Ich wundere mich über die Bestrebungen, ausgerechnet die Maintenon reinzuwaschen, die ich als Motor der Hugenottenverfolgung sehe. Gerade sie hat der französischen Hofkultur zudem sehr geschadet. Bezeichnender Weise beschränkt sich Frankreich fortan auf die Nachlaßverwaltung des Werkes Lullies, was den kulturellen Stillstand verdeutlicht.
Nicht wenige Autoren argumetieren aber ebenso, dass der Einfluß der Maintenon stark überschätzt wurde und das der Verlust an Ausstrahlung in Versailles ab den 1690ern massgeblich dadurch verursacht wurde, dass Louis einfach ein alter Mann wurde und dadurch einfach ruhiger werden wollte. Ein 60jähriger beim Ballet und inmitten rauschender Feste, hätte nach Auffassung der Zeit einfach grotesk gewirkt, Louis hätte sich der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn noch wie ein junger Spring-ins-Feld weitergemacht hätte. Auch dem Sonnenkönig darf man ruhigere Tage gönnen, ohne dass man gleich kulturelle Stagnation unterstellt.
Bei "kulturellen Stillstand" muss ich aber deutlich widersprechen. Wenn ich an so berühmte Gestalten wie Marin Marais, Marc-Antoine Charpentier, François Couperin, Michel-Richard Delalande und Jean-Philippe Rameau denke, dann finde ich, dass sie künstlerisch durchaus würdige Nachfolger in der musikalischen Kulturgeschichte Frankreichs sind. Auch bin ich nicht der einzige, der das 18. Jahrhundert als ein spezifisch durch frz.
Leitkultur geprägtes Jahrhundert empfindet. Woher nahm die Dame von Welt um 1760 ihren modischen Stil her ? Aus Versailles und Paris ! Etc. Der enorme Einfluss Frankreichs während der Aufklärung ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. :winke:
Den Westfälischen Frieden davor schieben zu wollen, halte ich für sehr rückschrittlich gedacht. Ich bitte zu bedenken, daß Friedensverträge den Sinn haben, die Welt so zu ordnen, daß der Friede möglichst Bestand haben kann. Diese Aufgabe löst man nicht, indem man auf die 1648er Welt von vorgestern verweist!!
Jetzt musst dem Wort eines Politologen vertrauen, wenn ich dir sage, dass die politischen Maximen des Westfälischen Friedens von 1648, in den Verhaltensweisen der Staaten so enorm wichtig sind, dass sie bis
heute bei internationalen Beziehungen und Verträgen ihre Gültigkeit behalten haben. Insofern standen sie auch 1697 und 1700/1701 über jedweden Friedensvertrag. Louis XIV. handelte 1701 vielleicht unmoralisch aus Sicht der Holländer und des Reiches, aber dennoch juristisch korrekt.
komme ich Dir gern ein gutes Stück näher, indem ich das Tragische an seinem Niedergang betone. Ich sehe dies aber nach wie vor als entscheidenden Fehler, sowie als seinen kathastrophalsten Wendepunkt.
Sicherlich kann man seit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg von einer Wende in der frz. Außenpolitik sprechen, dahingehend, dass Louis keinen Siegfrieden mehr erringen kann. Aber ganz nüchtern und realistisch betrachtet, kann weder ein katatrophales Ende, noch ein Niedergang konstatiert werden.
Die Literatur ist da auch ganz auf meiner Seite. Etwa die hervorrange Fachanalyse von Klaus Malettke:
Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung:
"Frankreich blieb nach Utrecht [...] eine Großmacht, deren politisches Gewicht auch nach 1715 von zentraler Bedeutung blieb. ... Ludwig XIV. hinterließ ein Land, dass größer und besser zu verteidigen war als bei Beginn seiner Alleinherrschaft. Er hinterließ seinen Nachfolgern eine Monarchie, die auch in den folgenden Jahrzehnten in der Lage war, eine erstrangige Rolle in Europa zu spielen." (S. 150)
"Mit seinem Tod verlor Frankreich einen seiner größten, fähigsten und bedeutendsten Herrscher, dessen Regierung die französische Monarchie nach innen und außen nachhaltig geprägt und dessen Leistung weit über die französischen Grenzen hinaus vielfältige Nachahmung gefunden hat." (S. 156)
Es spielt aber noch etwas sehr entscheidendes mit hinein: In Haag und Londen beschwor man im Vorfeld des Erbfolgekrieges immer wieder "die Freyheit Europas", und insonderheit "die Freyheit der Religion" innerhalb Europas. Die abschreckenden Protestantenverfolgungen waren ja in aller Munde. - Übrigens war unlängst ein Complott aufgeflogen: Frankreich hatte in England einen Sturz der Protestanten vorbereitet. Mit einem Wort, die Protestanten Europas fühlten sich arg bedroht.
Vorsicht, fall nicht auf bloße Rhetorik rein! Mit "Freiheit" ist allein der Protestantismus gemeint und keine Religionsfreiheit in unserem Sinne. Holland und England galten zur damaligen Zeit als einige der schlimmsten Katholikenverfolger überhaupt. In England wurde durch die Testakte 1673 der Hass auf Katholiken seitens des Parlaments nur noch mehr geschürt und bis zum Ende des 17. Jahrh. fanden verstärkt antikatholische Hetzkampagnen statt, die bis zur völligen Entrechtung von Katholiken führte. Die Protestanten haben sich genauso hässlich und intollerant verhalten wie ihre katholischen Gegenparts, ohne dass man dabei eine
realisitische Bedrohung feststellen kann. Deshalb würde ich die Ebene der Religion bei politischen Betrachtungen nahezu völlig ausblenden, weil in Wirklichkeit praktisch immer andere Ursachen verantwortlich waren und die Religion ein typisch rhetorisches Mittel der Epoche war.
Ich lehne aber die Maintenon ab. Ich vertraue in diesem Zusammenhang Madame, die ich geradezu intim kenne.
Das ist aber ein bisschen problematisch, so freundlich und symathisch uns Liselotte erscheinen mag, so war sie doch alles andere als neutral, um nicht zu sagen, sie war extrem parteiisch in ihren Ansichten. Sie hasste die Maintenon, weil sie in ihr die Ursache für die Verschlechterung ihrer Beziehung zum König sah und damit den Verlust an Ansehen bei Hofe nicht verzeihen konnte. Wenn man Liselottes Briefe liest, dann ist es ganz klar, dass man die Maintenon ableht, sie lässt auch kein gutes Haar an ihr. Aber dennoch muss man immer bedenken, dass ihr Maintenon-Bild nicht unbedingt der Realität entspricht, sondern sie konstruiert ein Geflecht aus negativen Einflüssen auf den König, wo die moderne Wissenschaft einfach zum Schluß kam, dass dies so niemals der Fall war, sondern dass die Maintenon in Wirklichkeit ein elendes Abbild an Machtlosigkeit war. Louis räumte ihr Zeit seines Lebens nur das Maß an Einfluß ein, das einer Mätresse gebürte, nämlich die Herrschaft über nutzlose Hofämter und Hofschranzen. Einen Millimeter weiter und auch der Maintenon war klar, dass ihr die Ungnade sicher gewesen wäre. Wie sie selbst in Briefen zugibt, die sie an den Erzbischof von Paris geschrieben hat. Madame de Maintenon hatte es nämlich gewagt sich offen für die Jansenisten auszusprechen und ging damit zu weit. Ihr Ehemann war über diese potentielle Einmischung in die Politik des Königs derart erbost, dass sie schrieb:
"Niemals war ich der Ungnade so nahe wie zu diesem Augenblick, der König ist außer sich...". Louis erlaubte ihr niemals und zu keinem Zeitpunkt auch nur die geringte Einmischung in die Politik, sei sie auch noch so zaghaft. Nur bei Liselotte klingt das anders, sie konstruiert praktisch schon eine Verschwörungstheorie, in deren Zentrum die böse Maintenon sitzt. Die in Wirklichkeit weder so böse, noch so einflussreich war.