@exci, vielleicht können wir so zusammenkommen: Ein Angriff auf Indien wäre, da wirst du mir wohl zustimmen, allenfalls mit tatkräftiger russischer Unterstützung denkbar gewesen. Ein solcher Feldzug quer durch ein unbezwungenes feindliches Russland war hingegen völlig unmöglich. Das hätte jeder Korporal eingesehen, es bedurfte dazu nicht des Genius von Napoleon.
Das können wir gern, weil m.M.n. ist die Logik offensichtlich.
Betrachten wir die wirtschaftliche Situation Rußlands vor dem Krieg, dann blieb dem Zaren gar nichts anderes übrig als die Forderung Napoleons, "die Schiffe neutraler Flagge, "die ja doch nur englische Waren führen", an seiner Küste mit Beschlag zu belegen" [1] abzulehnen, gleichzeitig eine Ukas zu erlassen, die den Handel mit den Neutralen erleichterte und französische Waren mit höhen Zöllen belegte. Daneben verstärkte er die Rüstungen und schloss an seinen Flanken Frieden und mit England Verträge.
Napoleon kannte natürlich die Situation Rußlands und ein Krieg schien, wurde leider unvermeidlich.
Ein schneller Sieg N. hätte aber nicht die Rückkehr Rußlands zum Kontinentalsystems bedeuten können, weil dies dieselbe Situation über kurz oder lang heraufbeschworen hätte.
Ein Friedensschluss hätte also einen Ausgleich Rußlands in eine andere Richtung bedeuten müssen. Und dies ganz sicher nicht Richtung Westeuropa!
Ein Frieden Frankreichs mit Rußland hätte auch eine Neumischung der politischen Karten bedeutet. Die Verbündeten Rußlands jetzt auch die Verbündeten N.? England isoliert? Und dann hätte N. doch alle Möglichkeiten gehabt: Menschen, materielle Recourcen, die russische, vllt. auch die schwedische Flotte ...
Noch einmal Fournier:
"Eine Hofdame der Zarin, Gräfin Edling, will es später, auf dem Wiener Kongress, von Eugen Beauharnais, erfahren haben, dass es Napoleons Absicht gewesen sei, nach der Bezwingung Rußlands sich gegen Konstantinopel zu wenden. (Memoires p. 196) Das stimmt durchaus damit überein, dass er vor dem Feldzug auch mit den aufständischen Serben anknüpfte, um dort den russischen Einfluss aus dem Felde zu schlagen und sich zugleich einen Sukkurs gegen die Pforte zu erwerben."[2]
Da haben wir doch die geplante Stoßrichtung.
Heute zu spekulieren, wie lange die Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und Rußland gedauert hätten und wer welche Rolle in den folgenden Kriegszügen übernommen hätte, macht wenig Sinn. Sicher dürfte wohl nur eines sein, dass Napoleon erst "zufrieden" gewesen wäre, wenn England in die Knie gezwungen wäre.
Grüße
excideuil
[1]
Fournier, August: „Napoleon I., Emil Vollmer (Phaidon Verlag), Essen, 1996, Nachdruck der Ausgabe Wien 1922, Bd. 3, Seite 44
[2] [1] Seite 68