7.300 BC: gab es eine ‘soziale revolution’ in cayönü (anatolien)?

Ich hatte es im gegenteiligen Zusammenhang verwendet :

Bei Jägern&Sammlern gibt es ein Verhalten der Individuen, das zu eine egalitäre Gesellschaftsordnung begünstigt (und das ich als "Neid" bezeichnet habe), indem nämlich jeder abgestraft wird, der sich mehr Besitz (z. B. Beute) oder mehr Prestige verschafft als die anderen.

In einem Beispiel aus Namibia wird beschrieben, dass dort die Jagdbeute zunächst demjenigen gehört, dessen Pfeil das Tier erlegt hat, und dass ein guter Jäger den schlechteren seine Pfeile in den Köcher schmuggelt, damit er selbst nicht den Neid der anderen auf sich zieht (was wiederum der Egalität dienlich ist).

Wichtig ist, dass sich diese Form von "Neid" auf der praktisch-alltäglichen individuellen Ebene abspielt, und sich eine solche Gesellschaftsordnung daher auch in den archäologischen Befunden - Reihenhäuser statt Paläste - wiederspiegeln kann.

Klingt stimmig. Hier kann auch Dr. Dr. Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory zitiert werden, der den wegen seiner Asteroidenentdeckung furchtbar aufgeplusterten Raj auf die Praxis gewisser Stämme hinweist, angeberische Jäger zu töten und aus ihrer Haut Trommeln für Feste herzustellen. Wer könnte Sheldon widersprechen, der alles weiß und niemals irrt? :D


Hallo!

Ich besitze das Buch auch nicht, hatte es nur ausgeliehen (Fernleihe). Das Buch müßte aber in jeder wissenschaftlichen Bibliothek zu bekommen sein.
Die von Bernbeck behandelten und miteinander verglichenen Kulturen waren
nach meiner Erinnerung die Hassuna,Samarra,Halaf und Obed-Kulturen.
Es wurden sehr ausführliche Vergleiche der Gebäude, Keramik, Speisereste usw. gemacht. Auch auf die Klimatischen und sonsirgen geografischen Bedingungen wurde eingegangen.
Auch versucht Bernbeck Erkenntnisse aus anderen Wissenschaftszweigen (Agrarwissensachaften, Ethnologie, Genetik usw.) in seine Erklärungsversuche mit einzubeziehen.
Diese Erklärungsversuche sind m.M. nach auch sehr vorsichtig formuliert und werden nicht als "Wahrheit" verkauft;).
Da die Städtische Kultur wohl nachweislich in dieser Gegend begann und nicht im Dnepr-gebiet, gehe ich davon aus, das es sich bei der Dnepr-Gemeinschaft nicht um ein so nachhaltig wirkendes Ereignis gehandelt hat wie die Umwälzungen in Mesopotamien.

Wenn gewalttätige Verhältnisse aber auch unter Bedingungen herrschen, die eine relativ kleinteilige und kleingruppen- oder familienbezogene Lebensweise auszeichnen, muß man doch mit weitreichenden Schlüssen vorsichtig sein.

Ich kenne mich mit den von Bernbeck herangezogenen Kulturen nicht aus, daher kann ich dazu wenig sagen. Ich gehe erst mal bis auf Weiteres davon aus, daß seine Methode Hand und Fuß hat. Allerdings, eine schnelle Internetrecherche (Internet = kondensierte Wahrheit, stimmt's? :pfeif:) ergab, daß es aus der Hassuna-Kultur (= hPW) recht wenig Skelettfunde gibt, wenn, dann meistens Kinderskelette. Wie stelle ich denn Gewaltlosigkeit fest, wenn ich so gut wie keinen Zugriff auf entsprechende Funde menschlicher Überreste habe?
 
Annelise verlinkte oben einen Artikel von Gerhard Bott. Was Gerhard Bott allerdings dort unter anderem verzapft, ist totaler Schwachsinn:

Ich würde nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, aber zumindest kann man seine Überlegungen ja mal durchdenken und dort, wo sie mit den Befunden übereinstimmen, als Hypothese ansehen.
Den Übergang von einer egalitären Gemeinschaft zu einer hierarchichen Gesellschaft kann bisher noch keiner so richtig erklären, warum also nicht mal andere Ansätze anschauen?
 
Ich kenne mich mit den von Bernbeck herangezogenen Kulturen nicht aus, daher kann ich dazu wenig sagen. Ich gehe erst mal bis auf Weiteres davon aus, daß seine Methode Hand und Fuß hat. Allerdings, eine schnelle Internetrecherche (Internet = kondensierte Wahrheit, stimmts :pfeif:) ergab, daß es aus der Hassuna-Kultur (= hPW) recht wenig Skelettfunde gibt, wenn, dann meistens Kinderskelette. Wie stelle ich denn Gewaltlosigkeit fest, wenn ich so gut wie keinen Zugriff auf entsprechende Funde menschlicher Überreste habe?
Über Gewalttätigkeit oder Skelettfunde wird da, wenn ich mich recht erinnere, nichts ausgesagt. Er hat nur aus den gefundenen Resten auf hierarchiefreie Gemeinschaften geschlossen, die zum Ende hin dann Hinweise auf erste hierarchische Elemente, Arbeitsteilung, ausgeprägten Handel mit genormter Ware usw. zeigten.
Über die Gründe dafür sagt er nichts aus.

Ich persönlich gehe auch nicht von "gewaltlosen Märchenländern" aus, denke aber, das es Unterschiede gibt zwischen "zwischenpersönlicher" und "organisierter" Gewalt gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ok, dann habe ich das falsch verstanden, so nach dem Motto, hierarchische und nach bestimmter Produktionsweise organisierte Gesellschaften würden automatisch gewaltgeneigt, unabhängig von den vorhandenen Ressourcen (was meiner Meinung nach Unsinn wäre). Es geht also nur um die Herausbildung von Hierarchie und Wirtschaftsweise.
 
Das hierarchisch organisierte Gemeinwesen zu Gewalt neigen und nicht mit den vorhandenen Ressourcen auskommen, ist "meine" Theorie.
Eben weil egalitäre Gemeinschaften solche eingebauten Mechanismen haben, die dafür sorgen, das keine Hierarchie entstehen kann, muß es irgendwelche Gründe dafür geben, das diese Mechanismen außer Kraft gesetzt wurden.
Und diese Gründe möchte ich herausfinden.
 
Eben weil egalitäre Gemeinschaften solche eingebauten Mechanismen haben, die dafür sorgen, das keine Hierarchie entstehen kann, muß es irgendwelche Gründe dafür geben, das diese Mechanismen außer Kraft gesetzt wurden.
Und diese Gründe möchte ich herausfinden.
Meinst du jetzt ideologisch motivierten Gesellschaften, wie die Kibbuzim, und religiöse, wie die Amischen? Dazu muss man aber sagen, das diese unter einem Schwund der Jugend leiden.
 
Meinst du jetzt ideologisch motivierten Gesellschaften, wie die Kibbuzim, und religiöse, wie die Amischen? Dazu muss man aber sagen, das diese unter einem Schwund der Jugend leiden.

Nein, eher die "Steinzeit"gemeinschaften.
Ideologisch zusammengehaltene Gemeinschaften sind m.M. nach auch nur Zwangsgemeinschaften, die auf Dauer wohl auch nicht existenzfähig sind.
Gerade Religion oder Ideologie halte ich für kontraproduktiv, weil sie die "natürlichen" Verhaltensweisen unterdrücken. Sie sind also nur "Ableger" größerer Hierarchien. Also ist es kein Wunder, das sie unter "Schwund" leiden, wer will schon dauernd von irgendwelchen Göttern bevormundet werden...
 
Woher wissen wir denn, dass die paläolithischen Gemeinschaften keinen Hierarchien kannten? Ich bin ja skeptisch gegenüber Tier-Mensch-Vergleichen (und werde nicht müde, daran zu erinnern, dass selbst die Verhaltensweisen der Bonobos und der Riesenschimpansen sich so derart unterscheiden, obwohl beides Schimpansen sind, dass ihre Verhaltensmuster (oder die anderer Tiere) nicht 1:1 auf den Menschen zu übertragen sind), aber gibt es überhaupt irgendein gruppen-bildendes Säugetier, das keine Hierarchie kennt? Bilden sich nicht schon im Kindergarten und in der Grundschule immer wieder Hierarchien? Wieso also die Annahme einer Abwesenheit von Hierarchie in der Altsteinzeit? Auf welcher Basis?
 
Woher wissen wir denn, dass die paläolithischen Gemeinschaften keinen Hierarchien kannten? Ich bin ja skeptisch gegenüber Tier-Mensch-Vergleichen (und werde nicht müde, daran zu erinnern, dass selbst die Verhaltensweisen der Bonobos und der Riesenschimpansen sich so derart unterscheiden, obwohl beides Schimpansen sind, dass ihre Verhaltensmuster (oder die anderer Tiere) nicht 1:1 auf den Menschen zu übertragen sind), aber gibt es überhaupt irgendein gruppen-bildendes Säugetier, das keine Hierarchie kennt? Bilden sich nicht schon im Kindergarten und in der Grundschule immer wieder Hierarchien? Wieso also die Annahme einer Abwesenheit von Hierarchie in der Altsteinzeit? Auf welcher Basis?

Vielleicht hast Du Recht, und man müßte genauere Begriffe verwenden.
In sozialen Verbänden gibt es natürlicherweise Rangordnungen, in die sich die Mitglieder der Gruppe einfügen und dort, je nach Fähigkeiten, eine bestimmte Rolle ausfüllen. Diese Rolle kann sich aber ändern, wenn sich die Fähigkeiten des Gruppenmitgliedes ändern oder die gruppenmitglieder entscheiden, das jemand seinen Rang verliert und einen anderen einnimmt.

Was ich mit "Hierarchie" meine ist eher eine institutionalisierte, festgefügte und durch mehr oder weniger großen Zwang aufrecht erhaltene künstliche Rangordnung, in der nicht mehr die Fähigkeit, sondern (z.B.) Reichtum, Aggressivität oder Herkunft die Stellung innerhalb der Gruppe bestimmt.
 
Was ich mit "Hierarchie" meine ist eher eine institutionalisierte, festgefügte und durch mehr oder weniger großen Zwang aufrecht erhaltene künstliche Rangordnung, in der nicht mehr die Fähigkeit, sondern (z.B.) Reichtum, Aggressivität oder Herkunft die Stellung innerhalb der Gruppe bestimmt.
Aber ist (materieller) Reichtum nicht das einzige davon, was wir für die Altsteinzeit ausschließen können?
 
Bis auf "Fähigkeit" würde ich alles andere für die Alt-, Mittel und Jungsteinzeit ausschließen.
Reichtum gab es nicht, Aggressivität gegenüber Gruppenmitgliedern wird von der Mehrheit nicht dauerhaft geduldet (da gibts auch bei Schimpansen "eins auf die Mütze") und Herkunft im Sinne von vererbter Machtstellung gibt es da auch nicht.
Alle beobachteten, noch existierenden "steinzeitlichen" Jäger- und Sammler und primitiven Ackerbaugesellschaften hatten wohl keine Rangordnungen, in denen andere als "fähige" Leute dauerhaft eine "höhere" Stellung innehatten.
Selbst bei Tieren werden unfähige Anführer sehr schnell "abgelöst" oder verziehen sich gar freiwillig von diesem "Posten", wenn sie nicht mehr die Unterstützung der Mehrheit haben.
 
So finden wir dichter besiedelte Gebiete in den Flusstälern von Nil, Euphrat, Tigris, Indus u.a. Sogar im gut mit Regen versorgtem Europa siedelten die Bandkeramiker in den Flussauen, das lag u.a. an der längeren Fruchtbarkeit der Böden.
das war alles ein paar tausend jahre später als die anfänge von catal höyük 10.000 BC

die menschen haben immer in der nähe von wasser gelebt, egal ob sie feldbau betrieben haben oder nicht, selbst höhlen waren anscheinend uninteressant, wenn es kein wasser gab

Dichtere Besiedlung führt zu Regelungsbedarf und Organisation, wenn sie einigermaßen friedlich bleiben soll.
auf jeden fall, und das bestimmt schon in kleinstgruppen

können die Übergänge nicht viel fließender gewesen sein
ja, es brauchte ca. 2.000 jahre

Ein Punkt bei Vorratshaltung ist aber, wer teilt die Vorräte ein, damit sie bis zur nächsten Jagd reichen.
vermutlich rangordnung, abhängig vom alter (erfahrung)

Aus meiner Sicht kann man nicht zwingend argumentieren, das Mehrwert zur Ausbildung von differenzierten Gesellschaften führt.
mehrwert als die gier nach 'MEHR haben wollen' anscheinend vielleicht schon, so sie denn von erfolg gekrönt war

Wenn Vorratshaltung im eigenen Haus für das eigene Feld betrieben wurde, es also familienbezogene Besitzverhältnisse gab, neben Gemeinschaftsweiden und -wäldern, kommt es zwangsläufig zu verschieden großen Vorräten, weil Arbeitsleistung und Feldgröße und -güte sich von Familie zu Familie unterscheiden.
das wort 'familie' impliziert paarfamilie wie wir sie heute kennen - in catal höyük waren die 5.000 (?) menschen in 'blutfamilien' (matrilinear) zu um die 100 menschen aufgeteilt, die anscheinend auch in zusammenliegenden häusern gelebt haben (stadtteile) - die geminsamen erträge wurden auf die einzelnen häuser aufgeteilt und dort gelagert

Reicht der Vorrat nicht bei allen, werden die armen Familien die reicheren um eine Spende bitten und sie wahrscheinlich bekommen,
vermutlich haben sich die einzelnen blutsfamilien untereinander geholfen

Diese Geschenk und Gegengeschenkkultur ist noch für die Hochkulturen des 4-3. Jahrtausends belegt aus den Schriftwechseln der Herrscher.
heute noch üblich bei naturvölkern im polynesischen raum

Du meinst also der Besitz von Rindern war der Umschlagpunkt zu Akkumulation von Privatbesitz und damit verbundenem Ansehen?
nicht der besitz, denn bei der rinderdomestikation (kalb einfangen und grossziehen) war ein sprunghafter anstieg der kopfzahl der herden kaum möglich

erst bei der zucht kam es zu grösseren herden, und da gab es ein MEHR, was man kaum selber aufessen konnte

Der Mehrwert muß als nützlich und erstrebenswert empfunden worden sein und nicht als Belastung, weil er soziale Verpflichtungen nach sich zog.
warum muss die gier nach MEHR als ich brauche (auch unter der berücksichtigung von vorratshaltung für schlechte zeiten) als nützlich und erstrebenswert sein?

In einem Land der Glückseligen möchte ich nie leben.
ich schon
Das bedeutet Stillstand. ...Gleichschaltung ...
wieso das denn?

In Affensippen gibt es eine deutliche Hierarchie.
wie in einem vorbeitrag von mir erklärt haben wir uns vor sechs millionen jahren entgültig von der linie der 'affen' verabschiedet - wenn man z.b. bedenkt, wie schnell der mensch benötigte gene neu kreiiert (lactosespaltungsgen) oder überflüssige abschafft, dann ist das für mich fast schon beim urknall ein zu ordnen
Im Ersten Weltkrieg spielte die Vorstellung ..
das war noch viel später
Wenn gewalttätige Verhältnisse aber auch unter Bedingungen herrschen, die eine relativ kleinteilige und kleingruppen- oder familienbezogene Lebensweise auszeichnen ...
in catal höyük gab es in 12 ausgrabungsschichten als beleg, dass dort tausende von menschen über mehr als tausend jahre zusammengelebt haben, KEINEN einzigen skelettfund, der spuren einer durch menschen verursachten gewalteinwirkung aufwies (ich persönlich kann diese aussage allerdings nicht nachprüfen ...;))
Eben weil egalitäre Gemeinschaften solche eingebauten Mechanismen haben, die dafür sorgen, das keine Hierarchie entstehen kann, muß es irgendwelche Gründe dafür geben, das diese Mechanismen außer Kraft gesetzt wurden.
Und diese Gründe möchte ich herausfinden.
ich auch
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(auch wenn es manchmal so klingt, ich erhebe mit meinen aussagen keinen absoluten geltungsanspruch, es ist immer meine persönliche auffassung)[/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
In sozialen Verbänden gibt es natürlicherweise Rangordnungen, in die sich die Mitglieder der Gruppe einfügen und dort, je nach Fähigkeiten, eine bestimmte Rolle ausfüllen. Diese Rolle kann sich aber ändern, wenn sich die Fähigkeiten des Gruppenmitgliedes ändern oder die gruppenmitglieder entscheiden, das jemand seinen Rang verliert und einen anderen einnimmt.
ein 6-jähriger durfte bestimt nicht den ersten speer auf das bepirschte gnu werfen ... so wie man heute auch kein kind ans steuer eines 24-tonnen-tanklastzuges setzen würde ...

aber wenn der 6-jährige älter wurde, dann stieg er sicher auch im 'rang' auf

Was ich mit "Hierarchie" meine ist eher eine institutionalisierte, festgefügte und durch mehr oder weniger großen Zwang aufrecht erhaltene künstliche Rangordnung, in der nicht mehr die Fähigkeit, sondern (z.B.) Reichtum, Aggressivität oder Herkunft die Stellung innerhalb der Gruppe bestimmt.
wir kommen der sache anscheinend näher:

(flache) 'rangordnung' (mir fehlt noch ein passendes wort, dieses 'rang' hat etwas, was ich nicht mag) als notwendige organisationsform wohl schon in den kleinsten gruppen nötig

hirarchie dann wie du sie beschreibst

auch ist ein unterschied beim wort 'gewalt' zu machen

hirarchie beinhaltet solche worte wie staatsgewalt, gewaltenteilung, gewaltmonopol

(dazu gehen mir all die aktuellen bilder durch den kopf, wo in so vielen staaten dieser welt derzeit polizei in schwarzer montur gegen bürger vorgeht - sie unterscheiden sich nur in dem wort 'polizei', welches immer in anderen sprachen auf ihren rüstungen zu lesen ist)

lg
 
Zuletzt bearbeitet:
...und Herkunft im Sinne von vererbter Machtstellung gibt es da auch nicht.

Auch das wissen wir nicht. Ich würde das zwar auch nicht annehmen, aber Sicherheit darüber kann es nicht geben.

in catal höyük waren die 5.000 (?) menschen in 'blutfamilien' (matrilinear) zu um die 100 menschen aufgeteilt, die anscheinend auch in zusammenliegenden häusern gelebt haben (stadtteile)

Das wissen wir nicht. Aus dem archäologischen Befund (und nur den haben wir!) lässt sich so etwas nicht entnehmen!
 
[OT an]wenn mir persönlich etwas so vorkommt, dann würde ich versuchen, gründlich zu recherchieren, bevor ich es verwerfe

Das ist ein guter Hinweis.
Daher sollte man auch erst einmal Klaus Schmidts Buch "Sie bauten die ersten Tempel" (München 2006) lesen, bevor man Botts Text beurteilt, in dem er Schmidt am laufenden Band kritisiert.

Bott schreibt z. B.:

Der Archäologe Klaus Schmidt zeigt sich überrascht durch den Befund , dass die in Catal Höyük nachgewiesene Rinder-Zucht dort "keine Repräsentation in der Symbolwelt fand" (S. 56) und darüber , dass Rinder in den Wandmalereien der Jagdszenen fehlen. Er erklärt dies damit, dass die Männer offenbar in der neuen Realität noch nicht angekommen seien und noch ihren alten Jäger-Träumen anhingen. (S. 56).

Eine Erklärung , die mich nicht überzeugt: Erstens: Eine prominentere Repräsentation als durch die alles dominierenden Bukranien konnte der Rinderzucht in der Symbolwelt der Siedlung nicht gegeben werden.

Zweitens: Die Rinder fehlen , logischerweise, in den Jagdbildern deshalb ,weil sie nicht mehr gejagt wurden. Die Zeit der Rinder-JAGD war vorbei.

Ferner war dem Rinder-Kult ja in höchstem Grade Genüge getan, weil deren Schädel und Bukranien mit den höchsten Ehren bedacht und zu Kultgegenständen erhoben worden waren. Einer weiteren Darstellung in Wandmalereien bedurfte es daher nicht.
Die Erklärung Schmidts überzeugt mich auch nicht, die "Logik" Botts noch viel weniger. Warum sollen Rinder nicht mehr gejagt werden sein? Nur weil Rinder auch als Haustiere gehalten wurden? In Europa hält man Hausrinder seit Jahrtausenden und hat trotzdem Wildrinder bis in die Neuzeit gejagt - bis sie ausgerottet waren. Wildschweine werden heute noch gejagt, obwohl seit Jahrtausenden Hausschweine gezüchtet werden.

Nun habe ich nachgelesen, was Schmidt tatsächlich schreibt:
SchmidtMünchen 2006 schrieb:
Auffällig ist, daß sich in der Symbolwelt von Çatal Höyük keinerlei Hinweise - und zwar weder in der "Oberwelt" noch in der "Unterwelt" - auf Landwirtschaft finden lassen, ob wohl sich 14 verschiedene Kulturpflanzen archäologisch nachweisen lassen, dieser Tätigkeitsbereich also gut belegbar ist.
...
Die entdeckten Tierknochen belegen, daß die Bewohner des Ortes Hausrinder hielten, die gewiß eine bedeutende wirtschaftliche Grundlage für die Bewohner bildeten. Um so mehr überrascht es, daß auch diese Tiere offenbar keine Rezeption in der Symbolwelt erfahren haben. In den zahlreichen Tierszenen der Wandbilder erscheint, so läßt es jedenfalls die Art der Darstellung folgern, das Wildrind, der Auerochse, nicht das Hausrind. Haben die Bewohner von Çatal Höyük tatsächlich allein ihre Jagdbeute künstlerisch verewigt, so dürfen wir vielleicht daraus schließen, daß sie gedanklich noch nicht so ganz in ihrer neuen Realität angekommen waren - wie auch immer ihr Lebensalltag ausgesehen haben mag. Legen wir die überlieferten Wandbilder zugrunde, so waren sie jedenfalls nicht (ausschließlich) mit Haus und Hof beschäftigt. Sie träumten noch die alten Träume der Jäger.

Wie Bott hier dem Leser eine These als "logisch" verkauft, die jeder Logik spottet und den archäologischen Befund ignoriert, ist schon dreist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ich mit "Hierarchie" meine ist eher eine institutionalisierte, festgefügte und durch mehr oder weniger großen Zwang aufrecht erhaltene künstliche Rangordnung, in der nicht mehr die Fähigkeit, sondern (z.B.) Reichtum, Aggressivität oder Herkunft die Stellung innerhalb der Gruppe bestimmt.
Jeder nach seinen Fähigkeiten. Wenn man dann drei Künstler in der Familie hat, die gerne ausschlafen, wird niemand satt.

Mit Reichtum oder Herkunft ist das so eine Sache, sie müssen auch von der Mehrheit akzeptiert werden, sonst sind sie nichts wert. Um das Übel an der Wurzel zu packen, müsste man die Mehrheit verändern, damit sie Reichtum, Herkunft oder Aggressivität verpönt. Das allerdings artet früher oder später in Umerziehung und Gleichschaltung aus. Man müsste dem Menschen den Menschen austreiben.
 
Ich hatte es im gegenteiligen Zusammenhang verwendet :

Bei Jägern&Sammlern gibt es ein Verhalten der Individuen, das zu eine egalitäre Gesellschaftsordnung begünstigt (und das ich als "Neid" bezeichnet habe), indem nämlich jeder abgestraft wird, der sich mehr Besitz (z. B. Beute) oder mehr Prestige verschafft als die anderen.

In einem Beispiel aus Namibia wird beschrieben, dass dort die Jagdbeute zunächst demjenigen gehört, dessen Pfeil das Tier erlegt hat, und dass ein guter Jäger den schlechteren seine Pfeile in den Köcher schmuggelt, damit er selbst nicht den Neid der anderen auf sich zieht (was wiederum der Egalität dienlich ist).

Wichtig ist, dass sich diese Form von "Neid" auf der praktisch-alltäglichen individuellen Ebene abspielt, und sich eine solche Gesellschaftsordnung daher auch in den archäologischen Befunden - Reihenhäuser statt Paläste - wiederspiegeln kann.

Leider kann ich meine Skepsis bei den ethnologischen Analogien nur schwer unterdrücken - gerade bei den afrikanischen Rückzugsgebieten.
Da haben sich Menschen über Jahrtausende mit einem Leben in klimatisch benachteiligten Gebieten arrangiert. Das ist eine große Kulturleistung. Die Voraussetzung dafür ist aber das Bewußtsein, dass Abwandern nicht oder nur mit einer Veränderung der Lebensweise möglich ist.
Gab es dieses Bewußtsein um 7300 BC in Anatolien?
 
Ein paar Anmerkungen/Fragen zur Antwort 92 von Annelise

Das Wort Familie impliziert in meinem Beitrag nichts weiter als das Zusammenleben von Menschen verschiedenen Alters, insbes. Kinder, die irgendwie miteinander verwandt sind.

Ob die Familienverhältnisse matri- oder patrilinear /-lokal waren, ist für das Vorhandensein von Familienstrukturen nicht entscheidend.
Die Diskussion über die Kenntnis der biologischen Vaterschaft, die in einem, der von dir verlinkten Paper anklingt, hatten wir hier im Forum intensivst. Das ist ein populäres Thema, natürlich auch für Journalisten.

Was meinst du eigentlich mit Blutsfamilien?

Zu den angeblich friedlich gestorbenen Skelettfunden hätte ich noch die Frage, wie sich der Umstand der in Catal Hüyük üblichen Sekundärbestattung unter den Schlafpodesten auf die Untersuchungsmöglichkeiten ausgewirkt haben könnte?
 
Die Voraussetzung dafür ist aber das Bewußtsein, dass Abwandern nicht oder nur mit einer Veränderung der Lebensweise möglich ist.
Gab es dieses Bewußtsein um 7300 BC in Anatolien?

Ich denke, es ist eine angeborene menschliche Eigenschaft, den einmal eingenommenen Status so lange wie möglich bei zu behalten.
Eine Gemeinschaft, die sich irgendwo eingerichtet hat und in einem stabilen Gleichgewicht lebt, wird sich nur durch starken äußeren Druck "verändern" (abwandern oder eine andere Lebensweise annehmen).
Genau das ist es ja, was langfristig gesehen die Ressourcen schützt und die Gemeinschaft zusammen hält: Sich mit den Umständen arrangieren und daran anzupassen. Das hat ja Millionen Jahre funktioniert.

Erst wenn "irgendjemand" daher kommt und "mir" keine andere Wahl läßt, werde "ich" eine andere Lebensweise akzeptieren (wenn keine Abwanderung möglich ist).
 
Jeder nach seinen Fähigkeiten. Wenn man dann drei Künstler in der Familie hat, die gerne ausschlafen, wird niemand satt.

Mit Reichtum oder Herkunft ist das so eine Sache, sie müssen auch von der Mehrheit akzeptiert werden, sonst sind sie nichts wert. Um das Übel an der Wurzel zu packen, müsste man die Mehrheit verändern, damit sie Reichtum, Herkunft oder Aggressivität verpönt. Das allerdings artet früher oder später in Umerziehung und Gleichschaltung aus. Man müsste dem Menschen den Menschen austreiben.

Auf solchen Quatsch erwartest Du doch wohl keine Antwort?
Was hindert denn einen Künstler daran, auch mit auf dem Feld zu arbeiten und in seiner Freizeit seiner Kunst nach zu gehen?
In Steinzeitgemeinschaften wurde im Allgemeinen nur 3-4 Stunden täglich "gearbeitet", da bleibt für jeden genug Zeit, seine Hobbys auszuüben.
 
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