WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Damit ist klar, wo das britische Kabinett zum Thema Kriegseintritt hinsichtlich Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland stand.
Naja, so ganz klar ist das nicht.

Der Vertrag konnte ja ursprünglich in keinem Fall so gemeint sein, alle Signatarstaaten einer Ahndung hätten zustimmen müssen, um eine Solche anberaumen zu können.
Angesichts dessen das mit Frankreich und den Niederlanden 2 Staaten Signatarstaaten des Vertrags von 1839 waren, die ganz klar Interesse an belgischen Gebieten hatten, wäre das ja darauf hinausgelaufen, dass diese sich dann ein Vorgehen gegen Belgien selbst dadurch hätten erlauben können, einfach Veto gegen eine Ahndung der Neutralitätsverletzung einzulegen.
Und das konnte kaum der Sinn der Sache sein.

Wenn "kollektive Ahndung" aber nicht Ahndung durch alle Signatarstaaten meinte, sondern lediglich durch eine Koalition der an der Rechtsverletzung nicht beteiligten Staaten, dann stellte diese Interpretation kein Problem dar, so lange sich Frankreich und Russland als Signatarmächte mit kollektiver Ahndung einverstanden erklärten und das war zu erwarten.
 
To give 'Turgot' the benefit of the doubt: 'Turgot' kann offenkundig nix dafuer, dass er nicht zwischen echten und falschen Quellen zu differenzieren versteht. ["feine, bis ins Einzelne gehende Unterschiede machen"] Hinzu kommt seine indiskriminierende; naive; übermäßige Abhängigkeit an dritt- und viertrangige Quatsch-'Quellen' von denen er weder Textfaksimilees, ISBNs noch Buchreviews praesentiert.

Nach dem, was Du in diesem Forum schon an trüben 'Quellen' (z. B. die Wilhelm II. unterschobenen Fake-Zitate, zuletzt die Behauptungen des Dokumentenfälschers Kersten) aufgetischt hast, möchte ich Dir empfehlen, Dein eigenes Differenzierungsvermögen zu optimieren.
 
Lord Morley, in der Julikrise 1914 britisches Kabinettsmitglied und Lord President of the Council zum Thema ob Belgien nun der Grund für den britischen Kriegseintritt gewesen war.

"Das übereilte Auflodern über Belgien war weniger der Empörung über die Verletzung eines Vertrages, als der natürlichen Empfindung zu verdanken, das die Berufung darauf einen guten Grund für eine Intervention zugunsten Frankreichs, für die Entsendung eines Hilfskorps (gemeint ist das Britische Expeditionskorps; Anmerkung von mir) und für alles übrige liefern würde. Belgien musste den Platz einnehmen, welchen früher Marokko und Agadir als Grund zu einem Kriege eingenommen hatten."

Viel deutlicher geht es eigentlich nun wirklich nicht mehr!

Lord Morley, Meine Demission
 
Sir Edward Grey gibt in seinen eigenen Erinnerungen , Band II, selbst schon fast zu weshalb Großbritannien in den Krieg gezogen war.
Das Großbritannien wäre eben isoliert, diskreditiert und gehasst gewesen, einer elenden und unwürdigen Zukunft entgegengegangen wäre, wenn es nicht zu Frankreich gehalten
und sich für Belgien gegen die deutsche Aggression erhoben hätte.
Man beachte, das Grey Frankreich an die erste Stelle gesetzt hat. Von Morley wissen wir ja, das Belgien definitiv ein Vorwand, für das geschätzte Publikum, gewesen war.
 
Nenne die 'unterschobenen Fake-Zitate' svp.
Und erklaere warum sie Deiner Meinung fake sein sollen svp.

Wie oft denn noch?

Offensichtlich ein Fake-Zitat, das im September 1914 durch englischsprachige Zeitungen geisterte:


Anhang anzeigen 23886


Als "Quelle" dienen russische Zeitungen, die einen Text zusammenmontiert haben, angeblich aus Aussagen deutscher Kriegsgefangener.

Natürlich hat Wilhelm II. Reden gehalten, in denen die Stichwörter "Gott", "Waffen", "Schwert", "deutsches Volk" vorkommen. Aber diesen Text hat er nicht formuliert, das sind wohl Formulierungen der russischen Propaganda.

O-Ton Wilhelm II. zur Verabschiedung vom 1. Garderegiment z. F. vom 11. August 1914:

"Und das ganze deutsche Volk bis auf den letzten Mann hat das Schwert ergriffen. Und so ziehe ich denn das Schwert, das ich mit Gottes Hilfe Jahrzehnte in der Scheide gelassen habe. Das Schwert ist gezogen, das ich, ohne siegreich zu sein, ohne Ehre nicht wieder einstecken kann. Und ihr alle sollt und werdet mir dafür sorge, daß es erst in Ehren wieder eingesteckt wird."

Michael A. Obst (Hrsg.), Die politischen Reden Kaiser Wilhelms II., Paderborn/München/Wien/Zürich 2011

Ich habe den Beitrag aufmerksam gelesen, deshalb habe ich die Frage ja gestellt. Ich habe dann sogleich nach dem Buch gesucht und es hier online gefunden:


Die Frage "Wann und wo genau soll Wilhelm II. das gesagt haben?" wird dort leider auch nicht beantwortet.

Wann genau? Keine Angabe.
Wo genau? Keine Angabe.
Wo findet man den deutschen Originaltext? Keine Angabe. (Ganz sicher hat der Kaiser die Ansprachen an seine Truppen nicht in englischer Sprache gehalten.)

Da Du auf die Frage nicht reagiert hast, habe ich selber nach der Quelle gesucht und bin fündig geworden.

Es handelt sich um ein offensichtlich in Russland erfundenes Fake-Zitat, auf das der ehrenwerte James M. Beck hereingefallen ist.


Quellennachweise sind keine Zeitverschwendung, wenn wir hier faktenbasiert diskutieren wollen.


Diesen habe ich jetzt erst gesehen, der passt sehr gut.





Das gilt auch für gaaaanz hohe Tiere mit Titeln wie "Stellvertretender Generalstaatsanwalt der U.S.A", "Doctor of Laws" - hier hat er halt Mist verzapft.

(Da wir gerade bei Zitaten sind, habe ich mich auch noch schnell nach dem Feynman-Originalzitat umgesehen; es lautet: "It doesn't make any difference how beautiful your guess is, it doesn't make any difference how smart you are, who made the guess, or what his name is – if it disagrees with experiment it's wrong.")
 
Und deshalb hatte London am Wochenende des 25./26.Juli freundlicherweise schon einmal die Flotte in Kriegsbereitschaft versetzt.

Und auch bereits am 26.Juli hatte der französische Militärattaché Laguiche von Suchomloninow erfahren, das in den Militärbezirken Moskau, Kasan, Odessa und Kiew die Mobilmachung schon angelaufen sei. In Warschau, Wilna und petersburg gehe man geheim vor, um Deutschland nicht misstrauisch zu machen. Damit hatte man in gesamten europäischen Teil Russlands den verdeckten Beginn der Kriegsvorbereitung begonnen. Zugleich hatte man die Ostsee- und Schwarzmeerflotte mobil gemacht. Und es darauf hingewiesen, das der russische Plan XIX ausdrücklich eine teilweise Mobilmachung überhaupt nicht vorsah.
Nach Lage der Dinge waren zu diesem Zeitpunkt die Würfel für den Krieg bereits gefallen.

So sah das auch General Dororolski, als er feststellt, "Der Krieg war bereits beschlossene Sache und die ganze Flut von Telegrammen zwischen den Regierungen Russlands und Deutschlands stellte nur eine mis es scene eines historischen Dramas dar. (1) Eine überdeutliche Auskunft.
Unten findest du die Quelle; obwohl du selbst eigentlich nie Quellen für deine Thesen lieferst. Und wenn der Faden dann ma gelöscht wird, ist es auch sehr schade, um die ganze Arbeit des Heraussuchens.

Am 28.Juli trat Wilhelm II. mit Zar Nikolaus II. in Kontakt. Im Zuge dieser Kommunikation hatte der Zar gegenüber den deutschen Kaiser, wohl aus Sorg- und Achtlosigkeit, darüber aufgeklärt, das man in Russland schon seit dem 25.07.in Sachen Mobilmachung aktiv sei. Ich habe aber jetzt nicht den Nerv und die Zeit meine großen Bücherregale nach dem exakten Literaturhinweis durchzukämmen. Die Information von Dobrorolski ist eigentlich schon unmissverständlich genug.
Januschkewitsch hatte aber am 29.07. trotzdem die Stirn den deutschen Militärattaché schlicht die Unwahrheit über den Stand der russischen Vorbereitungen zu sagen; es sei praktisch alles beim Alten. Sasonow arbeitete mit dem Märchen der bewaffneten Neutralität.

Dazu noch ein paar weitere Info:

Ebenfalls in der Nacht zum 26.07.1914 wurde wurde aus Petersburg nach Warschau auf Befehl des Zaren, das für alles Festungen der Kriegszustand erklärt wurde. Während dieser Befehl schnell von Warschau nach Nowogeorgiewsk, Ossowjez, Brest und Iwangorod weitergegeben wurde, konnte die Kommandatur von Nowogeorgiewsk noch am 26.07. die entsprechenden Befehle für die Festung ausgeben.

In Militärbezirk Wilna für Kowno, Grodno und Dünamünde war ebenfalls der Kriegszustand am 26.07.1914 ausgesprochen worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ebenfalls in der Nacht zum 26.07.1914 wurde wurde aus Petersburg nach Warschau auf Befehl des Zaren, das für alles Festungen der Kriegszustand erklärt wurde. Während dieser Befehl schnell von Warschau nach Nowogeorgiewsk, Ossowjez, Brest und Iwangorod weitergegeben wurde, konnte die Kommandatur von Nowogeorgiewsk noch am 26.07. die entsprechenden Befehle für die Festung ausgeben.
ein kurioses Detail hierzu:
ausgerechnet die ehemals zentrale Festungsposition Warschau (doppelter Fortgürtel) war zwischenzeitlich nicht nur desarmiertiert, sondern auch teilweise gesprengt worden: von den Russen selber!*) Das war eine Folge der innenrussischen Hü-Hott Politik in Sachen Festungsbau (zeitweilig wollte der Zar, wie in Sachen Port Artur, nicht "Millionen Rubel im Boden verbuddeln"). Deswegen kam es nie zum projektierten Festungsviereck Nowogeorgiewsk (Modlin) / Zegrze / Warschau / Lomianki - - - tja, plötzlich erinnerte man sich der vernachlässigten Festungen, Warschau wurde mehr oder weniger aufgelassen, stattdessen Zegrze und Modlin hektisch als Festungen erster Klasse ausgebaut (Modlin war im WW I noch teilweise Baustelle!), Iwangorod war veraltet und blieb es, Ossowiec (kleine, aber mustergültige Befestigungsgruppe) war fertiggestellt, die Festungskette an Bug/Narew teilweise noch im Ausbau, Brest war fertig gebaut.
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*) damit war die "Zentralposition" hinfällig geworden, die Chance einer riesigen Festungszone (a la Lötzen / masurische Seen oder Istein / Oberrhein) als Stütze und Riegel vertan.
 
Unter dem Datum des 27.September 1914 notierte George Louis,der französische Botschafter in Petersburg bis 1912, das Folgende:

"Die Verantwortlichen. - Der Toast Poincarés in Zarskoje Selo "...unsere vereinten Kräfte." Die Militärpartei hat zu Wilhelm gesagt: "Das ist eine Herausforderung, die Sie nicht ruhig hinnehmen können."

Clemenceau kennt sehr gut die Ursache des Krieges. [...] Die Kreaturen Poincarés: Paléologue und Margerie. Sie sind gemeinsam mit ihm die Urheber der gegenwärtigen Situation.

Jetzt trägt Poincaré nicht mehr eine hochmütige Miene zur Schau. Er macht ein verstörtes Gesicht. Seine Popularität im Lande hat keine Einbuße erlitten.
 
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