Was wir den Arabern verdanken

Und da fragte der Papst letzten Herbst zitierend: "Zeigt mir, was IHR neues gebracht habt..."

Das Zitat lautet: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."

Und abgesehen davon zitierte der Papst einen byzantinischen Kaiser, nämlich Manuel II. Palaiologos (1350 - 1425) - vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Manuel_II._Palaiologos

Jetzt aber dann bitte im Thema weitermachen... :fs:
 
Wenn du mal schauen möchtest, was es außer der Hartseife noch so gibt, dann gehe mal in das Frankfurter Museum, oder schau hier mal rum:
Welches FFM Museum?
Ich bleibe dabei, die Araber haben zwar sehr viele Sachen weiterentwickelt, waren grossartige Bauherren und lange Zeit fuehrend in den Wissenschaften. Aber als Erfinder von wirklich Neuem sind sie nicht besonders in der Geschichte hervorgetreten. Ihre Staerke war die Entwicklung, nicht die Erfindung.
 
Ich bleibe dabei, die Araber haben zwar sehr viele Sachen weiterentwickelt, waren grossartige Bauherren und lange Zeit fuehrend in den Wissenschaften. Aber als Erfinder von wirklich Neuem sind sie nicht besonders in der Geschichte hervorgetreten. Ihre Staerke war die Entwicklung, nicht die Erfindung.


Ja, naürlich! Ich kann dazu nur wiederholen, was ich weiter oben bereits gesagt habe:

Es ergibt ein falsches Bild, wenn man alle möglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse und zivilisatorischen Techniken den Arabern zuschreibt, nur weil sie ihren Weg von alten Hochkulturen über den Nahen Osten genommen haben, der zufällig von Arabern beherrscht wurde.

So taucht z.B. die gern zitierte "Null" als kreisförmiges Lückenzeichen etwa seit dem 2. Jh. v. Chr. in griechischen mathematischen und astronomischen Texten auf. Eine indische Tempelschrift in Gwalior von 870 n. Chr. enthält die älteste bekannte Null in Brahmi-Ziffern, den Vorläufern der heute verwendeten Zahlzeichen.

Es ist also schlichtweg verfehlt, wollte man solche Leistungen anderer Hochkulturen nun den "Arabern" zusprechen, die z.B. zur Zeit der Null-Erkenntnis - also weit vor 870 n. Chr. - noch als Nomaden in der Wüste saßen. Das gleiche trifft auch auf andere astronomische, mathematische, medizinische oder kulturelle Entdeckungen oder Erfindungen zu. Sie nahmen vielfach nur ihren Weg durch den arabisch beherrschten Raum und wir sollten zunächst die originären Erfindervölker nennen, die darauf einen echten Anspruch haben.
 
Welches FFM Museum?

Das Museum des Instituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften:
Dieses hier, mit sehr vielen Exponaten, die zum großen Teil nachgebaut wurden, und online angesehen werden können. Sehr interessant.

Unten findest du außer "Hartseife" noch weitere Erfindungen. :D

Und Dieter gewichtet völlig falsch.

Ein Zitat des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Machfus:
"Die menschheitliche Zivilisation ist zahlreich an Kulturen, aber letztendlich ist sie ein großes Ganzes, das nicht teilbar ist."


1. Einleitung
2. Wieso fand eine solche Blüte bei den Arabern statt?
3. Wie gelangte das arabische Wissen in das Abendland?
4. Abendländische Plagiate - arabische Beeinflussung und/oder Aneignung arabischen Geisteseigentums
5. Erfindungen und Entdeckungen
6. Abschluss

Sekundärliteratur


(Übrigens: Ich habe einige Stichworte mit interessanten Artikeln verlinkt, allerdings längst nicht alle, da es zu viele wären. Also selbst mal z.B. in dem unten erwähntem Link von Muslim Heritage schauen, da gibt's ne Menge mehr Infos zu fast jedem Thema! Oft auch in noch ausführlicherer Form eines PDF-Artikels!)


1. Einleitung

Da dieser Thread an erster Stelle in Google erscheint, werde ich mich mal daran machen, hier ein bischen was zu schreiben. Ich habe keine Lust, den ganzen Thread nochmals zu lesen, deshalb wird hier einiges vielleicht schon stehen.

Was ich nicht verstehe, ist, dass bei den Arabern so sehr darauf eingegangen wird, woher die Entdeckungen und Erfindungen originär kommen, dieses aber mit weit weniger Vehemenz bei den europäischen Wissenschaftlern verfolgt wird. Es wird in der Geschichte gepult, ob da jemand vielleicht noch früher eine Entdeckung als die Araber machte, aber in der Britannica stehen immer noch einige Abendländer als die Entdecker darin, obwohl es seit Mitte des 20. Jh. bekannt ist, dass Araber diese Entdeckungen machten.

In diesem Forum geht es noch gesittet zu, aber wenn man das Internet anschaut, dann gibt es sehr hitzige Diskussionen, die mit islamistischem Terrorismus, Nationalismus, Religion, usw. vermengt wird. Da wollen alle Nationalitäten gerne die Erfinder von diesem und jenem sein, und viele Europäer sprechen dieses und jenes wiederum ab.

Natürlich haben die Araber (und andere Ethnien und Gruppen unter arabischer Herrschaft oder im arabischen Einflussgebiet - der Einfachheit halber spreche ich zukünftig nur noch von Arabern, meine damit aber alle anderen auch und will damit niemand diskriminieren... ;)) vieles übernommen, was es schon vorher gab, aber das ist nun mal der Lauf der Wissenschaftsgeschichte, dass fast alle Kulturen durch vorhergehende Kulturen beeinflusst wurden. (Übrigens bezeichneten die Araber selber die "arabischen Ziffern" als "indische Ziffern".)

Das gilt für die Araber ebenso, wie für die Renaissance und Aufklärung. Dabei gab es bei beiden Kulturen nicht nur Weiterentwicklungen, sondern auch originäre Leistungen, oder solche Weiterentwicklungen, womit die Dinge erst zu dem Nutzen kamen, die ihrer Bedeutung als Erfindung rechtfertigt. Entscheidend ist, wie eine heutige Erfindung zu dem wurde, als das wir sie kennen, nicht irgendwelche Vorläufer, die vielleicht gar nicht den Nutzen hatten, den wir heute schätzen.

Z.B. war die indische Null wie Dieter schon sagte im vorislamischen Alexandria und Syrien durchaus bekannt, ohne dort jedoch seitens der Gelehrten die Bedeutung der indischen Zahlen vollends zu erfassen und so genial und intensiv zu nutzen, wie es eben die Araber getan haben. Das ist dann halt ihre originäre Leistung, das Erkennen und Ausschöpfen des Potentials, auch wenn die Ziffern schon mal irgendwo auf Papyrusrollen hingeklatscht wurden...

Als kleines Beispiel die von Gegenkaiser erwähnte Seife:
So war die Seife schon bei den Sumerern bekannt, aber sie verkannten die reinigende Wirkung und benutzen sie als Heilmittel. Erst die Römer erkannten die reinigende Wirkung. Die Araber schließlich verkochten Öl und Lauge erstmals miteinander und schufen damit die Seife in der heute bekannten Form. Deshalb würde ich sie als die Erfinder der Seife einstufen.

Ich weigere mich die veraltete (eurozentristische) These mir zu eigen zu machen, die die arabische Kultur lediglich als Fackelträger der antiken Kulturleistungen ansieht, als "Laufboten" der Geschichte, die die griechische Akte von einem Stockwerk der Geschichte ins andere getragen haben, oder quasi ne "Abstauberkultur" war. Wenn dieses der Fall sein sollte, dann müsste man die Renaissance ebenso als "Abstauberkultur" bezeichnen. Ich denke, beides ist falsch.
Es ist deshalb eine veraltete These, da in den letzten ca. 30-40 Jahren erst die Manuskripte der Araber eingehender erforscht wurden. Es ist nur ein kleines Wissenschaftsgebiet, und die Forschungen schreiten langsam voran, auch aufgrund der benötigten vielfältigen Sprachkenntnisse, aber erste Ergebnisse der letzten Dekaden lassen sowohl die Kulturleistungen der Araber, als auch die der Renaissance in einem anderen Licht erscheinen.

Die Ursache für diese Rückständigkeit in den Forschungen ist darin zu suchen, dass sie lange Zeit dadurch gekennzeichnet war, dass man in Europa die islamische Wissenschaft inkl. der Philosophie nicht als einen Gegenstand von eigenem Interesse wahrnahm. Als wichtig galt vielmehr der Beitrag, den die Muslime für die europäische Geistesgeschichte geleistet hatten. Hier wurde ihnen eine Brückenfunktion zugesprochen. Denn schließlich waren sie es, die das antike Erbe durch die griechisch-arabischen Übersetzungen (ab dem 8.Jh.) bewahrt hatten und später an das lateinische Mittelalter weitergaben (vor allem im 13.Jh.). Diese Perspektive bestimmte das Forschungsinteresse bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein.



2. Wieso fand eine solche Blüte bei den Arabern statt?

Da gibt es zahlreiche Gründe, und sie sind noch längst nicht erschöpfend erforscht. Ich greife nur mal vier heraus:

1. Von Beginn des islamischen Weltreiches an waren es praktische Erwägungen und Bedürfnisse, die es erforderlich machten, die Wissenschaft zu fördern und vorurteilsfrei von anderen Kulturen zu übernehmen, zu kommentieren, zu vervollkommnen und neues daraus zu schöpfen. Zur Berechnung der Steuern, zur Landwirtschaft, zur Architektur, zur Navigation, etc. wurde die Mathematik gefördert, zur Berechnung der Gebetsrichtung nach Mekka, zur Bestimmung der Zeit, des Kalenders, usw. die Astronomie, zur Heilung der Kranken die Medizin, und so weiter. Als dann praktische Fragen durch ihre praxisnahe Lösung geklärt waren, entwickelte sich daraus theoretische Überlegungen über den Hintergrund dieser Lösungen, also Kosmologie, mathematische Theorien, Philosphie, etc.

2. Der wissenschaftliche Durst ist nicht unerheblich durch die Religion des Islams begünstigt worden (wobei ich persönlich diesen Grund nicht überbewerten würde, wie so viele gläubige Muslime es manchmal tun):
So ist der Koran übersät mit Appellen an Verstand und Vernunft: An 275 Stellen wird gefragt: "Denken sie nicht? Begreifen sie nicht?" An 200 Stellen wird zum Nachdenken und Philosophieren aufgefordert. An 12 Stellen wird das Reisen um zu forschen beziehungsweise während des Reisens das Beobachten und "Lehren daraus ziehen" erwähnt.

Auch Muhammad (der Prophet, logisch) selbst hat durch zahlreiche Aussprüche zum Lernen und Wissensvermehrung aufgerufen, wie z.B. durch solche Sprüche:

- Das Wissen ist das verlorene Gut eines Muslim. Wo immer er es findet, möge er es aufheben.
- Erwerbt Wissen von der Wiege bis zum Grab.
- Auch wenn das Wissen in China ist, geht es euch holen.
- Das beste Erbe, das ein Vater geben kann, ist eine gute Bildung und Erziehung.
- Der Wissenserwerb ist farz (koranisches Gebot) den Männern sowie den Frauen.
- Gott hat keine Krankheit herabkommen lassen, ohne dass er für sie zugleich ein Heilmittel Herabkommen ließ.
- Für alles gibt es Wege und der Weg zum Paradies ist der Wissenserwerb.
- Es gibt keine schlimmere Armut als die Unwissenheit.
- Der Rang der Wissenschaft ist der höchste Rang.
- Ein Gelehrter unter den Unwissenden ist genauso wie ein Lebender unter den Toten.
- Der Schlaf eines Gelehrten ist besser als das Gebet eines Unwissenden.
- Die für die Wissenschaft Reisenden haben den Schutz der Engel.
- Für diejenigen, die für den Wissenserwerb unterwegs sind, betet alles, bis zu den Fischen im Meer.
-Jemand, der für den Wissenserwerb aufgebrochen ist, ist auf dem Weg ins Paradies.
- Die Wissenschaft ist die Seele des Islam und Stütze des Glaubens.
- Derjenige, der Wissen erwirbt, wird von Gott reich belohnt. Derjenige, der Wissen erwirbt und dieses auch anwendet, den lehrt Gott, was er nicht weiß.
- Ein für den Wissenserwerb verbrachter Tag ist Gott lieber als 100 Kriege
für Gott.
- Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut des Märtyrers.
usw.

3. Die Verbreitung einer einheitlichen Schrift und Sprache: Das Arabische - die "lingua franca". Dadurch wurde die hohe Zahl an Publikationen und Übersetzungen erst möglich und vor allem sinnvoll und allen gleichermaßen zugänglich.

4. Es wurden aus allen möglichen unterschiedlichen Kulturen aus West und Ost die wissenschaftlichen Werke zusammengetragen, übersetzt und zusammengeführt. Dieses bildete den Samen der bald eigenen wissenschaftlichen Leistungen.


Aus dem ersten Punkt ergibt sich die (verallgemeinernde und vereinfachende!) Bedeutung der Araber:
Waren die Griechen im Wesentlichen Naturphilosophen (mit Ausnahmen natürlich!), so wurden die Araber Naturwissenschaftler im engeren Sinne und die Erfinder des naturwissenschaftlichen Experiments, des induktiven Verfahrens, das mit seinen Werkzeugen ganz neue Felder urbar gemacht und der Forschung erschlossen hat. Sie wurden (grob gesagt!) zu Begründer der experimentellen organischen und anorganischen Chemie und Pharmakologie, der Physik, insbesondere der Optik und Mechanik, der Algebra, des Zahlenrechnens und der Arithmetik im heutigen Sinne und der sphärischen Trigonometrie, der Geologie, Soziologie und Religionsphilosophie (?), all das, wie wir es heute verstehen, so wie wir die Seife in ihrer arabischen Form angenommen hatten. Mit ihren Methoden sind die Araber weit über ihre "Vorgänger", die Griechen, Inder und Chinesen hinausgegangen. Dabei war die Anschauung der Natur, die Beobachtung, die Messung, die Mathematik erst wichtig für die schöpferische Wissensgestaltung. Danach folgte die eher theoretische Herangehensweise.
Sie haben aber durchaus auch von den (eher!) theoretischem Wissen z.B. der Griechen gelernt, aber zudem es hundertfach korrigiert.
Zwei Beispiele:
Ibn an-Nafis, Chef der Ärzte Kairos, entlarvte Galens Dogma von den Löchern in der Herzscheidewand als bare Phantasie und korrigierte es durch seine Entdeckung des kleinen Blutkreislaufs.
Ibn al-Haitham, Begründer der experimentellen Optik, hat die Theorien des Euklids und Ptolemäus berichtigt, nachdem vom Auge "Sehstrahlen" ausgesendet würden, und hat eine Unzahl optischer Erkenntnisse und Gesetzte formuliert, und dem Abendland eine nahezu komplette Strahlenlehre hinterlassen, einschließlich der Anwendung für Linsen, Lupen, Spiegel jeder Art, camera obscura, Scheinwerfer, etc.

Wie schnell sich dieses Wissen vermehrte mag eine Zahl verdeutlichen:
Im 9. Jahrhundert galt die Bibliothek von St. Gallen mit 36 Bänden als größte Bibliothek des christlichen Europa; im muslimischen Córdoba standen den Gelehrten zur gleichen Zeit bereits weit über 500000 Bücher zur Verfügung.

Es ist aufgrund jüngerer Erkenntnisse übrigens eine Mär, dass die Wissenschaften des Nahen Ostens ab dem 12. Jh. rapide niedergingen. Sie waren vielmehr noch mehrere Jahrhunderte sehr vital, so wurde beispielsweise Ende des 16. Jh. ein Observatorium in Istanbul gebaut, welches in der Größe und Präzision vergleichbar war mit Tycho Brahe's in Uroniborg (16. Jh.) oder dem berühmten des Ulug Bey in Samarkand (15. Jh.), und die genauesten astronomischen Instrumente seiner Zeit besaß. (Übrigens waren diese Instrumente auffallend ähnlich, wie die des Tycho Brahe...).

Ein weiteres Beispiel für eine gewisse Kontinuität auf hohem Niveau bietet der Mathematiker Ghiyath ad-Din Dschamschid al-Kaschani (1380-1429).


Einige der Gründe für den Niedergang der islamischen Zivilisation


The Destruction of the Muslim Economic System: A Prime reason for the Decline of Muslim Science


Forts. folgt!
 
Fortsetzung Teil 1


3. Wie gelangte das arabische Wissen in das Abendland?

Es waren diese Wege unter anderem:
- Fernkaufleute, Kreuzfahrer, Pilger, Gesandtschaften, vagierende Studiosi, wandernde Juden, usw.
- über das 250 Jahre lang von Arabern beherrschte Sizilien, auch durch den Hof des Stauferkaisers und Araberfreundes Friedrich II.
- über das 800 Jahre von Arabern bewohnte spanische Andalusien
- aus der Übersetzerschule von Toledo
- die Bibliothek der Zaituna-Moschee und Universität in Tunis war wohl eine der umfassendsten ihrer Zeit, mit Manuskripten, die zeitweise die Zahl von 100000 überschritten haben sollen. Als die Spanier die Stadt Tunis zwischen 1534 und 1574 besetzt hielten, entwendeten sie viele der wertvollen Bücher und Manuskripte.
Und so weiter - es gab natürlich noch andere Wege und Ereignisse, wie das Wissen in das Abendland gelangte. Übrigens sollte man die Übermittlung durch Byzanz nicht überbewerten, zumal die original griechischen Werke für die (Natur-)Wissenschaft des Abendlandes (außer Philosophie) nicht annähernd so einflussreich waren, wie die arabischen Neuschöpfungen, Kommentarbände oder Korrekturen.


4. Abendländische Plagiate - arabische Beeinflussung und/oder Aneignung arabischen Geisteseigentums


Dabei wurden die arabischen Werke unterschiedlich im Abendland rezipiert,
manchmal wurden sie und ihre Autoren voller Bewunderung beim Namen genannt, öfters wurde der "Erzfeind" jedoch nicht weiter erwähnt, eher gestrichen und manchmal als eigene Arbeit wiedergegeben.

Roger Bacon aus Somerset (13. Jh.) zog sich z.b. ins weltoffene Oxford zurück, wo arabische Werke von Hand zu Hand gingen. Hier konnte er der relativ neuen Methode der Forschung nachgehen: Dem Experimentieren. Er schuf neue Erfindungen und Entwicklungen in Weiterführung arabischer und eigener Arbeiten. Er berufte sich auf Araber und Juden, und führte gleich dreißig arabische Namen im Munde. Das kam ihm teuer zu stehen, denn er wurde für 10 Jahre aus Oxford verbannt. Später wurde er dann wegen seiner Aufgeschlossenheit gegenüber den arabischen (Teufels-)Schriften und anderer Dinge von der Kirche in den Kerker geworfen.
Schon im 12. Jh. war es Adelhard von Barth der die arabische Sprache erlernt, die arabischen Hochschulen besucht, und von den arabischen Naturwissenschaften geschwärmt hatte. Diese beiden, haben manchmal auch eigene Ideen arabischen Autoren in den Mund gelegt, um ihnen mehr Gewicht zu verleihen und sie durchsetzen zu können.

Anders zahlreiche andere "Entdeckungen" die von ihren Autoren als die eigenen ausgegeben wurden, besonders auch im Bereich der Medizin, obwohl sie sie durch Lektüre arabischer Autoren oder deren Übersetzungen erlangten:
- Ambroise Paré: 1552 angeblich erstmals Unterbindung der großen Blutgefäße, 600 Jahre früher vom großen Araber Abu 'l-Qasim (+ 1013) (im Abendland auch Abulcasis genannt) durchgeführt, trägt heute in der Medizin trotzdem den Namen Paré. Abu 'l-Qasims Standardwerk der Medizin (über 500 Jahre lang) wurde besonders oft plagiiert.
- die von Abu 'l-Qasim eingeführte Hängelage bei geburtlichen Eingriffen, heißt seit ca. 1900 "Walcher"-Lage, nach dem Stuttgarter Gynäkologen Walcher
- "Trendelenburgsche Lage" nach Friedrich Trendelenburg (1844-1924): Erfinder: Abu 'l-Qasim
- "Pott'sches Übel" nach Percival Pott (1713-1788): Entdecker: Abu 'l-Qasim
- Entdeckung des Blutkreislaufs: Michael Servet (1553 - der fast wortgleiche Sätze verwendete) und William Harvey (1616): Entdecker: wie oben schon mal berichtet: Ibn an-Nafis (1260-1288 in Kairo praktizierender Chefarzt)

Ein Plagiator im großem Stil war auch der in Karthago geborene Christ Konstantin von Afrika (+ 1087). Er war Heilmittelhändler rund um das Mittelmeer, und kam mit einem Packen arabischer Bücher unterm Arm nach Salerno und Monte Cassino und verfasste ein Buch nach dem anderen, ohne auch nur ein Gebiet der Medizin auszulassen. Sein Ruf stieg und stieg, ein wahrer "Meister", der die Ärzteschaft in Verzückung trieb, da sie nun etliches heilen konnten. Aber nach vierzig Jahren kam es langsam in der belesenen dortigen Ärzteschaft heraus, dass der "große Weise von Monte Cassino" mal dieses mal jenes berühmte arabische Buch abgeschrieben hatte - um sich selbst unsterblich zu machen, setzte er einfach seinen Namen unter die Abschrift und tilgte den arabischen.

Ohne das es nun auch ein Plagiat sei, möchte ich noch auf ein berühmtes Buch und sein weniger berühmtes Vorbild eingehend, exemplarisch für viele weitere starke arabische Beeinflussungen:
Kaiser Friedrich's II.
Buch De arte venandi cum avibus über die Falkenjagd ist weltberühmt. Weniger bekannt ist folgendes:
Theodor von Antiochia, ein monophysitischer Christ aus Syrien ("Jakobiter"), ein ausgewiesener Kenner des Schrifttums und der Wissenschaft aus dem Nahen Osten und dem Maghreb, studierte Schriften über Medizin und Hygiene und übersetzte einen berühmten arabischen Traktat des Falkners Moamin für den Kaiser. Friedrich II., der sich für die Falknerei begeisterte, hatte sich während des Kreuzzugs intensiv damit beschäftigt. Mit Hilfe der von Theodor von Antiochia übertragenen Werke und dank seiner eigenen Erfahrung als Jäger und Falkner verfasste er dann sein berühmtes Buch De arte venandi cum avibus.


5. Erfindungen und Entdeckungen


Hier mal eine kleine Auswahl an Erfindungen und Entdeckungen der Araber:


(Man findet zu fast allen in unteren Online-Artikeln mehr Infos; hab keine Lust gehabt, noch mehr zu verlinken, wäre auch der Leserlichkeit abträglich)

- Abu Bakr Mohammad Ibn Zakariya ar-Razi (864–930) erkannte die sterilisierende Eigenschaft des reinen Alkohols, und verwendete ihn als Antiseptikum.
- Abu Ali al-Hussain Ibn Sinas Werk "Kanon der Medizin" (980–1037), im Westen besser bekannt unter dem Namen Avicenna, wurde sogar noch 1909, also bis ins Zeitalter der modernen Medizin, an der Universität von Brüssel verwendet. Es würde zu weit führen all seine Entdeckungen im Einzelnen aufzuführen. Nur zwei Beispiele:
Er beschreibt als erster das Krankheitsbild der Meningitis (Hirnhautentzündung), als Erster erkannte er, warum sich Epidemien verbreiten und warum Tuberkulose ansteckend ist.
- Abu al-Qasim Khalaf ibn al-Abbas Al Zahrawi (936–1013), entwickelte über 200 (!) chirurgische Instrumente, die auf lange Zeit die medizinische Wissenschaft revolutionierten. Diese Instrumente sehen heute teilweise noch genauso aus, wie vor 1000 Jahren. Sein Kitab At-Tasrif brachte ihm den Titel „Vater der Chirurgie“ ein und wurde ins Hebräische, Lateinische und Kastillanische übersetzt. Diese Abhandlung über die Chirurgie ist nur einer von 30 Bänden eines medizinischen Lexikons, welches alle Aspekte der Medizin enthält. Es wurde in der muslimischen und der westlichen Welt als die „erste unabhängige und detaillierte Abhandlung über Chirurgie“ angesehen. Dazu zählen auch mehr als 200 Abbildungen von oben erwähnten Operationsinstrumenten.
- Der erste Globus entstand bereits im 12. Jahrhundert, konstruiert vom muslimischen Geographen Abu Abd Allah Muhammad al-Idrisi (1100–1166).
- 350 Jahre vor Kolumbus und zwei Jahrhunderte vor Marco Polo zeigte al-Idrisi, daß die Erde rund war. Im 9. Jh. konnten die Araber den Umfang der Erde schon auf 40253,4 km berechnen, nur 200km daneben! Die Griechen wussten davon natürlich auch schon, allerdings nicht mit dieser Präzision.
- Ibn an-Nafis (1210–1288) beschrieb im 13. Jahrhundert wie oben schon erwähnt erstmals den kleinen Blutkreislauf und den Lungenkreislauf. Auch erkannte er die Versorgung des Herzens durch die Koronargefäße. Doch erst 1957, 670 Jahre nach seinem Ableben, wurde ihm diese Entdeckung nachträglich zuerkannt.
- ein Ali ibn Nafi (nicht mit obigen verwechseln) (9.Jh) "erfand" das Drei-Gänge-Menü, bestehend aus Vorspeise, z.B. Suppe, Hauptspeise mit Fleisch oder Fisch und Nachtisch mit Früchten und Nüssen. <- Das aber nur unter Vorbehalt, muss mir erst noch den ganzen Artikel durchlesen, bevor ich das glaube.
- derselbe erfand auch das Kristallglas
- Abbas Ibn Firnas (810–887) baute 852 den ersten Flugapparat und stieß sich vor den Augen einer begeisterten Zuschauermenge vom Minarett der Großen Moschee von Córdoba ab.
- Der oben schon erwähnte Abu Ali al-Hasan Ibn al-Haitham oder "Alhazen" (965–1039) gilt nicht nur als Begründer der Optik, er war auch der meist zitierte Physiker des Mittelalters und leistete Bahnbrechendes auf den Gebieten der Mathematik, Astronomie und Physik. Er erfand z.B. die weltweit erste Lochkamera, die er qamara nannte, das arabische Wort für "Privatraum" oder "Dunkelkammer".
- die Forschungen zur Lichtbrechung und Lichtreflektion des erwähnten al-Haitham brachten ihn dazu, Lesesteine aus Glas herzustellen, was ihn zum Erfinder der Lupe machte.
- Al-Ma'mun (813-833) gab den Auftrag für das erste Observatorium der Welt.
- Schach wurde zwar schon im antiken Indien gespielt, jedoch wurde es erst im arabischen Reich zu dem Schach umgestaltet, wie wir es heute kennen. Es gelangte im 10. Jh. über Andalusien auch ins Abendland.
- Dschābir ibn Hayyān (+ 815), im Abendland auch zu Geber verballhornt, hat unter vielem anderen die Destillation erfunden.
- Al-Dschazarī, ein genialer Ingenieur des 12. Jh, hat z.B. die Kurbelwelle erfunden. Er gilt als der Vater der Robotik (und [unter meinem Vorbehalt] der Kybernetik) und unter seinen weit über 50 weiteren Erfindungen ist z.B. das Kombinationsschloss zu finden.
- der Spitzbogen war schon in der Geschichte der Architektur gebraucht worden, jedoch kam er durch die erneute Entdeckung der Araber nach Europa und wurde besonders in der Gotik eingesetzt. Neben zahlreichen weiteren Elementen, wie z.B. dem Bündelschaft (Dienst).
- Windmühlen wurden schon im 7. Jh. vielfach eingesetzt, z.B. zum mahlen, zum Wassertransport, usw. In Europa wurden Windmühlen im 12. Jh. erstmals erwähnt.
- die Pockenimpfung wurde schon im vorislamischen Arabien erfunden - sie wurde auch schon früher wohl in Ostasien erfunden, entscheidend für das Abendland ist aber, dass Lady Mary Wortley Montagu sie aus Istanbul 1724 mit ins das Abendland brachte.
- Der Füllfederhalter wurde in Ägypten 953 erfunden
- Obwohl die Chinesen das Schwarzpulver wohl erfanden, waren es die Araber, die es nicht nur zur Belustigung, sondern für militärische Zwecke einsetzten.
- im 15. Jh. wurde der propellergetriebene und raketenbetriebe Torpedo erfunden. Auch die Rakete im engeren militärischem Sinne wurde im Orient erfunden
- der Garten in seiner heutigen Bedeutung soll auch von den Arabern entwickelt und über Andalusien nach Europa gekommen sein. (Das muss ich mir aber nochmal genauer durchlesen)
- die Araber konnten Waagen bauen, die etwa ein Milligramm Genauigkeit hatten, etwas, was wir erst im 19. Jahrhundert wieder erreicht haben.
- das dreieckige Segel kam über die Araber in das Abendland, welches ein Segeln gegen den Wind erst ermöglichte.
- zahlreiche astronomische- und Navigations-Instumente, z.B. der sog. Jakobsstab, Astrolabien und das Kamal.


und so weiter...


So Gegenkaiser (und andere), genug Erfindungen? ;)

Erstaunlich und wenig bekannt sind auch die Leistungen der Araber in der Botanik:
Abu ‘Ubaid Al-Bakri (10. Jh.), Al-Ghafiqi und Ibn Al-Awwam (11. Jh.) und Ibn Zuhr (12. Jh.) waren die führenden Botaniker ihrer Zeit, wegen ihrer ausgezeichneten Schriften zur Botanik und Landwirtschaft. Das Kitab Al-Falaha (Buch der Landwirtschaft) von Ibn Al-Awwam gilt als wichtigstes Buch seiner Gattung. Es enthält 34 Kapitel über Anbau von Pflanzen und Viehzucht. Mehr als 580 Pflanzen erscheinen in diesem Titel, ganz zu schweigen von den mehr als 50 Obstbaumsorten, die darin diskutiert werden. Darüber hinaus enthält es Hinweise zur Behandlung von Pflanzenkrankheiten und ist wegweisend bei der Entdeckung der Wissenschaft von den Bodensorten.
Al-Ghafiqi (12. Jh.) war ein bekannter Sammler von Pflanzen in Spanien und Afrika. Auf Grundlage seiner Sammlung schrieb er ein Werk über Drogen und Pflanzen, welches zu einem der genauesten Bücher in der Geschichte des Islams werden sollte. George Sarton bezeichnete ihn als „größten Experten seiner Zeit“.
Zahlreiche Pflanzen, Gewürze und Genussmittel gelangten über die Araber in das Abendland. Welche, könnt ihr in unteren Links selber raussuchen.

Forts. folgt!
 
Zuletzt bearbeitet:
Fortsetzung Teil 2

6. Abschluss

Heute ist es in der Wissenschaft kein Geheimnis mehr, obwohl in der Öffentlich kaum bekannt, dass auch die bekanntesten Erfinder und Wissenschaftler des Westens, darunter der oben erwähnte Roger Bacon, Leonardo von Pisa (Fibonacci), Leonardo Da Vinci, Johannes Kepler, Tycho Brahe oder Nicholas Kopernikus, einen Großteil ihrer Inspirationen aus den Werken ihrer arabischen Kollegen geholt hatten. Trotzdem ist das in unseren Geschichtsbüchern nicht oder nur andeutungsweise vermerkt.
Neuere Forschungen belegen, dass viele Ideen, die man zuvor europäischen Mathematikern des 16., 17. und 18. Jahrhunderts zugerechnet hatte, in Wirklichkeit auf islamische Wissenschaftler zurückgehen.

So hat Leonardo von Pisa (Fibonacci) zahlreiche arabische mathematische Werke gelesen, allerdings nicht die aktuellsten, und hat z.B. in seinem Werk Liber abbaci 90 mathematische Probleme behandelt. wovon 22 aus dem Werk von al-Khwarizmi und 53 aus dem Werk von Abu Kamil stammen. Weitere Info.

Oder es ist kaum bekannt, dass Kopernikus mit seinem "neuen" heliozentrischem Weltbild primär auf der Arbeit von Nasir al-Din al-Tusi / Nasir ad-Din at-Tursi beruht. Darüber schweigt sich aber Kopernikus beflissentlich aus, im Gegensatz zu Fibonacci, der in seinem Vorwort noch von arabischen Mathematikern schwärmt. Neben den originären Leistungen des Kopernikus werden in jüngster Zeit auch die des Galileo Galilei immer mehr in Zweifel gezogen.

Auch der große Leonardo Da Vinci und Johannes Kepler wussten nachweislich von z.B. Abu Ali al-Hasan Ibn al-Haitham's Arbeiten.

Es wurden gelegentlich richtige Fälschungen von den abendländischen Gelehrten angefertigt, z.B. die sog. "Geometrie des Boetius / Boethius" (11. Jh.) täuschte die Gelehrten fast 800 Jahre lang, z.B. auch den Alexander von Humboldt. Es verwendete schon eine merkwürdige Form der arabischen Ziffern und wurde im Mittelalter gefeiert, dachte man doch, dass die hochgerühmten arabischen Zahlen schon im 5. Jh. bei dem berühmten spätantiken Philosophen in Gebrauch waren, und sie deshalb eine "eigene" Entdeckung waren, so dass man sie nicht den verhassten Arabern zuzuschreiben brauchte. Außerdem die zahlreichen mathematischen Probleme schon im 5. Jh. gelöst wurden und nicht erst durch die Araber. Deshalb hatte dieses Buch ab dem 11. Jh. einen großen Einfluss - noch heute steht Quatsch dazu in der Wikipedia, obwohl schon spätestens Ende des 19. Jh. die Fälschung aufgeflogen war!
In Wirklichkeit war es eine richtige Fälschung des 11. Jh. in dem der Verfasser verschiedene Quellen unterschiedlichen Alters zugrunde gelegt und abgeschrieben hatte, ohne seine Quellen zu nennen, darunter auch erwiesenermaßen die Schriften Gerberts, eines Gelehrten des 10. Jh., der im andalusischen Grenzland die arabische Mathematik und Zahlen kennen lernte und niederschrieb.

Etliche Werke arabischer Wissenschaftler scheinen dagegen von den abendländischen Gelehrten kaum oder keine Beachtung widerfahren zu haben. Ob es wirklich so ist, wird die weitere Auswertung tausender Manuskripte zeigen.
Z.B. experimentierte schon Al-Kindi mit Gravitaitons- und Fallgesetzen. Auch die Atomtheorie des Kairoer Arztes Ali Ben Sulaiman fand anscheinend kein Echo nach heutigem Stand der Ermittlungen. Auch fand die Beobachtung der Sonnenflecken keine Beachtung, bis sie 1610 die Aufmerksamkeit wieder erlangten, oder Berichte über die Schwankungen der Erdachse.

Das Thema dieses Threads hat sich weder bei den heutigen Historikern noch bei der breiten Öffentlichkeit herumgesprochen, so ist es kein Wunder, dass wir in zahlreichen aktuellen Werken kaum oder gar nichts davon erfahren, sondern immer noch das tradierte alte Bild erzählt bekommen. Wenn man aber sucht, findet man durchaus Ansätze, dass auch jenseits von absoluten Spezialisten diese Erkenntnisse sich langsam bei etlichen Historikern durchsetzt.


Es zeigt sich allmählich, dass die Geburt der Renaissance ohne die arabischen wissenschaftlichen Leistungen nicht stattgefunden hätte, denn zahlreiche abendländische Gelehrte standen auf den Schultern der Araber.


Das ich in meinen Ausführungen ausschließlich auf den Wissenstranfer vom Orient zum Okzident eingehe, liegt einerseits am Threadtitel, andererseits an der Unbekanntheit dieses Transfers in seiner ganzen Bandbreite. Wer wissen will wie es andersrum zuging, schaue z.B. hier.



Sekundärliteratur:

Ich habe Bücher folgender Autoren benutzt (auch zur Verifizierung der Online-Artikel):
Bernard Lewis, Sigrid Hunke, Francesco Gabrieli, Ullrich Rudoph, Franco Cardini, Alberto Ventura, Karl Günter Simon, Hartmut Bobzin, und einige andere...

Online kann man hier eine Menge finden:

http://www.1001inventions.com
Eine Ausstellung, die in Großbritanien sensationell gelaufen ist, und die demnächst auf internationale Tour gehen soll. Auf der Warteliste sollen schon 140 Städte weltweit stehen, müsste also ganz gut sein...
Vorgeschmack: http://www.muslimheritage.com/feedbackuploads/exhguide.pdf
Beschreibung und Einschätzung:
http://www.muslimheritage.com/uploads/1001_Inventions_Ecsite_Newsletter_Publication_06-07.pdf

Tausendundeine Erfindung - Wir verdanken dem Islam mehr, als wir glauben.
Hier geht der Text ausführlich auf obige Ausstellung ein.

http://www.muslimheritage.com
Die Forschungsseite zur obigen Ausstellung mit hunderten Online-Dokumenten durchaus auch angesehener Wissenschaftler und Auszügen zahlreicher Bücher zur Wissenschaftsgeschichte.

daraus besonders empfehlenswert:
Tracing the impact of Latin translations of Arabic texts on European society
und
Misconceptions about Islamic and Greek Science
und
Aspects of Influence of Muslim Science on the West
etc... Eine wahre Fundgrube an weiterführenden Links und Infos.

Wer nicht auf die 1001 Inventions-Ausstellung warten will, kann in Frankfurt a.M. mal im Museum vorbeischauen:
http://web.uni-frankfurt.de/fb13/igaiw/
und online virtuell:
http://web.uni-frankfurt.de/fb13/igaiw/museum/rundgang1.html

History Topics: Arabic/Islamic mathematics
daraus besonders empfehlenswert, wenn auch ein klein wenig veraltet:
Arabic mathematics : forgotten brilliance?
und
The Arabic numeral system

diese Literaturliste für Unersättliche:
http://warburg.sas.ac.uk/institute/cburnett.htm

weitere Lesetipps:
http://www.muslimheritage.com/topic...eID=112&TaxonomyThirdLevelID=-1&ArticleID=345

How Islamic inventors changed the world


http://plato.stanford.edu/contents.html

hier wurde besonders häufig Sigrid Hunke zitiert, ich habe aus diesem Link einige der Hadithe Muhammads. Die Seite wird von liberalen und gemäßigten Muslimen aus Baden-Württemberg betrieben:
http://www.rg-islam.de/EuropaIslam.htm#22

Was die moderne Zivilisation dem Islam schuldet

interessante Online-Dokumente, z.B. Biographien:

http://www.isesco.org.ma/pub/Eng/Architects/Menu.htm
noch mehr von der Unesco:
http://www.isesco.org.ma/pub/Eng/indexEng.htm


Hier noch zwei populärwissenschaftliche Quellen, die mit dem üblichen gebotenen Vorbehalt weitere Infos bieten:

Das erste betont ein wenig zu sehr die Übermittlungsfunktion der Araber, ist aber durchaus interessant.

Hier noch für diejenigen ein Podcast/MP3-File eines Hörfunkbeitrags, die keine Lust zum Lesen haben... ;) 14 MB!

Islamische Wissenschaften: Die Erfinder von Alchemie und Algebra
(Kann man auch runterladen mit rechter Maustaste: -> Ziel speichern unter...)

von dieser Seite:
http://www.hr-online.de/website/specials/wissen/index.jsp?key=standard_document_2408728&rubrik=7308
hier das Manuskript des MP3-Files:
http://www.hr-online.de/servlet/de.hr.cms.servlet.File/04-146.rtf?ws=hrmysql&blobId=57574&id=2404764
oder
http://www.hr-online.de/website/spe...y=standard_document_2408728&row=0&rubrik=7308

weiteres MP3-File von obiger Seite:
Islamische Wissenschaften - Wie das Abendland die Antike kennen lernte

auch ein wenig oberflächlich, teilweise veraltet, aber trotzdem interessant:
http://www.weltderwunder.de/wdw/Mensch/Mythos/Wissenstransfer_Islam/
http://www.weltderwunder.de/wdw/Mensch/Mythos/IslamischeWissenschaften/
http://www.weltderwunder.de/wdw/Men...chaften/2_AntikesWissen/index.html?ID=nav_r_f
usw.



So, endlich fertig nach 18 Stunden Leserei... Ein Wochenende ;)
Diese 10 Wordseiten kann ja jemand als Hausarbeit oder Referat abkupfern... Copyright lynxxx... ;)

Ihr werdet vielleicht denken, "was schreibt der denn da für einen Bockmist zusammen. Das habe ich in der Schule ganz anders gelernt!" Stimmt, hab ich auch in der Schule und zahlreichen Büchern so gelernt, steht teilweise auch noch so in der Britannica, in der Wikipedia sowieso, und in zahlreichen meiner Geschichtsbüchern. Aber wer sich die Mühe macht, mal z.B. die Bücher oder online-Literatur durchzulesen, der wird erkennen, dass hier nicht irgendwelche "Spinner" mit Minderwertigkeitskomplexen versuchen die Historiographie umzuschreiben, sondern das es inzwischen bei Fachleuten Konsens ist... ;)

Ich hoffe, ich habe eine interessante Sonntagslektüre zusammengestellt, die mal die aktuellen und meist wenig bekannten Ergebnisse der Forschungen an einer Stelle zusammenträgt.

Viel Spass beim Schmökern, LG lynxxx :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier noch ein weiteres Buch:

Erdmute Heller - Arabesken und Talismane. Geschichte und Geschichten des Morgenlandes in der Kultur des Abendlandes. München 1992

Der Band ist zwar sehr viel weniger umfangreich als Hunke, jedoch besser zum Zitieren geeignet, da Hunke zum einen aufgrund ihrer persönlichen politischen Einstellung zurückhaltend formuliert umstritten ist und sie in einigen ihrer Veröffentlichungen diese Einstellung auch einfließen läßt.
 
Ich weiß von Hunke, und wenn man es weiß, ist sie in einigen Dingen ein guter Ausgangspunkt zur weiteren Recherche, besonders auch in neueren Werken, da ihre Werke doch schon veraltet sind, wenn auch in gewisser Weise
bahnbrechend.

THX. :)
 
Eine wirklich gute Zusammenfassung Lynxxx. Da ich mich überhaupt nicht mit der arabischen Geschichte auskenne, kann ich nicht viel zum Thema beitragen und möchte nur ein paar Kleinigkeiten richtig stellen.



Erst die Römer erkannten die reinigende Wirkung.
Bis ins zweite Jahrhundert nach Christus wuschen sich die Römer noch mit Bimssteinen. Die Seife als Kosmetika hatten sie erst von den Germanen (oder Galliern?) übernommen.


Wie schnell sich dieses Wissen vermehrte mag eine Zahl verdeutlichen: Im 9. Jahrhundert galt die Bibliothek von St. Gallen mit 36 Bänden als größte Bibliothek des christlichen Europa; im muslimischen Córdoba standen den Gelehrten zur gleichen Zeit bereits weit über 500000 Bücher zur Verfügung.
Mich würde interessieren woher du die Angaben zu St. Gallen hast, auch die Angabe von nur 36 Bänden für die größte europäisch-christliche Bibliothek scheint mir etwas stark untertrieben. Meines Wissens nach ist es sehr schwierig zu sagen, welche die größte Bibliothek Europas der damaligen Zeit war. Möglich, dass es St.Gallen war, aber auch die Hofbibliothek in Aachen, Tours, Bobbio oder Monte Cassino könnten es gewesen sein. Natürlich waren diese Bibliotheken im Vergleich zu der in Córdoba klein.
Allerdings ist der Vergleich wohl auch etwas übertrieben. Immerhin ging die großflächige Schriftlichkeit mit dem Untergang des römischen Reiches verloren und erst im 13. Jahrhundert entstand wieder eine neue Gebrauchsschrift (die gotische Kursive). Córdoba war eine der größten Städte der Welt und St. Gallen eine Abtei, die erst 719 gegründet worden war. Bis 760 fehlt jegliche Kunde schriftlicher Quellen. In der Zeit vor 1000 gab es immerhin schon 400 Handschriften und über 600 Urkunden.



- 350 Jahre vor Kolumbus und zwei Jahrhunderte vor Marco Polo zeigte al-Idrisi, daß die Erde rund war. Im 9. Jh. konnten die Araber den Umfang der Erde schon auf 40253,4 km berechnen, nur 200km daneben! Die Griechen wussten davon natürlich auch schon, allerdings nicht mit dieser Präzision.
Bereits in den vedischen Sanskrit-Texten des 9. oder 8. Jahrhunderts vor Christus berichtet ein Yajnavalkya, dass die Erde rund ist. Er berechnete, dass die Sonne 108 mal größer als die Erde und diese wiederum 108 mal größer als der Mond sei (Wirklichkeit: Sonne:Erde 107,6:1; Erde:Mond 110,6 :1). Außerdem berechnete er einen sehr genauen Kalender, der im Jahr nur 6 Minuten falsch ging.


- Obwohl die Chinesen das Schwarzpulver wohl erfanden, waren es die Araber, die es nicht nur zur Belustigung, sondern für militärische Zwecke einsetzten.
...Auch die Rakete im engeren militärischem Sinne wurde im Orient erfunden
Das ist beides falsch. Die Chinesen verwendeten bereits ab 1232 durch Schwarzpulver angetriebene Rakteten in Kämpfen gegen die Mongolen. Die Araber übernahmen die Raketen dann von den Mongolen und setzten sie ab 1268 gegen die Kreuzfahrer ein.
 
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Jipiie! Ein bischen mehr Feedback. :)

Ich dachte, die Römer wuschen sich schon manchmal mit Seife in der letzten Phase, auch wenn's als verweichlicht galt.

Die Stelle mit St. Gallen hab ich auf die Schnelle nicht gefunden, aber das ist eine relativ unwichtige Frage. Multipliziere die Bibliothek von St. Gallen mit 10 und ziehe 100000 Bände von der Bibliothek von Cordoba ab, auf die Relation kam es mir an.

Die von dir vorgebrachten indischen Erkenntnisse hatten auf direktem Wege keine Auswirkungen auf die abendländische Wissenschaftsgeschichte.

Technologie der Raketen bei den Arabern:
Hier steht einiges dazu und z.B. hier, unter anderem.

Tschüssi, LG, lynxxx
 
Dann erlaube ich mir auch noch einige Anmerkungen - übrigens ganz ohne die Verdienste der arabisch-islamischen Welt in Frage stellen zu wollen...

Die Stelle mit St. Gallen hab ich auf die Schnelle nicht gefunden, aber das ist eine relativ unwichtige Frage. Multipliziere die Bibliothek von St. Gallen mit 10 und ziehe 100000 Bände von der Bibliothek von Cordoba ab, auf die Relation kam es mir an.

Ich hatte Witege dahingehend so verstanden, daß er die Relation gar nicht anzweifelte, sondern lediglich darauf verweisen wollte, daß es im abendländischen Europa nicht nur die Bibliothek von St. Gallen gab, sondern auch andere, die nicht weniger bedeutsam waren.

- 350 Jahre vor Kolumbus und zwei Jahrhunderte vor Marco Polo zeigte al-Idrisi, daß die Erde rund war. Im 9. Jh. konnten die Araber den Umfang der Erde schon auf 40253,4 km berechnen, nur 200km daneben! Die Griechen wussten davon natürlich auch schon, allerdings nicht mit dieser Präzision.

Daß die Erde eine Kugelgestalt hatte, zeigten weder Marco Polo noch Christoph Columbus, denn dieser Fakt wurde im europäischen Mittelalter - entgegen heute weitverbreiteten Ansichten - längst nicht mehr in Frage gestellt.
Politiker, Gelehrte, Kleriker, Dichter, Reisende, Seefahrer, Händler etc. - und um die geht es in diesem Kontext (denn die einfachen Leute interessierte diese Frage wohl auch gar nicht) - waren davon mehr als überzeugt, zumal die Werke von Aristoteles und Plinius weitgehend anerkannt waren und entsprechend rezipiert wurden.
Anm.1: Der Reichsapfel als Teil der Insignien römisch-deutscher Kaiser symbolisiert ebenso die Weltkugel.
Anm.2: Bzgl. Erdumfang war mW die Berechung des Eratosthenes bekannt...

Abschließend noch eine Anmerkung zur Medizin...
Ohne in Abrede stellen zu wollen, daß Erfindungen und Entdeckungen der Araber verwendet wurden, bitte ich aber zwei Aspekte zu beachten:
1. Die abendländische Medizin griff im Bereich von Ordensgemeinschaften durchaus kontinuitiv auf Erkenntnisse zurück, welche bereits in der antiken Medizin bekannt waren, und entwickelte sich auf dieser Basis weiter.
2. Insbesondere zu erwähnen ist hier die Hospitalsbruderschaft von Amalfi zu Jerusalem (gegr. um 1070), ab 1099 Hospitaliterorden (Johanniter), welche neben den antiken Vorbildern bereits von Anbeginn ihrer Existenz bspw. Entdeckungen wie die sterilisierende Wirkung von Alkohol oder die Erkenntnisse des Avicenna rezipierten und entsprechend zur Anwendung brachte. Der Ruf des Johanniterordens war diesbezüglich in der 2. Hälfte des 12. Jh. dann hoch genug, daß Sultan Saladin - obwohl selbst erbitterter Feind der Ritterorden - sich im Hospital zu Jerusalem behandeln ließ.
Vgl. dazu verschiedene Werke zur Geschichte der Johanniter (Wienand, Riley-Smith, Staehle u.a.).

Nachsatz dazu: Es gab durchaus auch hohe medizinische Qualität im christlichen Abendland, nur eben daneben leider auch viele Quacksalberei, ergo von minderer Qualität.
Dies richtet sich wie geschrieben weder gegen Deine Beiträge, Lynxxx, noch gegen die unbestrittenen Verdienste der arabisch-islamischen Welt, sondern soll lediglich dazu dienen, daß ein nicht zu einseitiger Eindruck entsteht.
 
Zuletzt bearbeitet:
2. Insbesondere zu erwähnen ist hier die Hospitalsbruderschaft von Amalfi zu Jerusalem (gegr. um 1070), ab 1099 Hospitaliterorden (Johanniter), welche neben den antiken Vorbildern bereits von Anbeginn ihrer Existenz bspw. Entdeckungen wie die sterilisierende Wirkung von Alkohol oder die Erkenntnisse des Avicenna rezipierten und entsprechend zur Anwendung brachte. Der Ruf des Johanniterordens war diesbezüglich in der 2. Hälfte des 12. Jh. dann hoch genug, daß Sultan Saladin - obwohl selbst erbitterter Feind der Ritterorden - sich im Hospital zu Jerusalem behandeln ließ.
Vgl. dazu verschiedene Werke zur Geschichte der Johanniter (Wienand, Riley-Smith, Staehle u.a.).

Anmerkung: beim aufgeführten Avicenna handelt es sich um den von lnyxxx erwähnten Abu Ali al-Hussain Ibn Sina - siehe 5. Erfindungen und Entdeckungen -; Avicenna ist die latinisierte Form des Namens.
 
Anmerkung: beim aufgeführten Avicenna handelt es sich um den von lnyxxx erwähnten Abu Ali al-Hussain Ibn Sina - siehe 5. Erfindungen und Entdeckungen -; Avicenna ist die latinisierte Form des Namens.

Ja, das war bzw. ist mir bekannt - ich habe die latinisierte Form verwendet, weil sie sich für mich mit der deutschen Tastatur leichter schreiben ließ.
 
Hallihallo liebe Leser,

mir ist schon bewußt, dass ich hier "einseitig" den Einfluss der Wissenschaft der isl. Gebiete auf das Abendland beschreibe, aber wie ich in meinem "Monster"-Post schon schrieb, ist dieses auch wesentlich dringender erforderlich, als andersrum, da der Wissenstransfer vom Abendland ins Morgenland wesentlich bekannter ist (Warum wohl immer noch?*grübel*)

Und ich habe sogar noch im obigen Post einen Link angeführt, wer den Wissenstransfer vom Okzident zum Orient nachlesen möchte.

@Timo:
Keine Sorge, ich nehme nichts persönlich, aber Danke der netten Worte.
@all
Bezogen auf die Ergänzung von Timotheus:
Wer wissen möchte, welchen Einfluß der große Galen(us) auf die arab. Medizin hatte, kann hier mal schauen, und weiter unten dann den vollständigen PDF-Artikel finden.
Wer sich für den Kulturaustausch und Wissenstransfer während der Kreuzzüge interessiert, kann sich diesen Link reinziehen, den ich übrigens oben schon gepostet habe.

Zur Anregung der Diskussion, möchte ich auf diesen Beitrag nochmals hinweisen (auch in Bezug zum Einwand Timotheus) der hinterfragt, wie groß der Einfluss der antiken (natur-)wissenschaftlichen Schriften auf die Renaissance wirklich war.

"
Traditional Western History
The history of science and civilisation according to traditional Western writing and narration, by an overwhelming majority, can be summarised as follows:
All Western, and hence our modern, civilisation is derived from the Greek heritage (roughly 6th BC to 1st –2nd century AD). This heritage was lost during the Dark Ages (5th-15th AD), recovered during the Renaissance (16th-17th centuries), dusted off, and so was revived for our modern world.
As it was difficult to explain how such learning could be lost for nearly fifteen centuries, but recovered, Western historians gave that role to the Muslims: it was they, who, by chance, preserved it, keeping it for Western genius to arise again, before it was re-claimed and developed by that genius. One of the `illustrious’ historians to defend this point, followed by hordes of modern `historians’ who today crowd history departments, is the Frenchman Duhem who states:
"The revelations of Greek thought on the nature of the exterior world ended with the “Almagest'' (of Ptolemy) which appeared about A.D. 145, and then began the decline of ancient learning. Those of its works that escaped the fires kindled by Mohammedan warriors were subjected to the barren interpretations of Mussulman commentors and, like parched seed, awaited the time when Latin Christianity would furnish a favourable soil in which they could once more flourish and bring forth fruit." Duhem
Some modern historians go further than Duhem, and even deprive the Muslims of this modest role of guardianship; one such historian, at a recent conference on the subject, seemingly able to interpret the unknown, confidently asserted that had the Muslims not preserved such heritage, it would have been recovered by Western scholarship anyway.

[Falls jemand des englischen nicht so mächtig ist, mache ich mir mal die Mühe: Kurz gesagt, wir hier die alte und inzwischen auch bei vielen Historikern, aber nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannte These vorgestellt, nachdem das antike naturwissenschaftliche Wissen im Mittelalter verloren ging, durch die Araber aber aufbewahrt wurde, und mit diesem alten antiken Wissen konnten dann die Gelehrten der Renaissance zu ihren berühmten Entdeckungen und Erfindungen gelangen und weiterforschen.

The Problem
Briefly, however, one or two comments on the previous statement on the Greek role to highlight how ridiculous such an argument can be made before moving on.
First and foremost, the learning recovered, or found, or available, at that Renaissance of the 16th-17th (another illogically based notion of Western history) bears no resemblance to anything left by the Greeks. The mathematics, the medicine, the optics, the chemistry, the astronomy, geography, mechanics etc. of the 16th is centuries ahead of that left by the Greeks. Any person with the faintest knowledge of any such subjects can check this by looking at what was left by the Greeks and compare it with what was available in the 16th century, and even with what was available centuries up to the 14th ). Anyone can thus question this notion of Greek learning recovered during the Renaissance.
Furthermore, even supposing the Greeks had made some contribution in some of the sciences cited, what is the Greek contribution to the invention of paper, printing, farming techniques, irrigation, windmills, the compass, industrial production, glass making, cotton production, the system of numerals, trade mechanisms, paper money, the cheque? modern finance as a whole, gardens, flowers, art of living, urban design, personal hygiene, and many more manifestations that compose our modern civilisation?
As for the notion that Greek learning had disappeared, this is another preposterous point repeatedly made by Western historians. Greek learning was available throughout the so-called Dark Ages in Byzantium and even in the West. Western historians never fail to insist that the Muslims sought that Greek learning from Byzantine sources, and yet say that it has disappeared, which is impossible to square. Now, if such learning was available all along, why did Western scholars have to wait until they conquered Islamic lands in Sicily (11th), Toledo (Spain) (in the 11th) and in the east during the Crusades (11th-12th) before they started acquiring such `Greek’ learning? Why wait? And above all, why did Western translators of the 12th century, to whom we will return further on, chose to translate such learning from Arabic, then turn it into Latin rather than go to the Greek and even Latin sources? This is never explained by those historians who select miniscule or fragmentary pieces of evidence, often concoctions of their own, to build extensive theories (i.e the Pirenne theory, the burning of the Alexandria Library etc). [...]"

[Hier geht der Autor mit spitzer Zunge darauf ein, dass wenn man die (natur-)wissenschaftlichen Leistungen der Renaissance mit denen der Antike vergleicht, man kaum Gemeinsamkeiten erkennen kann, was darauf schließen lässt, dass die alten griechischen Manuskripte keine direkte Basis für die Erfindungen und Entdeckungen der Renaissance sein können.
Einerseits wird von einigen Historikern behauptet, dass das antike Wissen verloren gegangen sei, andererseits wird darauf behaart, dass die Muslime gerne immer von den Byzantinern mit ihren antiken Quellen gelernt haben sollen. Das ist ein Widerspruch. Wenn also das antike Wissen durchaus im Byzantinischen Reich und zum Teil auch im Westen noch vorhanden war, warum wurde dann im Abendland mit dem Weiterforschen jahrhundertelang gewartet, bis die isl. Gebiete von Sizilien, Toledo, Palästina, usw. erobert wurden? Ausserdem, warum wurden dann nicht ab dem 11./12. Jh. direkt die giechischen Quellen übersetzt, sondern man nahm vorwiegend die arabischen Bücher und übersetzte sie ins Lateinische?]

hier der ganze PDF-Artikel mit Fußnoten und Bibliographie zum Weiterlesen.

Ich denke, der Autor übertreibt ein wenig, da inzwischen durchaus ein große Anzahl der Historiker die Araber nicht mehr nur als "Fackelträger" der Antike betrachten. Aber bis in die späten Siebziger sieht man durchaus noch etliche Bücher mit dieser alten These. Und auch heute noch geistert diese Vorstellung herum, vor allem auch in der breiten Öffentlichkeit, denn wenn wir überhaupt etwas in der Schule über die Araber gelernt haben sollten, dann dieses, dass sie das antike Wissen bewahrten, und wir deshalb unsere wunderbare Renaissance haben konnten, als dieses Wissen wieder entdeckt wurde. War bei mir jedenfalls so. Bei euch nicht? Wer hat Ibn Chaldun druchgenommen, und wer Descartes? ;) Vielleicht melden sich mal aktuelle Schüler, was die Lehrer so wissen?

Allerdings ist es noch nicht zu allen durchgedrungen, wie weit die Erfolge der Renaissance auf den Vorarbeiten der Araber beruhen, wie hoch schon die isl. Weiterentwicklungen des antiken Wissens waren. Das es nicht nur ein paar Bereiche waren, wie z.B. die Mathematik, sondern wir erheblich mehr den Arabern verdanken.

Und es ärgert offensichtlich den Autor, dass das Abendland diese Tatsache jahrhundertelang mehrheitlich bestritten hat, bis in das 20. Jh. hinein, während die arabischen Manuskripte meistens keinen Hehl daraus machten, die griechischen, indischen, chinesischen, usw. Quellen zu nennen. Das der Okzident es laaange nicht zugeben wollte, was er so alles vom "barbarischen Erzfeind" übernahm.

Ich weiß, es gibt viele Philhellenen im Forum, ich auch ;) aber es wird vielleicht Zeit, sich vor einer vergessenen Epoche zu verneigen? ;)

Der obige Autor untermauert seinen Artikel z.B. auch mit dem berühmten Orientalisten George Michael Wickens
über den in seinem Nachruf steht:

“He was a scholar of enormous breadth and with a knowledge unusual in that he was trained in modern European languages before he went on to Arabic and Persian and this gave him an enormous range,” said Professor Emeritus Roger Savory, a close friend and colleague. “You wouldn’t find somebody of this type now because our field, like most disciplines, has become narrower and narrower and more and more splintered.”

Aus dem obigen PDF:
"Wickens puts it, `In the broadest sense, the West's borrowings from the Middle East form practically the whole basic fabric of civilisation.' `Without such fundamental borrowings from the Middle East,' he adds, `we should lack the following sorts of things among others (unless, of course, we had been quick and inventive enough to devise them all for ourselves): agriculture; the domestication of animals, for food, clothing and transportation; spinning and weaving; building; drainage and irrigation; road-making and the wheel; metal-working, and standard tools and weapons of all kinds; sailing ships; astronomical observation and the calendar; writing and the keeping of records; laws and civic life; coinage; abstract thought and mathematics; most of our religious ideas and symbols. And he concludes that `there is virtually no evidence for any of these basic things and processes and ideas being actually invented in the West.'"

Mich wundert es echt, wie teifgreifend anscheinend der Wissenstransfer vonstatten ging. Hätt ich bis vor ein paar Jahren nicht gedacht. Spätere Naturwissenschaftler des 16. Jh. wussten wohl auch nicht immer, dass die Werke, die sie auf lateinisch lasen, vielleicht ursprünglich von Arabern stammten? Über eine Kette von Gelehrten, die erst die Quellen nannten, wie Roger Bacon, dann sie verleugnen mussten?

Wer ist in der Wikipedia engagiert? Hat jemand Lust dort ein bischen was zu korrigieren? (Nein, nicht aufgrund meiner Ausführungen, aber aufgrund der Literatur, die ich hier massig und in den Links aufgeführt habe. :))

Noch ein letztes kleines Wort zu den Ergänzungen von Timotheus, nicht dass das hier einseitig wird... ;)

Vielleicht beantwortest du die etwas Offtopic Sachen kurz? Danke dir :)

Ich weiß, Eratosthenes hat den Umfang der Erde schon sehr genau berechnet, deshalb schrieb ich ja auch:

Zitat von oben: "Die Griechen wussten davon natürlich auch schon, allerdings nicht mit dieser Präzision."

Zu Punkt 1.
Die Ordensmedizin entwickelte sich weiter? Aufgrund z.B. des großen Mediziners Galen/us, dessen Kanon nicht bezweifelt wurde, z.B. mit seinen Körpersäften? Dann war die Entwicklung wahrscheinlich recht langsam, dass sie in 4-600 (?) Jahren noch immer nicht annähernd das Niveau hatte, die die Araber in 2-300 Jahren hatten?

Zu Punkt 2.: Weißt du näheres, woher die Kreuzritter ihre antiken Quellen zur Medizin hatten? Welche waren es?
Zu Saladin: Ja, du hast Recht, hätten die Kreuzfahrer nicht den Avicenna/Ibn Sina gehabt, wäre Salah ad-Din/Saladin wohl kaum in ihr Hospital gegangen. Wieso ging er eigentlich dorthin? Gab keins in der Umgebung und er war schwer verletzt? Warum haben die ihn überhaupt aufgenommen?



Kennt ihr vielleicht noch Dinge, die die abendländischen Natur-Forscher (ausser Philosophie) direkt aus antiken Quellen heraus erforscht haben könnten? Ohne den Umweg der arabischen Werke in lateinischer/hebräischer/etc. Übersetzung?

Was sagt ihr zu der obigen Kritik an der (zumindest bis vor kurzen) relativ ignoranten abendländischen Geschichtsschreibung?

Ich denke, dass natürlich die arab. wissenschaftlichen Leistungen sehr wichtig für die Renaissance waren, aber es früher oder später sich eh dazu entwickelt hätte. Dann wären wir jetzt eben im 18./19. Jh. und hätten nicht das schöne Internet... ;)

Ade, LG, lynxxx
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Lynxxx,

@Timo:
Keine Sorge, ich nehme nichts persönlich, aber Danke der netten Worte.

das ist gut so; und ich weiß ja, daß Du die Intention meines Beitrages wie von mir beabsichtigt verstanden hast...

Noch ein letztes kleines Wort zu den Ergänzungen von Timotheus, nicht dass das hier einseitig wird... ;)

Vielleicht beantwortest du die etwas Offtopic Sachen kurz? Danke dir :)

Angesichts der vorgerückten Stunde und des Offtopic beschränke ich mich explizit auf diese und werde es relativ kurz abhandeln. Du siehst mir auch dies bitte nach...

Ich weiß, Eratosthenes hat den Umfang der Erde schon sehr genau berechnet, deshalb schrieb ich ja auch:

Zitat von oben: "Die Griechen wussten davon natürlich auch schon, allerdings nicht mit dieser Präzision."

Das sollte auch kein Widerspruch sein, sondern vielmehr der Hinweis, daß die Kugelgestalt der Erde bereits vor Marco Polo und Columbus weitestgehend als Fakt anerkannt war und man sich im christlichen Abendland eben auf die Berechnungen des Griechen, den ich mal gleich noch beim Namen nennen wollte, stützte. Nicht mehr und nicht weniger...

Zu Punkt 1.
Die Ordensmedizin entwickelte sich weiter? Aufgrund z.B. des großen Mediziners Galen/us, dessen Kanon nicht bezweifelt wurde, z.B. mit seinen Körpersäften? Dann war die Entwicklung wahrscheinlich recht langsam, dass sie in 4-600 (?) Jahren noch immer nicht annähernd das Niveau hatte, die die Araber in 2-300 Jahren machten?

Hier ist mehr Sorgfalt notwendig, denn die - noch immer verbreiteten - generalisierten Bilder der "grundsätzlich entwicklungslahmen und unterentwickelten abendländischen Medizin" werden in der Fachwelt längst nicht mehr verfolgt.
In diesem Kontext müssen wir außerdem differenzieren - sprich: es kommt nicht nur darauf an, ob Orden oder nicht (wiewohl mönchische Heilkunst zumeist hohe Qualität hatte), sondern auch auf die Region bzw. bestimmte Orte und/oder die Zeit.
Dieser Einwurf meinerseits bezieht sich auch - wie schon geschrieben - gar nicht darauf, daß ich die arabisch-islamischen Verdienste verneinen wollte, sondern darauf, daß auch bzgl. des Entwicklungsstandes der Medizin im christlichen Abendland die Forschung "alte Bilder" korrigieren mußte.
Vgl. dazu bspw. auch http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=10990 bzw. gleich den betreffenden Artikel http://www.taz.de/pt/2006/05/19/a0211.1/text.ges,1
Anm. noch allgemein dazu: Daß noch immer verbreitete Klischeebilder, die dem Mittelalter oftmals zugeschrieben werden - bspw. das Wasser als Überträger von Krankheiten zu betrachten -, gar in spätere Zeiten gehören, ist in der Fachwelt schon länger bekannt.

Zu Punkt 2.: Weißt du näheres, woher die Kreuzritter ihre antiken Quellen zur Medizin hatten? Welche waren es?
Zu Saladin: Ja, du hast Recht, hätten die Kreuzfahrer nicht den Avicenna/Ibn Sina gehabt, wäre Salah ad-Din/Saladin wohl kaum in ihr Hospital gegangen. Wieso ging er eigentlich dorthin? Gab keins in der Umgebung und er war schwer verletzt? Warum haben die ihn überhaupt aufgenommen?

Uff, das war mal die Einleitung eines Vortrages zur Ordensgeschichte der Johanniter - aufgebaut auf reichlich Recherchearbeit und sogar mit Fachleuten abgestimmt -, den ich im Rahmen eines Seminartreffens für Reenactment und Living History im Bereich Ordensdarstellung gehalten habe. Ich versuche mich deshalb an einem Kurzabriß...

Das Hospiz- und Hospitalwesen für Pilger ins Heilige Land begann nicht erst mit dem Hospital der Amalfitaner bzw. dem der Johanniter. Bereits Papst Gregor der Große veranlaßte den Bau von Hospizen in Jerusalem und Umgebung, und Karl der Große schließlich ließ - nach vorheriger Verständigung darüber mit dem Kalifen Harun ar-Raschid - ein großes Hospital errichten.
Betrieben wurden diese seinerzeit v.a. von Benediktinern.
Diese Niederlassungen verschwanden jedoch dann spätestens während der Zerstörungen und Verfolgungen unter dem Kalifen al-Hakim (1009/10); es folgte danach die bereits genannte Neugründung bzw. genannten Neugründungen (die Quellen sprechen von zwei Hospitalen) von spätestens 1070 (spätestens, weil der Gründer Mauro di Pantaleone 1071 starb).
Ein Hospital war benediktinisch, während das andere von Laienbrüdern betrieben wurde (aus dem später der Johanniterorden hervorging).
Man kann demnach mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß der Rückstand der abendländischen Medizin nicht generell so groß war.

Wie dem auch sei, wurde Galenus rezipiert - nicht nur im Orient -; und auf seine Werke griffen natürlich auch die Brüder des Hospitals zurück.
Im Abendland wurde Medizin auf jeden Fall nach Galenus' Lehre praktiziert: Harn- und Pulsdiagnose, Galenika (entgegengesetzte Arznei), Humoralpathologie (Vier-Säfte-Lehre) - für diese Praxis war bspw. auch das Kloster St. Gallen bekannt.

Zu Saladin: nach der Eroberung Jerusalems 1187 gestattete er den Johannitern, daß einige Brüder das Hospital in Jerusalem noch ein Jahr weiterführen durften, ehe sie wie ihre Mitbrüder die Stadt zu verlassen hätten. Er habe sich - so führte der Sultan selbst aus - einige Jahre zuvor unerkannt (heute würden wir sagen "inkognito") in ihre Behandlung begeben, um zu sehen, was es mit diesem Hospital auf sich hätte, und den guten Ruf ihrer Heilkunst praktisch bestätigt bekommen.
(freie Wiedergabe nach Wienand)
Anm.: Die Johanniter behandelten grundsätzlich jeden Kranken, Verletzten und Bedürftigen, der zu ihnen kam bzw. gebracht wurde - egal, ob er ein Christ, Muslim oder Jude war. Daß dieser Orden daneben auch - ähnlich der Templer - eine der entschiedensten Kampfeinheiten der Christen darstellte, erscheint uns dabei zwar befremdlich, kann aber nur im Kontext der Zeit verstanden werden.



Das war jetzt doch einiges zum Offtopic; bitte dann im eigentlichen Thema weitermachen...

PS: Und jetzt gehe ich schlafen (ich mache hier ehedem gerade das Licht aus) :gaehn:
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,
freut mich, dass ich hier nicht einen Monolog führe, wie in so manch anderem Thread von mir... ;)

PS:
Für das ganze Wochenende lesen, bloß nicht am Stück!! Will ja niemanden belästigen!
;)


Nachdem ich nun Stunden mit weiteren Recherchen zugebracht habe, kann ich nun fundiert antworten.

Medizin und Hospitäler


Wichtig ist mir, bei den arabischen Leistungen der Medizin zu erwähnen, dass sie sehr wertvolle Informationen von den großen Medizinern der Antike Hippokrates und Galen(us), usw. und aus Werken des Mittleren Ostens und Indiens erhielten. Weniger allerdings aus byzantinischen medizinischen Werken, da ging der Wissenstransfer meist vom Islam nach Byzanz.
Die Araber haben diese Vorleistungen aber (fast) immer in ihren Werken beschrieben, anders als die meisten christl. Mediziner, die dieses bis auf eine Frühphase fast immer verschwiegen, weswegen selbst heute immer noch viele Errungenschaften der Araber christl. Gelehrten zugeschrieben wird.

1. Worum geht's mir hier primär?

Grundsätzlich geht es mir darum, aufzuzeigen, das einerseits die Araber
(ich spreche wiederum hier zwecks Einfachheit von Arabern, meine aber alle im islam. Gebiet forschenden Gelehrten) das Wissen des Vorislams wesentlich mehr erweitert, korrigiert und durch originäre Leistungen bereichert haben, als dieses ihnen immer noch von etlichen westl. Autoren zugesprochen wird, andererseits, dass der nun wesentlich von eigenen Forschungen getragene Wissenstransfer in Richtung der christl. Gebiete immenser und tiefgreifender war, als dieses ebenfalls von vielen westl. Autoren gewusst wird, anerkannt wird oder erforscht wird.

Die häufige abendländische Negierung der arabischen Quellen bei vielen Schriften des Mittelalters und der Renaissance macht es erforderlich die arabischen Schriften im Original zu lesen und mit den lateinischen zu vergleichen. Diese Sprachkompetenz ist aber leider in der Mediävistik sehr selten. So werden Irrtümer der Geschichte bis heute tradiert.

Ich möchte dazu ein Zitat bringen.
Aus dem sehr empfehlenswerten und leicht zu lesendem Buch:
Gernot Rotter (Hrsg.): Die Welten des Islam. Neunundzwanzig Vorschläge das Unvertraute zu verstehen. 1994.
Darin der Artikel: Ulrich Rebstock: Null von den Arabern? Das Abendland als Erbe der arabischen Naturwissenschaften.

"Die Wucht der der Überlegenheit der islamischen Natur- und Geisteswissenschaften [...] versetzte den führenden Köpfen des Abendlandes einen Schock. Der Erzdiakon Lupitus von Barcelona, der um 984 den Umgang mit dem Astrolab aus arabischen Traktaten erlernte, hielt seinen französischen Glaubensbrüdern jenseits der Pyrenäen beschwörend vor, was arabische Wissenschaft im Leben nachdenklicher und tatkräftiger Christen ausrichten könne: "Wer heutzutage Osterfest und Stundengebet zur rechten Zeit begehen und die Himmelszeichen für das kommende Weltende deuten will, muss das Astrolab gebrauchen... "
Es ist eine merkwürdige Kapriole der Geschichte, dass die wissenschaftliche Botschaft des häretischen islamischen Glaubensfeindes zuallererst in dem sensiblen Bereich der christlischen Zeitrechnung Gehör fand. Schon um das Jahr 1000 wird im Kloster Reichenau mit arabischen Instrumenten und Methoden experimentiert und der rituelle Tagesablauf und Festkalender exakter bestimmt...
Der Beitrag der arabischen Medizin zur europäischen gehört zu den bedeutendsten Wissenstransfers in der Kulturgeschichte....
Keine Wissenschaft hat dem kulturellen Erbe der Araber soviel Anerkennung und Glanz eingebracht wie die Medizin. ... Das wachsende Selbstgefühl der entstehenden neuzeitlichen Wissenschaften in Europa, die durch die "Türkenkriege" wieder aufgeflammte Atmosphäre des religiösen Glaubenskampfes mit den islamischen Völkern, verdrängte, verteufelte und verschüttete schließlich ein halbes Jahrtausend des Profitierens von den naturwissenschaftlichen Errungenschaften der Araber.
Dieses dunkle Kapitel europäischer Geistesgeschichte hat lange angehalten. Alexander von Humbolt sah zwar in den Arabern die "Retter der abendländischen Bildung und Kultur". Aber noch Theodor Mommsen bezeichnete den Islam als "Henker des Hellenenthums". Es ist höchste Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen und - ohne Vorurteile und von Null an - die Beiträge der Araber zu dem anzuerkennen, was wir als "abendländische Bildung" vereinnahmt haben."


2. Das christliche Mittelalter war in der Medizin gar nicht so finster?


bezugnehmend auf den Artikel:
Mit dem Schlafschwamm in die Vollnarkose

Hier noch eine ausführlichere Variante der Pressemeldung, die aber nichts grundlegend anderes sagt:
http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/1237.php

Natürlich war das Mittelalter in der Medizin nicht so finster, wie man es sich vorstellt, dank der Araber! Warum nicht, wird in dem Artikel nicht gefragt. Denn da würde herauskommen, dass die meisten der abendländischen mittelalterlichen "Errungenschaften" durch den Wissenstransfer durch die Araber in die Klöster kamen (ausgenommen Heilpflanzen, da gab's schon nützliche Traditionen).

Der Artikel der TAZ, beziehungsweise der Prof. Gundolf Keil, erweckt hingegen den Eindruck, dass der hohe medizinischen Fortschritt schon 788 oder 795 (?) durch das Lorscher "Medizin"buch praktiziert wurde.
Nun, dann schauen wir uns doch mal das Werk an, und erfahren, dass es mitnichten komplexe chirurgische Praktiken der Medizin oder die Narkosewirkung eines Schlafschwammes beinhaltete, sondern
in erster Linie ein pharmakologisches Heilkräuterbuch mit unbekanntem Autor war. Eine Rezeptesammlung. Hervorgehoben wird dabei der Teil, der die Heilkunde gegenüber christlichen Bestrebungen dieses zu unterbinden verteidigt.
Ob in diesem Buch und der karolingischen Bildungsreform ein Einfluss der Araber erkennbar ist, weiß ich nicht. Auf jedem Fall wurde einerseits in den Klöstern durch die Araber vermittelte verlorene antike Werke wieder zugänglich, andererseits suchte man verstärkt in den eigenen Archiven nach und fand so den einen oder anderen antiken Schinken. (Auch in Byzanz.)
Dabei kam es aber auch zu falschen Zuschreibungen: So verfasste Ibn Wahischiya (lebte um 900) ein Werk über Pflanzen- und Landwirtschaftskunde, es wurde ins lateinische übersetzt und im ganzen Abendland gelesen. Ein anderes Pflanzenbuch wurde Aristoteles zugeschrieben, tatsächlich beruhte es jedoch auf einer arabischen Urfassung, dieses wurde zur Grundlage der mittelalterlichen Botanik.

So muss man genau schauen, welcher Quellen sich die Klostermedizin bediente um zu einer differenzierten Bewertung zu kommen.

Gehen wir doch mal die Pressemeldung durch:

Die Arbeit des Medizinhistorikers Professor Gundolf Keil ist wichtig, liefert sie doch neue Erkenntnisse über die Klostermedizin, wobei sein Schwerpunkt klar bei der Kräuterheilkunde und Rezeptsammlungen liegt. Er forscht nicht, aus welchen Handschriften genau das Wissen stammt (z.B. arab. Abschrift, etc.), teilt aber mit, dass unter anderem die großen griechischen Ärzte Hippokrates (5. Jh. vor Chr.), Dioskurides (um 60/70) und Galen (gest. nach 200), sowie den römischen Autor Caelius Aurelianus (5. Jh.) wohl studiert wurden.
Ob alle diese Handschriften die er auf der Seite
http://www.klostermedizin.de/
aufführt seit "Urzeiten" im Besitz der Klöster gewesen sind, wird nicht mitgeteilt.
Aber wenn der Galen mit seiner Humoralpathologie (Viersäftelehre: Luft, Wasser, Feuer, Erde) schon lange im Kloster bekannt war, dann frage ich mich, warum diese dogmatische Lehre erst im 11. Jh. in der Klostermedizin zum Tragen kommt?
Ich dachte ausserdem eigentlich, dass Galenus' Lehren erst im 11. Jh. durch die Übersetzung arabischer Autoren ins Lateinische wieder bekannt wurde (vorher ist er verloren gegangen), was die obige Frage beantworten würde, aber ich schaue nun nicht noch mal genau nach.
Er erwähnt auch den Einfluss einiger arabischer Mediziner, wie z.B. Ibn Sina (Avicenna, um 980 bis 1037), behandelt diesen Einfluss aber relativ marginal.
Da stellt sich die Frage, wenn die Klostermedizin all diese antike Werke wie auch die Araber zur Verfügung hatten, warum die Klostermedizin sie nicht entscheidend weiterentwickelte? Warum ging die Entwicklung erst nach den Kontakten mit den Arabern weiter?
Warum verharrten z.b. einige arab. Mediziner nicht bei der Lehre der vier Säfte des großen Galen, sondern entwickelten sie weiter mit 48 (!) Unterteilungen, um z.B. genauere Dosierungen zu erwirken? (Wenn sie denn überhaupt noch bei der Viersäftelehre verharrten, und sie nicht zugunsten modernerer Erkenntnisse gänzlich missachteten)
Die abendländischen Mediziner hingegen trauten sich kaum, eigene Beoachtungen, die dem Galen zuwider liefen, zu benutzen, um sein Werk zu verbessern. Sie hielten sich dogmatisch jahrhundertelang an seiner Lehre.

Man kann Prof. Keil und Kollegen nicht vorwerfen, die ursächlichen Quellen der Fortschritte der Klostermedizin stärker als bisher zu erforschen, kann er doch keine arabischen Quellen lesen (Wenn man sich seine Publikationen anschaut). Er könnte aber die bisherigen Übersetzungen und Sekundärliteratur einfließen lassen, wenn denn nicht sein Schwerpunkt eher auf die Entwicklung der Klostermedizin unabhängig von nichtlateinischen Einflüssen wäre.

Er gibt immerhin zu, dass über längere Zeit (200 Jahre!) keine besonderen Werke in den Klöstern entstanden sind, erst in der 2. Hälfte des 11. Jh. tauchte ein neues Werk auf, in dem einige Kapitel dem Werk des Constantinus Africanus (von Salerno und Monte Cassino) entnommen sind.
Aha! Den hatten wir doch schon oben in meinen Post kennengelernt, als einen Plagiator arabischen Wissens!

Er schreibt: "Die Geschichte der akademischen Medizin Westeuropas hat ohne Zweifel in Salerno ihren Ausgangspunkt." Also in der arabischen Medizin, wie wir nun wissen. Warum sagt er das nicht direkt? Ist auch egal...
Er wertete mehrere Tausend mittelalterliche Schriften aus. Ein immenses Pensum, dass zeigt, dass sein Interesse vorwiegend am Sammeln von Rezepten ausgerichtet ist.
Vielleicht sollte trotzdem ein Wissenschaftler, der sich mit der Medizin des Mittelalters beschäftigt, verpflichtend die damalige "lingua franca" lernen, das Arabische. Sonst lesen wir noch in hundert Jahren von den Werk "Isagogik" eines Johannitius, anstatt richtigerweise von dem Werk "massa'il fi'l tib" eines Hunayn Ibn Ishaq!
Soviel zum Lorscher Kräuterbuch.
Interessanter hingegen sind Ausführungen des Aderlasses, der durchaus heilende Wirkung haben kann. Allerdings wird nichts dazu gesagt, dass z.B. die Eiterung der Wunde laut Galens Lehre ein wünschenswerter Prozess ist, der noch künstlich befördert wurde, und zur Folge hatte, dass die Wunde wochenlang nicht heilte, ja etliche Patienten daran verstarben. Erwähnen könnte man auch, dass der Aderlass nicht selten in Verbindung mit der Astrologie betrieben wurde, demnach jedes Körperteil in Beziehung eines Gestirnes steht, und dann je nach Kalender mal hier mal dort die Adern aufgeschnitten wurden.

Erfolgreiche Gehirnoperationen und Schlafschwämme waren arabische Errungenschaften. Es gab sicher schon vorher erfolgreiche Gehirnoperationen und Narkotika, aber relativ erfolgreich wurden diese Operationen erst durch die Araber, zumal sich die vorhergehenden Praktiken kaum erhalten hatten, und solch komplexe Operationen erst durch die Araber vermittelt wieder in das Abendland gelangten.
Zu den Schlafschwämmen (Spongia somnifera):
Die Schmerzbehandlung war im frühen Mittelalter im Abendland verpönt.

"Im Mittelalter war die Schmerzauffassung von theologischer Seite am Leiden Christi orientiert. Er wurde als Vorbild hingestellt, und in dieser Zeit gab es regelrechte Aufforderungen Schmerzen und Leiden zu bejahen und mit Freude aufzunehmen. Daß überstandener Schmerz den Menschen in seiner geistigen Entwicklung weiterbringt, war in den europäischen Kulturländern dieser Epoche, wie auch schon in der Antike, ein Gemeingut."
"Wer im Mittelalter ein Mittel gegen Schmerzen anbot, schloß, in den Augen der Kirche, einen Pakt mit dem Teufel und wurde als Hexe oder Hexer verbrannt. Das galt auch für diejenigen, die diese Mittel, ob wirksam oder nicht, einnahmen oder an sie glaubten. Schmerzen wurden als Parallele zum Leidensweg Christi angesehen und akzeptiert. Schmerz war die Strafe Gottes und mußte zur Erlösung der Seele ertragen werden. Die Erlösung von den Schmerzen galt als Gnade Gottes.
Schmerz galt deshalb in Zeiten des Mittelalters als etwas, was auszuhalten sei.
"

Der Schlafschwamm kam durch die arabische Rezeption von Salerno/Monte Cassino und Montpellier in den Okzident.
Der Schlafschwamm wurde jedoch im Mittelalter (spätestens ab 1500) bald wieder abgesetzt, denn es kam häufiger zu Unfällen aufgrund falscher Dosierungen der Inhaltsstoffe und mangelnder Haltbarkeit und Reinheit der Stoffe. Vielleicht fehlte den abendländischen Heilkundigen aber auch die hochpräzisen Waagen der Araber, die eine Berechnung bis auf ein Milligramm erlaubten, eine Präzision, die im Abendland erst im 19. Jh. wieder erreicht wurde.

"Weitere Ursache für die Abkehr von Operationsnarkosen war die wieder aufgegriffene Rezeption antiker Autoritäten in der Renaissance und die daraus resultierende Hochschätzung des Klassischen Altertums, das keine Narkose kannte, sowie die Geringschätzung des Mittelalters, das die Narkosetechnik entwickelt hatte." (zitiert von obigem Link)

Weitere Infos zu Schlafschwämmen weiter unten in den Buch-Zitaten.

Penicillin in Form von Schimmelpilzen ist hingegen uraltes Wissen, was auch die Araber schon vor dem Aufkommen des Islams zu nutzen wussten.
Weitere Infos siehe weiter unten in den Buch-Zitaten.



Forts. folgt
 
Zuletzt bearbeitet:
Geht es auch etwas kürzer?
Wer soll denn soviel auf einmal lesen?
Egentlich hätte dieser Satz schon gereicht.

(ich spreche wiederum hier zwecks Einfachheit von Arabern, meine aber alle im islam. Gebiet forschenden Gelehrten)
 
Forts:

3. Hospize/Hospitäler der Johanniter

Ich habe oben schon etliches zur Klostermedizin geschrieben, über den Einfluss arabischen Wissens. Dass ein Hospiz in Jerusalem demnach weit mehr von diesem Wissen abbekam, dürfte klar sein.
Dabei muss man anmerken, dass die frühen Hospitäler keineswegs mit heutigen Krankenhäusern oder arabischen Krankenhäusern zur Hochzeit verglichen werden können, da die Leitungen in erster Linie darin bestanden Heilmittel an die kranken Pilger zu verabreichen.
Das, was wir am meisten bewundern, sind jedoch Operationen, die Chirurgie und nicht die auch wichtige Heilkräuterkunde. Dieses erfolgte erst in stärkerem Maße nach Kontakten mit den Arabern, direkt oder indirekt durch Rückübersetzungen.

Zur Entwicklung des Hospizwesens, und die Gründe für dessen Niedergang, kann man hier einiges lesen:
Hospitäler und Heilmethoden der Johanniter

Leider enthält diese Fanseite noch nicht im ausreichenden Maße die Würdigung der Tiefe des arab. Einflusses. Ein wenig Einfluss wird jedoch gestattet... ;)

Weitere Ergebnisse einer Tagung kann man hier lesen:
Zentrum und Peripherie bei den Hospitalsorden im Spätmittelalter

Falls die User der Johanniter-Seite, und alle anderen bis hierhin lesen, dann kann ich nur nochmals zum Beispiel auf folgende kurze PDF-Dokumente verweisen:
Transfer of Islamic Technology to the West
und
Main - Aspects of the Islamic Influence

und weitere Dokumente von hier:
http://muslimheritage.com/topics/default.cfm?TaxonomyTypeID=22

Das gute an diesen Dokumenten ist auch, dass sie durch Fußnoten ihre Fakten belegen, so dass man nicht geneigt ist zu glauben, ach, dass sind eh arabische Nationalisten mit Minderwertigkeitskomplexen... ;)


4. Weitere Beispiele des Wissenstransfers und andere Errungenschaften:


(Manchmal bekomme ich bei den damaligen Errungenschaften wirklich große Augen... ;))

Al-Zahrawi's (Albucasis)
medizinisches Werk Al-Tasrif wurde ins Latein übersetzt von Gerard von Cremona (1114-1187) - zuletzt gab es eine Edition von John Channing in Oxford (1778). Fast alle abendländischen chirurgischen Texte des 12. - 16. Jh. bezogen sich auf dieses Werk und kopierten es.
So z. B. Roger von Salerno (+ 1180), Guglielmo Salicefte (I201-1277), Lanfranchi (+ 1315), Henri de Mondeville (1260-1320), Mondinus von Bologna (1275-1326), Bruno von Kalabrien (1352), Guy de Chaulliac (1300-1368), Valescus von Taranta (1382-1417), Nicholas von Florenz
(+ 1411), Leonardo da Bertapagatie von Padua (+ 1460), usw.

Darin beschreibt er zum Beispiel das erste mal in der medizinischen Geschichte die Übertragung der Bluterkrankheit.


Ein weiteres Buch, welches die Gesundheitsvorsorge behandelte, prägte den Westen nachhaltig für mehrere Jahrhunderte und fand im ganzen Abendland Verbreitung:
Die Taqwin as-sihha von Ibn Butlan (um 1000 verfasst) wurde am Hofe König Manfreds von Sizilien (1258-1266) in Palermo unter dem Titel Tacuinum Sanitatis in die lateinische Sprache übersetzt. Spätere Übersetzungen wurden aufwendig ausgeschmückt (Schachtafeln). Es behandelt auch Schwarzbrot... ;)
Schaut euch mal das reich bebilderte Exemplar aus dem 15. Jh. hier an.


Es gab vor den Übertragungen arabischer Werke durch die Gelehrten von Salerno (Konstantinus) so gut wie keine anatomische medizinischen Werke im Abendland, da aus der Antike so gut wie nichts hinterlassen wurde. (M. McVaugh: History of Medicine, in Dictionary of Middle Ages; Charles Scribners Sons; New York; 1980, Vol 8.)


Es waren bei den arabischen Ärzten nicht nur die Nierensteine bekannt, auch die Harnblasensteine kannte man. Dabei erfand man auch als erstes den mechanischen [SIZE=-1]Steinzertrümmerer [/SIZE](Lithotriptor), der wie ein Edoskop aussieht. Selbst heute gibt solche Geräte noch im Einsatz, trotz Ultraschalls.

Das erste Hospital wurde in Damaskus durch Al-Walid 706 errichtet und wurde in seiner Ausrüstung, Organisation und Besetzung zum Modell aller künftigen Krankenhäuser. Es behandelte schon alle möglichen Kranken und Verletzten, auch Blinde und Leprakranke.


Die erste medizinische Enzyklopädie, die zwecks besserer Praktikabilität im Arztalltag nach dem Alphabet geordnet war, wurde von Abu Mohammed Abdellah Ibn Mohammed Al-Azdi, bekannt auch als Ibno Al-Thahabi, (+ 1033) verfasst (Das Buch des Wassers / Kitab Al-Ma'a).


Zum Schluss noch was schönes:

"Der andalusische Chirurg Abu l’-Qasim erfindet um das Jahr 1000 einen Vaginalspiegel und Instrumente zur Hilfe bei einer schwierigen Geburt, (während in der Christenheit die Ärzte noch unterm Rock herumfummeln müssen)"
Dies ist ein Zitat eines sehr schönen Textes:
Hans-Heinrich Nolte
Neuzeitlicher Kulturtransfer von der Islam- zur Christenwelt : Politik, Militär, Religion
http://www.vgws.org/Texte/Kulturtransfer_Islam_Christenheit.pdf

Dieser Text ist besonders deshalb interessant, weil er den Transfer nicht im Mittelalter zum Schwerpunkt hat, sondern in der Neuzeit. Das heißt, dass osmanische Reich und Balkan ebenso drankommen, wie erstaunlicherweise Polen, das Zarenreich und andere Osteuropäer. Über letztere Kulturtransfers erfährt man sonst nicht sehr oft.
Sehr viel Interesse dürfte bei euch sicherlich auch der Berich Militär erregen? Stichwort: Kosaken, Tartaren, Ulanen, Kanonen, Musketen, Deutscher Orden, Janitscharen, Mauren, "Reconquita", usw.
(In der Hoffnung, dass nun durch die Suchfunktion des Forums, dieser Beitrag mehr Interesse weckt... ;) )


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Nun möchte ich noch für das Wochenende was zum Lesen mitgeben, sehr flockig geschrieben, und mittlerweile muss man wohl oder übel sagen: Ein bahnbrechendes Werk in deutscher Sprache:

Sigrid Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland, Unser arabisches Erbe, Stuttgart 1960.

Man kann sagen, dass es in weiten Teilen immer noch aktuell und korrekt ist, wenn auch der eine oder andere Nebensatz einer Aktualisierung bedarf.

(über die politische Ansicht der Autorin lasse ich mich hier mal nicht aus, denn es ist in meinen Zitaten nicht erkennbar. Fakt bleibt Fakt... ;) Ansonsten siehe oben)

"Originell und wahrhaft segenbringend war die arabische Form der
Schmerzbetäubung, die hier nicht wie bei Indern, Griechen und Römern
durch berauschende Getränke hervorgerufen und nicht nur allgemein
zur Schmerzlinderung eingesetzt wurde, sondern zur Vorbereitung der
schmerzfreien Operation: die Allgemeinnarkose. Wiederum schrieb man
zunächst einem italienischen Arzt, sodann diesmal sogar den Alexandri-
nern zu, was man von den Arabern gelernt hatte: Schwammstückchen
mit einem Saft von Haschisch, Wicken und Bilsenkraut zu tränken, sie an
der Sonne zu trocknen und bei Gebrauch anzufeuchten, sie dann dem
Patienten in die Nase zu stecken, wo die Schleimhäute die Lösung auf-
nahmen, so daß er in Tiefschlaf sank und die unerträglichen Schmerzen
der Operation nicht spürte. Auf verschiedenen Wegen drang die Kennt-
nis der Vollnarkose ins Abendland. Aber dies so segensreiche Verfahren
überlebte hier nur kurze Zeit, um dann bis zur Erfindung der Inhala-
tionsnarkose um 1844 vollständig in Vergessenheit zu geraten.
Und dies unselige Los teilte die Narkose mit einer anderen arabischen
Errungenschaft, mit der Chirurgie und Wundheilung stehen und fallen:
der Asepsis, die ebenfalls von den Arabern nach Norditalien kam, ein
kurzes, überaus erfolgreiches Gastspiel gab, um jäh und für die Dauer
von sechshundert Jahren wieder spurlos zu verschwinden.
Auf der unglücklichen Doktrin der griechischen Viersäftelehre war auch
der wunderliche Gedanke gewachsen, die Eiterung der Wunde sei der
natürliche, wünschenswerte Reinigungsprozeß, den der Arzt noch künst-
lich zu unterstützen habe oder sogar hervorzurufen. über tausend Jahre
hatten die Ärzte dem gewaltigen Hippokrates hierin getreulich Gefolg-
schaft geleistet. Gegen diesen Gedanken setzte Ibn Sina die Lehre von
der eiterungslosen Wundbehandlung.
Seine Erfolge grenzten an Wunder. Waren früher Wochen unter bren-
nenden, stechenden Schmerzen, ja Monate vergangen, bis eine Wunde
glücklich vernarbt war, so heilte sie jetzt fast über Nacht. Das machte, er
verzichtete nicht nur darauf, eine Wundeiterung zu fördern, er vermied
jede unnötige mechanische oder chemische Reizung und beugte durch
warme Kornpressen mit starkem, altem Rotwein der Eiterung vor – ein
Mittel, dessen mächtige keimtötende Wirkung erst der französische Pro-
fessor Masquelier aus Bordeaux im Jahr 1959 neuentdeckt und als dem
Penicillin gleichwertig erkannt hat.
Diese Einstellung entsprach altarabischer Tradition und einer wund-
pflegerischen Begabung, der wohl niemand Erfindungskraft und Origi-
nalität absprechen wird. Für die Behandlung infizierter Wunden nämlich
hatten schon die vorislamischen Araber ein Mittel gefunden, das eben-
falls erst das 20. Jahrhundert neuentdeckte, den vorletzten Schrei der
Medizin unserer Tage: das Antibiotikum.
Von den Geschirren ihrer Lastesel und Wasserbüffel ernteten sie die
Schimmelstoffe des Penicilliums und Aspergillus. Diese verarbeiteten sie
zu Salben und behandelten mit ihnen entzündete Wunden. Bei Halsent-
zündungen pusteten sie den grünlichen Staub verschimmelten Brotes in
den Hals des Kranken, wie es heute noch bei den Beduinen üblich ist. Bei
derartigen Rezepten hätte es uns noch vor fünfzig Jahren geschüttelt -
heute bewundern wir eine so frühe Kenntnis der antibiotischen, entzün-
dunghemmenden Wirkung bestimmter Mikroorganismen, ein Wissen,
das für uns einen Gipfel heilkundlicher Weisheit darstellt; so lange bis ein
neuer hinter ihm aufragt.
Hochmodern muten auch die Behandlungen von Geisteskrankheiten an.
Manien und andere geistige Störungen kurierten die Araber durch Heil-
schlaf mit Opium wie seit kurzem auch unsere Ärzte. Im übrigen stim-
men alle Berichte von Heilungen Geisteskranker in dem Bemühen des
Arztes überein, sich in den Zustand des Patienten hineinzuversetzen, auf
ihn und seinen Wahn einzugehen, ihn womöglich durch psychische Mittel
zu heilen.

Die Psychotherapie spielte bei ihnen eine wichtige Rolle, auch bei
körperlichen Leiden."

Forts. folgt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Forts.:

"Reichlich drei Jahre flickt Hugo von Lucca die Knochen und Wunden seiner Bologneser wieder zusammen.
Dabei muß er erleben, daß viele von den großen Herren ihm die Kolle-
gen von der anderen Seite vorziehen, was immer auch Priester und Symo-
den zu solchem Ungehorsam gegen die heilige Kirche sagen mögen. Was
hilft es, daß die Geistlichen immer wieder verbieten, warnen, drohen und
ihnen ihr sicheres Ende vor Augen halten? „Unter dem Schleier ihrer
Medizin, ihrer Wundbehandlung und ihrer Arzneien lauern die Heiden-
ärzte den Christen voller Verschlagenheit auf, um ihnen zu schaden und
sie durch Hinterlist zu töten!" Selbst diese Gefahr schreckt sie nicht ab,
den feindlichen Heilkünstlern hinterherzulaufen.
Das ist nicht schmeichelhaft für einen in Ehren ergrauten Feldscher und
Amtsarzt. In diesen drei Jahren findet Hugo ausreichend Anlaß, den viel
gelobten und vielgelästerten muslimischen Chirurgen, wo es geht, auf die
Finger zu sehen, und wenn er sich dazu selbst in ihre wunderbar ausge-
rüsteten Feldlazarette begeben muß, die auf den Rücken von dreißig und
vierzig Kamelen ins Feld transportiert werden.
Was Hugo hier an Wundbehandlung zu sehen bekommt, sagt ihm er-
schreckend deutlich, daß falsch gewesen ist, was er gelernt und seit fünf-
zig Jahren geübt hat und was vom großen Hippokrates bis zu Meister
Roger von Salerno als der Weisheit letzter Schluß gilt: in den Wunden
den „guten und löblichen Eiter" hervorzurufen und die Wunden mit Ei-
weiß und Rosenöl zu schließen, auf dem der Eiter nur so gezüchtet wird.
Oft genug hat der gefährliche Brauch schon schwersten Schaden gestiftet
Die ägyptischen Wundärzte dagegen erreichen mit ihren Verbänden voll
warmem, stark alkoholhaltigem Wein und dem einfachen Verband, den
sie oft fünf bis sechs Tage ruhig liegen lassen, die viel schnellere und ge-
fahrlose Heilung und eine glatte, zarte Vernarbung ohne Wülste und
Schrunden, sogar bei Nerven- und Gefäßverletzungen. Zur Heilung von
Brüchen benutzen sie nicht so mörderische Foltermaschinen, wie sie da-
heim in Gebrauch sind. Und noch etwas, was man in Europa immerhin
schon vorn Hörensagen kennt, sieht er bei ihnen mit eigenen Augen.
Wenn sie einem Schwerverwundeten den Arm amputieren, schläfern
sie ihn vorher mit Haschisch, Bilsenkraut und Mandragora getränkten
Schwämmen ein, auf daß er die unmenschlichen Schmerzen nicht spüre.
Als Hugo 1221 in die Heimat zurückkehrt, kann er seine Kreuzzugs-
erfahrungen noch in den fast dreißig Jahren seiner Amtstätigkeit den
Kranken Bolognas zugute kommen lassen und denen, die der Ruf
seiner außergewöhnlichen Erfolge herbeigezogen hat. Doch was er von
Arabern gelernt hat, das lehrt er jetzt seine Söhne und Enkel: bei Wun-
den jede Entzündung und den gefährlichen Eiter zu verhindern, er lehrt

die vereinfachte Behandlung von Brüchen und die Narkose bei operativen
Eingriffen durch Schlafschwämme, die die Schleimhäute mit betäuben-
den Drogen netzen. Als er hundertjährig stirbt, hinterläßt er in Bologna
eine Chirurgenschule, die in seinem Sinne weiterarbeitet. Sein eigentlicher
Nachfolger ist sein Sohn Theoderich.
Theoderich von Borgognoni ist Geistlicher. Und daher bedarf er einer
besonderen Erlaubnis, das verbotene Handwerk, das "inhonestum", aus-
zuüben, das seinen Stand bei den in hohen Graden drohenden Mißerfol-
gen notwendig übler Nachrede aussetzen muß. Aber Theoderich kennt
kaum Mißerfolge dank der neuen Wege, die sein Vater ihn gewiesen hat.
Und so sehr liebt er seinen Arztberuf, daß er seine vielbesuchte chirurgi-
sche Praxis in Bologna fortsetzt sogar, als er zum Bischof in der Nähe
Ravennas ernannt wird.
Aber schon ist die neue Ära, die so hoffnungsvoll begonnen hat, zur
Episode verurteilt. Das chirurgische Werk des Wilhelm von Salicero, der
einige Zeit lang in Bologna lebt und lehrt und die unendlich segensreiche
Tätigkeit des greisen Hugo und dann die seines Sohnes noch mit ansieht,
dieses Werk weiß nichts von ihnen. Ob Kollegenneid auch ihm den Mund
verschlossen hat? Mit keinem Wort erwähnt er die eiterungslose Wund-
behandlung mit Wein und die Narkose durch Schlafschwämme, noch
spricht sein großer Schüler Lanfranco davon. Ein einziger, der bei Theo-
derich selbst die Chirurgie erlernt hat, Heinrich von Mondeville, schildert
begeistert dessen aseptische Heilmethoden und wunderbaren Erfolge.
Seine Beschreibung ist ein einziges Preislied der schnellen, eiterungsfreien
Wundheilung - und zugleich ihr letztes. Und sechshundert Jahre, in
denen die heimtückischen Wundkrankheiten das beste ärztliche Wollen
um den Erfolg betrogen und sinnlos Opfer für Opfer forderten, blieben
für eine Fortentwicklung ungenutzt.
Etwas besser erging es der Narkose. In alte Rezeptsammlungen wie das
"Antidotarium Nicolai" haben spätere Bearbeiter die Vorschrift aufge-
nommen. Hier und dort wird sie noch angewendet, bis wahrscheinlich
tödlich ausgehende Mißgriffe in der Dosierung, großenteils jedoch der
kirchlich genährte Aberglaube, der die betäubenden Pflanzen als Hexen-
kram verdächtigte, die Menschheit um die Wohltaten der Schmerz-
betäubung brachten.
Und was Hugo von Lucca gelehrt hatte, war weniger als eine ferne
Sage. Nur aus der "Chirurgia" seines Sohnes erfuhr man, wie einst "der Herr
Hugo" narkotisiert, örtlich betäubt, mit Wein und Werg verbunden,
mit weichen Lappen geschient hatte, wie er Galens Kur bei frischen
Wunden getadelt, aber mit großem Erfolg "auf dieselbe Wehe behan-
delte wie Avicenna"."

"So stellte ar-Rasi als erster bewußt die Chemie in den Dienst der Medizin;
was später Paracelsus von neuem tun wird.
Ar-Rasi erkannte, daß er durch Veredelung und künstliche Umformung
der Naturstoffe neue Heilmittel schaffen konnte, die in der Natur nicht
vorkamen. Damit hob er die medizinische Chemie gleichberechtigt neben
die Pflanzenheilkunde. Doch vor ihrer Anwendung prüfte er die auf
synthetischem Wege erzeugten Substanzen im Tierversuch. So wurden
die Quecksilberverbindungen als Heilmittel entwickelt. Im Tierexperiment wurde die Opium- und Haschischpharmakologie für die Anäs-
thesie vervollständigt. Ein von ihm eingeführtes Heilmittel erhielt in
Frankreich den Namen „blanc-Rhasis", woraus die Volksetymologie
„blank raisin", helle Traube, machte.
Der arabischen Chemie verdankt endlich die Medizin eine Reihe neuer
Arzneiformen: den Sirup aus destillierten Kräuterauszügen mit Manna
oder Zucker, der überhaupt seine große Rolle zu spielen beginnt; den
Julep, einen süßen Kühltrank, der weniger dick eingekocht ist als der
Sirup; die in Honig oder Zucker eingedickten „kandierten Früchte" oder
Pflanzenteile, von arabisch qand = Zucker. Sief nennt ar-Rasi pastillen-
förmige Augenmittel, Roob die zu Pillenform eingedampften Pflanzen-
säfte, die man auch unterwegs bei sich tragen und bequem einnehmen
konnte.
Ar-Rasi hatte sich auch darüber Gedanken gemacht, wie er bei empfind-
lichen Patienten den Widerwillen gegen das Einnehmen von Medika-
menten überwinden könne. Schlechtschmeckenden Roob überzog er, ähn-
lich den heutigen Dragees, mit einem Zuckerguß oder Psylliumschleim.
Fruchtsäfte mit Honig, Zucker und anderen Zusätzen, bis zur Faden-
konsistenz eingedickt, verarbeitete man zu Bonbons, indem die Masse
auf eine Marmorplatte gegossen, geformt und nach dem Erkalten ge-
schnitten wurde. Die heute noch übliche Sitte, Pillen zu vergolden oder
zu versilbern, geht auf Ibn Sina zurück, der Gold und Silber als an-
regende Herz- und Kreislaufmittel verordnete und zur Umhüllung von
Pillen verwendete.
Einfallsreich zeigten sich die Araber auch in der Fülle und Vielseitigkeit
ihrer Pflaster, Kataplasmen, Verbände, Salben und Puder. Außer der
Reifung und Eröffnung von Furunkeln und Geschwüren, der Behand-
lung verschiedenster Hautkrankheiten, der Heilung von Wunden dien-
ten sie auch der Schmerzstillung und der Verhütung und Beseitigung von
Wundeiterungen, wozu die Araber bekanntlich bereits Antibiotika auf der
der Grundlage von Penicillium und Aspergillus und den – wie wir seit
kurzem wissen - ihnen gleichwertigen Wein benutzen, sowie den vielfach
verwendbaren, überstark getoasteten Kaffee; von ihnen brachte ein deutscher Chemiker, dem Araber noch vor dreißig Jahren mit dieser "Kaffeekohle" - wie er selbst sagt - "das Leben gerettet haben", ihr Wundermittel nach Deutschland, wo es bei einer Unzahl akuter und chronischer entzündlicher Affektionen mit Erfolg eingesetzt wird. Araber stellten auch klebende Salben her, die wie ein Pflaster antrockneten.
[...]
Die Araber trennten das Arbeitsfeld des Arzneibereiters von dem des
Arzneiverordners. Sie schufen den Apotheker, der sich durch seine Schulung
und durch seine besondere Verantwortlichkeit weit über den Arzneihändler früherer Zeiten zu hohem Ansehen erhob.
Sie gründeten die ersten öffentlichen Apotheken - bereits in den achtziger Jahren des 8. Jahrhunderts unter der Regierung al-Mansurs.
"


So, nun ist endlich Schluss.
Vielleicht wird nun einiges klarer.

Arrividerci und LG, lynxxx

PS: Undank ist der Welt Lohn. Hier wird niemand gezwungen zu lesen, ihr könnt euch auch alle selber Bücher dazu kaufen und selber eure Fazits ziehen... :motz::motz::motz:
Ich finde es jedenfalls spannend, einige tradierte Lehrmeinungen, die z.B. noch im dtv-Atlas der Welgeschichte stehen, zu revidieren. Spannender jedenfalls, als über die Länge von Ritterrüstungsscharnieren zu palavern... ;) :D
 
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