Vielleicht hat thanepower schon einen Überblick gewonnen?
Hatte mich mit dem Buch nur oberflächlig beschäftigt unter dem Gesichtspunkt Monroe-Doktrin bzw. der Venezuela-Krise 1903.
Die Literatur zu dem Thema kann man allgemein dahingehend subsumieren, dass sie sich mit "kurzen und langen Wegen" in den WW1 beschäftigt. Gardner betrachtet die Genese aus der Sicht der langen Wege.
Im Kern seiner Analyse steht die Veränderung der "Balance of Power", ausgelöst durch eine Reihe von Ereignissen, in Anlehnung an Disraeli.
1. Dem Deutsch-Französischen Krieg 79/71
2. Der Neuorientierung der Pax Britannica
Im Kern steht für ihn die Diplomatie von GB, die sich vor diesem politischen Hintergrund neu orientieren muss.
In diesem Sinne wurden wichtige Entscheidungen über Büdniskonstellationen im Jahr 1914 deutlich vorher getroffen. Diese Bündniskonstellationen haben die Balance of Power in Europa, als Ausdruck der "alten europäischen Diplomatie" intransparent, übersensitiv und handlungsunfähig gemacht.
In der Phase der Neuorientierung des letzen Jahrzehnts bis 1902 (Fashoda-Krise) sieht er für GB eine problematische bündnispolitische Mechanik, die darauf hinaus lief, je stärker sich GB an dem DR orientierte, desto stärker festigte es die Allianz zwischen Frankreich und Russland. Für das überdehnte britische Empire eine gefährliche Situation.
In dieser Phase suchte vor allem J. Chamberlain eine Absicherung des Empire durch eine Allianz mit den USA und mit dem Deutschen Reich. Der nicht zuletzt deshalb nicht realisiert werden konnte, da die Ambitionen des DR in der Karibik zu einem Konflikt mit den USA geführt haben.
Vor allem setzt er sich kritisch mit der "spendid isolation" auseinander, die durch Inaktivität es nicht schaffte, den Konflikt zwischen Frankreich und dem DR konsensual beizulegen. Und sieht in diesem Kontext ein Versagen der britischen Gleichgewichts-Diplomatie. Die Blockbildung, die auch zur Eskalation in Richtung WW1 beigetragen hatte, hätte durch die Mediatisierung durch GB im Vorfeld entschärft werden können.
In einem anderen Sinne ist der Gedankengang auch deshalb interessant, weil er das diplomatische Konzept Europas, das auf eine militärisches Gleichgewicht abzielte und die Blockbildung als Stabilisierung des Status quo förderte, problematisiert. Und stattdessen die Auflösung bzw. die Entschärfung der Blockstrukturen als erfolgversprechende Alternative betont, gerade für GB.