Hethiter, Seevölker und Hungerjahre
Ich glaube es bereits angesprochen zu haben und Teilweise haben bereits andere User einige Zutaten des "explosiven Gemenges" genannt: Etwa Hungersnöte in Anatolien, die zumindest das Reich Hatti destabilisierten. Es wird dort von massiven Bürgerkriegen berichtet, außerdem hatte sich bereits das Mittelassyrische Reich auf Kosten der Hethiter begonnen auszudehnen (Stichwort Mitanni - zwischen Hethitern und Assyrien).
Der Hinweis auf diese Zusammenhänge ist ein interessanter Aspekt der Diskussion.
Zunächst einmal ist die archäologische Fundlage insoweit eindeutig, als das hethitische Kernland nicht von den Seevölker resp. Siedlungsbewegungen direkt betroffen war, sondern sich diese Ereignisse vielmehr auf die Küstenlandschaften beschränkten (wie an den keramischen Überschichtungen und den untersuchten Siedlungsorten feststellbar ist).
Sodann besteht seit den 1970ern eine Diskussion über das Ausmaß der klimatischen Veränderungen, mit Rückwirkungen auf die Landwirtschaft. Hier gibt es seitdem widersprüchliche Feststellungen. Nach einigen Untersuchungen wird sogar die späte Bronzezeit (etwa 1500-1200) als regenreicher in den regenarmen Gebieten Anatoliens eingeschätzt, während von 1200-900 von größerer Dürre ausgegangen wird.
Dennoch gibt es nach den Quellen bereits in der Hochphase des Hethiterreiches im Kernland Hungersnöte, außerdem kann man den Überlieferungen größere Anstrengungen für Speicherhaltung sowie Getreideimporte aus Syrien und Ägypten entnehmen. Ausmaß und Umfang von Hungersnöten sind aber nicht bekannt - es ist aber unbestritten, dass es sie gegeben hat.
Ein weiterer Faktor ist die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung. Es dürfte hier Verschiebungen hin zu dem "staatlichen" Organismus des Hethiterreiches gegeben haben. All das unterstreicht nur die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten in das Kernland, und damit neben der Abhängigkeit von den Erzeugungs-Gebieten auch die von den Transportstrecken.
Die
- Transportwege und
- Siedlungsgebiete, über die die Importe liefen
dürften durch die Siedlungsbewegungen ("Seevölker") in dieser Zeit empfindlich gestört worden sein. Wenn dann auch gleichzeitig noch Verschlechterungen der ohnehin schwierigen landwirtschaftlichen Bedingungen im Kernland eintraten, wird die "Räumung" des Kernlandes verständlich. Offenbar war das aber auch eine Frage der Organisation der Lebensumstände, denn in dem fraglichen Zeitraum fanden nun wieder Siedlungszuläufe statt.
van der Steen, Tribes and Territories in Transition, (online verfügbar, mit Darstellungen zu den klimatischen Veränderungen zwischen LBA und EIA)
http://dissertations.ub.rug.nl/FILES/faculties/theology/2002/e.j.van.der.steen/thesis.pdf
Hoffner, Letters from the Hittite Kingdom
Bryce, Life and Society in the Hittite World
Killebrew/Lehman, The Philistines and other Sea Peoples in Text and Archaeology
McIntosh, Ancient Mesopotamia - New Perspectives