Der Schlieffenplan ging grundsätzlich davon aus aus, das Deutschland krieg an zwei Fronten führen müsse, nämlich gegen Russland und Frankreich. Natürlich muss man auch fragen, weshalb die Reichsleitung dies hingenommen hat?
Hat sie das? Die Frage ist doch, ob die Heeresführung dem Kanzler überhaupt ein Mitspracherecht bei der Militärplanung eingeräumt hätte. Ich vermute eher, wenn Bethmann Hollweg gesagt hätte, dass der Plan Mist ist, sie Moltke da nicht im geringsten drum geschert hätte. Einzig der Kaiser hätte da ein Machtwort sprechen können. Wobei Moltke seine Anweisung zum Ostaufmarsch 1914 ja schlicht und einfach ignoriert hat.
Falkenhayn vertrat die Meinung, das ein Stellungskrieg im Westen auf Dauer nicht gewonnen werden kann. Des Weiteren wollte Falkenhayn einen Separatfrieden mit Russland ausgehandelt wissen, da er die Auffassung vertrat, es gab zwischen Deutschland und Russland eigentlich keine großen Gegensätze.
Aber zwischen Russland und Österreich gab es sehr wohl große Gegensätze. Um mit Russland Seperatfrieden zu machen hätte er entweder Österreich-Ungarn opfern müssen oder Russland in eine militärisch verzweifelte Lage bringen müssen. Stattdessen hat er die Blutmühle von Verdun in Gang gesetzt und den Politikern geraten, sie sollten doch mal Frieden mit Russland schließen.
---------------
Die Frage war ja, welche entscheidenden Fehler das Deutsche Reich gemacht hatte. Dazu zählt imho die Verletzung der belgischen Neutralität nicht, da GB wohl ohnehin gegen Deutschland ins Feld gezogen wäre, was sich auch aus den Beiträgen dieses Threads sehr schön herauslesen läßt.
GB wäre womöglich auch ohne Belgien gegen Deutschland in den Krieg gezogen, aber mit Sicherheit noch nicht 1914. Bis das Parlament und die Bevölkerung GBs auf Kriegskurs gebracht worden wären, das hätte einige Zeit gebraucht, schließlich war GB ja nicht direkt bedroht. Somit hätte Deutschland mehrer Monate Zeit gehabt, um etwa die russ. Armee übel zuzurichten und dann Verhandlungen anzustreben, bevor GB eingreift.
Ich zitiere mal Churchill:
Ohne den ersten Fehler [den Einmarsch in Belgien] würden die Deutschen Frankreich und Russland mühelos in einem Jahr besiegt haben.
Der erste Fehler war das zurückweichen an der Marne und der "Verzicht" auf die Einnahme von Paris, was du @Turgot sehr schön dargestellt hast.
Deutschland hatte keine Reserven mehr, um Paris zu umgehen, geschweige denn einzunehmen. Von einem "Verzicht" kann nicht die Rede sein. Wären die Deutschen an der Marne nicht zurückgewichen, dann wäre die Front etwas weiter vorne zum Stillstand gekommen. Schlimmstenfalls hätte die Franzosen bis zur Seine zurückweichen müssen. Die deutschen Versorgunglinien wurden immer länger, Reserven gab es keine mehr, die Reservedivisionen standen sämtlich in der Frontlinie.
Damit war der Krieg aber keineswegs "schon fast verloren"! (s.o.) Der imho zweite entscheidende Fehler wurde nämlich erst 1918 (!) begangen, als man beim "Unternehmen Michael" den Fehler vom Anfang des Krieges wiederholte, indem auch hier die Taktik über die Strategie gestellt wurde.
Unternehmen Michael halte ich eher für eine Verzweiflungsaktion, als für eine echte Siegesoption (wiewohl auch Haffner da anderer Ansicht ist). Dem Ziel, die Briten ins Meer zu werfen ist man nicht einmal nahe gekommen. Aber selbst wenn es gelungen wäre, hätten die deutschen Truppen danach kehrt machen und Frankreich überrennen müssen, alles bevor die Amis genügend Truppen anlanden konnten. Im Grunde hoffnungslos.
----
Einen Kardinalfehler gibt es noch, der in der Literatur nicht so häufig erwähnt wird, nämlich die völlig unzureichende Truppenanzahl auf deutscher Seite. Während Frankreich noch den letzten Mann zum Militär einzog, wurde im Reich per Los entschieden, wer zu "dienen" hatte und wer freigestellt wurde. Die franz. Ausschöpfungsquote lag bei 82%, die deutsche bei 52%. Dadurch waren beide Armeen zahlenmäßig etwa gleich groß. Hätte das Reich sein Potential voll ausgeschöpft, hätten mindestens 600.000 Mann mehr an der Westfront zur Verfügung gestanden, ca. 40 Divisionen, ev. genug, um Frankreich zu besiegen.