Warum wurden die Germanen nicht romanisiert ?

ning schrieb:
Im Gegensatz zu den Römern setzten sich - gerade wegen der Minderbeurteilung seitens der Römer (barbaren) - die Germanenvölker sehr wohl mit Lebensart und Kultur Roms auseinader. Und "Stolz (Ehre)" waren Grundbegriff für einen Germanen. Die sahen sehr wohl die röm. Dekadenz.*
Und beschlossen daher, unromanisert zu bleiben.

Lieber Ning,

es wäre schön, wenn alles so romantisch und voller Ideale gewesen wäre. Das Leben ist leider nicht so. Ich nehme an, ohne einen in der römischen Militärtechnik ausgebildeten Germanen, den Anfangserfolg in der Varusschlacht und die Partisantaktik, ein Erfolg unmöglich gewesen wäre.
Der Fehler aller sonstigen Gegner Roms einschließlich Gallier und Juden war es, die Römer in offener feldschlacht besiegen zu wollen.
Ho Chi Min und die Viet kongs gab es damals noch nicht.
Außerdem bezweifele ich, dass die Germanen überhaupt wussten, dass sie Germanen sind. Sie weden sich als Cherusker, Chatten, Marser oder Markomannen gesehen haben.:rolleyes:
 
Könntest Du die Etyma evtl. mitauflisten, die sind mir nämlich nicht bei allen Wörtern klar (z.B. Kampf, Zoll, Kerze, Kissen, kaufen, Kiste, pflücken, den Obst- und Gemüsesorten, Becher und Tisch)
 
El Quijote schrieb:
Könntest Du die Etyma evtl. mitauflisten

Aber mit dem allergrößten Vergnügen!


Pfeil = pilum
Kampf = campus ("Schlachtfeld")
Straße = via strata
Kaiser = Caesar
Kerker = carcer
Zoll = toloneum
kaufen = caupo ("Gastwirt")
Pfund = pondo
Münze = moneta
Markt = mercatus
Kiste = cista
Karren = carrus
pflanzen = plantare
pflücken = *piluccare (spätlatein. aus "pilare")
Birne = pirum
Kirsche = cerasus
Pflaume = prunum
Pfirsich = persicus
Kohl = caulis
Zwiebel = cepula (spätlatein. aus "cepa")
Rettich = radix
Kümmel = cuminum
Becher = *bicarus (vulgärlatein)
Mauer = murus
Ziegel = tegula
Kalk = calx
Fenster = fenestra
Kamin = caminus
Kammer = camera
Keller = cellarium
Küche = coquina
Tisch = discus
Spiegel = speculum
Pfanne = panna (vulgärlatein aus "patina")
Kerze = charta (nicht ganz sicher, vielleicht aus "cerata?")
Kissen = *coxinus (wohl galloromanisch, daher berechtigter Einwand!)


Wolfgang Pfeifer u. a., dtv - Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 3. Auflage, Berlin 1993
Peter von Polenz, Geschichte der deutschen Sprache, Berlin/New York 1978
 
Bei einigen hätte man drauf kommen können, wie etwa Rettich, oder Tisch. Bei Kampf hatte ich auch an Campus gedacht, aber das wieder verworfen, weil mir ein landwirtschaftlicher Begriff einfach nicht zu einem politischen/militärischem Begriff passen wollte. Ist aber im Nachhinein logisch. Andere Wörter erkenne ich natürlich aus der Romania wieder, hatte aber nie den Transfer geleistet, dass die dt. Versionen lat. Etyma haben, wobei ich das teilweise durchaus logisch finde...
 
heinz schrieb:
Lieber Ning,

es wäre schön, wenn alles so romantisch und voller Ideale gewesen wäre. Das Leben ist leider nicht so. Ich nehme an, ohne einen in der römischen Militärtechnik ausgebildeten Germanen, den Anfangserfolg in der Varusschlacht und die Partisantaktik, ein Erfolg unmöglich gewesen wäre.
Der Fehler aller sonstigen Gegner Roms einschließlich Gallier und Juden war es, die Römer in offener feldschlacht besiegen zu wollen.
Ho Chi Min und die Viet kongs gab es damals noch nicht.
Außerdem bezweifele ich, dass die Germanen überhaupt wussten, dass sie Germanen sind. Sie weden sich als Cherusker, Chatten, Marser oder Markomannen gesehen haben.:rolleyes:

Ich habs nicht so detailiert und pto. kriegerischer Auseinadersetzung (vor allem der letzten jahrzehnte des (der) röm. Reiche/s gemeint.
Aber, lieber Heinz, ich stimme dir darin absolut zu, was die Identität der einzelnen Stäme betrifft. Absolut!

Meine Erklärung war schlicht auf die Eingangsfrage bezogen: das Einigende, die einigende "germanische" Identität, also Zusammengehörigkeitsgefühl war die nahverwandte Sprache, (+Kult und Lebensart) zum einen und das schlichte Reagieren auf ein korrupt gewordenes "Vorbild" Rom. Erst der Austausch (Hilfstruppen bis hin zur militär. Laufbahn) gab den versch. Germanenvölkchen m. Meinung nach die für sie springende Idee des Zusammenschlusses ein (Franken, Thüringer, Alamanen, Sachsen, Bayern oder auch Vandalen+Alanen+Westgotenteile etc.). Und das war das Erfolgskonzept IN FOLGE.

Zuvor ließen sie sich aber nicht romanisieren. Weil sie keinen Bock darauf hatten. :cool:
 
Für eine Romaniesierung, Germaniesierung, Slawisierung etc. sind sicher einige Aspekte mehr zu berücksichtigen.

Aber zu sagen soetwas hätte nicht stattgefunden, weil irgendjemand "keinen Bock drauf" hatte oder die Leute lieber so blieben wie sie waren, das ist doch albern!

Sehen wir uns doch mal die römische Welt an, da wurden sehr viele aber eben nicht alle Völker (z.B. Griechen) romanisiert, obwohl sie unter Roms Herrschaft standen. Und genau das ist ein ganz entscheidender Punkt: Herrschaft!
Diese hat Rom de facto nie über Germanien ausgeübt.

Noch ein anderer Gedankenansatz: Warum wurden die germanischen Stämme im Zuge der Völkerwanderung in ehemals römischen Gebieten dann doch romanisiert, wenn sie denn so gar keinen Bock drauf hatten???
 
Meine Meinung: sie erhielten sich Sprache und Lebensart aus gelebter Reaktion auf das röm. Reich bzw. auch die "Verformung" ihrer Stammesverwandten links des Rheins..
Ihre Sprache erhielten sie sich. Die Lebensart - nun ja... Ganz klar ist, dass sich Anführer der Germanenstämme gerne mit römischen Luxusgütern begraben ließen. Abgesehen davon behielten die Römer auch auf die rechtsrheinischen Stämme nach der Varus-Niederlage eine beträchtliche Kontrolle - z.B. auf die Cherusker, von denen wir mit Flavus und Italicus (!) zwei Anführer kennen, die als Geiseln in Rom aufgewachsen sind. Eine kulturelle Gegenreaktion der Stämme der "Germania libera" auf die Romanisierung kann ich einfach nicht erkennen.

Die Römer signalisierten und führten Desinteresse an Unterworfenen in gewisser Weise durch. Auseinadersetzungen über Essentielles, Kultur, also die Sprache vorweg, fand bei der Herrengesellschaft aus Rom nicht statt...
Ich vermute bzgl. Rom darin aber wiederum eine Grundlage für seine Vormacht, also Ignoranz hat schon was.
Wogegen es Widerstand (aus kultureller Sicht) gab, war hier und da die Einführung der römischen Währung sowie Steuern (es sei hier nur kurz ans biblische "Redde Caesari quae sunt Caesari" erinnert). Überall im Reich lässt sich feststellen, wie regionale Völkergruppen ihre Eigenheiten weiterverfolgten. Dies hängt vor allem mit der großen religiösen Toleranz zusammen - die alten Götter wurden weiterverehrt, wenn sie auch dann meist im synkretistischen latinisierten Gewand daherkamen.
Es stimmt noch nicht mal, dass es keine "Auseinandersetzungen" über die Kultur gab. Stichworte: Marc Aurel, der zu Beginn seiner Selbstbetrachtungen ausführlich seine geistige Erziehung beschreibt, die große Griechen-"Verehrung" von Kaisern wie Nero oder Hadrian, die Existenz der Satiren von Juvenal an sich...

Im Gegensatz zu den Römern setzten sich - gerade wegen der Minderbeurteilung seitens der Römer (barbaren) - die Germanenvölker sehr wohl mit Lebensart und Kultur Roms auseinader. Und "Stolz (Ehre)" waren Grundbegriff für einen Germanen. Die sahen sehr wohl die röm. Dekadenz.*
Ich schätze es gerade in der alten Geschichte nicht so, wenn man abstrakte Begriffe wie "Stolz" oder "Dekadenz" zur Klassifizierung verwendet. War es eine "stolze" germanische Tat, als Amalaswintha im Bade ermordet wurde?
Ist ein damals so modernes Gesetz wie die "Constitutio antoniana" des Caracalla 212 als "dekadent" zu bezeichnen? Oder - noch trockener - auch der Höchstpreisedikt von Diokletian, der die Händler zum Maß halten veranlassen sollte?

Und beschlossen daher, unromanisert zu bleiben.
Nach den cheruskisch-markomannischen Beschlüssen des Jahres 9 geben wir bekannt... =) Sorry, konnte ich mir nicht verkneifen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann mich dem von Ashigaru gesagten nur anschließen. Gerade die letzten Postings triefen vor Vorurteilen, romantischen Vorstellung, Verallgemeinerungen und, nicht böse gemeint, Halbwissen.

Allen voran Arminius, um den hier wie überall schon viel diskutiert wurde. Ist es wirklich ein Freiheitsgedanke gewesen? Und wie ist der Verrat an dem Mann zu werten, der ihn zu seinen besten Freunden zählte und ihm, ob ersteres wahr ist oder nicht, sein Vertrauen schenkte?


Es erscheint mir immer wieder faszinierend, wie schnell Römer mit Begriffen wie Dekadenz, Imperialismus, Ignoranz usw. beehrt werden, während man anderen Völkern dafür Ehre, Stolz und Freiheitsliebe zugesteht.
Ein Kaiser, der seine Truppen gegen die Daker führt kann nur Mord, Plünderung und Langewinn im Auge haben, aber ein Germane der über die Grenzen schreitet, der kämpft um seine Freiheit.

Liebe Forumsteilnehmer, dies ist mal ein genereller Aufruf: differenziert!
Rom bestand über 1000 Jahre, sein Reich um die 700 Jahre, und hat sein Gesicht in jedem Aspekt wenigstens ein mal geändert. Die Menschen die darin lebten oder es gar beherrschten sind unmöglich über einen Kamm zu scheren.
Einen Stoiker wie Marcus Aurelius und seine Motive mit einem ehrgeizigen Feldherren wie Caesar über einen Kamm zu scheren entspräche etwa der Tendenz,Theoderich mit Maximilian I. gleichzusetzen.

Bevor also wirklich Begriffe wie Dekadenz genutzt werden, die auch in der römischen Geschichte ihren Platz haben, sollte sich sehr genau angesehen werden, wo sie zu platzieren und wie weit sie zu nutzen sind.

Nun zum inhaltlichen im Detail.
@ ning, mich überrascht so manches was du hier von dir gabst außerordentlich.
Anmerkung: Niedergang ab gut 100 n. Chr. (Severus, M. Aurel, Trajan, Hadrian sind für mich eine Gegenraktion, ein positives Konsoldierungsaufflackern. Und hat nicht schon Commodus des Marc Aurels Leistungen wieder ansatzweise zunichte gemacht, bzw. seine Nachfolger?)
Ich hoffe du bist dir über die vollkommen durcheinander gebrachte Reihenfolge im klaren... und ein Niedergang um 100? Man geht von einem goldenen Zeitalter und Hadrian und Antoninus Pius aus, die wirtschaft florierte, die Menschen konnten ihrem Leben ohne größere Bedrohung nachgehen, die Grenzen waren gesichert und wurden in Relation auch friedlich gehalten.

Die Römer signalisierten und führten Desinteresse an Unterworfenen in gewisser Weise durch.
Gerade die Religion und die Entwicklung der gallo-romanischen Mischkultur spricht hier eine andere Sprache... Die Römer hatten massives Interesse an anderen Kulturen und deren Errungenschaften, aber sie zogen nur das positive heraus und achteten dabei auf ihre eigenen Traditionen. Warum sonst sollten schon im 1. Jh. n. Chr. Kaiser auf den Thron kommen, die nicht aus Rom oder Italien stammten?

Zur Romanisierung selbst wurde wahrlich nun viel gesagt, angefangen mit den romanisierten Germanenstämmen seit Augustus bis hin zum Selbstläufer Romanisierung mit dem Einfall der Germanen ins tiefste Reichsinnere...
 
ning schrieb:
Meine Erklärung war schlicht auf die Eingangsfrage bezogen: das Einigende, die einigende "germanische" Identität, also Zusammengehörigkeitsgefühl war die nahverwandte Sprache, (+Kult und Lebensart) zum einen und das schlichte Reagieren auf ein korrupt gewordenes "Vorbild" Rom. Erst der Austausch (Hilfstruppen bis hin zur militär. Laufbahn) gab den versch. Germanenvölkchen m. Meinung nach die für sie springende Idee des Zusammenschlusses ein (Franken, Thüringer, Alamanen, Sachsen, Bayern oder auch Vandalen+Alanen+Westgotenteile etc.). Und das war das Erfolgskonzept IN FOLGE.
Zuvor ließen sie sich aber nicht romanisieren. Weil sie keinen Bock darauf hatten. :cool:

Du hast recht lieber Ning.

Erst durch den Kontakt mit der römischen Kultur wurde ihnen ihr Anderssein bewusst. Sie übernahmen, was sie als günstig für sich ansahen und das Andere ließen sie.:)
 
Tib. Gabinius schrieb:
Ich kann mich dem von Ashigaru gesagten nur anschließen. Gerade die letzten Postings triefen vor Vorurteilen, romantischen Vorstellung, Verallgemeinerungen und, nicht böse gemeint, Halbwissen.

Lieber Tib., vor Deinem, Ashigarus und einiger anderer hier nicht Erwähnter Detailswissen habe ich entsprechende Hochachtung.
Nun war die Eingangsfrage eine grundsätzlich knappe und meine Antwort eine zusammen fassende und das Ausufern vemeiden wollende.
Ich habe auch ohne Rücksicht auf den bisherigen Thread, nur Heinzens letzte Bemerkung gelesen habend, mein "grobe Vereinfachung" gepostet.

Tib. Gabinius schrieb:
Es erscheint mir immer wieder faszinierend, wie schnell Römer mit Begriffen wie Dekadenz, Imperialismus, Ignoranz usw. beehrt werden, während man anderen Völkern dafür Ehre, Stolz und Freiheitsliebe zugesteht.
(...)aber ein Germane der über die Grenzen schreitet, der kämpft um seine Freiheit.

So hätt ich das niemals vereinfacht. Der letzte Satz ist natürlich Unfug, von dem wir wissen, woher er ideologisch herrührt.
Nochmal: für mich ging es ausschließlich um die Zeit des Niedergangs, der letzten, sagen wir, 7 Generationen. Also genau um die Zeit, in der die Germanenvölker außerhalb der röm. Reichsgrenzen ins Licht der Geschichte treten, so RICHTIG ins Licht treten. Und von wegen "um ihre Freiheit" kämpfen: natürlich nicht, sie holten, nahmen sich Land, drückten die Grenzen ein, dies im Wissen um die inneren Schwächen Roms, ergo ohne den früheren starken Verhandlungspartner (betrifft: Alemannen, später Franken, die aus der Position der Stärke agierten).
Wenn ein mit drei Bronzefiebeln zusammengehaltener Leinenstoff-oder Bärenfell-Barbar einem Römer in Seide mit Goldfadenapplikationen gegenüber tritt und diesem seinen Reichtum abnimmt, dann war sein "Stolz und seine Ehre" bestimmt einigermaßen erhöht, nicht? ;) Aber das klingt nun wieder falsch in den Ohren.
Punkto Ignoranz hier nun die hintergründigen Gedanken: Sie holten sich schlussendlich, was Rom einfach nicht haben wollte. Die von Norden/Nordosten bedrängten Völker an Roms Grenzen baten mit ihren Unruhen meines Eindrucks nach um Integration. Manche eindeutig, um Land und Schutz bittend. Die wurden hingehalten und abgeschoben: "festung Europa alla Roma". Was war es, wenn nicht grundsätzliches Desinteresse (Ignoranz) seitens Rom, die Germanen nördl. der Donau sich lieber gegenseitig aufreiben zu sehen, denn als Puffer und Föderierte mit entsprechende Sicherheiten und Rechten auszustatten und auf ihre Seite zu ziehen? Erklärt mir das mal, bitte, falls ich da völlig falsch liege.

Tib. Gabinius schrieb:
Liebe Forumsteilnehmer, dies ist mal ein genereller Aufruf: differenziert!
Rom bestand über 1000 Jahre, sein Reich um die 700 Jahre, und hat sein Gesicht in jedem Aspekt wenigstens ein mal geändert. Die Menschen die darin lebten oder es gar beherrschten sind unmöglich über einen Kamm zu scheren.
Einen Stoiker wie Marcus Aurelius und seine Motive mit einem ehrgeizigen Feldherren wie Caesar über einen Kamm zu scheren entspräche etwa der Tendenz,Theoderich mit Maximilian I. gleichzusetzen.
Bevor also wirklich Begriffe wie Dekadenz genutzt werden, die auch in der römischen Geschichte ihren Platz haben, sollte sich sehr genau angesehen werden, wo sie zu platzieren und wie weit sie zu nutzen sind.

Marc Aurel und Caesar hat hoffentlich jemand anderer am Kopf zusammenwachsen lassen... :grübel: Nochmal: ich bezog mich auf das Schlusskapitel der letzten gut 200 Jahre (w.o.), die Stoa marc Aurels mag ich sehr.

Tib. Gabinius schrieb:
@ ning, mich überrascht so manches was du hier von dir gabst außerordentlich.
Ich hoffe du bist dir über die vollkommen durcheinander gebrachte Reihenfolge im klaren... und ein Niedergang um 100? Man geht von einem goldenen Zeitalter und Hadrian und Antoninus Pius aus, die wirtschaft florierte, die Menschen konnten ihrem Leben ohne größere Bedrohung nachgehen, die Grenzen waren gesichert und wurden in Relation auch friedlich gehalten.

Gerade die Religion und die Entwicklung der gallo-romanischen Mischkultur spricht hier eine andere Sprache... Die Römer hatten massives Interesse an anderen Kulturen und deren Errungenschaften, aber sie zogen nur das positive heraus und achteten dabei auf ihre eigenen Traditionen. Warum sonst sollten schon im 1. Jh. n. Chr. Kaiser auf den Thron kommen, die nicht aus Rom oder Italien stammten?.

Zu den Details, die ich viell. nicht erwähnen hätte sollen: die Reihenfolge weiß ich, nicht superexakt die weniger bekannten Figuren betreffend, aber in den hervorragenden. Pardon, dass mir Hadrian und Trajan erst nach Severus und M. Aurel (zusätzlich) eingefallen sind: keine Reihenfolge war hier gemeint! Ach ja, und vor allem Antoninus Pius!! wollte mir nicht einfallen. Ich habe immer diese wunderbare Büste vor Augen, den Namen muss ich in gedanken endlich fest einmeisseln.

Ich schrieb von einem (für mich kontinuierlichen) Niedergang ->AB<- 100. Zugegeben, das ist ein recht grober und früher Ansatz. Den mache ich, bitte korrigiert mich, primär in der Land/Steuerverteilung, also dem zunehmenden, nie korrigierten Großgrundbesitzertum fest. Sowie deren Nicht-Besteuerung. Das stand dem gleichzeitigen Gros des verhältnismäßig viel unabhängigeren Freien und Litenwesens der german. Stämme doch augenscheinlich entgegen. Ich weiß, dass nun dieses und jenes Argument bzgl. des german. Adels daher kommen wird. Fakt ist, dass das german. Besitz- bzw. Mindest-Anspruchsrecht der Bauern keine solche Masse verarmter Landarbeiterschaft wie auf röm. Boden erzeugt hat.
Kurz und heute gern zitiert: die Kluft zwischen wenigen, steuerbefreiten, Reichen und einer großen Menge hart besteuerter Kleinbauern ist (für mich) das Gesellschaftbild der zumindest letzten beiden Jahrhunderte des röm. Reiches. Sorry, das ist für mich das Hintergrundsbild der Dekadenz, die andererseits in der Hauptstadt zelebriert wurde.
Beispiel: der in Sachen militär. Konsolidierung so erfolgreiche Dioketian, hat diesen gesellschaftl. Missstand sogar noch verschlimmert, anstatt, selbst aus genau diesen "armen Verhältnissen" stammend, endlich die Großgrundbesitzer zu besteuern, ließ er deren Rechte unangetastet bzw. beteiligte seine parteigänger darin. Das nenn ich Dekadenz.
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote schrieb:
Bei einigen hätte man drauf kommen können, wie etwa Rettich, oder Tisch. Bei Kampf hatte ich auch an Campus gedacht, aber das wieder verworfen, weil mir ein landwirtschaftlicher Begriff einfach nicht zu einem politischen/militärischem Begriff passen wollte. Ist aber im Nachhinein logisch. Andere Wörter erkenne ich natürlich aus der Romania wieder, hatte aber nie den Transfer geleistet, dass die dt. Versionen lat. Etyma haben, wobei ich das teilweise durchaus logisch finde...
Geh ich richtig in der Annahme, das die Germanen Fenster und Tische garnicht kannten und deshalb diese später als Lehnwörter benutzten ?
Auch Stuhl ist glaub ich ein Lehnwort und war meines Wissens als Möbelstück den Germanen zunächst unbekannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tekker schrieb:
Sehen wir uns doch mal die römische Welt an, da wurden sehr viele aber eben nicht alle Völker (z.B. Griechen) romanisiert, obwohl sie unter Roms Herrschaft standen.

Die Römer haben aber immer die griechische Kultur sehr hoch geschätzt. Nicht umsonst gingen viele junge Römer nach Athen (bzw. wurden von ihren Vätern dorthin geschickt :D ), um dort Rethorikschulen zu besuchen und die griechische Kultur mitzubekommen. Auch die Fähigkeit Griechisch zu sprechen zeugte von Bildung. Im Osten des Imperiums, also nicht nur Griechenland sondern auch in Kleinasien und in den Provinzen, die im heutigen Vorderen Orient liegen, wie Syrien etc. wurde überwiegend Griechisch gesprochen und nicht Latein.
 
udor62 schrieb:
Geh ich richtig in der Annahme, das die Germanen Fenster und Tische garnicht kannten und deshalb diese später als Lehnwörter benutzten ?
Auch Stuhl ist glaub ich ein Lehnwort und war meines Wissens als Möbelstück den Germanen zunächst unbekannt.

Ich weiß, daß die Germanen in ihren Häusern Rauchabzugslöcher hatten, meistens an der Stirnseite under dem Giebel eine dreieckige Aussparung. Glas haben sie tatsächlich erst durch die Römer kennen gelernt, zumindest, daß man das Glas in solche Abzugslöcher oder sonstige Aussparungen in Mauern setzen konnte.

Was Stühle und Tische angeht, so weiß ich es nicht, könnte mir aber vorstellen, daß der Häuptling nicht mit den anderen auf einer langen Bank sitzen mußte, sondern vielleicht seine eigene Sitzgelegenheit hatte. Aber das ist nur Vermutung.
 
udor62 schrieb:
Auch Stuhl ist glaub ich ein Lehnwort und war meines Wissens als Möbelstück den Germanen zunächst unbekannt.

Nein, "Stuhl" ist kein Lehnwort, sondern ein altes germanisches Wort. Die ursprüngliche Bedeutung war aber "Gestell" - daher kommen auch Wörter wie "Dachstuhl", "Webstuhl" oder "Glockenstuhl".
 
Fakt ist, dass das german. Besitz- bzw. Mindest-Anspruchsrecht der Bauern keine solche Masse verarmter Landarbeiterschaft wie auf röm. Boden erzeugt hat.

@Ning

Da öffnet sich anscheinend gerade die Zukunft der Germanenforschung. ;) Sag, woher hast du deine "Fakten"? Die heutige Forschergeneration wäre dir dankbar für die Quellenbeweise für so eine pauschale Aussage.

Anbei finde ich deine Interpretation von "Dekadenz" zumindest gewöhnungsbedürftig, wenn nicht sogar befremdlich. Daher wundert es mich wirklich nicht, daß dabei "Mißverständnisse" entstehen.

Um deine These etwas zu variiern, du meinst also der Spätantike fehlten Personen wie die beiden Gracchen? Also eine signifikante Parallele zwischen dem Niedergang der Republik und dem Niedergang des Imperiums?
 
@Marbod

Na, da hast du mich aber! Es ist mein (unerheblicher und relativierungsbereiter) Eindruck und mein (völlig zugegeben: punkto röm. Reich gar nur viertelgebildetes) unbelastetes Vorstellungsvermögen. ;)

Aber was meinst du im Detail?
A: dass die Situation der Kleinbauern auf röm. Boden keine Attraktion für die Germanen -zum einen- darstellte sich romanisieren zu lassen?
oder B: dass man um Integration bzw. Assoiziation ersuchte? Welche nicht geringe Schar, die ich oben erwähnte (ich hab was jenseits von 100000 in Erinnerung), waren es Langobarden(?), ich weiß es nicht mehr, baten geradezu um Eingliederung, Siedlungsland, also "Romanisierung"? Sie wurden abgelehnt, was den Römern nachfolgende die Markomannenkriege bescherte..
 
Zuletzt bearbeitet:
Cleopatra Aelia schrieb:
Die Römer haben aber immer die griechische Kultur sehr hoch geschätzt.
...
Im Osten des Imperiums, also nicht nur Griechenland sondern auch in Kleinasien und in den Provinzen, die im heutigen Vorderen Orient liegen, wie Syrien etc. wurde überwiegend Griechisch gesprochen und nicht Latein.
Volle Zustimmung. Ein anderes Beispiel wären noch die Vorläufer der heutigen Albaner, die keine Griechen waren, kulturell wohl nicht so "hoch" standen und trotzdem nicht romanisiert wurden. Ich hatte mir das Beispiel verkniffen, da die Herkunft dieses Volkes wohl noch nicht zweifelsfrei bewiesen sein dürfte.

Aber nun gut, auch bei den "Prä-Albanern" sehe ich mangelnde Romanisierung aufgrund fehlender (faktischer) Herrschaft. Diese ließ sich in den Bergen wohl auch nur schwer durchsetzen.
Wer schon mal dort war, wird sich ein Bild davon machen können. ;)
 
Marbod schrieb:
Um deine These etwas zu variiern, du meinst also der Spätantike fehlten Personen wie die beiden Gracchen? Also eine signifikante Parallele zwischen dem Niedergang der Republik und dem Niedergang des Imperiums?

Nur nichts schuldig bleiben:
Ich weiß nicht, ob beider Niedergänge vergleichbar sind. Und würde es nicht wagen; andere Voraussetzungen, andere Notwendigkeiten.
An Persönlichkeiten, wie die Gracchen, mangelte es keineswegs und die Adoptivkaiser oder eben der Provencale (war er doch?) A. Pius hätten für die Spätantike wunderbare Vorbilder sein können. Warum setzte sich die weise Wahl nicht durch? Da ihr euch am Wort Dekadenz stößt, schreibe ich Zerrüttung und Klüngelwirtschaft: die letzten Jahrzehnte habe ich so in meiner Vorstellung: Legion A (Standort Gallien) ruft A zum Kaiser aus, legion B (Standort Syrien) ruft B zum Kaiser aus. Rom zerfleischt sich in nachfolgerkämpfen und hat folglich keine Kraft oder Flexibilität mehr, das Rumoren an der Nordgrenze zu seinen Gunsten zu wenden.
 
ning schrieb:
Nur nichts schuldig bleiben:
Ich weiß nicht, ob beider Niedergänge vergleichbar sind. Und würde es nicht wagen; andere Voraussetzungen, andere Notwendigkeiten.
An Persönlichkeiten, wie die Gracchen, mangelte es keineswegs und die Adoptivkaiser oder eben der Provencale (war er doch?) A. Pius hätten für die Spätantike wunderbare Vorbilder sein können. Warum setzte sich die weise Wahl nicht durch? Da ihr euch am Wort Dekadenz stößt, schreibe ich Zerrüttung und Klüngelwirtschaft: die letzten Jahrzehnte habe ich so in meiner Vorstellung: Legion A (Standort Gallien) ruft A zum Kaiser aus, legion B (Standort Syrien) ruft B zum Kaiser aus. Rom zerfleischt sich in nachfolgerkämpfen und hat folglich keine Kraft oder Flexibilität mehr, das Rumoren an der Nordgrenze zu seinen Gunsten zu wenden.


Ning, du gehst von falschen Vorraussetzungen aus. Zu Zeiten eines Antoninus Pius, welcher im übrigen aus Italien, unweit Roms kam und dort auch starb, war das Reich am aufblühen. Alles gut, sozusagen. Man nennt dies, ich wiederhole es gerne, auch Goldene Zeit Roms. Hier ist garantiert kein Grundstein für den Niedergang zu finden.
Marcus Aurelius hingegen hatte militärisch jede Menge, und da vorwiegend mit den Germanen zu tun, dem Reich ging es dabei an sich noch nicht gravierend schlechter, aber hier könnte man, bei weiter Auslegung beginnen.

Was nun die "Wahl" angeht, Hadrian bestimmte Antoninus Pius, den pflichtbewußten inaktiven Kaiser, vermutlich nicht wegen seiner selbst zum Kaiser, sondern weil dieser im Gegenzug Marcus Aurelius adoptierte, den der alte Kaiser vor seinem ableben förderte und umhegte.

Die Zeit der Legionen ist aber dann auch bald vorbei, unter Gallienus sind die Legionen schon lange nicht mehr das, was sie mal waren und unter Diokletian wird das System massiv verändert.

Und in dieser Veränderung zum Spätantiken Heer wird eines deutlich: Germanen wird Platz geboten. Die spätestens unter Constantinus mit den Legionen gleichgezogenen Auxilia werden fast ausschließlich aus Germanen gestellt, bei den Limitanei, den Grenztruppen tun viele auf Reichgsgrund angesiedelte Germanen ihren Pflichtdienst in Milizweise...

Das geht soweit das die palatini, die Elite der Elite sozusagen aus den besten Legionen, Reitereinheiten und Auxilien gebildet wird, die letzten beiden wie gesagt vorwiegend aus Germanen bestehend.
Das Ostreich schließlich leitet so viel Güter und Finanzne an die Germanen, dass diese durchaus aus ihren Territorien mehr hätten machen können, wenn diese wirklich schlecht "bestellt" gewesen wären (quod erit demonstrandum).

Auch vorher ist es nicht selten, dass Rom Stämme auf "seinem Grund" ansiedelt, um genau zu sein, seit Begegnung mit den Germanen, aber das hatten wir bereits...

Wie du siehst ist an diesen Argumenten wenig dran.
In der Tat weisen die Spätantiken Truppen, also eine große Masse Germanen mehr dekadentes "bling bling" auf, als die Legionen des Aurelius...
Und das Geklüngel um Posten usw. reißt nicht ab als die Germanen die Posten der Magister besetzen.
 
ning schrieb:
Nur nichts schuldig bleiben:
Ich weiß nicht, ob beider Niedergänge vergleichbar sind. Und würde es nicht wagen; andere Voraussetzungen, andere Notwendigkeiten.
An Persönlichkeiten, wie die Gracchen, mangelte es keineswegs und die Adoptivkaiser oder eben der Provencale (war er doch?) A. Pius hätten für die Spätantike wunderbare Vorbilder sein können. Warum setzte sich die weise Wahl nicht durch? Da ihr euch am Wort Dekadenz stößt, schreibe ich Zerrüttung und Klüngelwirtschaft: die letzten Jahrzehnte habe ich so in meiner Vorstellung: Legion A (Standort Gallien) ruft A zum Kaiser aus, legion B (Standort Syrien) ruft B zum Kaiser aus. Rom zerfleischt sich in nachfolgerkämpfen und hat folglich keine Kraft oder Flexibilität mehr, das Rumoren an der Nordgrenze zu seinen Gunsten zu wenden.


Antoninus Pius wurde zwar in Italien geboren, aber seine Familie stammte aus Nimes. Deine Erinnerung hat dich da nicht getäuscht.

Mir scheint, da hat sich bei dir ein Bild der Spätantike festgesetzt, daß korrigiert werden muß.
Gerade der Fall, daß Legion A den Kaiser B. ausruft, worauf Legion C den Kaiser D. erhebt, gilt im speziellen für das dritte Jahrhundert, das Zeitalter der Soldatenkaiser. Die darauf folgende Zeit des "Dominats" verbinde ich nicht unmittelbar mit dem von dir skizzierten Szenario, nebenbei die Geschichtsbücher auch nicht. Der "Niedergang" des "Weströmischen Reiches" ist wesentlich vielschichtiger von statten gegangen. Ich denke aber nicht, daß wir dies an dieser Stelle noch einmal ausbreiten müssen, denn das ist an anderen Stellen dieses Forums schon passiert. Du kannst dir sicherlich vorstellen, daß es hier außerdem sehr schnell wieder ausufern würde. Man muß ja nicht ständig neue Nebenkriegsschauplätze eröffnen.

Zu deinen obigen Fragen schreib ich später noch was.

Gruß Marbod
 
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