Wiederholt sich Geschichte? (zyklischer Geschichtsverlauf)

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Quinn

Gast
hii, also ich hätte da mal eine Frage zum zyklischen Geschichtsverlauf. Gibt es wirklich Beispiele dafür, dass sich Geschichte theoretisch wiederholen kann? Also zum Beispiel: Man nehme die Französische Revolution und vergleiche sie mit der Novemberrevolution 1918.
Also ich weiß das Oswald Spengler ein Vertreter dieser ansichten war, aber gibt es da vlt. noch mehr?
Oder ein gutes Buch zum Thema der Geschichtszyklen?
 
Wenn du davon ausgehst, dass der Mensch einen freien Willen hat, dann ist der Wille nicht den Naturgesetzen unterworfen. Das hat zur Folge, dass Menschen in ähnlichen Situationen sich so oder so entscheiden können, das heißt in der Konsequenz, dass Geschichte sich wiederholen kann, weils ich die Situationen und Reaktionen darauf ähneln, aber es kann auch sein, dass die Menschen sich ganz anders oder - vielleicht aus der historischen Erfahrung heraus- sogar bewusst anders entscheiden.

Wenn du aber davon ausgehst, dass der Mensch keinen freien Willen hat, sondern nur denkt, dass er einen freien Willen habe, tatsächlich aber in seinem Handeln determiniert ist, dann - ja, was ist dann die Konsequenz daraus? Er kann über sein Handeln reflektieren aber letzlich ist die Entscheidung längst gefallen, wenn er denkt, er würde sich gerade entscheiden. Es gibt Neurologen, die meinen, solche Modelle (also dass das Gehirn längst entschieden hat, wenn das Kleinhirn noch im Entscheidungsprozess begriffen ist) anhand von Hinrstrommessungen nachweisen zu können.

Marx schrieb: Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.
 
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Man könnte noch hinzufügen, dass die Vorstellung, die Geschichte wiederhole sich, als selbsterfüllende Prophezeiung wirken kann. Wir sind evolutionspsychologisch darauf gedrillt, Muster zu erkennen, eine Fähigkeit, die nicht nur unseren Alltag erleichtert, sondern in vielfacher Hinsicht überlebenswichtig war und ist. Entscheidungsträger können sich daher von den Gegebenheiten an historische Ereignisse erinnert fühlen und dadurch erst unabsichtlich dafür sorgen, dass die Geschichte sich (scheinbar) wiederholt, indem sie dem Beispiel ihrer historischen Vorgänger folgen.
 
Gibt es wirklich Beispiele dafür, dass sich Geschichte theoretisch wiederholen kann? Also zum Beispiel: Man nehme die Französische Revolution und vergleiche sie mit der Novemberrevolution 1918.
Kann man tun, dann wird man diverse Unterschiede feststellen.

- Beispielsweise war die Novemberrevolution 1918 in Deutschland vor allem den Umständen des Krieges und dem Wunsch nach Frieden geschuldet, während die französische Revolution 1789 (Revolution kam in Frankreich öfters mal vor) vor allem interne Ursachen hatte, die zum Teil noch spezifisch für eine vorindustrielle alteuropäische Gesellschaft waren.

- Beispielsweise radikalisierte sich die französische Revolution in ihrem Verlauf und brachte mit den Jakobinern zeitweise extreme Beführworter stark egalitäter Positionen (nicht nur im politischen, sondern auch im sozialen/ökonomischen Sinn) an die Hebel der politischen Macht und führte zeitweise zur Vertriebung und Enteignung von Teilen der alten Eliten (adlige Emigranten/ "biens nationeaux"), so wie einem blutigen Terrorregime unter den Jakobinern, inklusive veritablen Bürgerkriegs in der Vendée, der sich über Jahre hinzog, während so etwas bei der Revolution 1918 in Deutschland weitgehend unterblieb. Da gab es radikale Strömungen, aber die konnten sich nicht durchsetzen, viele der alten Eliten des Kaiserreichs, vor allem im Beamtenapparat und im Justizwesen blieben in Amt und Würden, das Eigentum der alte Fürsten und Eliten wurde nicht angetastet, sofern man den Wertverfall von Geldbeträgen durch die Inflation unberücksichtigt lässt (aber die betraf alle).
Ein Terroregime, dass willkürlich Personen zu Staatsfeinden erklärte und hinrichten ließ, so wie ein veritalber, länger dauernder Bürgerkrieg blieben der Weimarer Republik zunächst erspart (auch wenn es einige Aufstandsversuche gab, die aber nicht Fuß fassen konnten).

- Beispielsweise ging mit der französischen Revolution von 1789 auch eine Art "Kulturrevolution" einher, in deren Rahmen versucht wurde das religiös-christliche Leben in frankreich de facto abzuschaffen und es durch eine Art staatlichen Kult zu ersetzen ("Kult des höchsten Wesens") zu ersetzen.
Im Zuge der Novemberrevolution und der Weimarer Republik, gab es solche Versuche eine staaatlichen Hineinregierens in das religiöse Leben der Bevölkerung nicht. Auch keine Schaffung einer faktischen Staatsideologie de facto unterlegt mit der Drohung massivster Repression und der Zumutung an die Bevölkerung dem durch Gesten im Alltag und Umgangsformen Zustimmung zu zollen.
In dieser Hinsicht, weist das revolutionäre Frankreich, jedenfalls in der Phase der Jakobinerherrschaft eher Parallelen zur "Oktoberrvolution" 1917 in Russland und dem Beginn der Sowjetunion auf. (Im Übrigen ein Bezug, den sich einige der führenden Bolschewiki, wie etwa Trotzki in ihrem theortischen Denken und ihrer Kommunikation durchaus zu eigen machten).

- Beispielsweise ist die Novemberrevolution in Deutschland 1918 ein zeitlich einigermaßen eingrenzbares Phänomen im Rahmen einer relativ kurzen Zeitspanne gewesen.
Man kann, wenn man das ausdehnen möchte, den Anfang bei den Oktoberreformen 1918 sehen, als sichtbar wurde, dass die politische Ordnung des Kaiserreichs allmählich ins Rutschen kam, während man den Schlusspunkt wahrscheinlich bei der Annahme der Weimarer Verfassung und der Annahme des Versailler Friedensvertrags sehen kann.
Danach herrschte nicht unbedingt besondere Stabilität, aber die politische Rahmenordnung der Weimarer Republik änderte sich danach im großen und ganze nicht mehr.
Demgegenüber wird man behaupten können, dass in Frankreich der Prozess oder die Phase der Revolution, innerhalb der sich die politische Ordnung mehrfach radikal transformierte, im Prinzip erst mit Napoléon an ihr Ende kommt.


Man könnte das weiter ausführen.
Ob man die Behauptung, dass Geschichte sich widerholen könne, für sinnvoll halten möchte, dürfte massiv davon abhängen, wie detailliert man Geschichte betrachtet.
Bleibt man bei einer oberflächlichen Betrachtung ereignisgeschichtlicher Phänomene, mag man versucht sein dem zuzustimmen.

Schaut man sich die einzelnen Ereignisse in ihren Details an, wird man sehr schnell feststellen, dass ab einem gewissen Grad der Betrachtung jedes historische Ereignis einmalig ist.

Also ich weiß das Oswald Spengler ein Vertreter dieser ansichten war, aber gibt es da vlt. noch mehr?
Naja, Spengler hat viel Unsinn geschrieben und vertreten.

Die Vorstellung zyklischer Geschichtsverläufe war im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert außerordentlich populär. Im Prinzip ist sie bereits in jedem Literaturtitel mit der Bezeichnung "Aufstieg und Fall des XY-Reiches" angelegt und mit Werken mit solchen Titeln kann man Bibliotheken füllen.

@El Quijote hatte Marx angesprochen, im Pinzip kann man das aber bis zu antiken griechischen und römischen Autoren zurückverfolgen, die über die verschiedenen Staatsformen sinnieren
Die Vorstellung einer zyklischen Geschichte ist im Prinzip bereits in der antiken Vorstellung vom Verfall der politischen Ordnungen, bzw. ihre periodisch auftretender Pervertierung zu ungerechten Ordnungen und ihr darauf folgendes Ersetzen durch andere Ordnungen vorhanden.

In etwa in Vorstellungen wie der, dass sich ein Monarch früher oder später zu einem Tyrannen entwickelt, der dann verjagt und durch eine aristokratische Ordnung ersetzt wird, die dann aber früher oder später in die Hände wenig tugendhafter Machthaber gerät und zur oligarchischen Ordnung degneriert, die dann ihrerseits verjagt und durch irgndeine form von Volksherrschaft ersetzt wird, die früher oder später ins Chaos abgleitet, bis dann igendein Mächtiger die Ordnung wider herstellt, sich selbst zum Chef der ganzen Veranstaltung macht und die Gesellschaft am Ende wieder in der Monarchie angekommen ist.

Solche Vorstellungen zyklischer historischer Entwicklungen finden sich zuhauf, vor allem im Bereich auf Gechichte rekurierender politiktheoretischer Modelle und Denker, wie auch vor allem in der älteren Reflektion der Geschichte von Großreichen, die sehr häufig von einem Aufstiegs- und Niedergangsparadigma ausgegangen ist.

An und für sich sind Theorien, die historische Zyklen unterstellen etwas vor allem in älteren Auffassungen relativ häufig auftretendes.

Das dürfte zum großen Teil daran liegen, dass bis ins letzte Jahrhundert hinein Geschichte eben sehr häufig verengt, als Politik- und Ereignisgeschichte betrachtet wurde (Große Männer, Kriege, Ereignisdaten) etc. was den Blick auf andere Aspekte, in denen die Unterschiede dann sichtbar werden häufig verstellt hat.
Das liegt sicherlich auch zum Teil an der Quellenlage, die bis in Spätmittelalter und den Beginn der Neuzeit vergleichsweise diese Rezeptionstraditionen durch Überlieferung begünstigt, weil aus anderen Aspekten, wie etwa dem Alltagsleben der einfachen Bevölkerung und anderen Dingen vergleichsweise wenig an Quellen auf uns gekommen ist.
 
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Ich habe mal den Spruch gehört, dass sich Geschichte nicht wiederholt, aber sie reimt sich. Sprich, bestimmte Ereignisse ähneln sich, dass man meinen könnte, sie schon einmal gesehen zu haben.

Eigentlich liegt eine wesentliche Begründung des ganzen Fachs Geschichte darin, dass sich Geschichte weder wiederholen noch reimen soll.

Von wem der Spruch stammt, konnte ich jetzt nicht herausfinden, es ist aber nicht Mark Twain, dem er oft zugeschrieben wird.
 
In dieser Hinsicht, weist das revolutionäre Frankreich, jedenfalls in der Phase der Jakobinerherrschaft eher Parallelen zur "Oktoberrvolution" 1917 in Russland und dem Beginn der Sowjetunion auf. (Im Übrigen ein Bezug, den sich einige der führenden Bolschewiki, wie etwa Trotzki in ihrem theortischen Denken und ihrer Kommunikation durchaus zu eigen machten).
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort! Das Problem ist jedoch, dass ich versuche, Belege für einen zyklischen Geschichtsverlauf zu finden....
Daher ist Ihr Tipp mit der Oktoberrevolution wirklich hilfreich)))

Gibt es vlt. anstatt Spengler dann andere "Denker" des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich in ihren Werken mit zyklischen Geschichtsverläufen auseinandergesetzt haben?
 
Gibt es vlt. anstatt Spengler dann andere "Denker" des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich in ihren Werken mit zyklischen Geschichtsverläufen auseinandergesetzt haben?
20.Jh.
In Form eines dreiteiligen Romans der amerikanische Autor Walter Miller jr. "A Canticle for Leibowitz" (Lobgesang auf Leibowitz)
Eventuell verarbeiten die Bayreuther Ring-Inszenierungen von Harry Kupfer und Tankred Dorst sich wiederholende Geschichte, auch Herheims Bayreuther Parsifal.
19. Jh.
eventuell Nietzsche
 
Es gibt das Gedankenexperiment mit dem ewig auf einer Schreibmaschine tippenden Affen.

Er drückt Tasten willkürlich.

Da er unendlich Zeit hat, wird er irgendwann auch durch zufälliges Tippen die Bibel korrekt runterschreiben.

Warum? Weil die extrem geringe Wahrscheinlichkeit für die richtige Aneinandereihung der Buchstaben dadurch ausgeglichen wird, dass er ewig Zeit hat.

Nicht nur das: Er wird alles nochmal Tippen, was jemals getippt wurde. Jedes Buch, jedes Gedicht. Ja sogar die Beiträge hier im Forum.

Das lässt sich mathematisch auch sehr einfach mit dem statistischen Erwartungswert begründen.

Die geringe Gewinn-Wahrscheinlichkeit p für ein "Jahrmarkt-Los" lässt sich dadurch ausgleichen, dass man extrem viele Lose kauft.

Und die geringe Wahrscheinlichkeit für ein geschichtliches Ereignis lässt sich dadurch ausgleichen, dass man sehr lange wartet. Dann wirds wieder eintreten.

Und so ists mit der Menschheit auch: Wir haben 190.000 Jahre bereits hinter uns.
Das ist nicht unendlich wie beim Affen, aber es gibt viel Raum für Wiederholungen.

Und wenn man von dem Gedanken ausgeht, dass die Menschheit noch weitere zehntausend Jahre vor sich hat, dann wird sich noch eine ganze Menge in der Geschichte wiederholen.
(Vorrausgesetzt wir überwinden den eveolutionären Flaschenhals, in dem wir gerade stecken: Wir haben aktuell Technik auf dem Planeten, die die Menschheit mit wenigem Knopfdrücken ausradieren kann. Und mit erschreckender Regelmässigkeit kommen Idioten in Machtpositionen mit voller Kontrolle über diese Menschheitsvernichtungstechnik. Diese Technik muss weg, sonst drückt irgendwann irgendwo mal jemand diese Knöpfe. )
 
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Das Problem ist jedoch, dass ich versuche, Belege für einen zyklischen Geschichtsverlauf zu finden....
Das ist in der Tat ein Problem, weil die falsche Herangehensweise. Argumente für etwas finden zu wollen, wäre das Eine. Beweise für etwas finden zu wollen, bedeutet im Klartext, dass du dich ohne Beweis bereits auf dieses Modell festgelegt hast.

Wer sich aber aber auf eine Theorie festglegt hat und nur darauf aus ist sie zu belegen, statt sie ergebnisoffen zu betrachten, der wird am Ende dazu neigen, die Fakten am Ende so zu verbiegen, dass sie in irgendeiner Form zur Theorie passen, statt das eigene theoretische Denken an Hand der Fakten zu entwickeln.

Daher ist Ihr Tipp mit der Oktoberrevolution wirklich hilfreich
Vorsichtig damit. Ich schrieb, dass es gewisse Parallelen zwischen der Jakobinischen Phase der französischen Revolution mit ihren Exzessen und dem finden lässt, was wir als "Oktoberrevolution" in Russland 1917 kennen.
Das bedeutet mitnichten, dass sich diese Ereignisse insgesamt gleichen würden. Z.B. ist bei der Thematik "Oktoberrevolution" mittlerweile durchaus umstritten, ob es sich überhaupt um eine Revolution im Sinne einer Erhebung des Volkes oder veritabler Teile davon handelte, oder ob das Ganze mehr den Charakter eines Staatsstreiches oder Putsches einer politischen Clique (in diesem Fall der Bolschewiki) trägt.

Man könnte versucht sein, modellhaft die Februarrevolution 1917 und die "Oktoberrevolution" des selben Jahres zu einem Gesamtereignis zusammen zu ziehen und das zusammen zu denken, dann hätte man villeicht das Bild einer länger dauernden sich radikalisierenden und transformierenden Revolution, wie das in Frankreich nach 1789 vorhanden ist.
Aber es wären noch immer massive Unterschiede vorhanden.

- Beispielsweise im weiteren Verlauf, dass in Frankreich die Phase der Terrorherrschaft der Jakobiner aus der Gesellschaft selbst heraus überwunden wurde, insofern, die Jakobiner selbst entmachtet wurden und die politische Macht am Ende an ein Direktorium ging, dass zwar eher autoritär funktionierte, die Staatsgewalt aber mäßigte und die Jakobiner, die mit dem Terror zu tun hatten, jedenfalls zum Teil bestrafte.
Das sah in der werdenden Sowjetunion anders aus, da setzten sich die Bolschewiki durch, und Staatsideologie und terroristischer Herrschaftsapparat wurden in einer Form institutionalisiert, wie es das in Frankreich nicht gab.

- Beispielsweise lässt sich in Frankreich nicht belegen, dass von auswärtigen Akteuren die Machtübernahme der Jakobiner irgendwie unterstützt worden wäre. Bei den Bolschewiki, deren Unterstützung am Ende eine Kriegsmaßnahme der deutschen Obersten Heeresleitung war (ohne deren Kooperation Lenin als Hauptakteur dieser Bewegung wahrscheinlich übrhaupt nicht nach Russland hätte zurückkehren können) um Russland weiter zu destabilisieren und fridensbereit zu machen, könnte man sagen gab es jedenfalls Impulse von außen.
Konsequent führte die Machtübrnahme der Bolschewiki oder der Versuch dessen dann auch im weiteren Verlauf zu einem Friedensschluss.
Im Gegensatz dazu, führte die Jakobinerherrschaft ab 1793 aber dazu, dass sich die Kriegsführung Frankreichs gegen die äußeren Widersacher massiv verschärft und zwar in einer Form, die man im Rahmen der Möglichkeiten der Zeit durchaus als Schritt auf einen "totalen" Krieg betrachten kann, insofern in immer stärkeren Maße versucht wurde die Bevölkerung zum Kriegsdienst heranzuziehen (statt wie in der damaligen Zeit üblich mit einem Söldnerheer zu arbeiten) und die militärischen Befehlshaber einer strenge politischen Kontrollee zu unterziehen, sie bei Verdacht auf Verrat auch abzusetzen und hinzurichten.
Man könnte also sagen, die Bolschewiki veruschten zunächst Frieden mit dem Ausland herzustellen um die eigene Macht nach innen hin festigen zu können, sie legitimierten ihrer Herrschaft also in gewissem Maße damit die politische Gruppierung zu sein, die den Frieden brachte. Die Jakobiner hingegen legitimierten ihre Herrschaft zum Teil damit, den Krieg gegen die alten feudalen Mächte Europas nach außen hin maximal kompromisslos zu führen, sie legitimierten sich also nicht über das Versprechen auf Frieden und Land, sondern eher durch Krieg, der von der Idee her als eine Art "politischer Kreuzzug" gedacht wurde.

- Beispielsweise unterschieden sich die beiden Gruppen der Jakobiner und der Bolschewiki (jedenfalls was ihre Hauptprotagonisten angeht) auch mehr oder weniger deutlich in ihren politischen Auffassungen.
Für die Jakobiner um Robespierre herum war die Vorstellung des "tugendhaften Bürgers" zentrales Element der Ideologie, wobei das insofern eher eine Projektionsfläche darstellt, insofern der Begriff "Tugend" ziemlich im Ungefähren bleibt.
Die Bolschewiki hatten durhaus auch eine stark egalitäre Gesellschftsauffassung, aber sie wären nicht auf die Idee gekommen, dass der "Bürger" darin eine zentrale Rolle spielen könnte. Weder als gesellschaftliche Klasse (das wäre gegenn das Klassenkampfparadigma gegangen", noch als "Citoyen" im Sinne eines Staatsbürgers, denn das hätte den Nationalstaat als Referenzmodell vorausgesetzt, den die Bolschewiki eigentlich überwinden wollten und der sich mit ihrem Internationalismus biss, den die Jakobiner in dieser Form nicht hatten und auch nicht haben konnten, weil sie ihre eigene Legitimation zum Teil aus der Bekämpfung äußerer Feinde bezogen.
Zwischen dem "Citoyen" als tugendhaftem rechtstreuem Staatsbürger, der sich durchaus in den Dienst einer Nation stellen kann und dem klassenlosen, internationalistischem Menschen, wie ihn Bolschewiki als Idealbild eigentlich wollten, besteht ein deutlicher Unterschied.

Auch das könnte man weiter ausführen.

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Was die Vorstellung zyklischer Verläufe angeht, würde ich anregen vor allem einen Blick auf die Entstehung von Ereignissen und ihre Vorgeschichte zu legen.

Beispielsweise wird man bei der französischen Revolution 1789 feststellen, dass die noch sehr stark auch von Umweltbedingungen beinflusst war, da es ersteinmal zweier schlechter Ernten und der Steigerung der Preise für Grundnahrungsmittel bedurfte, begleitet von umlaufenden Gerüchten über Lebensmittelpreis-Spekulationen und der Befürchtung zu allem Überfluss auch noch anstehender Steuererhöhungen, die die Massen der Bevölkerung erst in Unruhe versetzten und für die Revolution empfänglich machten.

Nun wird man aber feststellen, dass mit den industrillen Produktionsmethoden (Landmaschinen, künstlichn Düngemitteln etc.) sich jedenfalls in den europäischen Industriestaaten die Abhängigkeit der Grundversorgungslage von den normalen Witterungseinflüssen massiv verringert hat. Wir sind mittlerweile in einem Zustand angekommen, in dem die Landwirtschaft kontinuierliche Überproduktion leistet und subventioniert werden muss, damit ein Großteil der Arbeitskräfte dort erhalten werden kann.
Das aber heißt, dass eine wichtige Grundprämisse, für die Revolution 1789 mit technischen Mitteln zumindest in Europa überwunden wurde und daher eine Widerholung, insofern relativ unwahrscheinlich ist, insofern ein solcher Zustand überhaupt nicht mehr so einfach zustande kommen kann, wie damals.
Hier haben sich spätestens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts strukturell Dinge massiv verändert, die die Prämissen für eine Wiederholung in Europa weitgehend aufgehoben haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Zyklus setzt gleiche zeitliche Intervalle zwischen den Wiederholungen vorraus.

Das ist der falsche Begriff. Einen komplett zyklischen Geschichtsverlauf kann es nicht geben.

Allenfalls einen vorrübergehenden Zyklus kann es geben.

Beispiel: Im Frühling wird die Saat ausgebracht.

Das ist solange zyklisch, bis irgendein Ereignis die Saat verhindert. Wetter, Krieg, irgendwas.

Dauerhafte zyklische Geschichtsverläufe gibt es nur in Sci Fi. Zeitschleifen.
 
Er drückt Tasten willkürlich.

Da er unendlich Zeit hat, wird er irgendwann auch durch zufälliges Tippen die Bibel korrekt runterschreiben.

Warum? Weil die extrem geringe Wahrscheinlichkeit für die richtige Aneinandereihung der Buchstaben dadurch ausgeglichen wird, dass er ewig Zeit hat.

Nicht nur das: Er wird alles nochmal Tippen, was jemals getippt wurde. Jedes Buch, jedes Gedicht. Ja sogar die Beiträge hier im Forum.

Das lässt sich mathematisch auch sehr einfach mit dem statistischen Erwartungswert begründen.
Der Unterschied ist nur, dass jeder erdenkliche Text im Vergleich zu den Handlungen von im Zweifel Millionen Menschen ziemlich unterkomplex ist.
;)
 
Der Unterschied ist nur, dass jeder erdenkliche Text im Vergleich zu den Handlungen von im Zweifel Millionen Menschen ziemlich unterkomplex ist.
;)
Auch das ist nur eine Frage der Zeit.

Je kompexer ein Ereignis, desto geringer die Eintrittswahrscheinlichkeit.

Um das auszugleichen, musst Du nur länger warten. Dann tritt auch ein sehr geringes Ereignis wieder ein.

Wie gesagt: Statistik.
 
Um das auszugleichen, musst Du nur länger warten. Dann tritt auch ein sehr geringes Ereignis wieder ein.

Wie gesagt: Statistik.
Ich fürchte nur, dass die erwartbare Lebensauer der Spezies, gebunden (bis dato) an die Zeitspanne, in der die Lebensbedinungen auf diesem Planeten stabil bleiben auf die Statistik keine Rücksicht nimmt.

Womit wir bim Unterschied zwischen Theorie und Parxis wären.
 
Krankt die Idee, dass man nur lang genug warten müsse nicht an der stetig steigenden Anzahl von Menschen auf dieser Kugel und dem Fortschritt? Vor 500 Jahren konnte man sich einen Abakus vorstellen. Vor 80 Jahren füllten vergleichsweise leistungsschwache Rechner ganze Industriehallen. Heute hat jeder von uns einen vergleichsweise leistungsstarken Rechner in der Hosentasche mit freiwilligem wie unfreiwilligem Zugang zu KI. Wie soll sich da Geschichte noch wiederholen, selbst wenn man an dies grundätzlich als Möglichkeit akzeptierte? Die Parameter verändern und entwickeln sich doch andauernd.

Ich muss bei dieser Diskussion die ganze Zeit an Chronologiekritiker denken, die auch andauernd auf der Suche nach "Wiederholungen" sind, weil sie auf diese Art und Weise nicht die Wiedderkehr hist. Ereignisse belegen wollen, sondern dass die Geschichte viel kürzer sei.
 
Es gibt das Gedankenexperiment mit dem ewig auf einer Schreibmaschine tippenden Affen.

Er drückt Tasten willkürlich.

Da er unendlich Zeit hat, wird er irgendwann auch durch zufälliges Tippen die Bibel korrekt runterschreiben.

Warum? Weil die extrem geringe Wahrscheinlichkeit für die richtige Aneinandereihung der Buchstaben dadurch ausgeglichen wird, dass er ewig Zeit hat.
Das ist aber wirklich reine Theorie und unendlich meint hier unendlich.

Schon für relativ kurze Buchstabenfolgen steigt die Zahl der notwendigen Versuche bei zufälligem Tippen ins astronomische.

In der Zeit gab es dazu kürzlich einen interessanten Artikel.

Die Chance, das Wort Schimpanse bei einem zufälligen Tippen von Buchstaben zu erhalten, beträgt danach nur 1 zu 590 Billionen.

Wenn man sämtliche Schimpansen auf der Erde (etwa 200.000) zufällig Tippen ließe, bräuchten diese dafür im Durchschnitt etwa 1000 Jahre. Und das setzt schon voraus, dass die Schimpansen wirklich zufällig tippen und nicht z. B. bevorzugt dieselbe Taste mehrmals hinter einander.

Für eine doppelt solange Zeichenkette würden die 200.000 Schimpansen schon 100 Millionen mal solange benötigen, wie das Universum bereits existiert.

Und da sind wir erst bei 20 Zeichen.

 
Krankt die Idee, dass man nur lang genug warten müsse nicht an der stetig steigenden Anzahl von Menschen auf dieser Kugel und dem Fortschritt?
Darüber habe ich auch nachgedacht.
Schließlich haben wir bis jetzt nie zweimal den selben Zustand auf der Erde gehabt.

So gesehen ist die Analogie vom Affen der die Bibel aus Versehen tippt fehlerhaft.


Ich scheitere da ein wenig an der Definition von "sich wiederholender Geschichte".

Eine sehr strenge Auslegung von "wiederholender Geschichte":
Soll sich der Feldzug Alexanders des Großen irgendwann exakt so wiederholen, mit Phalanx, Hieb-und-Stichwaffen, den selben Soldatennamen, ja jedem Elementarteilchen an exakt den selben Positionen,.
Das geht wohl nicht. Das Universum ist gealtert.

Eine weitgefächerte, hermeneutische Auslegung von "wiederholender Geschichte":
Soll ein kleines Reich, ein kleiner Staat unerwartet ein großes Reich besiegen?
Das wird wieder und wieder in der Geschichte passieren.

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Ich persönlich würde den Begriff "wiederholende Geschichte" so auslegen, dass sich grob die Rahmenbedingungen ähneln.
Sowas wird sicher ständig vorkommen.
 
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