Wir Mädchen mussten in der POS auch nicht ins Lager, das war den Jungs vorbehalten. Ich hatte Zivilverteidigung in Klasse 9 – soweit ich mich erinnern kann – und Wehrunterricht schon vorher. Die Schule habe ich 1981 verlassen.
Wehrunterricht hatten wir bei einem Major, der nicht besonders intelligent war. Er versuchte, uns im Unterricht militärischen Drill beizubringen, war aber nicht sonderlich erfolgreich damit.
Irgendwann hieß es, dass Wehrunterricht ein reguläres Unterrichtsfach werden solle, wovon kaum jemand begeistert war. Im Sommer, vor den Ferien, hatten wir zunächst theoretische Ausbildung in der Schule. Uns unterrichteten Lehrer, die Reservisten waren, und Leute, die man irgendwo abgestellt hatte. Das Ganze war ziemlich provisorisch und die Typen, die uns unterrichteten… eher Witzfiguren. Aber dieses Bedrohungsszenario wirkte. Wir Schüler waren damals ziemlich sarkastisch und schwarzhumorig drauf, und auch Lehrer äußerten sich so. Eine Lehrerin wies darauf hin, dass der Luftschutzkeller unter der Schule nur einen Teil der Schüler aufnehmen könne, und fragte (ironisch), ob man da nach Zensuren auswählen solle.
Dann fuhren die Jungs ins Lager und wir Mädchen hatten Geländeausbildung, Exerzieren, Erste Hilfe in Schule und Umgebung. Auch uns hatte man GST-Uniformen gegeben, die viel zu groß waren, und das trug zur unfreiwilligen Komik bei. Das Lachen blieb einem aber oft im Halse stecken. In unserem Lehrbuch wurde in Skizzen verdeutlicht, wie man sich bei einem Atomschlag verhalten solle. So sollte man auch einen Baumstumpf als Deckung verwenden, wenn man einen Atompilz am Horizont sah und nichts Besseres vorhanden war, oder, wenn gar keine Deckungsmöglichkeit vorhanden sei, sich mit den Füßen zum Zentrum legen. Diese Zeichnungen sorgten natürlich für makabre Witze, aber dennoch hatte man unterschwellig Angst.
Wir nahmen diese Ausbildung – von einigen minderbemittelten Lehrern abgesehen – auch nicht ganz ernst. Die Schulleitung ging aber sehr streng vor. Teilnahme war Pflicht, Entschuldigungen wurden nicht akzeptiert, wer krank wurde, musste einen Krankenschein vorlegen. Ich kann mich deswegen so gut daran erinnern, weil mein Vater damals einen runden Geburtstag hatte und eine Familienfeier geplant hatte, an der ich wegen des Wehrunterrichts nicht hätte teilnehmen dürfen. Meine Eltern fragten höflich an, ob ich eine Stunde eher nach Hause gehen dürfe, denn die Feier fand außerhalb von Dresden statt – aber keine Chance. Da wir an jenem Tag während der letzten beiden Stunden Unterricht bei einem meiner Lieblingslehrer hatten, war ich entschlossen, irgendwie wegzukommen. Ich ging also in der Pause vor der letzten Stunde zu ihm hin, meldete mich ab und sagte, dass ich eine Freistellung hätte. Er nickte nur. Ich ging nach Hause, konnte an der Feier teilnehmen, und niemand bekam mit, dass ich eine Stunde gefehlt hatte.
Zu Beginn meiner Lehre fuhren Mädchen und Jungen ins GST-Lager. Dieses war viel besser organisiert; die Berufsschule betonte den Zweck des gegenseitigen Kennenlernens, und bei all der straffen Tageseinteilung und durchaus anstrengenden Übungen hat das funktioniert. Ich bin wirklich kein Befürworter von Drill und all dem militärischen Getue, aber an den erlebnisorientierten Aufenthalt dort erinnere ich mich ganz gerne.