Das Problem ist jedoch, dass ich versuche, Belege für einen zyklischen Geschichtsverlauf zu finden....
Das ist in der Tat ein Problem, weil die falsche Herangehensweise. Argumente für etwas finden zu wollen, wäre das Eine. Beweise für etwas finden zu wollen, bedeutet im Klartext, dass du dich ohne Beweis bereits auf dieses Modell festgelegt hast.
Wer sich aber aber auf eine Theorie festglegt hat und nur darauf aus ist sie zu belegen, statt sie ergebnisoffen zu betrachten, der wird am Ende dazu neigen, die Fakten am Ende so zu verbiegen, dass sie in irgendeiner Form zur Theorie passen, statt das eigene theoretische Denken an Hand der Fakten zu entwickeln.
Daher ist Ihr Tipp mit der Oktoberrevolution wirklich hilfreich
Vorsichtig damit. Ich schrieb, dass es gewisse Parallelen zwischen der Jakobinischen Phase der französischen Revolution mit ihren Exzessen und dem finden lässt, was wir als "Oktoberrevolution" in Russland 1917 kennen.
Das bedeutet mitnichten, dass sich diese Ereignisse insgesamt gleichen würden. Z.B. ist bei der Thematik "Oktoberrevolution" mittlerweile durchaus umstritten, ob es sich überhaupt um eine Revolution im Sinne einer Erhebung des Volkes oder veritabler Teile davon handelte, oder ob das Ganze mehr den Charakter eines Staatsstreiches oder Putsches einer politischen Clique (in diesem Fall der Bolschewiki) trägt.
Man könnte versucht sein, modellhaft die Februarrevolution 1917 und die "Oktoberrevolution" des selben Jahres zu einem Gesamtereignis zusammen zu ziehen und das zusammen zu denken, dann hätte man villeicht das Bild einer länger dauernden sich radikalisierenden und transformierenden Revolution, wie das in Frankreich nach 1789 vorhanden ist.
Aber es wären noch immer massive Unterschiede vorhanden.
- Beispielsweise im weiteren Verlauf, dass in Frankreich die Phase der Terrorherrschaft der Jakobiner aus der Gesellschaft selbst heraus überwunden wurde, insofern, die Jakobiner selbst entmachtet wurden und die politische Macht am Ende an ein Direktorium ging, dass zwar eher autoritär funktionierte, die Staatsgewalt aber mäßigte und die Jakobiner, die mit dem Terror zu tun hatten, jedenfalls zum Teil bestrafte.
Das sah in der werdenden Sowjetunion anders aus, da setzten sich die Bolschewiki durch, und Staatsideologie und terroristischer Herrschaftsapparat wurden in einer Form institutionalisiert, wie es das in Frankreich nicht gab.
- Beispielsweise lässt sich in Frankreich nicht belegen, dass von auswärtigen Akteuren die Machtübernahme der Jakobiner irgendwie unterstützt worden wäre. Bei den Bolschewiki, deren Unterstützung am Ende eine Kriegsmaßnahme der deutschen Obersten Heeresleitung war (ohne deren Kooperation Lenin als Hauptakteur dieser Bewegung wahrscheinlich übrhaupt nicht nach Russland hätte zurückkehren können) um Russland weiter zu destabilisieren und fridensbereit zu machen, könnte man sagen gab es jedenfalls Impulse von außen.
Konsequent führte die Machtübrnahme der Bolschewiki oder der Versuch dessen dann auch im weiteren Verlauf zu einem Friedensschluss.
Im Gegensatz dazu, führte die Jakobinerherrschaft ab 1793 aber dazu, dass sich die Kriegsführung Frankreichs gegen die äußeren Widersacher massiv verschärft und zwar in einer Form, die man im Rahmen der Möglichkeiten der Zeit durchaus als Schritt auf einen "totalen" Krieg betrachten kann, insofern in immer stärkeren Maße versucht wurde die Bevölkerung zum Kriegsdienst heranzuziehen (statt wie in der damaligen Zeit üblich mit einem Söldnerheer zu arbeiten) und die militärischen Befehlshaber einer strenge politischen Kontrollee zu unterziehen, sie bei Verdacht auf Verrat auch abzusetzen und hinzurichten.
Man könnte also sagen, die Bolschewiki veruschten zunächst Frieden mit dem Ausland herzustellen um die eigene Macht nach innen hin festigen zu können, sie legitimierten ihrer Herrschaft also in gewissem Maße damit die politische Gruppierung zu sein, die den Frieden brachte. Die Jakobiner hingegen legitimierten ihre Herrschaft zum Teil damit, den Krieg gegen die alten feudalen Mächte Europas nach außen hin maximal kompromisslos zu führen, sie legitimierten sich also nicht über das Versprechen auf Frieden und Land, sondern eher durch Krieg, der von der Idee her als eine Art "politischer Kreuzzug" gedacht wurde.
- Beispielsweise unterschieden sich die beiden Gruppen der Jakobiner und der Bolschewiki (jedenfalls was ihre Hauptprotagonisten angeht) auch mehr oder weniger deutlich in ihren politischen Auffassungen.
Für die Jakobiner um Robespierre herum war die Vorstellung des "tugendhaften Bürgers" zentrales Element der Ideologie, wobei das insofern eher eine Projektionsfläche darstellt, insofern der Begriff "Tugend" ziemlich im Ungefähren bleibt.
Die Bolschewiki hatten durhaus auch eine stark egalitäre Gesellschftsauffassung, aber sie wären nicht auf die Idee gekommen, dass der "Bürger" darin eine zentrale Rolle spielen könnte. Weder als gesellschaftliche Klasse (das wäre gegenn das Klassenkampfparadigma gegangen", noch als "Citoyen" im Sinne eines Staatsbürgers, denn das hätte den Nationalstaat als Referenzmodell vorausgesetzt, den die Bolschewiki eigentlich überwinden wollten und der sich mit ihrem Internationalismus biss, den die Jakobiner in dieser Form nicht hatten und auch nicht haben konnten, weil sie ihre eigene Legitimation zum Teil aus der Bekämpfung äußerer Feinde bezogen.
Zwischen dem "Citoyen" als tugendhaftem rechtstreuem Staatsbürger, der sich durchaus in den Dienst einer Nation stellen kann und dem klassenlosen, internationalistischem Menschen, wie ihn Bolschewiki als Idealbild eigentlich wollten, besteht ein deutlicher Unterschied.
Auch das könnte man weiter ausführen.
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Was die Vorstellung zyklischer Verläufe angeht, würde ich anregen vor allem einen Blick auf die Entstehung von Ereignissen und ihre Vorgeschichte zu legen.
Beispielsweise wird man bei der französischen Revolution 1789 feststellen, dass die noch sehr stark auch von Umweltbedingungen beinflusst war, da es ersteinmal zweier schlechter Ernten und der Steigerung der Preise für Grundnahrungsmittel bedurfte, begleitet von umlaufenden Gerüchten über Lebensmittelpreis-Spekulationen und der Befürchtung zu allem Überfluss auch noch anstehender Steuererhöhungen, die die Massen der Bevölkerung erst in Unruhe versetzten und für die Revolution empfänglich machten.
Nun wird man aber feststellen, dass mit den industrillen Produktionsmethoden (Landmaschinen, künstlichn Düngemitteln etc.) sich jedenfalls in den europäischen Industriestaaten die Abhängigkeit der Grundversorgungslage von den normalen Witterungseinflüssen massiv verringert hat. Wir sind mittlerweile in einem Zustand angekommen, in dem die Landwirtschaft kontinuierliche Überproduktion leistet und subventioniert werden muss, damit ein Großteil der Arbeitskräfte dort erhalten werden kann.
Das aber heißt, dass eine wichtige Grundprämisse, für die Revolution 1789 mit technischen Mitteln zumindest in Europa überwunden wurde und daher eine Widerholung, insofern relativ unwahrscheinlich ist, insofern ein solcher Zustand überhaupt nicht mehr so einfach zustande kommen kann, wie damals.
Hier haben sich spätestens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts strukturell Dinge massiv verändert, die die Prämissen für eine Wiederholung in Europa weitgehend aufgehoben haben.