Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

die österr. Festungen (mit Ausnahme der in günstigem alpinem Spezialgelände installierten Alpenforts) waren in Ausbau und Stärke den russischen nicht überlegen (österr. Przemysl wurde arg gezaust... russ. Osowiec nicht, die kaum verteidigte Anlage in Modlin wies nach massivem Beschuss keine nennenswerten Schäden auf)

Das dich das erstaunt wundert nicht, weil ich da im Wald war.
Seollte selbstrendend "unterlegen" nicht "überlegen" heißen. Kommt davon, wenn man die Neigung hat Sätze mitten im Schreiben nochmal umzustellen, das verdreht hin und wieder den Sinn und geht hier auf meine Kappe.

Mit Festungen kennst du dich besser aus, da möchte ich dir in keinem Fall widersprechen.

Rein von der nummerischen Stärke, der Ausrüstung und auch der Demographie und der wirtschaftlichen Leistung her ist völlig klar, dass die Donaumonarchie dem Zarenreich deutlich unterlegen war.
Deswegen war ein Fall bei dem Österreich-Ungarn Russland oder Russlands Balkanverbündete ohne deutsche Rückendeckung angriff (was deutsche Mobilmachung voraussetzte) ausgeschlossen, weil das Harakiri gewesen wäre.

Und deswegen beeinhaltet die Formal, dass für Frankreich der casus foederis greifen würde, wenn Deutschland mobilisierte, eine implizite Garantie für die Integrität und den Territorialbestand Serbiens, für den Fall eines Konfliktaflls mit den Zentralmächten.
Österreich-Ungarn konnte diesen Schritt nicht allein machen, wenn Deutschland mitwirken wollte, musste es mobilisieren und wenn deutschland mobilisierte, griff für Frankreich der casus foederis auch wenn bis dahin der Balkan nicht explizit Gegenstand der französisch-russischen Abmachungen war.

Insofern gab es keine "Balkannisierung" der französischen Außenpolitik unter Poincaré, wie @Turgot sie unterstellt, das fand bereits vor Poincaré statt, hinderte aber Paris in den beiden Balkankriegen nicht sich eher zurückhalten zu zeigen.


die russ. Eisenbahnlinien (wie z.B. Narew-Weichsel entlang der Festungskette und zur Zentralposition Moblin/Warschau) waren 1914 doch vorhanden: ohne diese hätte Russland dort nicht so stramm fortifizieren können (?!)

Ja, Eisenbahnlinien waren grundsätzlich vorhanden, aber Frankreich pumpte massiv Kredite nach Russland um Russland den mehrspurigen Ausbau der strategischen Bahnen zu ermöglichen, die an die deutsche Grenze führten um das Transportvolumen zu erhöhen und damit eine russische Mobilmachung und einen Aufmarsch gegen Deutschland beschleunigen zu können.
In Prais wusste man um den Schlieffenplan und wie gefährdet man im Kriegsfall in den ersten wochen wäre, desswegen versuchte man durch Beschleunigung der russischen Mobilmachung das Zeitfenster für die Deutschen zu verkürzen.
Und genau deswegen kann Paris im Juli 1914 den Krieg auch unmöglich gewollt haben, der Ausbau war noch nicht fertig.
1916-1917 währen sowohl der Ausbau der bahnen, als auch die russischen Heeresvermehrungen weitgehend abgeschlossen gewesen und hätten den Schlieffenplan verunmöglicht.
Deswegen hätte man in Paris wenn man Krieg wollt, abgewartet, eine Gelegenheit hätte sich bei den periodisch widerkehrenden Krisen schon gefunden.
Hätte man aber erst 1916 den Krieg riskiert, wäre Frankreich durch den schnelleren russischen Aufmarsch der deutsche Erstschlag weitgehend ersprart geblieben.

Entsprechend nervös machte dieser Ausbau natürlich Motke und die die deutsche Generalität und er hatte mindestens insofern Auswirkungen, dass er dazu beitrug, dass Moltke den Aufmarsch Ost endgültig beerdigte (1913), sich voll auf den Schlieffenplan fixierte und begann die zivilie Politik unter Druck zu setzen bitteschön entweder die Entente mit diplomatischen Mitteln auseinander zu bringen oder Krieg zu führen, so lange die Gelegenheit noch einigermaßen günstig sein würde.

Ohne dem wäre die deutsche Politik in der Julikrise 1914 wohl anders gewesen.


Nur sehe ich das ganze weniger als Ausdruck gezielter Böswilligkeit und Kriegstreiberei, als mehr als Beispiel für das was passieren kann, wenn das Sicherheitsbedürfnis durch Rüstung und Gegenrüstung zu sehr an Eigendynamik entwickelt und sich in ein Sichrheitsparadoxon wandelt, dahingehend, dass defennsiv gedachte Maßnahmenn beider Seiten den Konflikt zuspitzen, obwohl sie nie als Eskalation gedacht waren.
 
Wer wollte denn eigentlich den Status Quo verändern?

Hilf mir auf die Sprünge: Hatte denn 1914 der gemeinsame Ministerrat der K.u.K.-Monarchie nicht etwa die Ausschaltung Serbiens als Fixpunkt der "slawischen Politik" und die Verkleinerung Serbiens zu Gunsten Bulgariens ins Auge gefasst?
Ich würde meinen, auch wenn normalerweise vor allem Serbien Veränderungen anstrebte, im Juli 1914 war die Macht, die vor allem Veränderungen Wollte die Donaumonarchie.

Es geht hier um eine Aktion Russlands gegen Österreich-Ungarn. Nicht umgekehrt! Siehe Juli 1914, wo diese Wirklichkeit wurde, und die Balkankriege, in der zumindest diese Option in der Luft lag.

Dazu hatte ich bereits etwas geschrieben:

Poincaré gab Russland mitnichten eine carte blanche dafür Österreich-Ungarn unprovoziert zu überfallen.
Die Französische Garantie betraf die Sicherheit Russlands und ein Verhindern der Veränderung des Status Quo auf dem Balkan, zu Gunsten der Zentralmächte insbesondere Wiens, vor Poincaré implizit seit ihm explizit.

?? Hervorhebung durch mich.
Siehe vorheriger Beitrag. Verschriber.

Sicher war nicht alles fertig; das war so für 1917 vorgesehen
Dann sag mir, warum Paris ausgerechnet 1914 auf Rückeroberung von Elsass und Lothrigen so sehr gebrannt haben soll, dass es breit gewsen wäre St. Petersburg in den Krieg zu treiben, obwohl man noch nicht bereit war ihn optimal führen zu können, es aber in 2-3 Jahren sein würde.

Das wäre völliger Unsinn gewesen.

Wenn man die französische Position als vom Revanchegedanken getrieben auffassen wollte (was ich eher für abwegig halte), hatte Frankreich auf diese Revanche über 40 Jahre gewartet. Es hätte auf die günstige Gelegenheit auch 3 weitere Jahre warten können.

Habe ich auch nicht behauptet. Aber ein Grey und seine ganze Truppe Im Foreign Office wollten auf gar keinen Fall draußen bleiben, da man die Gefahren für das Empire, für den Falle eines deutschen Sieges, meinte zu sehen.

Und Belgien war ein Argument welches ins Schaufenster für die Öffentlichkeit gestellt wurde. Das war nur vorgeschoben; mehr nicht. Es ging um um ganz andere Dinge.

Naja, Moment, im Hinblick auf Russland hast du hast du die öffentliche Meinung als gewichtigen Faktor akzeptiert.
Dann doch aber bitte auch hier.
Zur öffentlichen Meiung in GB gehörte einmal auch der "naval scare", auch wenn Marineministerium und Admiralität über die deutsche Flottenrüstung nicht unbedingt besorgt waren, aber die britische Öffentlichkeit war es und eben die cuasa Belgien, über dessen Unabhängigkeit von den Großmächten die britische Politik seit dem Loskommen der südlichen Niederlande von Spanien eifersüchtig gewacht hatte.
Antwerpen i keinem fall in die Hände einer kontinentalen Großmacht fallen zu lassen, gehörte doch seit Jahrhundeerten zur außenpolitischen DNA Großbritanniens, zumal das 1914 durchaus mit der öffentlichen Invasionspanik korrespondiert haben dürfte.

Grey musste das nicht herbei erfinden. Er hätte im Gegenteil der britischen Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen müssen, wenn GB draußen geblieben wäre und es zugelassen hätte, dass sich Deutschland mit seiner wachsenden Seemacht an der Kanalküste festsetzt, während Frankreich als Gegenmacht aus dem Spiel genommen wird.

1914 meinte man sich trotz nicht vorhandener Bedrohung oder Gefährdung lebenswichtiger Interessen, dank der schon im Voraus erhaltenen Bündniszusage Poincares, ich hoffe du verstehst das, entsprechend aggressiv und offensiv auftreten.

Natürlich, aber mit dem Ziel die Zentralmächte unter den Tisch zu bluffen, nicht mit dem Ziel einen Weltkrieg anzuzetteln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hilf mir auf die Sprünge: Hatte denn 1914 der gemeinsame Ministerrat der K.u.K.-Monarchie nicht etwa die Ausschaltung Serbiens als Fixpunkt der "slawischen Politik" und die Verkleinerung Serbiens zu Gunsten Bulgariens ins Auge gefasst?
Ich würde meinen, auch wenn normalerweise vor allem Serbien Veränderungen anstrebte, im Juli 1914 war die Macht, die vor allem Veränderungen Wollte die Donaumonarchie.

Der Ministerrat war lediglich ein Organ, welches Beschlüsse vorbereitete. Auf jeden Fall wollte Wien für sich nichts.

Dann sag mir, warum Paris ausgerechnet 1914 auf Rückeroberung von Elsass und Lothrigen so sehr gebrannt haben soll, dass es breit gewsen wäre St. Petersburg in den Krieg zu treiben, obwohl man noch nicht bereit war ihn optimal führen zu können, es aber in 2-3 Jahren sein würde.

Das wäre völliger Unsinn gewesen.

Wenn man die französische Position als vom Revanchegedanken getrieben auffassen wollte (was ich eher für abwegig halte), hatte Frankreich auf diese Revanche über 40 Jahre gewartet. Es hätte auf die günstige Gelegenheit auch 3 weitere Jahre warten können.

Raymond Poincare lautet die Antwort. Unsinn? Weshalb? Poincare hatte sein Politik umsichtig und zielstrebig ins Werk gesetzt.
Grey musste das nicht herbei erfinden. Er hätte im Gegenteil der britischen Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen müssen, wenn GB draußen geblieben wäre und es zugelassen hätte, dass sich Deutschland mit seiner wachsenden Seemacht an der Kanalküste festsetzt, während Frankreich als Gegenmacht aus dem Spiel genommen wird.

Pardon, ich sprach von Vorwand Belgien; nicht von Erfinden. Du weißt, das der Schlieffenplan und seine Implikationen bekannt waren und das Berlin, wenn Russland erst einmal mit Mobilmachung begonnen hatte, unter gewaltigen Zeitdruck stand. Das war bekannt.

Und trotzdem hatte Grey in der Julikrise dem eigenen Parlament nicht die Wahrheit gesagt. Wenigstens hinsichtlich der Marinekonvention und dann den Umstand der britischen Absprachen mit Frankreich. Der Briefwechsel zwischen Grey und Cambon wurde nur unvollständig von Grey dem Unterhaus bekanntgemacht. Die entscheidende Passage hat er weggelassen. Es muss auch nicht erwähnt werden, das Grey, aber auch Churchill, Politik am Kabinett vorbei, ohne dessen Einverständnis eingeholt zu haben, betrieben. Grey und die antideutsche Fraktion waren entschlossen sich nicht aus dem Krieg herauszuhalten; obwohl britische Interessen überhaupt nicht berührt waren.

Natürlich, aber mit dem Ziel die Zentralmächte unter den Tisch zu bluffen, nicht mit dem Ziel einen Weltkrieg anzuzetteln.

Das halte ich schlicht für absurd.
 
Die Französische Garantie betraf die Sicherheit Russlands und ein Verhindern der Veränderung des Status Quo auf dem Balkan, zu Gunsten der Zentralmächte insbesondere Wiens, vor Poincaré implizit seit ihm explizit.

Demnach hätte Paris ja 1914 gar nicht eingreifen müssen. Denn die Mittelmächte wollten nichts von Serbien. Trotzdem wurden die Russen ununterbrochen von den Franzosen ermutigt, in dem sie ihnen ihren militärischen Beistand versicherten.

Und wie verträgt sich das mit der Aussage von Jules Cambon?
 
Nur das Österreich-Ungarn dazu ohne deutsche Unterstützung nicht in der Lage war und wenn es dazu käme war Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unter Einbeziehung Belgiens wahrscheinlich und damit konnnte Grey und auch kein anderer Außenminister einverstanden sein.

Wie gesagt: Belgien war "nur" ein Vorwand. Tatsächlich spielte es bei der Entscheidung nicht die entscheidende Rolle.

Österreich-Ungarn hätte alleine mit Serbien sehr wohl fertig werden können. Nur, das wollten die Russen nicht dulden und marschierten gegen Wien. Und das löste den Bündnisfall mit Berlin aus.
 
Der Ministerrat war lediglich ein Organ, welches Beschlüsse vorbereitete. Auf jeden Fall wollte Wien für sich nichts.

Nicht für sich, aber man wollte Serbien zu Gunsten des sich an den Dreibund annähernden Bulgariens verkleinern und das wäre selbstrendend eine Veränderung des Status Quo auf dem Balkan zu Gunsten der Zentralmächte und zu Lasten Russlands und seiner Verbündeter gewesen.

Umgekehrt wollte ja auch Russland, was den Konflikt auf dem Westbalkan angeht, nichts für sich selbst in Form von Annexionionen irgendwelcher Gebieete dort durch Russland, sondern man wollte eine Stärkung des eigenen Juniorpartners.

Ist am Ende exakt die gleiche Politik nur umgekehrt.

Raymond Poincare lautet die Antwort. Unsinn? Weshalb? Poincare hatte sein Politik umsichtig und zielstrebig ins Werk gesetzt.

Das ist keine Antwort.
Es sei denn, du wolltest postulieren, das Poincaré von Hass und Eroberungssucht so zerfrssen gewesen wäre, dass er jede strategische Vernunft in den Wind schlug.

Die französischen Milliarden für die russische Rüstung und Eisenbahn waren nutzlos, so lange Bau und Rüstung nicht abgeschlosse waren, bei der Modernisierung und verbesserung der französischen Armee fehlten sie.

Wenn auf Revanchekrieg abgeziehlt worden wäre, hätte man entweder die Mittel in die beschleunigte Aufrüstung der eigenen Armee gesteckt, statt sie den Russen zur Verfügung zu stellen oder eben gewartet, bis die Russen so weit seien würden.
Aber sie den Russen zur Verfügung zu stellen nur um dann völlig verfrüht loszuschlagen und die Ergebnisse des Einsatzes dieser Mittel nicht nutzen zu können, wäre widersinnig gewesen.

Darauf ist "Poincaré" keine befridigende Antwort.
Davon abgesehen, war Poincaré französischer Staatspräsident, nicht Diktator Frankreichs, der dessen Politik mach eigenem gutdünken widerspruchslos leeitenn konnte.
Da spielten, wie ich schonmal angemerkt habe, durchaus auch Regierungschef Viviani und die von den Sozialisten getragene Regierungskoalition, die die entscheidenden Ministerien in der Hand hatte, durchaus auch eine Rolle, insoweit sie wehr wohl in der Position waren, dass sie Poincarés aggieren stoppen könnten, wenn sie das für nötig befunden hätten.
Nun wird man ausgerechnet den Sozialisten in Frankreich allerdings kaum einen besonderen Hang zur Kriegstreiberei unterstellen können.

Die waren villeicht analog den Sozialdemokraten in Deutschland bereit einen Verteidigungskrig notfalls mitzumachen, aber sicherlich nicht einen Weltkrieg für die Glorie der konservativen Präsidenten Poincaré vom Zaun zu brechen.

Und trotzdem hatte Grey in der Julikrise dem eigenen Parlament nicht die Wahrheit gesagt. Wenigstens hinsichtlich der Marinekonvention und dann den Umstand der britischen Absprachen mit Frankreich. Der Briefwechsel zwischen Grey und Cambon wurde nur unvollständig von Grey dem Unterhaus bekanntgemacht. Die entscheidende Passage hat er weggelassen. Es muss auch nicht erwähnt werden, das Grey, aber auch Churchill, Politik am Kabinett vorbei, ohne dessen Einverständnis eingeholt zu haben, betrieben. Grey und die antideutsche Fraktion waren entschlossen sich nicht aus dem Krieg herauszuhalten; obwohl britische Interessen überhaupt nicht berührt waren.

Grey verhielt sich im Unterhaus unaufrichtig, insofern er nicht klar benannte, welche Aktien die Regierung Asquith an der Gesamtsituation hatte.
Aber für den Krieg selbst ist das doch vollkommen unbeachtlich, allenfalls ist das für den Schacher um die Verantwortung von Bedeutung.

Selbst wenn Grey in Sachen Marinekonvention und Bestandsgarantie für Frankreich klar benannt hätte, wie weit er außenpolitisch gegangen war, hätte das vielleicht dazu geführt, dass man das deutsche verhalten mit etwas anderen Augen gesehen hätte.
Das hätte aber nichts daran geändert, dass man auf einen Angriff Deutschlands in Westeuropa irgendwie reagieren musste, dass man Garantiemacht des gefährdeten Belgiens war und dass es eine von Invasionspanik getriebene öffentliche Meinung gab, die Deutschland gegenüber skeeptisch bis feindlich war und der man Rechnung tragen musste.

In dem Moment in dem deutsche Truppen tatsächlich in Luxemburg und Belgien eimarschierten hätte die öffentliche Meinung in Großbritannien sehr wahrscheinlich bei dieser Lage, jeder Regierung, die versucht hätte sich einfach nur raus zu halten, die Grundlage entzogen.

Immerhin, die britischen Kabinette hatten im Vorfeld nichts getan um hinsichtlich der deutschen Marinerüstungen die öffentliche Meinung zu beruhigen, sondern sie hatten trotz besseren Wissens um die eher geringen Sorgen der Marineexperten deswegen den naval scare dankbar zur Rechtfertigung der jeweiligen Militärbudgest instrumentalisiert.

Insofern konnte sich weder Grey, noch sonst irgendein britischer Politiker im August 1914, als es so weit war und die Deutschen marschierten vor die britische Öffentlichkeit stellen und behaupten: "Wir sind der Meinung, dass die Deutschen für Großbritannien keine Gefahr sind und der Kontinent möge seine Probleme unter sich ausmachen".

Angesichts des Umstands, dass die britische Regierierungen die Invasionspanik jahrelang hatten laufen lassen, hätte das nämlich keiner geglaubt.

Demnach hätte Paris ja 1914 gar nicht eingreifen müssen. Denn die Mittelmächte wollten nichts von Serbien. Trotzdem wurden die Russen ununterbrochen von den Franzosen ermutigt, in dem sie ihnen ihren militärischen Beistand versicherten.

Und wie verträgt sich das mit der Aussage von Jules Cambon?

Ich würde dich fragen wollen, wie verträgt sich dein Postulat, dass die französische Politik komplett von Russland abhängig gewesen wäre, damit, dass Paléologue und Poincaré St. Petersburg eine möglichst unnachgiebige Haltung anempfahlen?

In Frankreichs Interesse konnte ein Krieg vor dem Abschluss der russischen Rüstungen nicht sein, also hätten Frankreichs Vertreter wenn sie wirklich mit der realen Gefahr eines Krieges rechneten bremsen müssen, zumal der diplomatische Weg wahrscheinlich die Möglichkeit geboten hätte für Serbien das Schlimmste abzuwenden.

Wenn Russland zum Krieg entschlossen und Frankreich komplett von Russland abhängig gewsen wäre, hätten Paléologue und Poincaré Russland ja gar nicht zum sturen Beharren auf der eigenen Position raten müssen, das hätte sich ja von selbst verstanden.
Das sie sich so verhielten wie sie sich verhielten, legt 2 Dinge nahe:

1. Das sie jedenfalls der Meinung waren, die Russen könnten sie verdächtigen abzuspringen, weil sie Frankreich für so abhängig von sich nicht hielten.
Denn wenn sie nicht mit russischem Misstrauen rechneten, hätte keine Not bestanden eigenes Mitwirken mehrfach zuzusichern.
2. Das sie der Meinung waren, die Zentralmächte würden am Ende einen Rückzieher machen und den Krieg nicht riskiren, weil Deutschland und Österreich den Umsturz der europäischen Machtverhältnisse wirklich wollten ihn 1905 und folgend, als Russland geschlagen am Boden lag, ihn Jahrelang jederzeit hätten führen können.
Sie hatten aber keine Anstalten gemacht, und jedesmal, wenn Wien am balkan mit dem Säbel rasselte hatte Berlin gebremst.
Es wäre durchaus nicht abwegig gewesen auf eine Widerholung dieses Musters zu rechnen und ernsthaft daran zu glauben mit einem Kompromiss durchzukommen, wenn man nur hart blieb, immerhin kannte man Wiener und die Berliner Interna nicht.

Wie gesagt: Belgien war "nur" ein Vorwand. Tatsächlich spielte es bei der Entscheidung nicht die entscheidende Rolle.
Für die politischen Entscheidungsträger mögen andere Argumente letztendlich wichtiger gewesen sein, nur in der Öffentlichkeit spielte Belgien durchaus neben der Invasionspanik eine Rolle.
Und der Politiker, der entgegen dieser beiden Motive versucht hätte Großbritannien neutral zu halten, hätte unter diesen Umständen sehr wahrscheinlich die Unterstützung der Öffentlichkeit verloren.

Ist natürlich kontrafaktisch und ich kann es nicht beweisen, aber bei der Stimmung in der britischen Bevölkerung und dem deutschen Ausgreifen nach Belgien halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass in GB passiert wäre, was in Frankreich 1870 passiert war, wenn die Regierung einen Neutralitätskurs versucht hätte, nämlich dass die öffentliche Meinung und die Mediengewaltigen versucht hätten die Regierung in diesen Krieg zu zwingen.

Österreich-Ungarn hätte alleine mit Serbien sehr wohl fertig werden können.
Es hätte aber in der Lag sein müssen mit Serbien und Russland fertig zu werden, oder aber es hätte in der Lage sein müssen zuzuschlagen und faktisch zu schaffen, bevor die Russen reagieren konnten.

Das war es aber nicht. Es war nur zusammen mit Deutschland in der Lage etwas zu machen und das bedeutete akute Kriegsgefahr in Westeuropa, die London im Gegensatz zum Balkan nicht ignorieren konnte.
 
Nicht für sich, aber man wollte Serbien zu Gunsten des sich an den Dreibund annähernden Bulgariens verkleinern und das wäre selbstrendend eine Veränderung des Status Quo auf dem Balkan zu Gunsten der Zentralmächte und zu Lasten Russlands und seiner Verbündeter gewesen.

Inwiefern war Bulgarien denn bitte mit Österreich-Ungarn oder dem Deutschen Reich verbündet? Von einer theoretischen Machtverschiebung zugunsten Wiens und Berlins kann keine Rede sein. Der Ministerrat hat Wünsche und Vorstellungen geäußert; entschieden war noch gar nichts!

Und wer hatte eigentlich 1913 die Veränderungen des Status Quo vorgenommen? Und zu wessen Gunsten war diese Verschiebung ausgefallen? Gewinner waren Rumänien und vor allem Serbien, der Protege Russlands; warum auch immer. Durch diesen 2.Balkankrieg war das Machtgefüge erheblich zu Gunsten Runsslands verschoben worden und Österreich-Ungarn hatte letzten Endes stillgehalten. Petersburg hat dies, siehe Juli 1914, nicht entsprechend honoriert. Wien konnte sich einen weiteren Prestigeverlust, man stand gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand einfach nicht leisten. Rumänien stand nämlich auch schon mit 1 1/2 Beinen im Lager der Triple Entente. Genau das Rumänien, für das sich Wien im Ersten Balkankrieg immer wieder in Sofia hinsichtlich einer Kompensation verwendet hatte.

Das ist keine Antwort.
Es sei denn, du wolltest postulieren, das Poincaré von Hass und Eroberungssucht so zerfrssen gewesen wäre, dass er jede strategische Vernunft in den Wind schlug.

Die französischen Milliarden für die russische Rüstung und Eisenbahn waren nutzlos, so lange Bau und Rüstung nicht abgeschlosse waren, bei der Modernisierung und verbesserung der französischen Armee fehlten sie.

Wenn auf Revanchekrieg abgeziehlt worden wäre, hätte man entweder die Mittel in die beschleunigte Aufrüstung der eigenen Armee gesteckt, statt sie den Russen zur Verfügung zu stellen oder eben gewartet, bis die Russen so weit seien würden.
Aber sie den Russen zur Verfügung zu stellen nur um dann völlig verfrüht loszuschlagen und die Ergebnisse des Einsatzes dieser Mittel nicht nutzen zu können, wäre widersinnig gewesen.

Darauf ist "Poincaré" keine befridigende Antwort.
Davon abgesehen, war Poincaré französischer Staatspräsident, nicht Diktator Frankreichs, der dessen Politik mach eigenem gutdünken widerspruchslos leeitenn konnte.
Da spielten, wie ich schonmal angemerkt habe, durchaus auch Regierungschef Viviani und die von den Sozialisten getragene Regierungskoalition, die die entscheidenden Ministerien in der Hand hatte, durchaus auch eine Rolle, insoweit sie wehr wohl in der Position waren, dass sie Poincarés aggieren stoppen könnten, wenn sie das für nötig befunden hätten.
Nun wird man ausgerechnet den Sozialisten in Frankreich allerdings kaum einen besonderen Hang zur Kriegstreiberei unterstellen können.

Du unterschätzt Poincare aber gewaltig. Von Hass zerfressen; sicher nicht, aber die Provinzen wollte er definitiv zurück und das hat er im Dienste seiner sehr klugen und umsichtigen, zum Kriege führende, Politik gestellt.

Poincare brauchte die russische Unterstützung zur Rückgewinnung der Provinzen. Die konnte er aber nur bekommen, wenn Frankreich Russland auf dem Balkan unterstützt. Also wurde den Russen schon einmal im Voraus der Bündnisfall für den Fall eines Krieges mit Österreich-Ungarn zugesichert. Das war schon ein Blankoscheck.

Frankreich pumpte Milliarden in die russische Aufrüstung und den Eisenbahnverbindungen an die deutsche Grenze. Dadurch war es schon gelungen, den Aufmarsch zeitlich deutlich zu verkürzen. Das haben die Deutschen, hier Moltke, auch erkannt und die Österreicher entsprechend ins Bild gesetzt.
Ich führte es schon aus, der russische Kriegsminister Suchumlinow bestätigte die voll umfängliche Kriegsbereitschaft der zaristischen Armee.

Sinn und Zweck der Veranstaltung war dafür Sorge zu tragen, das es das Deutsche Reich war, welches des Krieg erklären musste. Warum? Na eben aufgrund des Zeitfaktors. Das habe ich ja auch schon ausgeführt. Schon seit 1903/04 war das Deuxième Bureau mit den Grundzügen des Schlieffenplans vertraut und zu der Zeit war jener noch nicht einmal fertiggestellt. In der Folge verfolgte das Deuxième Bureau die Entwicklung ganz genau. So wurde sorgfältig registriert, dass das Schienennetz an der Mosel von Berlin ausgebaut wurde; Bahnhöfe und Brücken wurden ausgebaut bzw. verbreitert. 1909/10 wurde der Ausbau des Schienennetzes bei Aachen registriert.

Im Februar 1912 kamen die französen Militärs zu der Erkenntnis, sie durften nicht durch Belgien, das man unbedingt die Engländer und Russen zur Abwehr der Deutschen benötigen würde. Ganz wichtig war, das die Russen schnell und massiv in Ostpreußen einfielen. So sollten deutsche Kräfte gebunden werden und der Grundgedanke des Schlieffenplans, ein Krieg an zwei Fronten quasi in zwei nacheinander folgenden militärischen Auseinandersetzungen umzuwandeln erledigt.

Ab 1912 war Poincares Ministerpräsident, ab 1913 Staatspräsident. Ab 1912 begann Frankreich die Vereinbarungen mit England und Russland auszubauen. Der Motor dieser Veränderungen war Raymond Poincare. Mit England wurde eine Arbeitsteilung zur See vereinbart; britische Kriegsschiffe übernahmen des Schutz der französischen Atlantikküste und Frankreich verlegte Einheiten ins Mittelmeer.
Im Sommer 1911 haben die Generäle Wilson und Dubail vereinbart, das die Briten im Falles einer Intervention ein Expeditonskorps von über 100.000 Soldaten nach Frankreich übersetzten. Diese sechs Divisionen sollten die französische Front in Richtung Kanalküste verlängern. Dieser sogenannte Plan W wurde vom C.I.D. genehmigt.

Somit hatte London genaugenommen seine Neutralität aufgeben und konnte eigentlich nicht mehr wirklich zwischen den beiden Blöcken vermitteln.
Paris konnte jetzt definitiv nicht mehr die belgische Neutralität verletzten, denn dann würde die britische Unterstützung ausfallen und schließlich galt es das Deutsche Reich in die Rolle des Aggressor zu manövrieren.
Deshalb wurden die Warnungen der französischen Militärs, die mit einer Offensive in Richtung Elsass Lothringen nicht sonderlich glücklich waren, in den Wind geschlagen.

Poincare führte gegenüber den russischen Botschafter Iswolski in Paris aus, das es für den englischen Kriegseintritt die Umstände von großer Bedeutung sei und von der öffentlichen Meinung entschieden werden würde. (1)

Benckendorff, der russische Botschafter in London, führte gegenüber Sasonow aus, es sei wichtig, das durch das aktive Eingreifen Frankreich ein allgemeiner Krieg wird und die Verantwortung hierfür auf unsere Gegner fällt. (2)

Grey verhielt sich im Unterhaus unaufrichtig, insofern er nicht klar benannte, welche Aktien die Regierung Asquith an der Gesamtsituation hatte.
Aber für den Krieg selbst ist das doch vollkommen unbeachtlich, allenfalls ist das für den Schacher um die Verantwortung von Bedeutung.

Er unterschlug ganz wesentlich Fakten! Er weigerte sich auch in Russland mäßigend einzuwirken. Bertie, der englische Botschafter in Paris, gewiss kein Freund der Deutschen, verurteilte das Agieren der Russen im Verlauf der Julikrise deutlich und machte aus deiner Meinung auch keinen großen Hehl. Solche Stimmen wurden von Grey und Nicholson aber im Juli 1914 nicht gehört.
Ein Anteil Greys war es, das er die britische Außenpolitik neu ausrichtete und damit letzten Endes die verheerende Konstellation der Triple Entente schuf. Wurden im Krimkrieg noch Ströme britischen Blutes vergossen, ging Grey mit den Russen auf Kuschelkurs. Das gewaltige Problem, was damit geschaffen wurde, die Reibungsflächen mit den Briten waren nur vordergründig beseitig und zudem besaßen diese auch nicht die Kraft und waren auch nicht willens den Russen in Persien ernstlich entgegenzutreten. Jedenfalls konnten sich die Russen ab sofort um den Balkan und die Meerengen "kümmern". Iswolski, damals noch Außenminister tat auch genau dies umgehend und verursachte schnell durch seine stümperhafte auswärtige Politik die schwere Annexioskrise. Iswolski gefiel sich auch darin, die ganze Welt zu belügen. Es ist hier aber nicht der Ort die ganzen Details der Annexionskrise auszubreiten. Das alles interessierte Grey herzlich wenig; es war nur das Empire wichtig.

Durch "die Rückkehr" der Russen auf dem Balkan, wurde dieser jedenfalls zum Pulverfass, denn man betrachtete sich als Beschützer der slawischen Brüder. Die Interessen von Österreich-Ungarn spielten dabei keine Rolle. Es war nur eine Frage der Zeit, das die Rivalen zusammenstoßen würden. Und Russland hatte zwei mächtige Verbündete.

(1) Iswolskis Schriftwechsel, Band 2, S. 377, Dokument 608
(2) Die internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus, Reihe 3, Band 4, Teil 1, Dokument 292
 
Es hätte aber in der Lag sein müssen mit Serbien und Russland fertig zu werden, oder aber es hätte in der Lage sein müssen zuzuschlagen und faktisch zu schaffen, bevor die Russen reagieren konnten.

Das war es aber nicht. Es war nur zusammen mit Deutschland in der Lage etwas zu machen und das bedeutete akute Kriegsgefahr in Westeuropa, die London im Gegensatz zum Balkan nicht ignorieren konnte.

Nein, eigentlich nicht, denn Serbien war nicht mit Russland alliiert. Auch konnte ÖU bei Zar Nikolaus nicht ganz und gar ungerechtfertigt von einer monarchischen Solidarität ausgehen. Immerhin wurde ja der Thronfolger der Monarchie ermordet und Belgrad hatte wenige Jahre zuvor seinen König und Königin brutal abgeschlachtet.
Russische Interessen waren auch nicht bedroht; Wien hatte territoriale Desinteresse bekundet. Die Russen haben sich ein paar Monate zuvor noch herzlich wenig um die Interessen Wiens auf den Balkan gescheert. Wenn Wien bis nach Belgrad marschiert wäre, um ein Druckmittel für serbisches Entgegenkommen zu haben, seine Forderungen durchgesetzt hätte und dann wieder abgezogen wäre hätten die Russen nichts verloren. Aber das wollte Petersburg nicht dulden.
 
Inwiefern war Bulgarien denn bitte mit Österreich-Ungarn oder dem Deutschen Reich verbündet? Von einer theoretischen Machtverschiebung zugunsten Wiens und Berlins kann keine Rede sein. Der Ministerrat hat Wünsche und Vorstellungen geäußert; entschieden war noch gar nichts!

War es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber wegen der Rivalität gegenüber Serbien wegen der mazedonischen Gebiete und wegen des Umstands, dass sich Russland mittlerweile auf Serbien als Balkanverbündeten festgelegt hatte, war doch völlig klar, dass eine starke Annäherung Bulgariens an Wien damit die logische Konsequenz war.

Allein konnte Bulgarien keine Revision des Ergebnisses des 2. Balkankrieges erreichen und wenn Russland als partner nicht zur Verfügung stand, weil es den Rivalen Serbien schützte, musste das über kurz oder lang Österreich werden und es ist ja durchaus nicht so, dass man in Wien nicht durchaus mit Interesse in Richtung Sofia geschaut hätte.
Die mazedonischen Gebiete wären eine hübsche Morgengabe gewesen, um Bulgarien künftig auf Österreich als Partner festzulegen und genau dieses Kalkül verfolgte Wien, wenn man die Verkleinerung Serbiens zu Gunsten Bulgariens ins Auge fasste.
Da muss man wirklich nicht tun, als wäre das eine uneigennützige Aktion gewesen, die Österreich auf dem Balkan keinen Vorteil gebracht hätte.

Poincare brauchte die russische Unterstützung zur Rückgewinnung der Provinzen. Die konnte er aber nur bekommen, wenn Frankreich Russland auf dem Balkan unterstützt. Also wurde den Russen schon einmal im Voraus der Bündnisfall für den Fall eines Krieges mit Österreich-Ungarn zugesichert. Das war schon ein Blankoscheck.

Die Frage ist nur: Hätte Poincaré Russland diese Zusicherung in dieser Bestimmtheit auch gegeben, wenn er die Berliner und die Wiener Interna gekannt hätte und gewusst hätte, dass diese Haltung in den Krieg führen würde?

Ich denke, das wird man hinterfragen dürfen, schon weil es aus den genannten strategischen Gründen unsinnig gewsen wäre ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auf Krieg zu drängen.

Im Februar 1912 kamen die französen Militärs zu der Erkenntnis, sie durften nicht durch Belgien, das man unbedingt die Engländer und Russen zur Abwehr der Deutschen benötigen würde. Ganz wichtig war, das die Russen schnell und massiv in Ostpreußen einfielen

Aber gerade weil sich ein Einfall in Belgien mit Rücksicht auf die Haltung Großbritanniens verbot und es hier geboten war den Deutschen den Vortritt zu lassen und damit von vorn herein die Möglichkeit diese bereits beim Durchmarsch durch Belgien zu blockieren entfiel, wäre es wenn man von französischer Seite her den Krieg gewollt hätte geboten gewesen abzuwarten, bis die russischen Bahnen fertig würden, damit der russische Angriff auf Ostpreußen auch tatsächlich zeitnah erfolgen könnte.
Das hätte nahegelegt bis 1916/1917 mit einem Krieg zu warten.

Im Sommer 1911 haben die Generäle Wilson und Dubail vereinbart, das die Briten im Falles einer Intervention ein Expeditonskorps von über 100.000 Soldaten nach Frankreich übersetzten. Diese sechs Divisionen sollten die französische Front in Richtung Kanalküste verlängern. Dieser sogenannte Plan W wurde vom C.I.D. genehmigt.

Nur handelte es sich um einen Eventualplan für den Fall eines deutschen Angriffs auf Westeuropa, nicht um einen Plan einen solchen Krieg herbei zu führen.

Somit hatte London genaugenommen seine Neutralität aufgeben und konnte eigentlich nicht mehr wirklich zwischen den beiden Blöcken vermitteln.
Inwiefern?
Der Plan griff, wenn Deutschland in Belgien angreifen würde, aber er war kein Freifahrtschein für Frankreich einen Krieg loszutreten.
Als Garantiemacht für Belgien war es durchaus legitim, wenn GB für den Fall eines deutschen Angriffs auf Belgien solche Absprachen traf, damit beraubte es sich durchaus nicht der Möglichkeit einer neutralen Position, zumal bei der Fassung dieser Planung der deutsche Angriff auf Belgien nur eine Option für den Kriegsfall darstellte, da ja die Ostplanungen noch nicht aufgegeben waren.
Und im Falle eines ausbleibenden Angriffs auf Belgien und einem Krieg lediglich in Osteuropa und Elass-Lothringen, hätte Großbritannien durchaus neutral bleiben können.

Er unterschlug ganz wesentlich Fakten! Er weigerte sich auch in Russland mäßigend einzuwirken.

Er drehte allerdings im Gegensatz zu seinen französischen und deutschen Pendants auch nicht besonders an der Eskalationsschraube und wie gesagt, Großbritannien hatte sich für eine Konferenzlösung ja durchaus bereit erklärt, von der wollte die deutsche Seite nichts wissen.

Ein Anteil Greys war es, das er die britische Außenpolitik neu ausrichtete und damit letzten Endes die verheerende Konstellation der Triple Entente schuf. Wurden im Krimkrieg noch Ströme britischen Blutes vergossen, ging Grey mit den Russen auf Kuschelkurs.

Du schreibst wieder der Person Grey zu, was Sachprobleme sind.

Die britischen Bodentruppen hatten im 2. Burenkrieg einmal gründlich versagt, da musste umstrukturerit werden und Russland konnte perspektivisch Eisenbahnlinien nach Zentralasien bauen und damit die britische Flotte als Schutz für die wertvollste britische Kolonie Indien de facto entwerten, wie dir sehr wohl bekannt ist.

Die Situation schrie duchaus nach einem Abkommen mit den Russen, darüber hätte auch jeder andere britische Außenminister unter diesen Umständen nachdenken müssen.

Durch den Ausfall Russlands als Machtfaktor in Europa war auch die Annäherung an Frankreich dass dadurch dem Dreibund allein gegenüberstand unvermeidbar, weil alles andere eine Einladung an Deutschland gewesen wäre Krieg zu führen und das Gleichgewicht auf dem Kontinent endgültig zu seinen Gunsten zu kippen.

Eine Option sich hier heraus zu halten, hätte London nur gehabt. wenn Paris einen anderen Verbündeten hätte auftun können. Das hätte der Natur der Sache nach nur Österreich sein können und das war wegen des Dreibunds als Sicherheitspartner für Frankreich gegen Deutschland nicht zu gebrauchen.

Da waren durchaus nicht nur Greys Launen und Ansichten sondern sicherheitspolitische Sachzwänge am Werk, die so lange der Dreibund Bestand hatte London prinzipiell in diese Richtung bewegen mussten, mindestens so lange bis die französisch-russische Allianz wieder ein brauchbares Gegengewicht gegenüber dem Dreibund darstellte.

Nein, eigentlich nicht, denn Serbien war nicht mit Russland alliiert.
Es war aber jedem Klar, dass Russland gar nicht anders konnte, als Serbien mit allen Mitteln zu helfen, wenn es nicht seinen einzigen sicheren Balkanverbündeten verlieren wollte.

Bulgarien war schon weg, Rumänien noch im Lager der Zentralmächt und hätte wegen Bessarabien niemals einen wirklich zuverlässigen strategischen Partner für Russland abgegeben und Griechenland hatte von einem antiösterreichischen Engagement nichts zu gewinnen.
Hätte Russland Serbien fallen lassen, hätte das seine Verdrängung vom balkan bedeutet.
Und es musste jedem klar sein, dass es sich dagegen streuben würde.
 
War es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber wegen der Rivalität gegenüber Serbien wegen der mazedonischen Gebiete und wegen des Umstands, dass sich Russland mittlerweile auf Serbien als Balkanverbündeten festgelegt hatte, war doch völlig klar, dass eine starke Annäherung Bulgariens an Wien damit die logische Konsequenz war.

Allein konnte Bulgarien keine Revision des Ergebnisses des 2. Balkankrieges erreichen und wenn Russland als partner nicht zur Verfügung stand, weil es den Rivalen Serbien schützte, musste das über kurz oder lang Österreich werden und es ist ja durchaus nicht so, dass man in Wien nicht durchaus mit Interesse in Richtung Sofia geschaut hätte.
Die mazedonischen Gebiete wären eine hübsche Morgengabe gewesen, um Bulgarien künftig auf Österreich als Partner festzulegen und genau dieses Kalkül verfolgte Wien, wenn man die Verkleinerung Serbiens zu Gunsten Bulgariens ins Auge fasste.
Da muss man wirklich nicht tun, als wäre das eine uneigennützige Aktion gewesen, die Österreich auf dem Balkan keinen Vorteil gebracht hätte.

Letzten Endes, ist unter Berücksichtigung des Zeitpunktes, von dem wir hier reden, Spekulation.

Die Frage ist nur: Hätte Poincaré Russland diese Zusicherung in dieser Bestimmtheit auch gegeben, wenn er die Berliner und die Wiener Interna gekannt hätte und gewusst hätte, dass diese Haltung in den Krieg führen würde?

Ich denke, das wird man hinterfragen dürfen, schon weil es aus den genannten strategischen Gründen unsinnig gewsen wäre ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auf Krieg zu drängen.

Poincare kannte die Bündnisverpflichtung Berlins und des Weiteren war er über den Schlieffenplan im Bilde. Ihm war als bewusst, das sein Handeln zum Krieg führen kann und wahrscheinlich auch wird.

Hinterfragen ist immer in Ordnung. Du hinterfragst ja sachlich und konstruktiv.

Er drehte allerdings im Gegensatz zu seinen französischen und deutschen Pendants auch nicht besonders an der Eskalationsschraube und wie gesagt, Großbritannien hatte sich für eine Konferenzlösung ja durchaus bereit erklärt, von der wollte die deutsche Seite nichts wissen.

Richtig. Das tat er nicht. Aber seine theoretische Möglichkeit für Klarheit zu sorgen, um dann möglicherweise die Gemüter abzukühlen, nutzte er ebenfalls nicht. Grey ging es um das Empire, und diese konnte nur mit Hilfe, Unterstützung und Wohlwollen von Frankreich und Russland gehalten werden. Damit war für die Hardliner der lieralen Regierung klar, wo sie sich zu positionieren hatten.

Die Situation schrie duchaus nach einem Abkommen mit den Russen, darüber hätte auch jeder andere britische Außenminister unter diesen Umständen nachdenken müssen.

Aus der Perspektive des Erhalts des Empires schon richtig; Amtsvorgänger Lansdowne hatte ja auch schon Fäden geknüpft gehabt. Nur hätte ein Lansdowne und die konservative Regierung sicher dermaßen von den Russen in Persien auf der Nase herumtanzen lassen und nach Deutschland durfte nicht einmal eine Musikkapelle. Lansdowne hatte gegenüber lange nicht so eine negative Grundeinstellung wie Grey.
Auch ist zu bezweifeln, das Lansdowne den Russen die Zusage gemacht hätte, das sie früher oder später Konstantinopel und damit die Kontrolle über die Meerengen erhalten würden. Und das die Konservativen gar so weit gegangen wären, mit den Russen eine Marinekonvention auszuhandeln ist zweifelhaft.

Durch den Ausfall Russlands als Machtfaktor in Europa war auch die Annäherung an Frankreich dass dadurch dem Dreibund allein gegenüberstand unvermeidbar, weil alles andere eine Einladung an Deutschland gewesen wäre Krieg zu führen und das Gleichgewicht auf dem Kontinent endgültig zu seinen Gunsten zu kippen.

Bekommst du hier etwas durcheinander?:)
Frankreich stand doch nicht allein auf weiter Flur. Es war schon mit England durch die Entente Cordiale des Jahres 1904 verbunden und schon kurz danach hat London unmissverständlich klargemacht, das es auch bereit sei für Paris ins Feld zu ziehen. Außerdem hatte man sich schon zu Beginn des Jahrhunderts mit Italien arrangiert und ein Bündnis abgeschlossen.

Grey hatte als Leiter der auswärtigen Politik Großbritanniens beträchtlichen Einfluss auf deren Ausgestaltung. Einer von Grey Sorgen als Leiter des Foreign Office war die permanente Sorge, was denkt man in Paris und Petersburg wenn wir dies oder das tun. Auf gar keinen Fall unangenehm auffallen. Das groteske Beispiel mit der Musikkapelle habe ich ja schon oben erwähnt.

Es war aber jedem Klar, dass Russland gar nicht anders konnte, als Serbien mit allen Mitteln zu helfen, wenn es nicht seinen einzigen sicheren Balkanverbündeten verlieren wollte.

Rumänien war schon mit 1 1/2 Beinen in Lager der Russen. Es war nur König Carol, ein Hohenzollern, der als Garant für das Bündnis, worüber in Rumänien so gut wie gar keiner Bescheid wußte, einstand. Mit Bulgarien hatte Petersburg es sich selbst verscherzt. Montenegro war schon die beiden Eheschließungen mit Petersburg verbunden. Athen war vielleicht nicht im russischen Lager, aber auch nicht im Lager des Dreibundes. Es war Österreich-Ungarn, welche auf dem Balkan seine Felle davon schwimmen sah; nicht die Russen. Immerhin haben diese am Zustandekommen des Balkanbundes ja fleißig mit gearbeitet. Russlands war selbst nicht betroffen. War es mit Serbien verbündet? War es gegenüber Serbien verpflichtet? Weshalb meinte der Zar gleich zu Beginn der Krise am 30.06.1914 den Serben die Zusage für 120.000 Gewehre und 12.000.000 Schuss Munition geben zu müssen? Deeskalierend war das nun sicher nicht.

Russland war bereit und willens einen Weltkrieg für Serbien loszutreten.
 
Letzten Endes, ist unter Berücksichtigung des Zeitpunktes, von dem wir hier reden, Spekulation.

Das sehe ich ein Bisschen anders. Das der Feind meines Feindes tendenziell mal mein Freund ist und auch so betrachtet wird, gilt ja durchaus im Grundsatz.

Poincare kannte die Bündnisverpflichtung Berlins und des Weiteren war er über den Schlieffenplan im Bilde. Ihm war als bewusst, das sein Handeln zum Krieg führen kann und wahrscheinlich auch wird.

Hinterfragen ist immer in Ordnung. Du hinterfragst ja sachlich und konstruktiv.

Er kannte die Bündnisverpflichtungen Berlins gegnüber Wien, aber die griffen doch hier überhaupt nicht.
Das Attentat wurde auf österreichischem Gebiet von bosnischen Serben durchgeführt denen man zwar Kontakte zu serbischen Stellen nachweisen konnte, aber den letzgültigen Beweis, einer Verwicklung der serbischen Regierung konnte bis heute niemand erbringen.
Du betonst ja selbst gern, dass der Dreibund im Grundsatz ein Defensivbündnis gewesen sei und ein konventioneller militärischer Angriff auf die Donaumonarchie, der unbestritten zum casus foederis geführt hätte, lag hier nicht vor.

Poincaré konnte wissen, dass es zwischen Berlin und Wien ein Defensivbündnis gab, was er nicht wissen konnte, war, dass die deutsche Regierung mit dem "Blankoschek" hinter den Kulissen Wien ein Verhalten zugesichert hatte, dass weit über alle Bündnispflichten des Dreibundvertrags hinausging.

Ohne zu wissen, dass sich Berlin intern bereits auf so etwas festgelegt hatte, konnte Poincaré durchaus davon ausgehen, dass sich Berlin von Wien nicht in einen Krieg manövrieren lassen würde.

Ja, Poincaré wusste in den Grundzügen um den Schlieffenplan.
Was er nicht wussste ist, ob Moltke neben dem Schlieffenplan noch andere alternative Planungen im Petto hatte, die gegebenenfalls greifen und dazu führen konnten, dass Deutschland nicht im Westen, sondern im Osten aktiv würde, womit eine Beteiligung Großbritanniens auf Seiten der Entente in Frage gestanden hätte.

Den Aufmarsch Ost gab es ja bis 1913.
Wenn man unterstellt, Poincaré habe definitiv gewusst, dass der Schlieffenplan zum Tragen kommen musste, müsste man unterstellen, dass Poincaré einen Spion in Moltkres näherer militärischer Umgebung hatte, der ihm mit Sicherheit sagen konnte, dass es keine alternativen Planungen mehr gab.
Wenn man die Causa Redl denkt, wäre sowas zwar theoretisch möglich gewesen, aber es gibt, so weit mir bekannt keinen Hinweis auf eine solche Quelle, als der Poincaré derartige Informationen beziehen konnte.

Mit dem was Poincaré wusste, musste er wissen, dass seine Haltung theoretisch zum Krieg führen konnte, aber gemessen an dem was er nicht wussste, wird man nicht unterstellen können, dass ihm klar gewsen sein müsste, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür tatsächlich war.

Richtig. Das tat er nicht. Aber seine theoretische Möglichkeit für Klarheit zu sorgen, um dann möglicherweise die Gemüter abzukühlen, nutzte er ebenfalls nicht. Grey ging es um das Empire, und diese konnte nur mit Hilfe, Unterstützung und Wohlwollen von Frankreich und Russland gehalten werden. Damit war für die Hardliner der lieralen Regierung klar, wo sie sich zu positionieren hatten.

Zunächst mal, dass er nicht klarer Position bezog wird kann man sicherlich durchaus monieren, dass machte es nicht eben einfach Londons Haltung einzuschätzen, was im Juli 1914 vielleicht wichtig gewesen wäre.

Aber die Vorstellung, dass das Empire auf das Wohlwollen Frankreichs und Russlands angewiesen wäre, die teile ich so nicht.
Bzw. ich würde dir im Bezug auf Russland recht geben, für die Sicherheit Indiens waren die Absprachen mit Russland sicherlich von großer Bedeutung, so lange man nicht in Erwägung zog, Russland mit deutscher Hilfe aus Zentralasien zu vertreiben.
Aber dass London für den Erhalt des Empire auf frannkreich angewiesen gewesen wäre, dass sehe ich so nicht.

Einfach weil Frankreich schon wegen der Stimmung in der Bevölkerung aus dem Konflikt mit Deutschland wegen Elsass-Lothringen nicht heraus kam und es sich da seine Kräfte hierdurch gebunden waren keinen zweiten Konflikt mit einer großmacht leisten konnte.
In Londons Interesse lag zweifellos dass Deutshland nicht in Westeuropa auf Kosten Frankreichs noch mächtiger würde, aber es war nicht darauf angewiesen es war nicht in einer Lage es sich mit Paris in keinem Fall verscherzen zu dürfen und sich deswegen in Abhängigkeit der Pariser Außenpolitik zu begeben.

Auch ist zu bezweifeln, das Lansdowne den Russen die Zusage gemacht hätte, das sie früher oder später Konstantinopel und damit die Kontrolle über die Meerengen erhalten würden. Und das die Konservativen gar so weit gegangen wären, mit den Russen eine Marinekonvention auszuhandeln ist zweifelhaft.

Im Punkto Meerengen:

Welchen Grund gab es hier eigentlich noch den Russen auf keinen Fall entgegen zu kommen?
Eine Möglichkeit sich im Mittelmeer noch groß als Kolonialmacht zu etablieren gab es für Russland kaum mehr und GB hätte noch immer Suez und Gibraltar kontrolliert, so dass Russland auf das Mittelmeer beschränkt gewesen wäre.
Und dass Russland nicht in der Lage sein würde eine Schwarzmeerflotte aufzubauen, die GBs Stellung im Mittelmeer tatsächlich aussichtsreich hätte bedrohen können, war eigentlich auch klar, zumal GB mit Zypern einen Stützpunkt besaß, von dem aus sich die Ägäis im Notfall ganz gut hätte kontrollieren und blockieren lassen.

Was GB sicherlich nicht hätte hinnehmen können, wäre ein russisches Protektorat über Palästina oder Syrien gewesen, aber die Meerengen?
Ich denke nicht, dass das unbedingt noch ein strategischer Lebensnerv der Briten war.

Bekommst du hier etwas durcheinander?:)
Frankreich stand doch nicht allein auf weiter Flur. Es war schon mit England durch die Entente Cordiale des Jahres 1904 verbunden und schon kurz danach hat London unmissverständlich klargemacht, das es auch bereit sei für Paris ins Feld zu ziehen. Außerdem hatte man sich schon zu Beginn des Jahrhunderts mit Italien arrangiert und ein Bündnis abgeschlossen.

Nein, ich komme da nicht durcheinander.
Die Entente Cordiale wurde im April 1904 beschlossen, da lief der Krieg zwischen Russland und Japan bereits seit zwei Monaten.

Da hatte Russland anders als ein Jahr später zwar noch nicht die Folgen von Niederlage und Revolution zu verdauen, es musste aber klar sein, dass dieser Krieg über einen längeren Zeitraum größere russische Kontingente im fernen Osten binden würde.
Das die kaiserlich-japanische Armee modern bewaffnet und nach westlichen Mustern ausgebildet war wusste man und konnte daher kaum annehmen, dass das ein übliches Kolonialscharmützel bleiben würde, dass Russland mit ein paar 10.000 Mann schon in den griff bekommen würde, ohne dass es Russlands Handlungsfähigkeit in Europa beeinträchtigen würde.
Es musste absehbar sein, dass dieser Koflikt russische Kräfte in Stärke mehrerer Armeen einige Zeit binden würde, die dann für einen Aufmarsch in Europa im Kriegsfall entfielen.

Und daran, dass sich Russland im Ernstfall auf einen Zweifrontenkrieg im Fernen Osten und in Europa einlassen würde durfte man in Paris und London sicherlich zweifeln.

Ich für meinen Teil würde davon ausgehen, dass die Rückwirkungen der Ereignisse im Fernen Osten auf die Sicherheitslage Westeuropas durchaus Anteil daran hatten die Entente mit Frankreich seitens London zu forcieren.

Außerdem hatte man sich schon zu Beginn des Jahrhunderts mit Italien arrangiert und ein Bündnis abgeschlossen.

Einen Neutralitätspakt, kein Bündnis.
Und was dieser Neutralitätspak wer war, falls jemand auf die Idee gekommen wäre Rom französische Territorien zu versprechen, war nicht einzuschätzen.

Rumänien war schon mit 1 1/2 Beinen in Lager der Russen.
Rumänien konnte, da jedem klar sein musste, dass Bukarest sowohl auf Siebenbürgen, als auch auf Bessarabien schielte weder für Wien, noch für Petersburg jemals mehr sein, als ein unsicherer Kantonist.

Ein Land mit dem man selbst einen Territorialkonflikt hat ist kein sicherer verlässlicher Partner auf den man in jedem Fall bauen kann.
Solange Wien mit Sofia kein Militärbündnis unterhielt, dass Bulgarien eine Möglichkeit zur Rückeroberung der südlichen oder zur Eroberung der gesamten Durbuja in Aussicht gestellt hätte, gab es für St. Petersburg keinen Anlass in einen potentiellen rumänischen Partner besonderes Vertrauen zu setzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Er kannte die Bündnisverpflichtungen Berlins gegnüber Wien, aber die griffen doch hier überhaupt nicht.

Ich bin kein Jurist, aber Russland war entschlossen und tat es ja auch, Österreich-Ungarn anzugreifen, wenn dieses gegen Serbien vorgeht, und exakt für so einen Fall galten die Bestimmungen des Zweibundes vom 07.Oktober 1879.

Die Staatsmännern in Petersburg, Paris und London waren sich darüber vollkommen bewusst, das ein russischer Angriff gegen Österreich-Ungarn Berlin auf den Plan rufen würde und dann ein Weltkrieg auslösen würde. Vor allem, ich wiederhole mich, da Russland von Wien überhaupt nicht bedroht und Serbien in irgendeiner Weise gegenüber verpflichtet war.

Ohne zu wissen, dass sich Berlin intern bereits auf so etwas festgelegt hatte, konnte Poincaré durchaus davon ausgehen, dass sich Berlin von Wien nicht in einen Krieg manövrieren lassen würde.

Poncare hat eigentlich nur weiter Öl ins Feuer gegossen, in dem er und sein Botschafter in Petersburg Paleologue, ohne danach gefragt worden zu sein, mehrfach wiederholten, das man sich auf Frankreich verlassen könnte und dieses Russland militärische unterstützen würde. Poincare hatte Berlin genau dort, wo er es haben wollte.

Poincaré konnte wissen, dass es zwischen Berlin und Wien ein Defensivbündnis gab, was er nicht wissen konnte, war, dass die deutsche Regierung mit dem "Blankoschek" hinter den Kulissen Wien ein Verhalten zugesichert hatte, dass weit über alle Bündnispflichten des Dreibundvertrags hinausging.

Das Berlin Österreich-Ungarn nicht im regen stehen lassen würde, war allgemeiner und anerkannter Erkenntnisstand. Der Blankoscheck, ja das war der große Fehler Deutschlands, den man sich vorhalten lassen muss und hier liegt der Anteil der Schuld Berlins. Poincare hatte seinen Blankoscheck allerdings schon im Jahre 1912 und wiederholt, erteilt und der war genauso weitreichend.

Mit dem was Poincaré wusste, musste er wissen, dass seine Haltung theoretisch zum Krieg führen konnte, aber gemessen an dem was er nicht wussste, wird man nicht unterstellen können, dass ihm klar gewsen sein müsste, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür tatsächlich war.

Mit der zweiten Hälfte deines Satzes bin ich nicht einverstanden. Was genau wußte er denn nicht? Ihm war klar, das ein russischer Angriff für Berlin den Bündnisfall auslösen würde und er hat Russland wenigstens dazu ermutigt, in dem er französische, militärische Unterstützung zusagte. Die Situation Deutschlands hatten Delcasse und Cambon, ich hatte es oben schon ausgeführt, auf dem Punkt gebracht.

Einen Neutralitätspakt, kein Bündnis.
Und was dieser Neutralitätspak wer war, falls jemand auf die Idee gekommen wäre Rom französische Territorien zu versprechen, war nicht einzuschätzen.

Diese Abmachung war für Frankreich unbezahlbar. Der besondere Wert lag doch darinnen, das es Paris im Kriegsfalle gestattete seinen Truppen vollständig gegen Deutschland mobil zu machen und nicht mehrere Korps an den Alpen stehen lassen zu müssen. Das war der eigentliche Wert und der kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Das war gewiss nicht mehr im Geiste des Dreibundes.

Rumänien konnte, da jedem klar sein musste, dass Bukarest sowohl auf Siebenbürgen, als auch auf Bessarabien schielte weder für Wien, noch für Petersburg jemals mehr sein, als ein unsicherer Kantonist.

Die Bedeutung Rumäniens für Wien erschließt sich schon bei einem Blick auf die Karte. Des Weiteren konnten die Rumänien so ca. 500.000 Mann ins Feld stellen; das war gerade für Österreich-Ungarn von immenser Bedeutung.
Ja, Ungarns Politik gegenüber den Rumänen war katastrophal und sorgte in Bukarest nicht für ungeteilte Freude.

Der Ausgang des russisch-japanischen Krieges um die Vorherrschaft in Korea und Nordchina war für viele Zeitgenossen schlicht eine Überraschung. Für nicht wenige Historiker war der japanische Sieg eine Zäsur in der Entwicklung der internationalen Beziehungen. Diese schwere russische Niederlage und der Ausgleich mit England sorgten für die russische Wendung von Fernen Osten zum Nahen Osten, wo mit sich dort die Interessengegensätze durch das erneute Erscheinen Russlands als Player verschärften. Insofern ist deine Ausführung bezüglich der Rückwirkung auf Europa grundsätzlich zuzustimmen.

Das die Ereignisse in Fernost Einfluss auf die militärische Zusammenarbeit und deren konkrete Ausgestaltung der Entente Mächte hatte, das stelle ich in frage. Der Feind, das war in erster Linie Deutschland, der sowohl für Frankreich, England aber auch Russland einfach nur lästig war und im Wege stand.

Aber wir beide diskutieren doch gerade doch über den Juli 19414 und zu diesem Zeitpunkt hatte Russland die schwere militärische Niederlagen gegen Japan doch überwunden gehabt. Mit Japan und hat man einen friedlichen modus vivendi gefunden und mit Großbritannien hatte man die Interessengebiete in Asien abgesteckt. Aus russischer Sicht war also alles in bester Ordnung. Man konnte sich seinen Balkaninteressen zuwenden.
 
Aber dass London für den Erhalt des Empire auf frannkreich angewiesen gewesen wäre, dass sehe ich so nicht.

Mittelmeer und der Seeweg von England nach Indien, der ja durch das Mittelmeer verlief, ließen sich mit französischer Unterstützung erheblich bequemer sicher. Frankreich verlegte 6 Schlachtschiffe ins Mittelmeer und dafür übernahmen die Briten den Schutz der Atlantikküste. Diese hatte man im Herbst 1912 vereinbart.

1909 streckten die Deutschen ihre Fühler für ein politisches Abkommen aus. Reichskanzler Bethmann bat Grey ausdrücklich um Diskretion. Bereits die ersten Reaktionen der britischen Regierung auf die deutsche Offerte hatte deutlich gezeigt, dass sie eine sofortige Information Frankreichs und Russlands und damit deren Einweihung und Einbeziehung für notwendig hielt. Auch in den darauffolgenden Monaten und Jahren fand eine ständige Rücksprache vor allem mit der französischen Regierung statt. Diese Rücksprachen dienten der Absicherung der eigenen Position und den Beweis der Zuverlässigkeit Englands als Partner. Das Foreign Office missachtet ganz bewusst damit die mit deutschen Reichsregierung vereinbarte Geheimhaltung der Gespräche.

Wann man in London der Auffassung war, so ein Verhalten nötig zu haben, spricht das schon für eine gewisse Abhängigkeit. Von der fehlenden Aufrichtigkeit der britischen Staatsmänner will ich erst gar nicht sprechen.

Gade. Gleichgewichtspolitik oder Bündnispflege
 
Noch eine Ergänzung zu #993

Der britische König Edward VII. war 1904 zu einem Staatsbesuch in Deutschland gewesen. Edward VII. kurte regelmäßig in den böhmischen Wäldern. Im Jahr 1906 begrüßte Wilhelm II. ihm in Kronberg und 1907 auf Schloß Wilhelmshöhe. Edward VII. war schon seit einiger Zeit der Meinung, es nun an der Zeit das er seinen Neffen zu einem Gegenbesuch einlädt. Grey war immer dagegen gewesen. Grey wollte, das die Beziehungen zu Russland mehr reifen lassen und die englisch-französischen Beziehungen sollten sich seiner Meinung nach mehr festigen. Aber 1907 musste er sich den Willen des Königs beugen.
Am 19.Juni 1907 schrieb den britischen Botschafter Bertie in Paris:
" Falls dieser Besuch in einem vom politischen Gesichtspunkt aus irgendwie unerwünschten Weise ausgebeutet wird, dürfte man gut daran tun, zu erwägen, ob ihm nicht zu irgendeiner Zeit im nächsten Jahr ein Besuch des Präsidenten Falliéres folgen zu lassen. Was mich betrifft, so wäre ich, falls es notwendig werden sollte, voll und ganz dafür zu zeigen, das unsere auswärtige Politik keine Änderung erfahren hat."
Grey versäumte es nicht, den Botschafter in Berlin Lascelles einzuschärfen, nachdem er Kenntnis davon erhalten hatte, das Wilhelm sich von Bülow und von Einem begleiten lassen wollte, dort (Berlin; Anmerkung von mir) alles zu tun, was in seiner Macht stehe "[...] um zu verhindern, daß der Besuch dieses Ausmaß annimmt...Es liegt mir besonders viel daran, das nichts geschieht, was der Vorstellung Farbe verleihen könnte, dass wir auch nur um Haaresbreite von unserer Loyalität der Entente gegenüber abweichen und eine neue Richtung unserer Politik ins Auge fassen. Ich kann Ihnen daher nicht ernstlich genug die Notwendigkeit , einschärfen jede nur mögliche Gelegenheit zu ergreifen, um den Deutschen begreiflich zu machen, das es geboten ist, den völlig privaten Charakter des Besuchs zu wahren."
 
Mittelmeer und der Seeweg von England nach Indien, der ja durch das Mittelmeer verlief, ließen sich mit französischer Unterstützung erheblich bequemer sicher.

Natürlich, aber diese Arbeitsteilung mit Frankreich war ja durchaus keine lebenswichtige Frage für GB und vor allem auch keine auf die Berlin keinen Einfluss hatte.
Das Hochrüsten der deutschen Flotte erforderte verstärkte britische Seepräsenz in der Nordsee und um die britischen Inseln.
Hätte sich Berlin offen zur Beendigung des Flottenwettrüstens erklärt und ggf. zur Beruhigung Londons und zur Entlastung der eigenen Staatsfinanzen ein paar ältere Schiffe verkauft oder verschrottet, hätte London mittelfristig die eigene Flottenpräsenz in der Nordsee wieder reduzieren und Kräfte in Richtung Gibraltar, Malta, Zypern Suez oder Alexandria verschieben können.

Hier hatte Paris kein Druckpotential um London vor den Karren der eigenen Außenpolitik spannen zu können, zumal für einen Krieg gegen Deutschland.
Für London wäre ein Agreement mit Berlin und die Verlegung einiger Schiffe ins Mittelmeer zumal sich dieses ab 1913 ja ohnehin de facto vom Flottenrüsten sukzessive verabschiedete allemale günstiger gewesen, als sich von Paris in einen Krieg manövrieren zu lassen.

Was die anderen Dinge zwischen 1907 und 1909 angeht:

Du trägst da mMn dem Umstand zu wenig rechnung, dass sich das vor dem Hintergrund der Rückwirkungen des russisch-japanischen Krieges und auch der Annexionskrise auf das europäische Sicherheitsgefüge abspielte.

Das London in einer Zeit, in der Russland kaum handlungsfähig war und Frankreich ziemlich allein darstand, sich sehr um ostentaive Nähe zu den beiden Partnern bemühte, nimmt nicht Wunder.

Wenn vor dem Hintergrund der Ausschaltung Russlands man von britischer Seite Wert darauf legte, dass die eigene Linie gerade in Paris nicht als zu deutschlandfreundlich wahrgenommen wurde, trug das sicherlich dem Umstand Rechnung, dass andere Haltung im Paris sehr wahrscheinlich zu Einkreisungspanik und möglicherweise unbesonnenem Handeln hätte führen können.
Auch dass man der Meinung war, nach der Annexionskrise gegenüber Russland Vertrauen aufbauen zu müssen, betrachte ich weder als verwunderlich, noch als irgendwie feindlichen Akt gegenüber Berlin.

Ich denke, dass man im Hinblick auf die britische Politik grundsätzlich zwischen dem, was etwa vor 1910 +/- 1 oder 1,5 Jahre eventuell passierte und was danach kam unterscheiden muss.
Was zwischen 1905 und grob 1910 passierte, war der Versuch den Ausfall Russlands aus der europäischen Machtkonstellation zu kompensieren und auszutarieren.
Das richtete sich in erster Linie gegen Deutschland, aber nicht auf Grund iner grundsätzlich feindlichen Haltung gegenüber Berlin, sondern einfach um die extrem großen Handlungsspielräume der deutschen Außenpolitik durch die Ausschaltung Russlands auszugleichen.

Anders ist die britische Politik zu betrachten, nachdem sich Russland wahrnehmbar zu erholen begonnen hatte, aber hier ist die britische Politik gegenüber Deutschland auch nicht ausschließlich konfrontativ.
Es gibt die Einigung über die Bagdad-Bahn und auch das Abkommen über die portugiesischen Kolonien, was man als deutlich sichtbare Schritte einer Annäherung auffassen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Engländer waren nicht mehr in der Lage ihr Empire alleine zu schützen oder gar zu halten. Es galt mit den Mächten, die in dieser Frage am meisten zu bieten hatten, mit denen auch entsprechende große Reibungsflächen bestanden, einen Ausgleich herzustellen. Diese Mächte waren Frankreich und Russland. Denn Deutschland war tatsächlich keine Bedrohung; Russland und Frankreich waren die größten Konkurrenten.

Ich will die Problematik des Flottenrüstens hier nicht kleinreden, aber diese wird doch in der Summe übertrieben. Es war ja schließlich nicht nur das Deutsche Reich, was seine Flotte aufrüstete. Alle Großmächte rüsteten maritim auf. Nur bei Deutschland wurde solch heftige Kritik geübt. Wenn man sich den sogenannten Dreadnoughtsprung näher ansieht, das auf einen weltweiten Einsatz ausgelegt und mit der verhältnismäßigen geringen Panzerung und der Optimierung für das artilleristische gerade nicht wirklich auf den Einsatz der Nordsee zugeschnitten war, offenbart dessen Ursprung in der französisch-russischen Bedrohung. Davon einmal abgesehen, wurde das deutsche Gespenst gern vor dem Unterhaus benutzt, um Mittel für die maritime Aufrüstung bewilligt zu bekommen.
Interessanterweise wurde nach dem Rücktritt Fishers der Schwerpunkt der englischen Seerüstung wieder auf das Schlachtschiff gelegt.

Die Engländer fantasierten, aufgrund eines Berichts von Robertson, von einer deutschen Invasion ihrer Insel; wozu die kaiserliche Marine überhaupt nicht im Stande war und auch nicht Gegenstand deutscher Planungen war. Trotzdem wurde die Invasionsfurcht geschürt. Der CID ging von 150.000 bis 300.000 deutschen Soldaten aus, die dann nach der Landung in der Lage seien, sich mehrere Wochen im Lande zu versorgen. Wirklich wüste Fantasien, aber auch diese wurde genutzt.

Aber Sir Edward Grey, Charles Hardinge und Crowe gingen davon aus, das die Deutschen die Frage der Invasion studieren und eine große Anzahl deutschen Offiziere im Lande herumreisen würde. Richard Haldane stellte ähnliche Vermutungen an.

Paris hatte aber gegenüber Petersburg Druckpotenzial und dieses konnte entsprechend gegenüber London eingesetzt werden. Davon einmal abgesehen, wurde denn das Druckpotenzial überhaupt benötigt. In der ersten Marokkokrise, die Tinte unter der Entente war noch nicht getrocknet, schlug sich London schnell auf die Seite von Paris, ob es klar wußte, das Deutschland im Recht war, und war bereit bis zum Äußersten zu gehen. Man war in London geradezu empört und auch enttäuscht als Rouvier den Ausgleich anstrebte und dafür Delcassé über die Klinge springen ließ.
Auch in der nächsten Krise um Marokko, Deutschland war erneut im Recht, schlugen die Briten kriegerische Töne, Mansion-House Rede von Lloyd George.

In den von mir erwähnten Staatsbesuch Kaiser Wilhelm II. war diese bereit eine Abmachung mit London hinsichtlich der Bagdadbahn zu schließen. Grey lehnte mit dem Hinweise ab, das ginge nur zu Vieren. Übersetzt: Petersburg und Paris müssten mit am Tisch sitzen.
Benckendorff, der russische Botschafter in London und Cambon, der französische Botschafter in London, die umgehend von Grey informiert worden waren, waren mit diesen sehr zufrieden.

Grey war gar nicht mehr willens gegenüber Deutschland allein irgendetwas zu tun. Er war ständig besorgt, irgendetwas Falsches zu oder zu sagen, was in Paris oder Petersburg falsch aufgefasst werden könnte. Meine obigen Zeilen bestätigen dies nur.

ch denke, dass man im Hinblick auf die britische Politik grundsätzlich zwischen dem, was etwa vor 1910 +/- 1 oder 1,5 Jahre eventuell passierte und was danach kam unterscheiden muss.
Was zwischen 1905 und grob 1910 passierte, war der Versuch den Ausfall Russlands aus der europäischen Machtkonstellation zu kompensieren und auszutarieren.
Das richtete sich in erster Linie gegen Deutschland, aber nicht auf Grund iner grundsätzlich feindlichen Haltung gegenüber Berlin, sondern einfach um die extrem großen Handlungsspielräume der deutschen Außenpolitik durch die Ausschaltung Russlands auszugleichen.

Von welchen extrem großen deutschen Handlungsspielräumen zwischen 1905 und 1910 sprichst du? Berlin ist es nicht gelungen, mit Petersburg ein Bündnis unter Dach und Fach zu bringen; trotz der Schwäche Russlands. Sicher Russland war über Jahr militärisch paralysiert, aber dadurch haben sich doch die außenpolitischen Spielräume nicht großartig erweitert. In Deutschland hatte niemand die Absicht einen Krieg zu herbeizuführen; es waren die Briten, die in den beiden Marokkokrisen, die da in ihrem Parteinahme für Frankreich, obwohl formal überhaupt kein militärisches Bündnis bestand, sehr weit gingen. Und das, ich wiederhole mich, obwohl Paris in beiden Fällen der Verursacher der Krisen war, da man sich nicht an geltendes Recht gehalten hat. Und das, obwohl Russland zumindest in ersten Krise nicht einsatzfähig gewesen wäre. Und es ist fraglich, ob es sich in der 2.Marokkokrise für Frankreich tatsächlich geschlagen hätte. Deshalb kam ja später von Poincare die Erweiterung des Bündnisfalls für den Balkan, auch bei einen Angriff gegen Österreich-Ungarn.

Was hat sich denn konkret in der britischen Außenpolitik nach 1910 geändert? Die Einigung in der Bagdadbahn-Problematik ist nicht wirklich überraschend, wenn man sich anschaut, wie weit die Deutschen den Engländern entgegen gekommen sind. Und die Einigung über die portugiesischen Kolonien würde ich nicht sonderlich hoch veranschlagen, denn hier musste der Schwur noch nicht geleistet werden, die Briten waren ja entschlossen, die Portugiesen beim Erhalt zu unterstützen. Sobald es ans wirklich Eingemachte ging, wie beispielsweise eine Neutralitätszusage Englands, wenn Deutschland mit Paris und Petersburg in einen militärischen Konflikt geraten sollte, war nicht zu erreichen. Für Grey und seine antideutsche Fraktion im Foreign Office stand fest, das im Falles eines Falles gegen Deutschland auf Seiten der Entente Partner Krieg geführt werden würde.
 
Die Engländer waren nicht mehr in der Lage ihr Empire alleine zu schützen oder gar zu halten. Es galt mit den Mächten, die in dieser Frage am meisten zu bieten hatten, mit denen auch entsprechende große Reibungsflächen bestanden, einen Ausgleich herzustellen. Diese Mächte waren Frankreich und Russland. Denn Deutschland war tatsächlich keine Bedrohung; Russland und Frankreich waren die größten Konkurrenten.

Russland ja, Frankreich nein. Es gab zwar koloniale Reibungsflächen mit Frankreich, aber London wusste ganz gut, dass sich Frankreich in seinem Dauerkonflikt mit einem immer stärker werdenden Deutschland keinen größeren Konflikt mit GB mehr leisten konnte.
Aufrüstung der Flotte und in den Kolonien hätte zu Lasten der Landrüstung in Europa gehen müssen und dass konnte Paris in dieser Situation nicht machen.
Insofern Frankreich für einen Konflikt mit GB überhaupt keine Kräfte frei machen konnte, musste London das auch nicht fürchten.

Wenn du hier London in der Abhängigkeit von Paris wähnst, verdreht das mMn die Verhältnisse, es verhielt sich tendeziell umgekehrt.
Frankreich brauchte alle seine Ressourcen in Europa um Deutschland einzuhegen und es war angesichts der wachsenden maritimen Kapazitäten Deutschlands auf GBs Flotte angewiesen um im Kriegsfall mit Deutschland nicht von seinen Kolonien und den überseeischen Märkten abgeschnitten zu werden.
Die französische Flotte war in ihrer Konzeption zwar moderner hatte aber in Sachen Feuerkraft der Deutschen zunehmend weniger entgegen zu setzen.

Ich will die Problematik des Flottenrüstens hier nicht kleinreden, aber diese wird doch in der Summe übertrieben. Es war ja schließlich nicht nur das Deutsche Reich, was seine Flotte aufrüstete.

Damit dass das überbewertet wird, rennst du bei mir offene Türen ein, allerdings im Hinblick auf die britisch-französische Marinekonvention dürfte es durchaus eine Rolle gespielt haben, insofern das natürlich britische Kapazitäten in der Nordsee band.
Heißt im Umkehrschluss aber auch, dass Berlin es durchaus in der Hand hatte durch Zurückfaren der Flottenrüsten die strategischen Zwänge, denen London unterworfen war abzumildern und damit den Wert der Marinekonvention mit Frankreich für GB deutlich abzusenken.
Diese Konvention war jedenfalls nicht so wichtig, dass sie London in umfassende Abhängigkeit von Paris gebracht hätte.

Paris hatte aber gegenüber Petersburg Druckpotenzial und dieses konnte entsprechend gegenüber London eingesetzt werden.

Paris hatte kein Druckpotential.
Frankreich war der einzige Akteur, der territoriale Streitigkeiten mit Deutschland hatte und zu Lande entsprechend verwundbar war.

Großbritannien war durch Deutschland militärisch nicht wirklich gefährdert, weil die deutschen maritimen Kapazitäten dazu nicht hinreichten und Russland hatte mit Deutschland eigentlich kein Problem, sondern nur mit Deutschland Österreich-Politik.
Der polnische Teilungskonsens garantierte dass Berlin wenig Interesse daran haben konnte Russland irgendwelche Gebiete abzunehmen, zumal es da nicht wirklich viel wirtschaftlich interessantes in Reichweite der deutschen Grenze gab, im Gegensatz zum Westen, wo direkt hinter der Reichsgrenze das Erzrevier von Longwy-Briey lag, dessen Gewinnung der Unterdeckung der deutschen Erzproduktion abgeholfen hätte und die eine oder adere französische Kolonie war für Berlin sicherlich auch interessant.

Man wird sich darüber streiten können, wer am Ende die stärkste und einflussreichste Macht in der Entente war, ob diese Rolle eher Großbritannnien oder Russland zukam aber man wird sich relativ gut darauf einigen können, dass Frankreich hier in der schwächsten Position war und gegenüber London und Petersburg kein Druckmittel in der Hand hatte, im Besonderen gegenüber Petersburg nicht, weil es die russische Landmacht mehr brauchte als umgekehrt Russland auf die Frannzösische angewiesen war.

Von welchen extrem großen deutschen Handlungsspielräumen zwischen 1905 und 1910 sprichst du?

Von der Möglichkeit Russland Schwäche zu nutzen um Krieg zu führen und darüber das europäiche Machtgefüge nachhaltig zu kippen.
Diese Möglichkeit lag für Berlin zwischen 1905 und 1910 auf dem Präsentierteller. Man machte davon keinen Gebrauch, aber dass man das in Berlin nicht beabsichtigte, konnte man in London nicht wissen.

Daher durfte es aus britischer Sicht durchaus angezeigt erscheinen sich ostentativ hinter Frankreich und Russland zu stellen um gegenüber Berlin Abschreckungspotential aufzubauen und zu verhindern, dass man in Berlin auf die Idee käme Frankreich oder Russland über den Haufen zu werfen und machtpolitisch als Großmacht dauerhaft auszuschalten.
 
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Russland ja, Frankreich nein. Es gab zwar koloniale Reibungsflächen mit Frankreich, aber London wusste ganz gut, dass sich Frankreich in seinem Dauerkonflikt mit einem immer stärker werdenden Deutschland keinen größeren Konflikt mit GB mehr leisten konnte.
Aufrüstung der Flotte und in den Kolonien hätte zu Lasten der Landrüstung in Europa gehen müssen und dass konnte Paris in dieser Situation nicht machen.
Insofern Frankreich für einen Konflikt mit GB überhaupt keine Kräfte frei machen konnte, musste London das auch nicht fürchten.

Frankreich hätte sich auch, wenn es nur gewollt hätte, mit Deutschland einigen können, siehe 1905, es gab ja auch schon vorher unter Bismarck punktuelle Zusammenarbeit in Afrika, die gegen England gerichtet war. Der Dauerkonflikt hätte von Paris in Bedarfsfall abgestellt werden können.

Wenn du hier London in der Abhängigkeit von Paris wähnst, verdreht das mMn die Verhältnisse, es verhielt sich tendeziell umgekehrt.
Frankreich brauchte alle seine Ressourcen in Europa um Deutschland einzuhegen und es war angesichts der wachsenden maritimen Kapazitäten Deutschlands auf GBs Flotte angewiesen um im Kriegsfall mit Deutschland nicht von seinen Kolonien und den überseeischen Märkten abgeschnitten zu werden.
Die französische Flotte war in ihrer Konzeption zwar moderner hatte aber in Sachen Feuerkraft der Deutschen zunehmend weniger entgegen zu setzen.

Abhängigkeit ist sicher übertrieben, aber London konnte auf die Großmacht Frankreich auf dem europäischen Kontinent nicht verzichten. Das London der liberalen Imperialisten war auch der Meinung die Deutschen, mit ihren ganzen wirtschaftlichen und maritimen Ambitionen, die natürlich angeblich nur negativ waren, was letztendlich aber nicht bewiesen war, mit französischer Unterstützung einhegen zu müssen.

Es gab eben schon Gründe, weshalb sich die britische und französische Flotte für den atlantische Küste Frankreichs und dem Mittelmeer sich auf eine Arbeitsteilung geeinigt hatten. Großbritannien hatte ja schließlich nicht nur die Nordsee zu beherrschen, sondern unterhielt auf der ganzen Welt eine Flottenpräsenz, was natürlich auch eine nicht unerhebliche Belastung für den britischen Haushalt gewesen sein dürfte.

Wie sollte Deutschland denn ernsthaft Frankreich von seinen Kolonien und Versorgungswegen abschneiden können?
Die deutsche Flotte war von Tirpitz für eine Entscheidungsschlacht in der Nordsee konzipiert worden. Nicht für einen Kaperkrieg, für den es entsprechende Kreuzer bedurft hätte. Außerdem fehlte es an Stützpunkten und Kohlestationen, um global erfolgreich operieren zu können.

Paris hatte kein Druckpotential.
Frankreich war der einzige Akteur, der territoriale Streitigkeiten mit Deutschland hatte und zu Lande entsprechend verwundbar war.

Also Großbritannien fühlte sich durch die Invasionshysterie durchaus von Deutschland sehr gefährdet. Paris hatte erhebliches finanzielles Druckpotenzial gegenüber Petersburg und das ließ und wurde auch zielgerichtet ausgenutzt. Und eben durch die Verwundbarkeit wurden mit Russland ja entsprechende Absprachen und Vorkehrungen getroffen, die Deutschland, siehe 1914, in einer außerordentlich problematischen Lage brachten. Das hatte der französische Präsident Poincaré außerordentlich geschickt eingefädelt gehabt.

Großbritannien war durch Deutschland militärisch nicht wirklich gefährdert, weil die deutschen maritimen Kapazitäten dazu nicht hinreichten und Russland hatte mit Deutschland eigentlich kein Problem, sondern nur mit Deutschland Österreich-Politik.

Sehe ich auch so und trotzdem "drehte man auf der Insel durch."

Der polnische Teilungskonsens garantierte dass Berlin wenig Interesse daran haben konnte Russland irgendwelche Gebiete abzunehmen, zumal es da nicht wirklich viel wirtschaftlich interessantes in Reichweite der deutschen Grenze gab, im Gegensatz zum Westen, wo direkt hinter der Reichsgrenze das Erzrevier von Longwy-Briey lag, dessen Gewinnung der Unterdeckung der deutschen Erzproduktion abgeholfen hätte und die eine oder adere französische Kolonie war für Berlin sicherlich auch interessant.

Auch hier stimme ich dir zu.

Von der Möglichkeit Russland Schwäche zu nutzen um Krieg zu führen und darüber das europäiche Machtgefüge nachhaltig zu kippen.
Diese Möglichkeit lag für Berlin zwischen 1905 und 1910 auf dem Präsentierteller. Man machte davon keinen Gebrauch, aber dass man das in Berlin nicht beabsichtigte, konnte man in London nicht wissen.

Daher durfte es aus britischer Sicht durchaus angezeigt erscheinen sich ostentativ hinter Frankreich und Russland zu stellen um gegenüber Berlin Abschreckungspotential aufzubauen und zu verhindern, dass man in Berlin auf die Idee käme Frankreich oder Russland über den Haufen zu werfen und machtpolitisch als Großmacht dauerhaft auszuschalten.

Ganz schön riskant so eine Politik. Das hätte auch ins Auge gehen können. Der russisch-japanische Krieg war furchtbares Anschauungsmaterial wie der moderne Krieg aussehen würde. Das sollte eigentlich hinreichend abschreckend gewesen sein. Und wie schon ausgeführt: Frankreich war in den Marokkokrisen einfach im Unrecht. Übrigens hatte weder Paris noch London großes Interesse gezeigt, im Zuge der Annexionskrise Petersburg nun großartig, geschweige denn im Bedarfsfall militärisch zu unterstützen.
 
Ich will die Problematik des Flottenrüstens hier nicht kleinreden, aber diese wird doch in der Summe übertrieben. Es war ja schließlich nicht nur das Deutsche Reich, was seine Flotte aufrüstete. Alle Großmächte rüsteten maritim auf. Nur bei Deutschland wurde solch heftige Kritik geübt.
Das wird wahrscheinlich seinen Grund gehabt haben.

Die deutsche Flotte war von Tirpitz für eine Entscheidungsschlacht in der Nordsee konzipiert worden.
An welchen Gegner bei dieser Entscheidungsschlacht dachte man? Dänemark, Norwegen oder die Niederlande werden es eher nicht gewesen sein?
 
Das wird wahrscheinlich seinen Grund gehabt haben.

An welchem denkst? Die Invasionshysterie?, die genutzt wurde, um eigne Rüstungsvorhaben umzusetzen. Das die Regierung lieber die finanziellen Mittel für die bei den Wahlen versprochenen sozialen Wohltaten ausgeben würde?

An welchen Gegner bei dieser Entscheidungsschlacht dachte man? Dänemark, Norwegen oder die Niederlande werden es eher nicht gewesen sein?

Für Dänemark oder Norwegen hätte es sicher keine Flotten von den angepeilten Dimensionen benötigt.

Aber das weißt du ja auch; ebenso wirst du Tirpitz seine Intensionen kennen. Also, warum fragst du, was du schon weißt?

Tirpitz baute seine Flotte gegen England. England war in seinen Augen der Gegner. Die angestrebte Weltmachtpolitik, ließ die Überzeugung heranwachsen, das eine starke Flotte vonnöten sei. Die dafür verwendeten Argumente waren einfach nur Blödsinn. Jedenfalls mündeten diese Überzeugung in einem konkreten Flottenbauprogramm. Das eigentliche Ziel war, die Erzwingung einer Verständigung mit England.

Schon Bismarck hatte seinerzeit ausgeführt, „Diese Leute wollen sich einfach nicht von uns lieben lassen.“
 
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