

....hießen nach der Frankisierung alle Gallo-Roamnen Chlodwig, Chlothar, Childerich, Chararich und Chlodobert?
 
Aragorn schrieb:
Wärst du so freundlich und könntest mir bitte einige Beispiele für die Germanisierung bzw. Frankisierung der gallo-romanischen Bevölkerung in Gallien nennen?

....hießen nach der Frankisierung alle Gallo-Roamnen Chlodwig, Chlothar, Childerich, Chararich und Chlodobert?

ja .... FRANKREICH ;)
 
Mercy schrieb:
Ist das der, bei dem die Germanen eine welthistorische Mission zu erfüllen haben, nämlich das morsch gewordene Römerreich zu zerstören[/I]?


von einer welthistorischen Mission ist nicht die Rede - ... und so morsch war das Römerreich wohl doch nicht
 
Tib. Gabinius schrieb:
Der Grund dafür ist zum einen die erwähnte Unfähigkeit oder der Unwille, Germanien zu besetzen. Der spätere Limes wurde als Grenze eingerichtet und so lange als Möglich bei behalten.

Nur um das zu präzisieren. Unwille oder Unfähigkeit zur Besetzung Germaniens war es wohl nicht direkt. Schließlich hatten die Römer Germanien bis zur Elbe durch germanische Klientelstaaten unter "relativer" Kontrolle. Varus ging wohl sogar daran, Germanien zu einer Provinz zu machen. Das es schließlich nicht zu einer Eroberung kam, lag, abgesehen von der Niederlage im saltus teutoburgiensis, wohl an der Infrastruktur Germaniens. Sie war schlecht. Es gab keine Städte wie in Gallien etc. Daher fehlten den Römern wichtige Basen. Zudem war die Kosten-/Nutzenrechnung schließlich sehr zu Ungunsten Roms, so daß man auf eine Eroberung vorerst verzichten wollte. Später ,späte RKZ, war Rom dann nicht mehr in der Lage Germanien zu erobern.
 
Sorry

Hallo,



sorry das ich mich erst jetzt melde, aber ich war gestern unerwartet verhindert. Zunächst noch zum Begriff Mitteleuropa. Ich hätte wohl besser sagen sollen „das Gebiet des Römischen Reiches, welches heute deutschsprachig ist“. Also der südliche Teil der Bundesrepublik, das linksrheinische Gebiet und die deutschsprachige Schweiz. Sind diese Gebiete wirklich vollständig romanisiert worden oder sprach die Stadtbevölkerung Latein während die Landbevölkerung weiterhin germanische bzw. keltische Sprachen verwendeten ? Im Moseltal soll es bis 1000 n. Chr. eine romanische Sprachinsel gegeben haben (Stichwort: Moselromanisch). Hat es nach der fränkischen bzw. alemannischen Landnahme noch weitere romanische Sprachinseln in dem oben beschriebenen Gebiet gegeben ? Mich würde interessieren wie lange Latein oder eine romanische Sprache in Köln, Trier oder Mainz nach der fränkischen Landnahme noch überlebt hat. Wenn die Germanen südlich und östlich des Limes wirklich zum größten Teil romanisiert waren, warum wurden die einfallenden Germanen dann nicht romanisiert, so wie in Spanien, Frankreich oder Italien ?



Ich selbst gehe davon aus, dass der Größte Teil der Landbevölkerung südlich des Limes und nördlich der Alpen nicht romanisiert war, während in Spanien oder Frankreich wohl auch ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung romanisiert war.



Conny :winke:
 
Mit der Vermutung, Conny, dass die Bevölkerung südlich des Limes nicht romanisiert gewesen sei, hast du durchaus unrecht. Sie war romanisiert und zwar in hohem Maße.

Als Kaiser Augustus seine Stiefsöhne Tiberius und Drusus 15 v. Chr. nach Germanien entsandte, eroberten sie das Alpenvorland bis zur Donau. Dort stießen sie auf den keltischen Stamm der Vindelicer und den ethnisch nicht ganz fassbaren, doch keltisch überformten Stamm der Raeter. Diese Stämme leisteten kaum Widerstand, was zur Vermutung geführt hat, dass sie durch Einfälle der langsam von Norden nach Süden vorrückenden Germanen bereits stark geschwächt waren.

Es entstand nun die neue Provinz Raetien mit der späteren Hauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg) im Südwesten und die Provinz Noricum östlich davon. Dieses Gebiet - also das heutige Süddeutschland mit Teilen Österreichs - wurde in kürzester Zeit völlig romanisiert und zwar derart umfassend, dass sich in Kunst, Kultur und Sprache keinerlei keltische Identitäten mehr finden.

Als die Verteidigung am Limes und an der Donau Mitte des 5. Jh. zusammenbrach, begann der Rückzug der romanisierten Bevölkerung aus dem Voralpenland. Wie sehr die Bevölkerung unter den Überfällen der Germanenstämme vom anderen Donauufer litt, wissen wir z.B. aus der Lebensbeschreibung des heiligen Severin, der rechtzeitig vor Überfällen durch Germanen warnte und sogar Verhandlungen mit den "Barbaren" führte. Aus der Verschmelzung von neu eingeströmten Germanen mit zurückbleibenden romanisierten Bevölkerungsteilen entstand dann allmählich der Stamm der "Boivarii", d.h. der "Bajuwaren" bzw. späteren Bayern.

Nicht romanisiert wurden die Alemannen, die seit etwa 200 n. Chr. das römische Grenzsystem in Südwestdeutschland bedrängten und den Limes schließlich um 260 n. Chr. überwanden. Die Kriegerverbände bemächtigten sich mit ihren Familien des Landes und wuchsen im neuen Siedlungsraum zum Stamm der Alemannen (Alamannen) zusammen. Die Römer verlegten daraufhin die Reichsgrenze an den Rhein, sodass es zu einer Romanisierung der Alemannen nicht kam, was alle Funde sehr deutlich zeigen. Dass die Elite hier wie auch anderswo gern römischen Schmück trug und römische Gebrauchsgegenstände ertauschte, ändert an dieser Tatsache nichts.

Im Raum des heutigen Westdeutschlands bzw. im römischen Gebiet westlich des Rheins wurden die germanischen Ubier, Vangionen, Bataver sowie die keltisch-germanischen Treverer nahezu völlig romanisiert. Vereinzelt müssen sich jedoch vorrömische Identitäten erhalten haben, denn es berichtet z.B. Hieronymus noch im 4. Jh., dass die keltischen Galater eine ähnliche Sprache wie die Leute um Trier spächen.

Aus all dem folgt das bereits oben gesagte: Die germanischen Stämme außerhalb des Römischen Reichs behielten ihre germanische Identität, während Germanen (und Kelten) innerhalb des Imperiums im Raum des heutigen Deutschlands mehr oder weniger stark romanisiert wurden.

Das Schicksal germanischer Stämme der Völkerwanderungszeit ist ein Sonderfall, der vom Problem der Romanisierung im eigentlichen Sinne abweicht.
 
beorna schrieb:
Nur um das zu präzisieren. Unwille oder Unfähigkeit zur Besetzung Germaniens war es wohl nicht direkt. Schließlich hatten die Römer Germanien bis zur Elbe durch germanische Klientelstaaten unter "relativer" Kontrolle. Varus ging wohl sogar daran, Germanien zu einer Provinz zu machen. Das es schließlich nicht zu einer Eroberung kam, lag, abgesehen von der Niederlage im saltus teutoburgiensis, wohl an der Infrastruktur Germaniens. Sie war schlecht. Es gab keine Städte wie in Gallien etc. Daher fehlten den Römern wichtige Basen. Zudem war die Kosten-/Nutzenrechnung schließlich sehr zu Ungunsten Roms, so daß man auf eine Eroberung vorerst verzichten wollte. Später ,späte RKZ, war Rom dann nicht mehr in der Lage Germanien zu erobern.

Beorna, danke für deine Ausführungen, aber nichts anderes habe ich gesagt ;)


Conny, da muß ich Dieter zustimmen, die römische Limesseite war romanisiert, und das in hohem Maße, wie etwa das Kölner Umfeld oder die Region Augsburg sehr deutlich zeigt. Von der Geburt bis zum Tod, römische Sitte, Sprache, Religion, Kunst...
 
Conny1 schrieb:
Hallo,



Hat es nach der fränkischen bzw. alemannischen Landnahme noch weitere romanische Sprachinseln in dem oben beschriebenen Gebiet gegeben ? Mich würde interessieren wie lange Latein oder eine romanische Sprache in Köln, Trier oder Mainz nach der fränkischen Landnahme noch überlebt hat. Wenn die Germanen südlich und östlich des Limes wirklich zum größten Teil romanisiert waren, warum wurden die einfallenden Germanen dann nicht romanisiert, so wie in Spanien, Frankreich oder Italien ?



Ich selbst gehe davon aus, dass der Größte Teil der Landbevölkerung südlich des Limes und nördlich der Alpen nicht romanisiert war, während in Spanien oder Frankreich wohl auch ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung romanisiert war.



Conny :winke:

Die Römer haben die Stämme in ihrem Gebiet romanisiert, um dadurch auch eine bessere Identifiaktion mit ihrem Imperium zu erwirken (Verhinderung von Überfällen, Aufständen und Plünderungen). Da sie immer mehr mit dem germanischen Druck fertig werden mußten, war eine Bevölkerung, die sich assimilierte für die Römer von entscheidender Bedeutung. Man versuchte das auch im unabhängigen Germanien (siehe der Cheruskerfürst Segestes, die Friesen, Bataver, Chauken,...). Hier versuchte man u.a. mit römischer Kultur und Handel Einfluß zu nehmen. Da aber die kriegerischen Auseinandersetzungen (siehe Arminius) negativ verliefen und sich z.B. die Markomannen dem römischen Einfluß entzogen (Abwanderung nach Böhmen), ist keine nachhaltige Romanisierung erfolgt.

Wieweit ihnen das bei den germanischen Stämmen in ihrem Gebiet vollständig gelungen ist, ist schwer zu sagen. In Gallien haben sie die keltische Identifikation (z.B. durch Verfolgung der Druiden) vollständig zerstört, sodaß man dann dort von Gallo-Römern ausgehen konnte. Haben die Germanen im Römergebiet ihre Identifikation aufgegeben? Sie haben von der römischen Kultur und dem Handel profitiert, sodaß z.B. die Treverer unter römischen Einfluß erst richtig aufblühten. Aber genauso schnell passten sie sich auch den Franken an. :grübel:

Bei den Germanen war das alles etwas schwieriger als bei den Kelten. In Gallien hat man die Druiden (Glauben/Wissen) vernichtet und bei unruhigen Stämmen den größten Teil der wehrfähigen Männer in die Armee geschickt. Nachweislich hat Augustus durch die Vernichtung des sugambrischen Adels und die Umsiedlung in linksrheinisches Gebiet den größten Teil der Sugambrer romanisiert. Aber das war nur einmal möglich....

Die Germanen hatten die Grenze des Rhein und Main/Donau (spätere Errichtung des Limes) mit den Römern. Die wenigen Stämme, die im römischen Machtbereich wohnten, hatten keinen Einfluß auf die restlichen unabhängigen Germanen. Die Stämme, die für die Entstehung der Franken, Sachsen, Alemannen, verantwortlich waren, waren alles andere als romanisiert. Deswegen ist beim Zusammenbruch des römischen Imperiums die Romanisierung der betroffenden Gebiete relativ schnell geändert worden. Ohne römische Verwaltung waren die Gebiete schutzlos ausgeliefert. Immer mehr germanische Zuwanderer brachten die römische Kultur in Bedrängnis. Die Römer selbst begaben sich wieder in andere Gebiete. So wird die lateinische Sprache auch schnell wieder verschwunden sein.
Erst die christliche Kirche brachte durch die Christianisierung die lateinische Sprache wieder in die Gebiete.

Es stellt sich die Frage, wiewiele Menschen überhaupt im römischen Imperium Latein sprachen. Irgendwo habe ich einmal gelesen, daß ein Historiker die Behauptung aufstellte, daß nur die römische Oberschicht und ein bestimmter Teil der Römer Latein sprach, während der Rest der Bevölkerung einen "lateinisch-italischen Kauderwelsch" sprach. Ob das stimmt? :grübel: :S
 
Nachhaltig durchgesetzt hat sich Latein in allen römischen Provinzen bzw. Ländern, die auch heute noch eine romanische Sprache sprechen. So z.B. in Frankreich, Spanien, Portugal und natürlich im italischen Kerngebiet.

Allerdings sprach man in diesen Provinzen kein literarisch anspruchsvolles Latein, sondern in der Regel ein mit fremden Lehnworten durchsetztes und grammatikalisch fehlerhaftes und verkürztes ("verderbtes") "Vulgärlatein", aus dem sich dann allmählich die verschiedenen romanischen Sprachen unter den besonderen Bedingungen ihrer jeweiligen Länder herauskristallisierten. Dieser Vorgang ist gewiss ein Indiz dafür, dass der Prozess der Romanisierung tief verwurzelt war. Selbst der germanische Stamm der Franken wurde auf ehemals römischem Reichsgebiet in Gallien romanisch überformt, wovon die berühmten Straßburger Eide vom 14. Februar 842, die Ludwig in romanischer (altfranzöischer) und Karl in althochdeutscher Sprache leisteten, Zeugnis ablegen.

Dass sich bei den Stämmen innerhalb des römischen Germaniens keine romanische Sprache entwickelte, zeigt wohl den geringeren Wirkungsgrad der Romanisierung an.
 
Mit dem Begriff der Romanen bezeichnet man diejenigen Völker, die aus dem Weströmischen Reich hervorgingen (auch Germannen) und deren Sprache sich aus dem lateinischen "entwickelt" hat ("romanisch = roemisch + germanisch"). Romanisch steht somit sowohl für germanisierte Römer als auch für römisierte Germanen im Grunde für einen Mulitkulti-Mix.

Der Vermischungsprozess begann mit der Eroberung von Gebieten, die von Germannen bewohnt waren (z.B. Süddeutschland) und führte über Handelsbeziehungen, die Ansiedlung germanischer Foederaten an den Grenzen des Römerreiches (4. Jahrhundert), der Entstehung germanischer Siedlungen auf dem Boden des Römerreiches (5. Jahrhundert), der schleichenden Machtübernahme seitens der Germanen bis hin zur Absetzung des Romolus Augustulus (476) durch den germanischen Truppenführer Odowaker, die für den Untergang des weströmischen Reiches steht, und der Entstehung germanischer Reiche im Raum des (ehemaligen) weströmischen Reiches: das Wandalenreich in Afrika (442); das Tolesanisches Westgotenreich (419) aus dem 507 das Spanische Westgotenreich hervorging; das Burgunderreich (443); das Ostgotenreich (493), welches dem Langobardenreich (568) weichen musste, und das Frankenreich (482).

Die Germanen waren militärisch überlegen und stellten fortan die Führung der verschiedenen Reiche. Die römische Bevölkerung war zahlenmässig überlegen. Italien zum Beispiel hatte unter Theoderich, dem König der Ostgoten, eine Bevölkerung von 6 Mio. Einwohnern, davon 150.000 Ostgoten. Ein Zusammenleben war also nur möglich, wenn sich Germanen und Römer versöhnten.

Theoderich verfolgte innenpolitisch einerseits eine Versöhnungspolitik. Die römische Bevölkerung stellte weiterhin die Verwaltungsbeamten, die Richter und dominierte weiterhin Handel und Gewerbe. Anderserseits verbot er Mischehen. Zugleich verhinderte die tiefe Kluft, die zwischen den römischen Katholiken Italiens und dem auf dem Konzil von Nicäa verurteilten arianischen Christentum der Ostgoten bestand, die Vermischung von Ostgoten und Römern. Diese Trennung begünstigte unstabile Verhältnisse. Schließlich musste das Ostgotenreich dem Langobardenreich weichen. Auf sprachlicher Ebene fanden auch germanische Einflüsse Aufnahme in die Sprache der römischen Bevölkerung. Es entstand ein römisch-germanischer Sprachen-Mix, aus dem dann das Italienische hervorging.

Der Frankenkönig Chlodwig hingegen bekannte sich zum christlichen Glauben römischer Lesart und ließ sich in Reims mit vielen fränkischen Adligen taufen. Hierdurch sicherte er sich die Freundschaft der einflussreichen römisch-katholischen Bischöfe und den Gehorsam der römisch-katholischen Einwohner Galliens. Er galt nun als Schutzherr der Kirche und wurde von dieser unterstützt. Der gemeinsame Glaube erleichterte die Vermischung der Franken mit der keltisch-römischen Bevölkerung Galliens. Schließlich nahmen die Franken sogar die aus dem lateinischen hervorgegangene romanische Sprache der Bewohner der ehemaligen Römerprovinz an.
 
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Gandolf schrieb:
Der Vermischungsprozess begann mit der Eroberung von Gebieten, die von Germannen bewohnt waren (z.B. Süddeutschland) und führte über Handelsbeziehungen,...

Alles soweit richtig, allerdings gab es meiner Ansicht nach keine Germanen in Süddeutschland als die Römer den heutigen süddeutschen Raum eroberten. Die Römer trafen dort auf keltische Stämme. Der südlichste Stamm der Germanen waren die Sueben, die am Rhein- und im südlichen Maingebiet wohnten.
Die Romanisierung hat daher nur sehr wenige germanische Stämme betroffen. So zählten noch nicht einmal die Bataver und Friesen zum römischen Imperium.
Mit der Erstürmung des Limes und der Überwindung der Rheingrenze haben sich die Germanen in vormals römisches Gebiet hereinbegeben. Daher wurden auch kulturelle und sprachliche Begebenheiten übernommen. Teils hatten die Germanen keine Begriffe für römische Errungenschaften. :)
 
Ich meine mich daran zu erinnern einmal über die Germanisierung der Schweiz gelesen zu haben, dass sich die Germanen außerhalb der Städte in Sippenverbänden angesiedelt hatten. Das Latein in den Städten lebte dadurch noch länge Zeit hin weiter und beeinflußte daher die umgebenden Germanen, die dadurch auch viele lateinische Worte für "moderne" römische Errungenschaften übernahmen. Auch die Gelehrten der Städte sollen von den neuen Machthabern weiter beschäftigt worden sein, sodass z.B. die Rechts- und Gelehrtensprache weiterhin Latein blieb...

Nachtrag:
Es gehört zwar nicht direkt zum Thema, aber nun ja:
Die alemannischen Orte mit "-ingen"-Endung bedeutete, dass z.B. in Dett-ingen die Dett-inger wohnten, also der Sippe des Dett angehörten. In der Schweiz gibt es Orte, die Doppelendungen haben, da sich alemannische Sippen an Orten der Vorbevölkerung angesiedelt hatten (ein interessanter Aspekt, aber ich finde die Website nicht mehr und bekomme die Doppelendungen nicht mehr hin).
 
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Gandolf schrieb:
Mit dem Begriff der Romanen bezeichnet man diejenigen Völker, die aus dem Weströmischen Reich hervorgingen (auch Germannen) und deren Sprache sich aus dem lateinischen "entwickelt" hat ("romanisch = roemisch + germanisch"). Romanisch steht somit sowohl für germanisierte Römer als auch für römisierte Germanen im Grunde für einen Mulitkulti-Mix.

Der Begriff "romanisch" kommt von nichts anderem als vom lateinischen Begriff "romanus", und das heißt übersetzt nichts anderes als: "Römer".
 
Ethymologisch betrachtet mag das ja sein, dass das Wort "romanisch" vom lateinischen Wort "romanus" (Römer) abstammt. Aber heisst das auch, dass die Romanen Römer waren?


In diese Richtung zielt die orthodoxe Definition der Romanen, wonach Romanen jene Völker sind, a) die aus dem Weströmischen Reich hervorgingen und b) deren Sprache sich aus dem lateinischen entwickelt hat. Da sich dieser Definition zufolge, die romanischen Sprachen aus dem Lateinischen entwickelten, wäre Rom die Mutter der Romanen und die Romanen so etwas wie Neo-Lateiner.


Doch diese Definition hat einen Haken und der liegt in der Formulierung "aus dem Lateinischen entwickelt":
  • Als sich die Römer im Mittelmerraum breit gemacht haben, lebten dort bereits andere Völker (Etrusker, Kelten, Iberer, Griechen, Ägypter, etc.), die selbstverständlich ihre eigenen Sprachen gesprochen haben.
  • Das Lateinische verbreitete sich in den von Rom besetzten Gebieten. Die Römer erzwangen dies nicht. Sie waren ja keine Sprachnationalisten. Das Lateinische verbreitete sich aber im Militär, in der Verwaltung und im Handel. Es war eine Art Klammer, die das Reich verband. Es war für das Universum des Römischen Reiches die Weltsprache. So wie man heutzutage zum Zwecke des Broterwerbs globalesisch (und nicht englisch) spricht, sprach man früher jenes "Vulgärlatein" von dem @Dieter in seinem Beitrag gepostet hat.
  • Im Laufe der Zeit fand das Lateinische Eingang in die Sprachen der nichtrömischen Bevölkerung, die sich im Laufe der Zeit mit den Römern vermischte oder auch nicht.
  • Der Grad der Beeinflussung war von Region zu Region unterschiedlich, was auch mit dem kulturellen Selbstbewusstsein dieser Region zusammenhing. In Griechenland war er eher gering. Die Griechen sahen sich ja als kulturell höherwertig an. Bei den gallischen Kelten war er eher hoch. Caesar hatte mit seinem "Gallischen Krieg", der Hand in Hand mit Völkermord ging, das kulturelle Selbstbewusstsein der vor dem kulturellen Durchbruch gestandenen Gallier tief getroffen.
Die romanischen Sprachen entstanden also nicht aus dem Lateinischen, sondern das Lateinische hat im Raum des weströmischen Reiches die keltischen Sprachen stark beeinflusst. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Weg zur Bildung der romanischen Sprachen mit dem Untergang des weströmischen Reiches schlagartig abgeschlossen war oder ob dieser noch fortdauerte und auch von den Germanen und deren Sprachen beeinflusst wurde. Auffällig ist, dass die Sicht, das Romanische habe sich aus dem Lateinischen entwickelt, Rom in den Mittelpunkt stellt und sowohl die keltische Mutter als auch die germanischen Einflüsse ausblendet.


>>Der Begriff "Romanen" werde häufig als Gegenbegriff zu "Germanen" verwendet. Betrachte der Historiker hingegen die Kultursynthese von Romanen und Germanen im Spiegel der Historiographie, so müsse er das Interesse dieser Quellenart berücksichtigen, der es um die Darstellung der politischen Einheit und der Glaubenseinheit ginge. Der (...) Gegensatz Romanen und Germanen begegne so nicht in den historiographischen Quellen. Vor dem Hintergrund der neueren Ethnogeneseforschung, die den Prozess der Ethnogenese, der politischen Einigung und der kulturellen Synthese als wesentlich vom Selbstverständnis der frühmittelalterlichen gentes bestimmt begreift, werde deutlich, daß es sich bei dem Gegensatz zwischen Romanen und Germanen um ein quellenfernes Konstrukt der modernen Forschung handele. Der Vortragende (gemeint ist Prof. Hans-Werner Goetz aus Hamburg, Gandolf) regt deshalb abschließend an, den Prozess der Kultursynthese mitsamt den dahinter stehenden modernen Theorien neu zu überdenken.<< (Tagung des DFG-Projektes "Nomen et Gens - Name und Gesellschaft" zum Thema "Akkulturation -
Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter - Quelle:
http://www.dhi-paris.fr/seiten_deutsch/veranstaltungen/berichte/akkulturation.htm).


Meine als Eselsbrücke gedachte Kurzformel "romanisch = roemisch + germanisch" sollte eigentlich diese Synthese ausdrücken. Sie dürfte wegen dem fettgedruckten (ro + manisch) mehr vom wortverspielten Esel haben als eine echte Brücke darstellen. Korrekt müsste diese Formel ohnehin wie folgt lauten: "romanisch = keltisch + römisch + germanisch", wobei man das keltische Element vermutlich noch weiter atomisieren könnte.


Um aber zur Frage zurückzukommen, warum die Germanen nicht romanisiert wurden, möchte ich darauf hinweisen, dass die Germanen
a) wenn man den Begriff der Romanen synthetisch versteht, Teil der Romanisierung waren und
b) wenn man den Begriff im herkömmlichen Sinne versteht, sehr wohl romanisiert wurden, was das von mir erwähnte Beispiel der Franken unter Chlodwig zeigt.
 
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Hallo Gandolf,

Dein Verständnis von Vulgärlatein ist falsch. Vulgärlatein ist kein antikes Pidgin, sondern die Sprache der Bevölkerung Roms. In den Provinzen werden verschiedene Dialektformen gesprochen, die sich erst nach dem Zusammenbruch des Reiches auseinanderentwickelt haben: Erst dann können fremde Einflüsse zur Differenzierung ausgemacht werden (vorher hatten diese nicht diese Funktion).

Das Keltische und Germanische sind allenfalls Substrate (keltisch, germanisch) und Superstrate (germanisch) für einen Teil der romanischen Sprachen, nicht aber deren Grundlagen.
 
Gandolf schrieb:
Ethymologisch betrachtet mag das ja sein, dass das Wort "romanisch" vom lateinischen Wort "romanus" (Römer) abstammt. Aber heisst das auch, dass die Romanen Römer waren?

"Römer" ist in erster Linie ein politischer Begriff (civis romanus), "Romane" in erster Linie ein sprachwissenschaftlicher.

Gandolf schrieb:
Als sich die Römer im Mittelmerraum breit gemacht haben, lebten dort bereits andere Völker (Etrusker, Kelten, Iberer, Griechen, Ägypter, etc.), die selbstverständlich ihre eigenen Sprachen gesprochen haben.

Die einen gaben ihre Sprache zugunsten des Lateinischen auf, z. B. die Etrusker, die Iberer und die Festlandskelten, und damit sind diese Sprachen ausgestorben. Bei Griechen und Ägyptern war das nicht der Fall. (Das Koptische wurde später vom Arabischen verdrängt und hat sich nur noch als Liturgiesprache erhalten.)


Gandolf schrieb:
Im Laufe der Zeit fand das Lateinische Eingang in die Sprachen der nichtrömischen Bevölkerung, die sich im Laufe der Zeit mit den Römern vermischte oder auch nicht.
Im Fall des Etruskischen, Iberischen oder Festlandskeltischen ist die Formulierung falsch oder zumindest grob euphemistisch. Das Lateinische fand nicht "Eingang in die Sprachen", es verdrängte die Sprachen, und zwar so vollständig, daß am Ende dieses Prozesses diese Sprachen ausgestorben waren.


Gandolf schrieb:
Die romanischen Sprachen entstanden also nicht aus dem Lateinischen, sondern das Lateinische hat im Raum des weströmischen Reiches die keltischen Sprachen stark beeinflusst.
Eine derartige Behauptung sollte auch durch Belege untermauert werden.



Gandolf schrieb:
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Weg zur Bildung der romanischen Sprachen mit dem Untergang des weströmischen Reiches schlagartig abgeschlossen war oder ob dieser noch fortdauerte und auch von den Germanen und deren Sprachen beeinflusst wurde.
Die Frage ist schnell beantwortet: Die Entwicklung der romanischen Sprachen hörte ja nicht irgendwann auf; auch heute sind die romanischen Sprachen germanischen (zumindest "globalesischen") Einflüssen ausgesetzt.
 
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