Wie sind Person und Regentschaft von Kaiser Wilhelm II. historisch zu bewerten?

Gerade, dass er den "eisernen Kanzler" Bismarck entließ....möchte ich ihm hoch anrechnen.


Du weißt doch sicher, welche katastrophalen, ja geradezu unheilvollen Folgen Bismarcks Entlassung für die Außenpolitik des Deutschen Reiches hatte.Von 1890 beginnend hat das Deutsche Reich sich auf dem europäischen Kontinent weitesgehend isoliert gehabt. Allein schon die gleich zu Beginn die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Rußland kann man nur als riesengroßen Fehler bezeichnen. Dieses dann auch noch in Großbritannien bei den Bemühungen um ein Bündnis mit Großbritannien auch bekannt zu machen war innerhalb kürzester Zeit ein weiterer großer Fehler. Bismarck verfolgte eine Politik der Saturiertheit und war für außenpolitische Abenteuer nicht zu haben.
 
Im Juni 1887 urteilte Herbert von Bismarck gegenüber Holstein über den Prinzen Wilhelm:

"Der Prinz habe keine Ausdauer, er wolle bloß amüsiert sein. Auch vom Soldatenleben interessiere ihm eigentlich nur der bunte Rock und das Durchziehen der Straßen mit Musik. Er glaube Friedrich der Große zu sein, habe aber weder dessen Gaben noch dessen Kenntnisse. Friedrich der Große habe auch in Jugend seinen Geist unablässig in der Arbeit geübt, während Prinz Wilhelm seine guten Anlagen verflache durch fortgesetzten Umgang mit Potsdamer Lieuntnants. Dabei kalt wie eine Hundeschnauze. Von vornherein darüber klar, daß jeder Mensch für irgend etwas - Arbeit oder Amüsement - zu brauchen sein muß und dann auch nur für eine bestimmte Zeit verwendbar, nachher beiseite zu schieben ist."


Zitiert nach Röhl, Wilhem II Die Jugend des Kaisers, S. 684, München 1993
 
Sorry, vielleicht ist es ein wenig zu platt, und es gibt ja auch gegenteilige Meinungen ....

aber um die ganzen Wilhelme besser auseinander zu halten, und insbesondere auch als Belohnung für seinen Beitrag zur Entwicklung Deutschlands, heißt er bei mir einfach "Kaiser Dummkopf".

Er war in gewisser Weise ein "Don Quichote", ein Schwadroneur mit den schlimmsten Zügen eines typischen Halbgebildeten: Leute nicht ausreden lassen können, nicht zuhören können und davon überzeugt, dass er selbst alles könne, denn schließlich sagte das die ganze Welt. Freunde wie Philipp von Eulenburg ließ er gnadenlos fallen, wenn sie in die kritik der Öffentlichkeit gerieten. Er konnte sehr kränkend sein und besaß wenig Takt. Einige seiner antisemitischen Äußerungen hätten auch von Hitler oder Himmler stammen können ("am besten wäre Gas!") Er besaß wenig Taktgefühl und liebte markige Worte. Ein Dummkopf aber war dieser Mann nicht, eher ist das Gegenteil der Fall. Er brachte es auf manchen Gebieten wie der Archäologie durchaus zu nicht schlechten Leistungen, ebenso wie er mit seiner Behinderung recht beeindruckende sportliche Erfolge vorweisen konnte, die ihm heute bei Paralympics Beifall eintragen würde. So war Wilhelm ein hervorragender Schütze, der eine Sonderanfertigung benutzte, die den kranken Arm ausglich. Was Wilhelm fehlte, war die mangelnde Tiefgründigkeit, und er war recht öberflächlich. Wenn er aber ein Dummkopf gewesen sein soll, dann bestand das deutsche Volk aus allzuvielen Dummköpfen. Die Überzeugung, dass am deutschen Wesen die welt genesen sollte, teilte Wilhelm mit der Mehrheit des Groß- und Kleinbürgertums. Der Reserveoffizier galt weniger, als die Promotion des Doktors der Rechte. Weite Teile der Bevölkerung klatschten ihm Beifall, und das Deutschland eine Flotte und Kolonien brauche, um "Weltpolitik" zu machen, um "einen Platz an der Sonne" zu gewinnen, wurde von den meisten Deutschen nicht in Frage gestellt.
 
Wie kam es eigentlich zu dieser de-facto-Militærdiktatur? Ich denke es ist fuer die Bewertung von WillemZwo sicher wichtig, wie und warum er sich das Zepter aus der Hand nehmen liess...

Gruss, muheijo

Bethmann Hollweg hat von den militärischen Qualitäten Falkenhayns nicht viel gehalten; ein Urteil was die Herren von Oberost, Hindenburg und Ludendorff, teilten. Bethmann war sauer auf Falkenhayn weil dieser ihm Ende 1914 verstehen zu geben hat, das aus seiner Sicht der Krieg militärisch nicht mehr gewonnen werden kann. Falkenhayn hat Bethmann aufgefordert mit dem Zarenreich und am besten auch gleich noch mit Frankreich ein Separatfrieden abzuschließen. Bethmann glaubt nicht richtig zu hören, gehörte doch gerade Falkenhayn am Ende der Julikrise zu den Falken. Als Falkenhayns Blutbad namens Verdun gescheitert war, war das die Gelegenheit für Bethmann seine Giftpfeile gegen Falkenhayn abzuschießen und dies schließlich auch mit Erfolg. Gleichzeitig sorgte er für die Inthronisierung von Hindenburg und Ludendorff, weil er der Meinung war, das die Sieger von Tannenberg es schon richten würden. Der Kaiser hat dieser Ernennung eigentlich eher widerwillig zugestimmt, er wußte um die problmatische Persönlichkeit Ludendorffs und von Hindenburg hielt er auch nicht so furchtbar viel, doch konnte er die ungeheure Popularität der beiden Feldherrn nicht einfach ignorieren. Hindenburg hat es in der Zeit nach Tannenberg meisterhaft verstanden um seine Person einen regelrechten Kult zu entfachen. In sehr vielen deutschen Wohnzimmern war neben einen Bild vom Kaiser auch eines von Hindenburg vorzufinden. Diese beiden haben es dann verstanden, den Kaiser fast auszuschalten, zur Durchsetzung der eigenen Ziele genügte häufig die Rücktrittsdrohung. Im Notfall wurde Wilhelm durch ein persönliches Gespräch "auf Kurs" gebracht.
 
Du weißt doch sicher, welche katastrophalen, ja geradezu unheilvollen Folgen Bismarcks Entlassung für die Außenpolitik des Deutschen Reiches hatte.Von 1890 beginnend hat das Deutsche Reich sich auf dem europäischen Kontinent weitesgehend isoliert gehabt. Allein schon die gleich zu Beginn die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Rußland kann man nur als riesengroßen Fehler bezeichnen. Dieses dann auch noch in Großbritannien bei den Bemühungen um ein Bündnis mit Großbritannien auch bekannt zu machen war innerhalb kürzester Zeit ein weiterer großer Fehler. Bismarck verfolgte eine Politik der Saturiertheit und war für außenpolitische Abenteuer nicht zu haben.

Außenpolitisch waren die Folgen tatsächlich fatal, als "der Lotse" das Schiff verließ, dass darauf auf einen Schlingerkurs geriet, der beim Platzen des Rückversicherungsvertrages mit Rußland begann und bei den Marokkokrisen, bzw. in der Julikrise 1914 endete.


Innenpolitisch aber muss man sich fragen, ob Bismarcks Abgang nicht längst überfällig war. Dazu hatte Bismarck die Eltern des neuen Kaisers, die Hoffnung der Liberalen, reichlich schäbig behandelt. Bismarck hatte mit seinen Sozialistengesetzen, im Kulturkampf mit dem Zentrum und im Umgang mit nationalen Minderheiten Preußen auf ultra- reaktionären Kurs gebracht, und war mit seiner Kanzlerdiktatur innenpolitisch zu einer Belastung geworden. Wilhelm war zwar durchaus kein Freund der Sozialdemokratie, hatte aber durchaus Verständnis für die Probleme der Arbeiter. Er war angetreten mit dem Anspruch, ein Kaiser für die armen Leute zu werden, und er verweigerte Bismarcks Forderung, Truppen zu entsenden und Streiks im Ruhrgebiet mit Waffengewalt aufzulösen.
 
Innenpolitisch aber muss man sich fragen, ob Bismarcks Abgang nicht längst überfällig war.

Die Frage ist durchaus berechtigt.

Dazu hatte Bismarck die Eltern des neuen Kaisers, die Hoffnung der Liberalen, reichlich schäbig behandelt.

In der Tat. Motiv war die Machterhaltung der Bismarcks, denn unter einen Kaiser Friedrich hätte Bismarck wohl nicht mehr so schalten und walten können.

Bismarck hatte mit seinen Sozialistengesetzen, im Kulturkampf mit dem Zentrum und im Umgang mit nationalen Minderheiten Preußen auf ultra- reaktionären Kurs gebracht, und war mit seiner Kanzlerdiktatur innenpolitisch zu einer Belastung geworden.

Alles richtig. Aber Bismarck hat immerhin auch 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und schließlich 1889 die Rentnversicherung eingeführt. Das war ohne Frage ein bedeutender Verdienst Bismarcks.

Wilhelm war zwar durchaus kein Freund der Sozialdemokratie, hatte aber durchaus Verständnis für die Probleme der Arbeiter

Wilhelm II. hat aber schnell das Interesse an der Arbeiterfrage verloren, als diese ihm nicht "genügend dankbar" erschienen.
 
Er war angetreten mit dem Anspruch, ein Kaiser für die armen Leute zu werden, und er verweigerte Bismarcks Forderung, Truppen zu entsenden und Streiks im Ruhrgebiet mit Waffengewalt aufzulösen.


Am 31.Dezember 1905 schrieb Wilhelm an Bülow. In dem Schreiben ging es darum, ob und wie das Deutsche Reich Vorteile, ein Krieg gegen Frankreich von Zaun brechen, aus der Marokko-Krise und der Schwäche des Zarenreichs, bedingt durch die Niederlage gegen Japan, ziehen könnte

Zudem kann ich in einem solchen Augenblick wie jetzt, wo die Sozialisten offen Aufruhr predigen und vorbereiten, keinen Mann aus dem Lande ziehen, ohne äußerste gefahr für Leben und Besitz seiner Bürger. Erst die Sozialisten abschießen, köpfen und unschädlich machen - wenn nötig per Blutbad- und dann Krieg nach außen! Aber nicht vorher und nicht a tempo."(1) (Hervorhebung durch mich)

(1) Wilhelm II. am 31.Dezember 1905 an Reichskanzler Bülow veröffentlicht in Berliner Tageblatt am 14.Oktober 1928 hier zitiert nach Röhl, Wilhelm II Der Weg in den Abgrund, S.367, München 2008
 
Zuletzt bearbeitet:
Sorry, vielleicht ist es ein wenig zu platt, und es gibt ja auch gegenteilige Meinungen ....

aber um die ganzen Wilhelme besser auseinander zu halten, und insbesondere auch als Belohnung für seinen Beitrag zur Entwicklung Deutschlands, heißt er bei mir einfach "Kaiser Dummkopf".

Was ist das für eine inhaltlose Behauptung und Einschätzung von Dir. Was macht Dummheit aus?
Vorurteile ohne sich gedanken über die Problematik zu machen und eine Meinung bilden, die nicht begründbar ist, das ist Dumm.

Sicherlich war der deutsche Kaiser nicht besonders bewandert, indem was er tat oder sagte, aber solche Pauschalisierungen sind unangebracht und zeugen nicht von geistiger Vielfalt.
 
Er jammerte nicht in Doorn und ich nehme deswegen an, dass er zum Teil ein wenig sein Verschulden einsah.

Wilhelm II. hat, nach einem Volksentscheid über die entschädiungslose Enteignung der deutschen Fürsten, die Menschen, die mit JA stimmten, als "Schweinehunde" bezeichnet. Na ja, Wilhelm kam ja noch relativ gut davon. (1) Und Wilhelm konnte es sich leisten für 1,35 Millionen Gulden Haus Doorn samt seinen 59 Hektar großen Park zu erwerben. Trotzdem jammerte Wilhelm von Raub. (2)

Wilhelm drohte, für den Fall der von ihm angestrebten Rückkehr auf dem Thron, "Blut muß fließen, viel blut, bei den Offizieren und Beamten, vor allem beim Adel, bei allen die mich verlassen haben. (3)

Wilhelm hat sich in Doorn auch seine Vorstellungen hinsichtlich der Vergangenheit zu Papier gebracht, die dort den Weltkrieg als Ergebnis der planmäßigen Einkreisungspolitik der alliierten Mächte Frankreichs, Großbritanniens und Russlands darstellen. (4) Sieht nicht so aus, als ob Wilhelm die Vergangenheit verstanden hat.

So schrieb Wilhelm 1927 seinen amerikanischen Freund Bigelow, "Juden und Mücken seien eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muß. Ich glaube am besten wäre Gas." (5)

In einem Brief aus dem Jahre 1925 schreibt Wilhelm, "Die Weimarer Republik sei von den Juden vorbereitet und erreichtet worden und werde vom jüdischen Geld erhalten; die Revolution, welche die Republik ins Leben gerufen habe, sei ein Akt des Verrats durch das deutsche Volk gewesen, das von einem Haufen Juden getäuscht und belogen worden sei. (6)

Ich habe da so meine Zweifel, das Wilhelm sein eigenes Verschulden irgendwie eingesehen hätte.


(1) Gutsche, Kaiser im Exil, S.202, Marburg 1991, siehe auch das Gesetz über die Vermögensauseinandersetzung zwischen Preußen und dem ehemaligen Königshaus

(2) Wilhelm an die Landgräfin von Hessen, 19.April 1929

(3) Wilhem am 22.08.1934 zitiert nach dem Tagebuch von Sigurd von Ilsemanns, hier zitiert nach Röhl, Wilhem II. S. 1272, München 2008

(4) Kaiser Wilhelm II., Vergleichende Geschichtstabellen 1878 bis zum Kriegsausbruch 1914, Leipzig 1922

(5) Clark, Wilhelm II., S.325, München 2008

(6) Clark, Wilhelm II., S.325, München 2008
 
Die Frage ist durchaus berechtigt.



In der Tat. Motiv war die Machterhaltung der Bismarcks, denn unter einen Kaiser Friedrich hätte Bismarck wohl nicht mehr so schalten und walten können.



Alles richtig. Aber Bismarck hat immerhin auch 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und schließlich 1889 die Rentnversicherung eingeführt. Das war ohne Frage ein bedeutender Verdienst Bismarcks.



Wilhelm II. hat aber schnell das Interesse an der Arbeiterfrage verloren, als diese ihm nicht "genügend dankbar" erschienen.

Bismarcks soziale Errungenschaften waren in der Tat sehr verdienstvoll und seiner zeit voraus. Seine Sozialgesetze wurden u. a. von Großbritannien übernommen. Die Sozialdemokratie wusste diese Sozialleistungen auch durchaus zu schätzen, dennoch entschloss man sich zur Totalopposition und weigerte sich, im Reichstag für Bismarcks Eingabe zu stimmen.
 
Im Juni 1887 urteilte Herbert von Bismarck gegenüber Holstein über den Prinzen Wilhelm:

"Der Prinz habe keine Ausdauer, er wolle bloß amüsiert sein. Auch vom Soldatenleben interessiere ihm eigentlich nur der bunte Rock und das Durchziehen der Straßen mit Musik. Er glaube Friedrich der Große zu sein, habe aber weder dessen Gaben noch dessen Kenntnisse. Friedrich der Große habe auch in Jugend seinen Geist unablässig in der Arbeit geübt, während Prinz Wilhelm seine guten Anlagen verflache durch fortgesetzten Umgang mit Potsdamer Lieuntnants. Dabei kalt wie eine Hundeschnauze. Von vornherein darüber klar, daß jeder Mensch für irgend etwas - Arbeit oder Amüsement - zu brauchen sein muß und dann auch nur für eine bestimmte Zeit verwendbar, nachher beiseite zu schieben ist."



Zitiert nach Röhl, Wilhem II Die Jugend des Kaisers, S. 684, München 1993

Später stilisierte sich Wilhelm II. ja gerne als sittenstrenger Monarch und Familienvater, bei einem früheren Besuch in Wien ging er aber mit Erzherzog Rudolf auf eine ausgedehnte Pufftour. Allerdings war er offenbar ziemlich knickrig und weigerte sich, zu bezahlen. Kaiser Franz Joseph I. soll sich halbtot gelacht haben und war dann auch so kulant, "Willis" Lustbarkeitssteuer zu bezahlen.
 
Obwohl die JungeFreiheit hier wegen Rechtslastigkeit nicht gern verlinkt gesehen wird, doch mal zu einem Bericht über eine Podiumsdiskussion am 27.Januar in Berlin, wo neben den aktuellen Biografie-Autoren Clark und Straub auch Röhl eingeladen war (aber wegen Krankheit abgesagt hat):

[Mod] Link entfernt. Publikationen aus diesem Bereich möchte das GF auch nicht über Links ein Forum für ihre Standpunkte bieten. [/Mod]



Hier wird auch auf einige Punkte eingegangen, die Turgot ansprach.

Jeder 82jährige Mann hat in seinem langen Leben sicher einiges gesagt oder im privaten Schriftverkehr geäussert, auf das er später nicht immer stolz war. Auch wäre es sicher interessant und würde viel über die Persönlichkeit aussagen, was Kohl, Schröder oder Merkel schon einmal in Bierlaune oder im Ärger fallen liessen, aber entscheidend ist gerade bei Führungspersönlichkeiten, was sie wirklich tun, nicht was sie mal irgendwo geplappert haben.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bemerkenswert:
Dennoch hat Wilhelm II. konfessionell harmonisierend auf Deutschland gewirkt, die Katholiken mit dem Reich versöhnt und die Gesellschaft für die Juden durchlässiger gemacht. Markschies ließ in seinem Vortrag unerwähnt, dass Wilhelm noch aus dem Doorner Exil das Deutsch-Israelitische Bikur-Cholim-Hospital in Jerusalem unterstützte, ein öffentliches Krankenhaus, das seit 1871 unter der Schirmherrschaft des deutschen Kaisers stand. Diese Schirmherrschaft wurde im vergangenen Juni wiederbelebt, und man kann jetzt in Berlin die kuriose Erfahrung machen, dass Vertreter der jüdischen Gemeinde zu den emphatischsten Kaiser-Verteidigern werden.

150. Geburtstag: Wilhelm II.: Der verschwiegene Monarch - Hintergründe - Feuilleton - FAZ.NET
 
So etwas ähnliches stand auch hinter dem zensierten Link...

"Straub bekannte sich denn auch als Freund des wilhelminischen Zeitalters, und wer sein Buch gelesen hatte, wußte, daß es ihm damit ernst ist. Es geht ihm nicht nur um die Rehabilitation des Kaisers, sondern um dessen Anerkennung als herausragender Persönlichkeit einer ganzen Epoche. (....) Er betonte, daß es eine umfassende Freiheit, wie sie in den 25 Jahren vor dem Ersten Weltkrieg herrschte, nie wieder gegeben habe. In allen Bereichen hätten sich damals ungehindert Persönlichkeiten entfalten können, die diese Epoche erst zu dem gemacht hätten, was sie ist: eine der großartigsten der deutschen Geschichte."

Doch letztlich waren sich Straub und Clark auch in der Widerlegung dieser Behauptung wieder einig: Öffentlich hat sich Wilhelm nie antisemitisch geäußert, und die privaten Äußerungen nach 1918 reichten nicht aus, um solch ein Urteil zu fällen, so Clark. Im Gegenteil: Straub betonte, daß Wilhelms Nähe zu den Juden ihn zur Zielscheibe nationalistischer Kritik gemacht habe und er nach den Novemberpogromen 1938 bekannte, sich zu schämen, Deutscher zu sein."
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Jeder 82jährige Mann hat in seinem langen Leben sicher einiges gesagt oder im privaten Schriftverkehr geäussert, auf das er später nicht immer stolz war

Ich würde solche Äußerungen nicht einfach so verharmlosen oder verniedlichen oder einfach als Verirrung abtun:

Turgot schrieb:
So schrieb Wilhelm 1927 seinen amerikanischen Freund Bigelow, "Juden und Mücken seien eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muß. Ich glaube am besten wäre Gas."

Straub betonte, daß Wilhelms Nähe zu den Juden ihn zur Zielscheibe nationalistischer Kritik gemacht habe und er nach den Novemberpogromen 1938 bekannte, sich zu schämen, Deutscher zu sein."

Das hat Wilhelm aber nie öffentlich geäußert. Kurze Zeit später hat Wilhelm sich schon wieder ganz anders geäußert.

"England sei von Juden un Freimauern durchseucht, "Deutschland müsse Juda aus England vertreiben oder auch in England und auf dem Continent muß der Antichrist Juda hinausgestoßen werden. Zweimal hätte das Judentum mit England Hilfe den Krieg von Zaun gebrochen, um auf Satans Geheiß das Weltreich Juda aufzurichten." (1)

"In einem Brief an seine Schwester schrieb Wilhelm nämlich:" Die Juden verlieren ihre unheilvollen Positionen in allen Ländern, die sie seit Jahrhunderten zu Feindlichkeit getrieben haben." (2)

Arne schrieb:
"Straub bekannte sich denn auch als Freund des wilhelminischen Zeitalters, und wer sein Buch gelesen hatte, wußte, daß es ihm damit ernst ist. Es geht ihm nicht nur um die Rehabilitation des Kaisers, sondern um dessen Anerkennung als herausragender Persönlichkeit einer ganzen Epoche. (....) Er betonte, daß es eine umfassende Freiheit, wie sie in den 25 Jahren vor dem Ersten Weltkrieg herrschte, nie wieder gegeben habe.

Was ist mit der Umsturzvorlage aus dem Jahre 1894?, die sich ja primär gegen die Sozialdemokraten richtete. Erwähnung verdient auch die Zuchthausvorlage aus dem Jahre 1899. Ist das die umfassende Freiheit, die Straub meint?

Wie sah es dann konkret mit der Freiheit und den Rechten der Dänen, Polen oder in Elsaß-Lothringen aus? Interessant ist in diesem Zusammenhag ist die Zabernaffäre. Das Dreiklassenwahlrecht in Preußen , an dem Wilhelm viel zu lange, stur festgehalten hat, ist nicht gerade ein Musterbeispiel für einen modernen Staat.

(1) Wilhelm am 28.Juli und am 07.August 1940, an Alwina Gräfin von der Goltz, abgedruckt in Gutsche, Illusionen des Exkaisers, Dokumente aus dem letzten Lebensjahr des Kaisers hier nach Röhl, Wilhelm II.,S.1321, München 2008 wiedergegeben.

(2) Wilhelm an Magarethe Landgräfin von Hessen am 03.November 1940
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde solche Äußerungen nicht einfach so verharmlosen oder verniedlichen oder einfach als Verirrung abtun:

Das hat Wilhelm aber nie öffentlich geäußert. Kurze Zeit später hat Wilhelm sich schon wieder ganz anders geäußert.

Genau das ist doch signifikant: Er hat mal so, mal so gesprochen und geschrieben. Je nach augenblicklicher Stimmung oder Situation - ganz typisch für ihn. Daher bin ich der Überzeugung, daß man ihm eben keinen generellen Antisemitismus unterstellen kann. Und selbst wenn man das täte, ihm also persönliche Vorurteile, bzw. Resontiments zusprechen würde, so hat er als Staatsmann doch meines Wissens nach nie gegen die Juden im Reich gehandelt.

Wie ich schon sagte: Entscheidend ist, wie ein Politiker handelt, nicht wie er im Privatleben plappert.
 
"Straub bekannte sich denn auch als Freund des wilhelminischen Zeitalters, und wer sein Buch gelesen hatte, wußte, daß es ihm damit ernst ist. Es geht ihm nicht nur um die Rehabilitation des Kaisers, sondern um dessen Anerkennung als herausragender Persönlichkeit einer ganzen Epoche. (....) Er betonte, daß es eine umfassende Freiheit, wie sie in den 25 Jahren vor dem Ersten Weltkrieg herrschte, nie wieder gegeben habe. ....

...wie friedlich diese 25 Jahre Freiheit waren, bzw. wofür diese genutzt werden, stellt sich naturgemäß erst im Nachhinein heraus und da sieht die traurige Wahrheit denn anders aus ,als apologetische Verehrer dies absichtsvoll zu unterschlagen gewillt sind...Gerade auf dem Feld der Volksbidung - hin zum militaristisch verdorbenen und geduckten Untertan dieser "Großen Zeit" wird vorbereitet, was mit pervertierten preuß. Tugenden in den nachfolgenden Generationen an dt. Geschichte und Bevölkerung in großen Teilen vergiftet wird!

Die Beschäftigung mit der Erziehung im Deutschen Kaiserreich zwischen den Jahren 1890 bis zum Ausbruch des Krieges 1914, die Frage, wie eine derart hohe Akzeptanz des Krieges in der deutschen Gesellschaft entstehen konnte, die in der Kriegsbegeisterung vom August 1914
zum Ausdruck kam, ist deswegen so brisant, weil Erziehung und Schule damals sowie heute noch in erster Linie der Strukturierung einer vorgeblich egalitären, in Wirklichkeit aber hierarchisch aufgebauten Gesellschaft dienen.
Der vorliegende Aufsatz versucht deutlich zu machen, wie der direkte Zugriff auf die Schule durch den Staat im Deutschen Kaiserreich mit dem Ziel der Erziehung zum Krieg erfolgte und welche geistigen Grundlagen dies ermöglichten...
Besonders das Verständnis Wilhelms II. von Schule als Waffe, lohnt es sich zu untersuchen. Es scheint, als hätte er schon früh nach seinem Regierungsantritt verstanden, daß nur eine langfristige Strategie, welche die Möglichkeiten von Unterricht und Bildung ausschöpft, eine gute Chance bot, die kommende Generation so zu "programmieren", daß sie für die Zwecke nationaler und zunehmend imperialer Ziele ebenso zur Verfügung stand wie zur Abwehr politischer Umwälzung im Bereich der Innenpolitik....
ganzer Artikel :Erziehung zum Krieg im Deutschen Kaiserreich
http://www.fo-gy.de/download/Geschichte/Klasse%2013/1871-1945/13ge_ErziehungzumKriegimDeutschenKaiserreich.pdf

Den Kaiser Wilhelm II. hätte man rechtzeitig auf einen seiner defezitären Schutzgebiete schicken sollen, wo er vor sich selber geschützt gewesen wäre.....es wäre uns allen viel erspart geblieben !
 
Zuletzt bearbeitet:
...wie friedlich diese 25 Jahre Freiheit waren, bzw. wofür diese genutzt werden, stellt sich naturgemäß erst im Nachhinein heraus und da sieht die traurige Wahrheit denn anders aus ,als apologetische Verehrer dies absichtsvoll zu unterschlagen gewillt sind...Gerade auf dem Feld der Volksbidung - hin zum militaristisch verdorbenen und geduckten Untertan dieser "Großen Zeit" wird vorbereitet, was mit pervertierten preuß. Tugenden in den nachfolgenden Generationen an dt. Geschichte und Bevölkerung in großen Teilen vergiftet wird!

Die Beschäftigung mit der Erziehung im Deutschen Kaiserreich zwischen den Jahren 1890 bis zum Ausbruch des Krieges 1914, die Frage, wie eine derart hohe Akzeptanz des Krieges in der deutschen Gesellschaft entstehen konnte, die in der Kriegsbegeisterung vom August 1914
zum Ausdruck kam, ist deswegen so brisant, weil Erziehung und Schule damals sowie heute noch in erster Linie der Strukturierung einer vorgeblich egalitären, in Wirklichkeit aber hierarchisch aufgebauten Gesellschaft dienen.
[...]
Den Kaiser Wilhelm II. hätte man rechtzeitig auf einen seiner defezitären Schutzgebiete schicken sollen, wo er vor sich selber geschützt gewesen wäre.....es wäre uns allen viel erspart geblieben !


Also erstmal ist zu erwähnen, daß die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung keineswegs nur auf das Deutsche Reich zu beschränken ist. Somit kann hier nicht von einem nationalen Problem der "Erziehung" vor allem im Bezug auf Kaiser Wilhelm II gesprochen werden.
Vielmehr war diese Kriegsbegeisterung einer europäischen nationalen Strömung innerhalb der Gesellschaft der jeweiligen Länder zuzuschreiben, bedingt durch Medienberichte und Stimmungsmache in falscher Auslegung außenpolitischer Zusammenhänge. Die Presse hatte damals schon eine sehr hohe meinungsbildende Gewalt, als Beispiel nenne ich die britische Flottenpanik um 1905.

Setzen wir voraus, der Kaiser Willi hätte sich nur noch auf Samoa einem schönen Urlaub gegönnt, ist zu erwähnen, daß die Militärische Konzeption über Präventivkriege vor allem gegen Frankreich schon vor der Amtszeit des Wilhelms II ausgearbeitet und in Erwägung gezogen wurden. Ich bin mir sogar sicher, daß der ein oder andere Monarch seit dem Bestehen des Deutschen Reiches dafür sorgte, daß die Militärs nicht von der Leine gelassen werden.
Somit kann ich nicht bestätigen, daß es ohne Kaiser Wilhelm II in der deutschen Geschichte besser verlaufen wäre. Die äußeren Umstände seit der Reichsgründung waren einfach schwer zu handhaben und der große Volkskrieg wäre mit dem Kaiser oder ohne dem Kaiser Wilhelm II gekommen.

Einzig die Behauptung teile ich, das es anders Verlaufen wäre, aber im Nachhinein zu sagen, man hätte den Kaiser Wilhelm II nicht gebraucht ist falsch, oder würde voraussetzen, daß alle diejenigen, die angeblich dem Deutschen Volke geschadet haben sich in "Luft" auflösen sollten. Diese "Kopf in den Sand" Mentalität setzt keine Entwicklung voraus, denn ohne Fehler lernt man bekanntlich nichts.
 
Der preußische Militarismus, also eine Gesellschaft, die stark vom Militär geprägt war, ist bekanntlich bereits vor 1888 (Thronbesteigung KWIIs) da gewesen. Und wer meint, daß in den anderen europäischen Großmächten nur Friedenstauben gezüchtet wurden, der hat wohl einen eingeschränkten Blickwinkel.. :pfeif:
 
Setzen wir voraus, der Kaiser Willi hätte sich nur noch auf Samoa einem schönen Urlaub gegönnt, ist zu erwähnen, daß die Militärische Konzeption über Präventivkriege vor allem gegen Frankreich schon vor der Amtszeit des Wilhelms II ausgearbeitet und in Erwägung gezogen wurden.

Moltke war schon 1871, aufgrund des Frankfurter Friedens eigentlich klar, das es zu einen weiteren Krieg mit Frankreich kommen werde, ja müsse. Moltke ging es immer um die Vermeidung eines Zweifrontenkrieges, deshalb war er immer bereit, bei passender Gelegenheit, einen Präventivkrieg gegen Frankreich zu führen. Motke hat aber in Abkehrung von Clausewitz eine verhängnisvolle Änderung in Sachen Krieg geltend gemacht, nämlich das er nicht mehr den Primat der Politik akzeptierte, was dann von seinen Schüler Schlieffen entsprechend gehändelt wurde. Schlieffen hat sich überhaupt nicht für die Politik un deren Intentionen interessiert und hat munter in seinen Kämmerlein seine Planungen gemacht, ohne sich über die außenpolitischen Konsequenzen Gedanken zu machen. Das war schon fatal.


Somit kann ich nicht bestätigen, daß es ohne Kaiser Wilhelm II in der deutschen Geschichte besser verlaufen wäre. Die äußeren Umstände seit der Reichsgründung waren einfach schwer zu handhaben und der große Volkskrieg wäre mit dem Kaiser oder ohne dem Kaiser Wilhelm II gekommen.

Es ist schon eine reizvolle Was wäre wenn .. Überlegung, wenn Kaiser Friedrich III. nicht schon so früh verstorben 1888 wäre, sondern ihm eine längere Regentschaft vergönnt gewesen wäre. Friedrich war bekanntermaßen mit der Tochter der englischen Königin verheiratet und pflegte m.W. nach sehr gute Beziehungen zum britischen Hof. Ich denke, es ist nicht zu gewagt, wenn man zu dem Schluß kommt, das die deutsch-britischen Beziehungen unter diesem Kaiser möglicherweise eine ganz andere Entwicklung hätten nehmen können.
 
Zurück
Oben