Hallo, Gemeinde!
Wieder werde ich meinem Vorsatz untreu, mich hier rauszuhalten. Und wieder vermute ich, dass es nichts bringt. Aber nach dem Spartaner-Hinweis von Cherusker kann ich jetzt nicht mehr an mich halten. Was hier läuft, kann man ja bald nicht mehr mit ansehen.
@Cherusker:
Mir scheint, Du hast eine - neutral formuliert - sehr "romantische" Vorstellung von den Germanen. Grundsätzlich muss man feststellen, dass es sich um eine Kultur handelte, die zu damaliger Zeit technologisch und ökonomisch "rückständig" war. "Rückständig" in dem Sinne, dass die Gesellschaft weniger produktiv war, als sie mit besserer Technik und besserer Wirtschaftsweise hätte sein können. Weniger produktiv als Römer und Kelten zum Beispiel. Trotzdem haben sie überlebt und auch die mehr oder weniger regelmäßigen Hungersnöte überstanden.
Solche rückständigen Kulturen sind in erster Linie dadurch geprägt, dass sie permanent "im kritischen Bereich", an der Grenze zum Existenzminimum, wirtschaften. Genau DESHALB gab es ja die regelmäßigen Hungersnöte. Und in so einer Situation der permanenten Mangelwirtschaft wäre es kollektiver Selbstmord, wenn die Hälfte der Bevölkerung (die Männer!) sich auch noch aus der Produktion AUSKLINKEN WÜRDEN! Diese Gesellschaften waren mühsam in der Lage, sich als Ganzes am Leben zu erhalten. Sie waren völlig außerstande, so viel Überschuss zu produzieren, dass es möglich gewesen wäre, die halbe Bevölkerung von der Produktion freizustellen. Gerade Du sagst doch immer, dass die Germanen keine Überschusswirtschaft hatten!
Punkt zwei: Richtig ist sicher, dass in weiten Bereichen Germaniens wegen der schlechten Böden, der technologische Rückständigkeit und der noch "halbnomadischen" Lebensweise die Viehwirtschaft dominiert hat. Aber: Die Leute haben ihre Rinder nicht gefressen! Oder jedenfalls nicht oft. Fleisch stand nur ganz selten auf ihrem Speiseplan. Nur Rinder, die LEBEN, nutzen dem Viehzüchter! Eine Notschlachtung war vermutlich ein Fest für das ganze "Dorf". Also haben sie "Milchwirtschaft" betrieben. Und wenn sie nicht vom Fleisch ihres Viehs gelebt haben, wovon dann? Ihre Diät war eine überwiegend vegetarische. Sie waren aber keine Sammler mehr. Also muss die Masse dessen, was sie gegessen haben, durch ACKERBAU erzeugt worden sein. Wenn Du anderer Meinung bist, nenn mir eine mögliche andere Nahrungsquelle (Kanibalismus akzeptiere ich als Erklärung NICHT! Die Germanen haben sicher nicht Krieg gegen die Römer geführt, um ihre Nahrungsgrundlage zu verbessern!).
Warum vergleichst Du die Germanen nicht eher mit den Spartanern im 6./5. Jh.v.Chr.?
Und genau hier wird es hahnebüchen. Die Spartaner waren eine "Herrenrasse". Sklavenhalter. Sie haben die Wohngebiete eines anderen Volkes erobert, jenes Volk unterworfen und kollektiv versklavt. In der Folgezeit mussten diese Sklaven (man nannte sie Heloten) alle Arbeiten erledigen, während die Spartiaten sich um nichts als den Krieg gekümmert haben. Das war die "Stärke" Spartas, gleichzeitig aber auch seine Schwäche, denn Sparta hat in ständiger Angst vor Helotenaufständen gelebt. Die spartanischen Herrenmenschen waren so auf die Unterdrückung ihrer Sklaven fixiert, dass sie ganz Griechenland den Persern preisgeben wollten. Außer Sparta natürlich.
Nun scheinst Du andeuten zu wollen, dass auch die Germanen ebensolche Sklavenhalter gewesen sind. Motto: Der germanische Mann hat nicht gearbeitet. Der hat sich nur zum Kämpfen vom Bärenfell erhoben; ansonsten hat er sich von seinen Sklaven füttern lassen. Die Idee geht aber nicht auf! Sklavenhaltung macht nur in einer ÜBERSCHUSSWIRTSCHAFT Sinn. In einer MANGELWIRTSCHAFT (wie sie in Germanien normal war) ist jeder Sklave bloß ein weiteres Maul, das man füttern muss! In jedem Fall hätte es sehr viel mehr Sklaven als Germanen geben müssen, um so ein System "am Laufen" zu halten. Dafür gibt es in den historische Quellen aber KEINEN! Hinweis.
Übrigens: Sparta ist letztlich genau daran eingegangen. Eine Kriegerkaste, die nichts anderes tun muss als Kriegführen, leidet unter einer besonders hohen Sterblichkeitsrate. So ging es den Spartiaten. Es gab nie mehr als 7000. Zum Schluss, als sie ihre erste und einzige Niederlage erlitten haben, waren es nur noch ungefähr 1500. Rechne das jetzt mal hoch auf die Dimensionen des römisch-germanischen Kriegs.
Dafür, dass die Germanen ebensolche Sklavenhalter gewesen sein sollen, kannst Du auch Tacitus nicht als Zeugen aufrufen. Der hat zwar geschrieben, dass es bei den Germanen "Sklaven" gegeben habe, dass diese aber nur bestimmte Tribute hätten abliefern müssen. Ich finde gerade das Zitiat nicht, aber ich meine, da stände sowas wie "Mehr wurden von ihnen nicht verlangt..." Für mich liest sich das eher so, als hätten da "freie Bauern" dem "Fürsten" ihres Stammes "Steuern" bezahlt. Diese Leute als "Sklaven" zu betrachten, dürfte deshalb wohl eher mit der romzentrischen Sichtweise zu tun haben: In Rom gibt es Sklaven, also muss es die in Germanien auch geben....
Dann komm nächsten Dienstag nach Osnabrück und höre Dir den Vortrag von Prof. Dr. C.von Carnap-Bornheim an: "Kriegsbeuteopfer beleuchten in einzigartiger Weise die Verbindung von Religion und Krieg."
In der Hinsicht hat Dir doch niemand widersprochen. Was willst Du also? Wir leben hier in einer Region, die seit Menschengedenken "Durchgangszone" war. Begrenzt durch Ozeane im Norden und im Westen und Rom im Süden. Das MUSSTE zu Konflikten führen. Zu permanenten Kriegen. Dass es so gelaufen ist, kann man schon daran sehen, dass sich hier eine Religion entwickelt hat, die den "Aufstieg in den Himmel" nur den in der Schlacht gefallenen "Helden" versprach (Walküren, Walhall etc.). Allein das deutet darauf hin, dass in unserer Region über Jahrhunderte, sogar Jahrtausende hinweg ständig Krieg geführt worden ist. Besagt es aber auch, dass den Leuten das gefallen hat? Wenn sie sich einreden mussten, dass sie erst im Jenseits den Lohn für die im Diesseits erlittenen Schmerzen bekommen, dann würde ICH darin keine besondere Affinität zum Krieg sehen, sondern nur die Einsicht, dass man ständig kämpfen musste. Und was machst Du daraus? Ein "germanisches Kriegervolk", dem das Kämpfen "im Blut" gelegen hätte? Krieger "von Natur aus"? Ich behaupte ohne jeden Beleg, dass die Leute damals lieber gelebt hätten, ohne kämpfen zu müssen.
Und allein die Andeutung der Behauptung, dass Krieg "uns Germanen im Blut liegen" könnte, bringt mich an den Rand eines Kotzanfalls!
Und ich habe auch eine Aufgabe für Dich:
Nenn mir mal einen römischen Chronisten, der behauptet, daß die freien wehrfähigen Germanen Ackerbauern gewesen sind.....
Cooler Trick! Du willst die Beweislast umkehren. Mal sehen, wer drauf reinfällt. Ich persönlich ziehe mich einfach auf die Position zurück, dass die germanischen Damen und Herren von irgendwas gelebt haben müssen (denn erst kommt das Fressen, und dann die (Krieger)Moral) und dass es "kurzsichtig" gewesen wäre, ihr Vieh zu futtern. Nochmal: Wenn sie also nicht ihr Vieh gefuttert haben, was sonst?
ZUsammenfassend: Lieber Cherusker, ich frage mich, was Du in dieser Debatte eigentlich belegen willst. Und ich bekenne offen, dass ich eigentlich gar keinen Wusch habe, mit Dir überhaupt noch zu kommuniziren.