Wer ist der Messias

"Wer Lukas als historische Quelle benutzen will, kann sich wohl nicht damit begnügen, was er gesagt hat, sondern hat diese Quelle nach historischen Methoden auf den Wert als historische Quelle zu prüfen."

Da bin ich ganz deiner Meinung. Ich habe nirgends gesagt, dass die Aussage von Lukas den Tatsachen entspricht und ihn damit als historisch einwandfreie Quelle eingestuft, sondern lediglich festgestellt: Lukas gibt eindeutig an, dass auch in einem römischen Klientelstaat ein Zensus durchgeführt worden sei - ein Umstand, der manchmal übersehen wird. Demnach steht definitiv fest, dass die historische Glaubwürdigkeit des Lukas maßgeblich von der Frage abhängt, ob sich überhaupt irgendein römischer Zensus in einem Vasallenreich nachweisen lässt.

Ich habe nicht gemeint: Lukas sagt das so, also ist es so. Sondern ich habe lediglich festgestellt: So sagt es Lukas, und nicht anders.
 
Quirinius

Das Problem ist, dass das Lukasevangelium zwischen 70 und 80 n. Chr. entstanden ist - also gut fünfzig Jahre nach dem Tode Jesu. Über die historische Korrektheit der Bibel habe ich mich schon vorher geäußert. Da man damals vorwiegend auf mündliche Überlieferungen zurückgriff, kann einiges verkehrt wiedergegeben worden sein. In Lukas 2,1 steht, "dass alle Welt geschätzt würde". Die stimmt aber nicht, denn die von Quirinius durchgeführte Schätzung, betraf nur Judäa, das in eine römische Provinz überführt werden sollte. Weiters steht in Lukas 2,2 "und diese Schätzung war die allererste...". Das Problem hierbei ist, dass bereits - nachweislich - 8/7 v. Chr. eine erste Erfassung begonnen hat, die auch gemeint sein könnte (und höchstwahrscheinlich auch gemeint ist). Somit stehen zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Entweder 8/7 v. Chr. oder 6/7 n. Chr. Versucht man diese, mit anderen Bibelpassagen in Einklang zu bringen, in denen Herodes erwähnt wird, kommt man - wie die meisten Historiker übrigens - zu einem Geburtsdatum Jesu zwischen 8 und 4 v. Chr.
 
Sheik schrieb:
Ich denke auch, dass man Mercys Aspekt beachten sollte, die Evangelien sind sicherlich nicht als historisch genaue Schriften gedacht gewesen, sonder dazu um den Christen die Worte Jesu/Gottes und seine Taten näher zu bringen. Wobei dabei sicherlich versucht wurde Glaubhaftigkeit durch bekannte Ereignisse zu erreichen. Letzendlich blieb es dennoch eine Kompostiton, wie Mercy schön gesagt hat ( Ähnliches findet man ja auch bei den heiligen Viten, welche sicherlich auch nicht als getreue historische Überlieferung zu sehen sind.)

Lieber Sheik, wenn es nur eine Komposition von Lukas war. Dann müssen wir fragen, unter welchen Umständen Jesus wirklich geboren wurde? :confused: Dann hat es vielleicht auch keinen Kindermord in Bethlehelm gegeben? :confused:
 
heinz schrieb:
Lieber Sheik, wenn es nur eine Komposition von Lukas war. Dann müssen wir fragen, unter welchen Umständen Jesus wirklich geboren wurde? :confused: Dann hat es vielleicht auch keinen Kindermord in Bethlehelm gegeben? :confused:


Lukas schreibt ja auch nichts vom Kindermord, das war Matthäus. Beide erklären auf unterschiedliche Weise, warum Jesus in Betlehem geboren, aber in Nazaret aufgewachsen sein soll:

- Laut Lukas wohnten Jesu Eltern in Nazareth und sollen nur wegen der Volkszählung nach Betlehem gekommen sein.

- Laut Matthäus flohen die Eltern mit dem Kind vor Herodes aus Betlehem und ließen sich später aus Furcht vor dessen Nachfolger Archelaus in Nazaret nieder.
 
Rovere schrieb:
Matthäus liefert ja die Vorfahren Christi - eine 42 Generationen überspannende Genealogie die über David bis zu Josef führt. Josef ist aber nicht der Vater Jesu, ergo können die angeführen Vorfahren nicht die Familie Christi sein.
Weiss jemand zufällig wie aus theologischer Sicht dieser Wiederspruch erklärt wird bzw. kennt jemand ein gutes Buch dazu?
Josef, der Davidssohn, ist Jesu Vater vor dem Gesetz. "Wenn jemand sagt: Dieser ist mein Sohn, so ist er beglaubigt." (d.h. ist erbberechtigt).
LThK, Stichwort "Genealogien".

Fingalo
 
hyokkose schrieb:
Lukas schreibt ja auch nichts vom Kindermord, das war Matthäus. Beide erklären auf unterschiedliche Weise, warum Jesus in Betlehem geboren, aber in Nazaret aufgewachsen sein soll:
- Laut Lukas wohnten Jesu Eltern in Nazareth und sollen nur wegen der Volkszählung nach Betlehem gekommen sein.
- Laut Matthäus flohen die Eltern mit dem Kind vor Herodes aus Betlehem und ließen sich später aus Furcht vor dessen Nachfolger Archelaus in Nazaret nieder.

Lieber Hyokkose, beides Mal wäre Jesus in Betlehem geboren. Der Grund der Geburt, gerade in Betlehem ist bei Beiden verschieden. Bedeutet dies, dass Jesus auf jeden Fall in Betlehem geboren wurde und eine Gebirt in Nazareth auszuschließen ist? :confused:
 
heinz schrieb:
Lieber Hyokkose, beides Mal wäre Jesus in Betlehem geboren. Der Grund der Geburt, gerade in Betlehem ist bei Beiden verschieden. Bedeutet dies, dass Jesus auf jeden Fall in Betlehem geboren wurde und eine Gebirt in Nazareth auszuschließen ist? :confused:
Nein. Das bedeutet es nicht.
Die Kindheitsgeschichten sind keine historische Information. Dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, gehörte zu seine Messias-Legitimation.
Er musste daher in Bethlehem geboren sein, auch wenn er tatsächlich nicht dort, sondern irgendwo anders geboren wäre.
Schon die Fragestellung impliziert ein rezentes Textverständnis.

Fingalo
 
fingalo schrieb:
Nein. Das bedeutet es nicht.
Die Kindheitsgeschichten sind keine historische Information. Dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, gehörte zu seine Messias-Legitimation.
Er musste daher in Bethlehem geboren sein, auch wenn er tatsächlich nicht dort, sondern irgendwo anders geboren wäre.
Schon die Fragestellung impliziert ein rezentes Textverständnis.
Fingalo

Lieber Fingalo, vielen Dank für Deine Auskunft. Ich bin leider ein bißchen unwissend, was ist ein rezentes Textverständnis? :confused:
 
heinz schrieb:
Lieber Hyokkose, beides Mal wäre Jesus in Betlehem geboren. Der Grund der Geburt, gerade in Betlehem ist bei Beiden verschieden. Bedeutet dies, dass Jesus auf jeden Fall in Betlehem geboren wurde und eine Gebirt in Nazareth auszuschließen ist? :confused:

Wer weiß das schon mit Sicherheit? Johannes erwähnt nur die Herkunft aus Nazaret, die man Jesus offenbar negativ angekreidet hat ("Wie kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?"). Über die Umstände der Geburt schreibt er nichts.

Wie Fingalo ganz richtig sagt, geht es Matthäus und Lukas darum, die Messias-Legitimation zu unterstreichen (Abstammung von David, Herkunft aus Betlehem, der "Stadt Davids"), aber im Detail gibt es dann viele Widersprüche, die aus rein historischer Sicht nicht aufzulösen sind.
 
Lieber Hyokkose, dann wurde die Geburt in Betlehem allein deshalb schon geschildert, um nachzuweisen, dass Jesus aus dem Hause David kommt? :confused: Wieso nahm man an, dass aus Nazareth nichts Gutes kommen kann? :confused:
 
heinz schrieb:
Wieso nahm man an, dass aus Nazareth nichts Gutes kommen kann? :confused:

Ich weiß es auch nicht, lieber Heinz. Johannes zitiert diesen Spruch (Joh 1,46) - vielleicht besagt er nicht mehr, als daß Nazaret ein galiläisches Kuhkaff war, aus dem man nicht gerade einen bedeutenden Propheten, geschweige denn einen Messias erwartete. Es ist immerhin bemerkenswert, daß Johannes in diesem Zusammenhang dann nicht auf Betlehem zu sprechen kommt.
 
heinz schrieb:
was ist ein rezentes Textverständnis?
Das ist ein Verständnis eines Textes nach heutigen Maßstäben, also wenn man einen 2000 Jahre Alten Text so liest, wie man einen heutigen Artikel liest und selbstverständlich davon ausgeht, dass die Verfasser damals die gleichen Ansprüche an ihre Texte erhoben haben, wie heutige Verfasser.
Fingalo
 
Danke lieber Fingalo für die Auskunft. Man sollte also die Texte so lesen, wie sie der Autor vor 2000 Jahren verstanden hatte. :rolleyes:
 
JA, zum Beispiel: "Nimm dein Bett und wandle!

Damals verstand man unter "Bett" eine Matte und eine Decke, und heute denkt man bei "Bett" an ausgefeilte und schwere Konstruktionen aus Holz, Metall und verschiedenen Textilien.
 
Das mit dem "Bett" ist was anderes. Das ist mit rezentem Lesen nicht gemeint.

Aber z.B. im AT "Gott sprach zu Abraham..."

und heute zur Wiedervereinigung: "Gott sprach zu Gorbatschow: ...."

Man denkt ja zunächst bei "sprach" an akustische Ereignisse. Damals wurde eine Eingebung, irgendetwas zu tun, sei es etwas Erfolgreiches ("Gott sprach"), sei es ein Flop (Der Herr verhärtete das Herz des Pharao) eben in dieser Weise ausgedrückt. Historisch hat da nicht mehr stattgefunden als heute, wenn ein Politiker oder sonstwer sich zu etwas aufrafft. Aber heute drückt man das nicht mehr in dieser Weise aus. "Gott sprach zu Gorbatschow" klingt lächerlich. Das hängt aber damit zusammen, dass wir solche Aussagen historisch nehmen, als könne man ein Tonband mitlaufen lassen. Deshalb verbietet sich solch bildhafte Rede. Wenn nun jemand meint, er könne im Falle einer fiktiven Zeitreise den Dialog zwischen Abraham und JHW auf Tonband aufnehmen und z.B. fragt, ob es wohl eine männliche oder weibliche Stimme war und welchen Dialekt sie gesprochen hat, dann ist das eine rezente Lerseweise, die dem Text nicht gerecht wird und ihm Gewalt antut.
Das ist aber nicht auszurotten. "Die Bibel hat doch recht", der Moses-Film usw. sind Produkte rezenten Denkens.
Fingalo
 
Lieber Fingalo, wenn ich Dich recht verstehe, spricht Gott nicht wortwörtlich mit einer Person, sondern der Betreffende hat die Eingebung, sich do oder so zu verhalten. Im AT heißt es dann dazu, Gott hat ihm das gesagt, trotzdem er die Eigebung selbst hatte. Aber diese Eingebung ist vielleicht doch von Gott. :)
 
heinz schrieb:
Lieber Fingalo, wenn ich Dich recht verstehe, spricht Gott nicht wortwörtlich mit einer Person, sondern der Betreffende hat die Eingebung, sich do oder so zu verhalten. Im AT heißt es dann dazu, Gott hat ihm das gesagt, trotzdem er die Eigebung selbst hatte. Aber diese Eingebung ist vielleicht doch von Gott. :)
Richtig. Meine Darstellung war keine theologische. Wie die Eingebung zu Stande kam, ist nicht das Thema. Sie kann bei Abraham, bei Xerxes und bei Gorbi von Gott gekommen sein oder auch nicht.
Mir geht es um den literarischen Topos der Darstellung. Wenn man ihn von der Qualität, Topos zu sein, entkleidet und ihn unmittelbar beim Wort nimmt, begeht man einen Fehler.

Fingalo
 
fingalo schrieb:
Richtig. Meine Darstellung war keine theologische. Wie die Eingebung zu Stande kam, ist nicht das Thema. Sie kann bei Abraham, bei Xerxes und bei Gorbi von Gott gekommen sein oder auch nicht.
Mir geht es um den literarischen Topos der Darstellung. Wenn man ihn von der Qualität, Topos zu sein, entkleidet und ihn unmittelbar beim Wort nimmt, begeht man einen Fehler.

Fingalo
Entschuldigt, das ich das noch mal aufgreife. Ich lese eben gerne im Archiv.

Fingaldo, muss ich deinen letzten Satz jetzt so verstehen, das die Bibel nur ein literarisches Machwerk ist und sie nicht beim Wort nehmen soll?
 
florian17160 schrieb:
Fingaldo, muss ich deinen letzten Satz jetzt so verstehen, das die Bibel nur ein literarisches Machwerk ist und sie nicht beim Wort nehmen soll?

Nimm die Bibel doch einfach als Zusammenstellung verschiedenster Schriften: Liebeslyrik (Hohelied), Geschichtsschreibung (z.B. Makkabäer), Recht, Philosophie, religiöse Vorschriften der Juden und Geschichte und Ursprung(smythen) der Juden.
 
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