#278 muheijo
Bearbeiter des Schlieffenplans in 1909 war, wie gesagt, Ludendorff. Ludendorff soll auch nach dem Krieg gesagt haben, dass er die Änderungen für richtig hielt. Ein Grund für die Änderungen war, dass Frankreich militärisch stärker geworden war (Deutschland hat zwar eine riskante Außenpolitik betrieben, blieb aber in der Aufrüstung für das Heer hinter seinen späteren Gegnern zurück, Ludendorff Versuche einer Aufrüstung 1912 scheitertet).
Was war der Grund auf die von muheijo als Elsass-Falle bezeichnete (Defensiv-)operation zu verzichten? Genannt werden folgende Gründe: Der Schlieffenplan hatte enormes Potential, aber, jede Medaille hat zwei Seiten, auch Risiken. Der jüngere Moltke war risikoscheu, das wusste er und deswegen schätzte er sich auch nicht als Feldherrn ein. Deshalb baute er auf zwei Strategien, nämlich eine Schlacht in Lothringen (Gröner nennt das die Extratour in Lothringen) und eben dem – aus mehreren Gründen abgeschwächten- rechten Flügel. Die Strategie in Lothringen hatte Ähnlichkeit mit der des älteren Moltke 1870/71 (Gröner meint auch, der jüngere Moltke wollte seinem Onkel nacheifern) und sie dürfte auch die Strategie derjenigen gewesen sein, die einen Durchmarsch durch Belgien vermeiden wollte. Auch Schlieffen hatte diese Idee geprüft und verworfen, zu einen weil 1870/71 nicht vergleichbar war (man war damals zahlenmäßig stärker), weiterhin weil er nicht glaubte, dass die Franzosen in den „Sack“ in Lothringen hineinlaufe würden, schließlich weil die Operation aus genannten Gründen zur Entscheidungsschlacht nicht geeignet war.
Der genannte Plan B (Aufmarsch II) wird bei Gröners „Testament des Grafen Schlieffen“, S. 101 ff mit Hinweisen auf eine genaue Beschreibung der Entwicklung der Ostoffensivenpläne im Reichsarchiv, Bd. 1 S. 49 ff. beschrieben. Daraus ergibt sich, dass während sowohl während der Dienstzeit Schlieffens wie auch Moltkes ein solcher Plan mehrfach geprüft und als nicht praktikabel verworfen wurde. Es wird auch darauf hingewiesen, dass bei deutscher Offensive nach russischer Planng ein Rückzug erfolgt wäre, die deutsche Ostoffensive wäre ins Leere gegangen.
Die Zusammenarbeit mit Ö-U ist für mich eines der Rätsel dieses Krieges (insbesondere wenn man die Zusammenarbeit der „alten Feinde“ England und Frankreich vergleicht, die – am englischen Parlament vorbei – sehr weitgehend war). Angeblich war es nicht einmal möglich, deutsche Generalstabsoffiziere zur Manöverbeobachtung nach Ö-U zu senden. Die Zurückhaltung soll von ö-u Seite gekommen sein (ich vermute der Vielvölkerstaat wollte einen zu engen Kontakt zum Nationalstaat vermeiden, aber, wie gesagt, reine Vermutung von mir). Es gab zwar Absprachen zwischen Moltke und Conrad, aber keinen gemeinsamen Plan (zu Ö-U Plan vgl.
Ostfront (Erster Weltkrieg ? Wikipedia)).
Wenn man neben Gröner, o.a.O. auch Max Hoffmanns „Krieg der verlorenen Gelegenheiten“ liest, kann man sich vorstellen, wie eine solche gemeinsame Strategie ausgesehen haben könnte.
Grundlage war die Defensive, die man sich nicht als reine Verteidigung, sondern als aktive Defensiv vorstellen muss. Beide Autoren waren dafür, die Russen an/über die Grenzen kommen zu lassen (sie sollten ihren Aufmarsch also durchführen, damit sie später nicht zu tief im Osten stehen und mit der Masse der Kräfte entwischen konnten).
Ö-U sollte defensiv die natürlichen Widerstandslinien am Dnjestr, San und Karpaten nutzen und später eine Gegenoffensive auf die rückwärtigen Verbindungen (sprich: auf das russisch besetzte Lemberg) von Norden starten und die Russen zwischen sich und den Karpaten einklemmen.
Auch für die Deutschen war die Geographie Ostpreußens (wegen der Seen) für eine defensive Strategie günstig (Aufteilung der russischen Kräfte und damit die Möglichkeit, diese getrennt anzugreifen). Die erste Gelegenheit für eine solche Strategie kam sofort bei Kriegsbeginn und wurde von dem nervösen General von Prittwitz nicht genutzt (die Gelegenheit entsprach ziemlich genau der Abschlußarbeit 1898 für Generalstabsoffiziere, die Schlieffen gestellt hat, abgedruckt bei Gröner unter Anlage 13a). Tannenberg Ende August 1914 war eine weitere, diesmal genutzte Gelegenheit. Die Vernichtung russischer Einheiten schaffte nicht nur Luft, sondern zwang die Russen zur Neugruppierung.
Entweder nach erfolgreichem Abschluss des Frankreichfeldzugs (oder, nachdem im Westen ein Bewegungskrieg nicht mehr möglich war), sollten (vom Westen verstärkte) deutsche Kräfte die Masse der russischen Streitkräfte angreifen. Die Voraussetzungen dafür waren nicht nur in der Theorie günstig. Russland hatte etwa 2 Millionen Mann unter Waffen, war aber aufgesplittert auf einer Front von der Ostsee zum Schwarzen Meer mit einer Ausbuchtung nach Westen in Polen. Dabei konnte sich im günstigsten Fall die Gelegenheit ergeben, die Russen von Deutschen und Ö-U durch einen konzentrischen Angriff aus Ostpreußen und Galizien in Polen einzukesseln. Das war die "große", die allergünstigste Lösung.
Allerdings konnte die Entscheidung durchaus (vielleicht sogar mit größerer Wahrcheinlichkeit) auf kleinerem Raum fallen, nämlich im Nordosten (in der Gegend von Ostpreußen bzw. Polen, da gab es eine günstige Infrastruktur wie Straßen, Bahnlinien, etc.). Dort war tatsächlich der Aufmarsch der Russen durch die Grenzschlachten durcheinander geraten (Hoffmann beschreibt mehrere günstige Gelegenheiten zur Entscheidungsschlacht, besonders aussichtsreich beschreibt er einen Angriff auf die im Weichselbogen eingeklemmte russische Hauptarmee). Im Süden hätte Ö-U eine Offensive i starten können, um russische Kräfte u binden.
Warum konnten schon die Voraussetzungen für solche Situationen, also ein gemeinsamer Plan der in "Nibelungentreue" verbundenen Monarchien, nicht geschaffen werden? Ich weiß es nicht. Ich sehe auch hier wieder Wilhelm II. (weniger Bethmann) in der Verantwortung, es wäre seine Verantwortung gewesen eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ö-U herbeizuführen.