Während ich immer neue Quellen und Literatur anführe,
......da hatte ich doch einen anderen Eindruck. Wie die Sichten doch unterschiedlich sein können.
Relevante Argumentationen, in denen ich andere Historiker in Bezug auf die Entwicklung des Antisemitismus von Hitler referiert habe, wurden Deinerseits schlichtweg ignoriert. So ist dann wohl auch die Verwechslung von Usern zu erklären. Schwamm drüber.
Allerdings: Die Breite des Materials zu diesem Thema wurde nicht von Dir vorgestellt!!!! Soviel zu Anspruch und Wirklichkeit.
Dass dann einzelne Historiker, wie Hamann (S. 576) gerne sehr selektiv – auch von Dir - zitiert werden, ohne ihre zusätzlichen Qualifizierungen. "Seine prägenden Erfahrungen politischen Erfahrungen stammten aus Wien : Bei Dr. Karl Lueger lernte er die Taktik eines Volkstribuns ennen....."etc. zusätzlich mit inhaltlich einzubinden, ist erklärungsbedürftig. Allerdings ist diese Aussage die entscheidende vor dem Hintergrund der Frage nach dem Zeitpunkt!!!!! Und sie datiert die Ausprägung des antisemitisichen Weltbilds in die Phase von Wien.
ISomit: Es steht in der aktuellen historischen Forschung, die sich ganzheitlich mit Hitler beschäftigt, weitgehend außer Zweifel, dass Hitler bereits vor 1912 eine antisemitische Haltung gehabt hat. Die Intensität als solche wird man nicht operationalisieren können und deswegen wird man kaum die These formulieren können, dass er in Wien ein radikaler Antisemit gewesen sei. Und das hat auch m.E. in der Diskussion niemand behauptet. Aber darauf wurde ja – literaturgestützt – bereits hingewiesen.
Und das sein- u.a. - Antisemitismus eine sprachliche Übereinstimmungen zwischen der alldeutschen Presse und der späteren Ausdrucksweise von Hitler aufwies, als Ergebnis einer Inhaltsanalyse!, ist ein starker empirisch abgesicherter Indikator für die mediale Wirksamkeit der Presse in Wien bei Hitler. Und deswegen ist es keine Spekulation, wenn man davon ausgeht, dass er bereits zu der Wiener Phase mehr als nur einen diffusen Antisemitismus hatte, sondern dieser eindeutig politisch aufgeladen war.
Relevanter allerdings war seine deutschnationale Gesinnung und sein ausgeprägter deutscher Nationalismus. Das ist wichtig, weil sich aus ihm seine Ablehnung der Sozialdemokratie und auch der Juden ergeben sollten. Überflüssig zu sagen, dass es ebenso wenig Dokumente zu dieser Einstellung von Hitler gibt, dennoch ist sie ebenfalls durch Zeitzeugen verbürgt.
Ähnlich die Darstellung von Heer zu Hitler, in dem der starker österreichische Bezug von Hitlers Denkwelt und Emotionen ausgeführt wird (Lukacs, S. 89). Eine wichtige Ergänzung zum Verstehen der Studie von Kandl, auf die sich Longerich zentral in seiner Argumentation bezieht.
Dass entsprechende Zeitzeugen, die als die relevantesten angesehen werden, von einer deutlichen - als "Spleen" bezeichneten - antisemitischen Haltung berichten. Die Darstellungen von Kubizek stützt sich gegenseitig mit den Darstellungen von Hanisch, der Berichte über das Leben von Hitler zwischen 1909 und 1910 vorgelegt hatte .
Ich habe doch recht deutlich gesagt, dass sich für die Ansichten des Niemands Hitler niemand interessierte.
Doch Kubizek, der als Therapeut, Freund, Zuhörer die entsprechenden Äußerungen, als häufiger - zwangsweiser - Zuhörer der langen Monologe von Hitler, dieses bezeugt hat. Ansonsten ist es natürlich völlig richtig und es zeigt, dass die Suche nach "Dokumenten" sinnlos ist.
Aber wer weiss, vielleicht findet sich ja noch eine antisemtische Proklamation, die Hitler an die Tür zum Lesezimmer des Männerwohnheims genagelt haben soll. Oder eine Schellackaufzeichnung, die entsprechende Mitschnitte der Diskussion über Semitismus im Leseraum.
Dass es dann während der Zeit in der Armee zu einer Revitalisierung des Antisemitismus und auch Intensivierung kam ist ebenso als Erkenntnisstand mehrheitlich wohl unstrittig. Als besonders zentral wird dabei auf den Brief von Hitler vom Februar 1915 verwiesen. In diesem Zusammenhang spricht Lukacs von einer „Kristallisation“ (S. 90) von Hitlers Ideen und meint damit das Jäckel`sche „Weltbild“ von Hitler. In diesem Brief an einen Freund werden klare politische Ziele formuliert und es wird u.a. der unvermeidliche Kampf gegen den inneren Feind in Deutschland angesprochen.
Bisher wurde von den Protagonisten der "militärischen instant Gehirnwäsche" nicht dargestellt,in welchem Umfang die ideologische Schulung in Bezug auf eine Dynamisierung des Antisemitismus von Hitler denn vorgenommen wurde. Und es wurde auch nicht erklärt, wie man sich denn so eine extrem schnell wirkende und emotional und kognitive so wirksame Gehirnwäsche bei Hitler denn vorstellen soll.
Lediglich bei Feder kann man, entsprechend den Kommentaren von Mayer und beim 20 Punkte Programm der NSDAP eine direkte ideengeschichtliche Linie vom Hörsaal in München zur Programmatik der NSDAP ziehen bzw. erkennen (vgl. „Brief“). In diesem Sinne – und darauf hatte ich hingewiesen – hatten die Schulungen eher einen „integrativen“ Effekt seines Weltbildes, aber keinen expliziten verstärkenden in Bezug auf seinen Antisemitismus. Der verstärkte sich durch seine eigene Wahrnehmung und Analyse der politischen Ereignisse in München.
Der Brief von Mayr ist durchaus sprachlich wie inhaltlich aufschlussreich, wenn man ihn denn kritisch lesen will. In der Literatur wird problematisiert, ob Mayr der „Mentor“ von Hitler war. Eine derartige Sicht ist durchaus plausibel. Aber: Mayr war der „Enabler“ von Hitler, der ihm die organisatorische Plattform inklusive der entsprechenden politischen Kontakte bereitgestellt hat, damit Hitler sein Ziel, Politiker zu werden ,in die Praxis hat umsetzen können.
Mayr war nicht der ideologische Guru von Hitler und stand durchaus auch kritisch zu seiner Sicht. Interessant an dem „Brief“ ist ferner die Art, wie der Hauptmann Mayr über Hitler spricht. Distanziert und nicht wir über einen Mannschaftsdienstgrad, sondern über einen „Gleichrangigen“. Das deutet an, dass nicht von Soldat zu Soldat geredet wird, sondern von Anti-Revolutionär zu Anti-Revolutionär.
In diesem Sinne ist es fraglos richtig, dass die Phase nach 1920 die eigentlich Phase der Integration und der Radikalisierung des Weltbildes war. Und die Kritik, die u.a. Jäckel an der Stilisierung von Hitler der Bedeutung der Wiener Zeit, zutrifft.
Allerdings sollte man, um Mayr zu zitieren, nicht das Kind mit dem Bade ausgießen, was manche hier im Forum tun. Nicht zuletzt, weil das Thema so „schräg“ eingeführt wurde.
Heer, Friedrich (1968): Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität. München, Eßlingen: Bechtle Verlag.
Kandl, Eleonore (1963): Hitlers Österreichbild. Wien: Dissertation.
Lukacs, John (1997): Hitler. Geschichte und Geschichtsschreibung. München: Luchterhand.