Wollte Napoleon nach Indien?

Vermutlich spielst du hier auf ein kleines, aber feines Detail an: Nur die Polen (und die næhere Umgebung Napoleons) hatten Pferde mit scharf beschlagenen Hufen (also so eine Art Spikes fuer's Pferd), alle anderen Pferde glitten auf den endlosen Eiswuesten gnadenlos aus, da wurden kleinste Steigungen zu Todesfallen.
Gut möglich, dass ich nur das gemeint habe und es nun als "Winterausrüstung" erinnert habe. Danke für die Erläuterung.
 
Es ist zweifellos richtig, dass sich Grande Armee schon im Sommer Auflösungserscheinungen zeigte. Alles auf den russischen Winter und den Brand zu schieben, ist eine Legende, an der Napoleon persönlich kräftig mitstrickte. Mangelnde Versorgung, Seuchen(Typhus) und Desertation führten früh zu einer Schwächung. Dabei darf man die Differenz der Truppenstärke zwischen Einmarsch und Borodino aber nicht einfach als Verluste buchen. Je tiefer Napoleon in Russland eindrang, desto mehr Truppen musste er zur Sicherung seiner Verbindungslinien abstellen.
@exci, vielleicht können wir so zusammenkommen: Ein Angriff auf Indien wäre, da wirst du mir wohl zustimmen, allenfalls mit tatkräftiger russischer Unterstützung denkbar gewesen. Ein solcher Feldzug quer durch ein unbezwungenes feindliches Russland war hingegen völlig unmöglich. Das hätte jeder Korporal eingesehen, es bedurfte dazu nicht des Genius von Napoleon.
 
@exci, vielleicht können wir so zusammenkommen: Ein Angriff auf Indien wäre, da wirst du mir wohl zustimmen, allenfalls mit tatkräftiger russischer Unterstützung denkbar gewesen. Ein solcher Feldzug quer durch ein unbezwungenes feindliches Russland war hingegen völlig unmöglich. Das hätte jeder Korporal eingesehen, es bedurfte dazu nicht des Genius von Napoleon.

Das können wir gern, weil m.M.n. ist die Logik offensichtlich.

Betrachten wir die wirtschaftliche Situation Rußlands vor dem Krieg, dann blieb dem Zaren gar nichts anderes übrig als die Forderung Napoleons, "die Schiffe neutraler Flagge, "die ja doch nur englische Waren führen", an seiner Küste mit Beschlag zu belegen" [1] abzulehnen, gleichzeitig eine Ukas zu erlassen, die den Handel mit den Neutralen erleichterte und französische Waren mit höhen Zöllen belegte. Daneben verstärkte er die Rüstungen und schloss an seinen Flanken Frieden und mit England Verträge.

Napoleon kannte natürlich die Situation Rußlands und ein Krieg schien, wurde leider unvermeidlich.
Ein schneller Sieg N. hätte aber nicht die Rückkehr Rußlands zum Kontinentalsystems bedeuten können, weil dies dieselbe Situation über kurz oder lang heraufbeschworen hätte.
Ein Friedensschluss hätte also einen Ausgleich Rußlands in eine andere Richtung bedeuten müssen. Und dies ganz sicher nicht Richtung Westeuropa!

Ein Frieden Frankreichs mit Rußland hätte auch eine Neumischung der politischen Karten bedeutet. Die Verbündeten Rußlands jetzt auch die Verbündeten N.? England isoliert? Und dann hätte N. doch alle Möglichkeiten gehabt: Menschen, materielle Recourcen, die russische, vllt. auch die schwedische Flotte ...

Noch einmal Fournier:
"Eine Hofdame der Zarin, Gräfin Edling, will es später, auf dem Wiener Kongress, von Eugen Beauharnais, erfahren haben, dass es Napoleons Absicht gewesen sei, nach der Bezwingung Rußlands sich gegen Konstantinopel zu wenden. (Memoires p. 196) Das stimmt durchaus damit überein, dass er vor dem Feldzug auch mit den aufständischen Serben anknüpfte, um dort den russischen Einfluss aus dem Felde zu schlagen und sich zugleich einen Sukkurs gegen die Pforte zu erwerben."[2]

Da haben wir doch die geplante Stoßrichtung.

Heute zu spekulieren, wie lange die Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und Rußland gedauert hätten und wer welche Rolle in den folgenden Kriegszügen übernommen hätte, macht wenig Sinn. Sicher dürfte wohl nur eines sein, dass Napoleon erst "zufrieden" gewesen wäre, wenn England in die Knie gezwungen wäre.

Grüße
excideuil

[1] Fournier, August: „Napoleon I., Emil Vollmer (Phaidon Verlag), Essen, 1996, Nachdruck der Ausgabe Wien 1922, Bd. 3, Seite 44
[2] [1] Seite 68
 
Sicher dürfte wohl nur eines sein, dass Napoleon erst "zufrieden" gewesen wäre, wenn England in die Knie gezwungen wäre.
Man kann imho sogar darüber diskutieren, ob er nicht sämtliche Kampagnen auf dem Kontinent unter dem strategischen Gesichtspunkt führte, England letztendlich als Hauptgegner auszuschalten.
 
Man kann imho sogar darüber diskutieren, ob er nicht sämtliche Kampagnen auf dem Kontinent unter dem strategischen Gesichtspunkt führte, England letztendlich als Hauptgegner auszuschalten.

Den roten Faden der französischen Aussenpolititik dieser Jahre kann man so sehen, aber muheijo könnte zurecht auf einen gesonderten Thread bestehen.

Grüße
excideuil
 
Sicher dürfte wohl nur eines sein, dass Napoleon erst "zufrieden" gewesen wäre, wenn England in die Knie gezwungen wäre.
Man kann imho sogar darüber diskutieren, ob er nicht sämtliche Kampagnen auf dem Kontinent unter dem strategischen Gesichtspunkt führte, England letztendlich als Hauptgegner auszuschalten.

Ich sehe beides als erwiesen an.
Ob Spanien, Portugal oder Russland, die direkte Einverleibung div. Regionen wie die dt. Nordseekueste oder die Illyrischen Provinzen, die Unschædlichmachung der engl. Degen auf dem Kontinent wie z.B. Østerreich - alles eine Folge der Kontinentalsperre. Sie war in seinen Augen das einzige Mittel, England in die Knie zu zwingen, jedenfalls nach Trafalgar.

Die Rueckkehr Russlands ins System der Kontinentalsperre war das Kriegsziel. Dafuer hætte N durchaus auch die Polen preisgegeben, und sicher: Mit Indien und/oder dem Osmanischen Reich wære der Zar erneut gelockt worden, wie schon zuvor.

Gruss, muheijo
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe beides als erwiesen an.
Ob Spanien, Portugal oder Russland, die direkte Einverleibung div. Regionen wie die dt. Nordseekueste oder die Illyrischen Provinzen, die Unschædlichmachung der engl. Degen auf dem Kontinent wie z.B. Østerreich - alles eine Folge der Kontinentalsperre. Sie war in seinen Augen das einzige Mittel, England in die Knie zu zwingen, jedenfalls nach Trafalgar.

Da du dies schon öfter geschrieben hast, würde ich dich doch bitten, dies einmal zu belegen, denn wie Gandolf und ich vortrugen, beschränkte sich Napoleon z.B. 1807/8 nicht auf die Kontinentalsperre.

Die Rueckkehr Russlands ins System der Kontinentalsperre war das Kriegsziel. Dafuer hætte N durchaus auch die Polen preisgegeben, und sicher: Mit Indien und/oder dem Osmanischen Reich wære der Zar erneut gelockt worden, wie schon zuvor.
Gruss, muheijo

Diese Theorie halte ich für nicht durchhaltbar:

Ich unterstelle einen schnellen Sieg der Franzosen. N. rückt im Friedensvertrag nach deiner Theorie Polen heraus.
Was wären die Konsequenzen:
Preußen und Österreich wären nicht nur verärgert.
Zum 1. Mal hätte ein Sieg N. mit Gebietsabtretungen geendet.
Der russische Koloss wäre noch größer.
Die Enttäuschung der Polen wäre auch (moralisch) für Europa nicht kalkulierbar.
Warum soll ein Sieger sich dies antun?

Und aus Sicht des Zaren? Warum sollte er denn den Verlockungen auf Indien erliegen, denen er schon 1808 ohne Zugeständnisse widerstanden hat, wenn er 1812 territorial weiter westwärts gelangt und dies trotz Niederlage? Die Übergabe Polens an Rußland wäre also ein Eingeständnis der Schwäche für die Franzosen.

Ich unterstelle einmal, dass der Zar sich auf die Verlockungen N. eingelassen hätte. Bedeutet dies nicht, dass N. dann Einfluss und Initiative an dieser Front verloren hätte? Bedeutet dies nicht, dass der schon große Koloss Rußland noch unkalkulierbarer würde? Und das mit Billigung seiner Majestät des Kaisers der Franzosen? Bedeutet dies nicht, dass der einzige Konkurrent auf dem Kontinent übermächtig zu werden droht?
Glaubst du wirklich, dass N. sich die Initiative des Krieges gegen England hätte nehmen lassen?

Ich unterstelle, der Zar unterschreibt, kassiert Polen, macht ein paar Vorbereitungen zu einem Feldzug und lässt dann dennoch alles wie gehabt, wirtschaftliche Bedingungen zwingen ihn dazu, könnte eine Begründung sein. Was macht N.? Einen Krieg? Und dann über Polen? Na herzlichen Glückwunsch!

Grüße
excideuil
 
Hallo,
soweit ich es erfahren habe, wollte Napoleon zu erst Egypten den Briten weg nehmen und dann von da aus zum Britischen Kolonien weiter, spricht Indien, sowieso aus Wirtschaftlichen Interessen .
mfg
 
Der Ägyptenfeldzug scheiterte bereits 1801. Den Vertrag von Finckenstein schloss Napoleon 1807. Das lässt mich daran zweifeln, dass Napoleon seine Indienpläne aufgegeben hatte.

Durch Zufall habe ich eine zeitgenössische Bestätigung gefunden: die Diskussionen über Abwehrpläne der Royal Navy, da Großbritannien von dem Abkommen umgehend Informationen erhalten hatte:

Edward Ingram: A Scare of Seaborne Invasion: The Royal Navy at the Strait of Hormuz, 1807-1808 - Military Affairs (1982), S. 64-68.

Dabei ging es um die Bedrohung für Indien, und die Sperrung von Hormuz gegen die zitierte französisch-persische Verbindung. Dafür wurden Flottenstreitkräfte im Indischen Ozean zusammengezogen.
 
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