1. Die Kriegserklärung an Serbien bedeutete noch nicht den Weltkrieg und das Ende der Bemühungen um Erhalt des Friedens.
Die Kriegserklärung Österreichs an Serbien machte den Weltkrieg aber sehr viel wahrscheinlicher, weil die Kriese jetzt nur noch ohne Krieg beendet werden konnte, wenn eine der beteiligten Mächte dazu bereit war ihre Interessen oder ihre Sicherheitsarchitektur aufzugeben und dass wäre ein hoher Preis gewesen.
- Entwerder Russland hätte Serbien fallen lassen müssen, damit seinen Einfluss am Balkan verloren und in Reaktion darauf die Entente infragestellen müssen.
- Oder Deutschland hätte Österreich im Stich lassen müssen und damit seinen verlässlichsten Bündnispartner verloren.
- Oder Frankreich hätte Russland im Stich lassen müssen und sich damit gegenüber dem Dreibund weitgehend isoliert.
Das keiner diesen Preis freiwillig zu zahlen bereit war, durfte man annehmen, zumal die Situation sich insofern theoretisch durch einen Verzicht von nicht weniger als 3 verschiedenen Parteien hätte lösen lassen, womit sie als blame-game taugte, Motto "Warum soll ich meine Sicherheitsarchitektur aufgeben, wegen Problem, die andere verursacht haben, sollen es doch bitte die Anderen tun".
Wenn es wenigstens so ausgsehen hätte, dass nur eine Partei in der Lage gewesen wäre die Situation zu lösen und diese die Verantwortung nicht hätte abschieben können, wäre vielleicht etwas möglich gewesen, aber so kaum noch.
Der eigentliche Wert für London, wenn es die Information als autentisch betrachtet hätte, wäre dahin bestanden, dass, wenn Wien weitgehend eigenständig entschied, der Hebel für diplomatischen Druck gegenüber Wien, nicht Berlin anzusetzen wäre.
Der Wert dieser Information verfiel aber mit der Österreichischen Kriegserklärung, weil klar war, dass Wien, nachdem es diesen Schritt einmal getan hatte, keinen Rückzieher machen konnte, ohne sich selbst komplett unglaubwürdig zu machen.
Insofern hätte die Information vielleicht ihren Wert vor der österreichischen Kriegserklärung gehabt, aber nicht danach.
Im Bezug auf Deutschland, deutet die Nachricht zwar an, dass wenn nicht von deutscher Anstiftung auszugehen sei, man nicht mit überbordenden deutschen Eroberungswünschen zu rechnen habe, aber das allein war keine Garantie dafür, dass Deutschland Wien nicht stützte und damit keine Garantie, dass sich nicht ein auf Westeuropa ausgreifender Krieg entwickeln könnte an dessen Folge möglicherweise eben doch deutsche Zugewinne stünden.
Insofern was sollte der Inhalt der Nachricht jetzt noch ändern?
2. Österreich-Ungarn hatte zunächst "nur" gegen Serbien mobil gemacht.
Das ist doch vollkommen uninteressant.
Das Problem ist, dass das in dem Augenblick in dem Österreich losschlug eine der Großmächte den politischen Preis für die Eskalation zahlen musste und damit war das Kind mehr oder minder in den Brunnen gefallen.
Die Informationen waren dazu geeignet, ich führte es bereits aus, in der Londoner Zentrale noch einmal innezuhalten und zu hinterfragen und zu prüfen.
Ich fürchte am 29. Juli 1914 nicht mehr, weil der Krieg begonnen hatte und es damit zu spät war die Verhandlungstaktik zu ändern.
De Bunsen konnte nicht davon ausgehen, das diese Art Information im Foreign Office ganz offenkundig nicht von Relevanz gewesen war.
Dann erklär mir mal etwas. Ich hatte ja bereits oben Spekulationen darüber angestellt, wann diese Nachricht entstanden sein mag.
Wenn der Inhalt der Nachricht in dieser Form authentisch ist, muss der serbische Gesandte spätestens am Tag seiner Abreise, also spätestens am 26. Juli in dieser Weise Dumaine in Bild gesetzt haben.
Wenn Dumaine davon besonders überzeugt war und es für besonders relevant hielt und der Meinung war, es sei wichtig, dass die Briten Kenntnis davon bekämen, warum läutete er nicht unverzüglich den britischen Botschafter auf?
Und wenn de Bunsen so überzeugt von der Wichtigkeit war, warum dauerte es bis zum 29. Juli, bis die Nachricht rausging?
Denkbar natürlich, dass er selbst das irgendwann Abends oder nachts erfuhr, und die Telegraphenämter und die Chiffrier- und Dechiffrierdienste ihre Arbeit bereits eingestellt hatten, so dass eine Depesche erst am kommenden Morgen herausgehen konnte, aber selbst dann hätte noch immer die Möglichkeit bestanden, zu versuchen es telephonisch zu übermitteln, was nicht ganz den Gepflogenheiten entsprochen hätte, aber das wäre wohl kaum ein Hindernis gewsen, wenn de Bunsen wirklich davon überzeugt gewesen wäre, damit ggf. den Frieden zu retten oder seine Regierung vor einem folgenschweren Fehler zu bewahren.
Warum wurde das nicht versucht?
Das passt doch nicht zusammen.
Wenn Dumaine Angst gehabt hätte, diese Nachricht könnte London dazu veranlassen seine Position zu überdenken und von russisch-französischen Zweibund abzurücken, hätte er de Bunsen überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt.
Wenn er die Haltung seiner eigenen Regierung allerdings für falsch hielt und ein Gegensteuern aus London wünschte um St. Petersburg zurück zu halten und den Inhalt des Gesprächs für geeignet hielt, dass zu bewerkstelligen, hätte er sich doch sofort an Bunsen oder falls der nicht anzutreffen war, an das britische Botschaftspersonal gewand.
Heißt, wenn wir annehem, dass Dumaine das spätestens am 26. Juli erfahren haben muss, möglicherweise schon früher, dem Relevanz beimaß und der Meinung war, er müsse die britischen Verbündeten in Kenntnis setzen, sollte man meinen, dass er das postwendend versucht hätte, zumal das österreichische Ultimatum an Belgrad ja bereits auf dem Tisch lag und die Zeit drängte.
Dann müsste die britische Botschaft am Abend des 26. Juli oder spätestens am Mogen des 27. Juli, falls niemand mehr anzutreffen war, informiert gewesen sein, heißt, de Bunsen müsste dann am Morgen des 27. Juli informiert gewesen sein.
Wenn er die Information für entscheidend hielt, wäre zu fragen, warum gab er sie nicht stante pedes nach London weiter? Wenn das von Dumaine und de Bunsen als so alarmierend und entscheidend gesehen worden wäre, warum wurde das nicht spätestens am Mittag des 27. Juli nach London übermittelt, sondern erst am 29. Juli, obwohl das Ultimatum befristet zum 28. Juli auf dem Tisch lag und keine Zeit mehr zu verlieren war?
Ein halber Tag Verzug ließe sich vielleicht damit erklären, dass spät abends auf dem üblichen Weg nichts mehr zu übermitteln war, aber damit ist keine Verzögerung von 2 Tagen zu erklären.
Damit gibt es, wie ich sehe nocht 2 Möglichkeiten:
1. Die Nachricht ist bei der Chiffrierstelle oder bei der Dechiffrierung aus irgendwelchen Gründen liegengeblieben, aber das glaube ich nicht, denn wenn de Bunsen überzeugt davon gewesen wäre, dass von dieser Depesche möglicherweise der europäische Frieden abhinge, würde er sich telephonisch vergewissert, dass die Depesche in London eingegangen ist und auf die Dringlichkeit hingewisen haben, was er ohne konkrete Inhalte am Telephon auszuplaudern hätte tun können oder aber er hat (da wäre ich dir verbunden, wenn du nachschauen könntest, ob so etwas bekannt ist), der Depesche eine Bitte um Bestätigung auf dem telegraphischen Weg angehängt um sicher zu gehen, dass das auch wirklich ankam und es ggf. erneut zu senden, wenn binnen kurzer Frist keine Bestätigung hereinkam.
Sicherlich denkbar, dass etwas hängen geblieben sein könnte, weil in der Kriesenstimmung die Drähte heiß gelaufen sein dürften und möglicherweise die Chiffrier- und Dechiffrierabteilungen mit der ungewöhnlichen Masse an Nachrichten überfordert waren, aber Nachrichten aus der Wiener Botschaft wird man sicherlich aus naheliegenden Gründen Priorität eingeräumt haben, so dass ich daran nicht recht glaube, zumal ich mir wie gesagt kaum vorstellen kann, dass de Bunsen, wenn er das für so entscheidend hielt nicht nachharkte, wenn die Reaktion ausblieb.
2. Die Nachricht wurde von de Bunsen tatsächlich erst am 29. verfasst, dann wäre zu fragen warum, denn das würde darauf hinweisen, das mindestens einer aus Dumaine und de Bunsen, diese Nachricht nicht für entscheidend hielt, denn sonst wäre sie zügiger weiterbefördert worden, so dass London bereits am 26. oder spätestens am 27. Juli davon Kenntnis hätte haben müssen, aber nicht erst am 29.