Aber wie dargestellt, hat Fischer sein Hauptwerk 1961 publiziert – und stand mit seinen Erkenntnissen trotzdem allein da.
Es wäre schön, wenn du mal belegen würdest, von welchen Erkenntnisse du da sprichst. Womit Fischer ziemlich allein stand, war die These von der Hauptschuld, die allerdings keine Erkenntnis, sondern eben lediglich eine (relativ schwache und steile) These darstellt.
Die Gilde der westdeutschen Historiker war zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich anderer Meinung als er – da darf man schon fragen: Was haben sie die ganze Zeit gemacht?
Im Gegensatz zu Fischer nicht spekulativ nach Kriegsbeginn entstandene Zielvorstellungen ohne Quelle vor den Kriegsbeginn rückprojeziert.
Oder lieber der Politik nach dem Mund geredet und/oder einfach nur die Legende wiederholt, die man ihnen ab 1919 auftischte? Dazu bedurfte es schon der Kühnheit, nicht nur die Forschung der DDR-Historiker zu ignorieren, sondern auch die aus dem befreundeten Westen!
So, du unterstellst also den westdeutschen Historikern der Politik nach dem Mund geredet zu haben während du die DDR-Forschung für vorbildlich erklärst? Merkst du hoffentlich selbst.
Der Hauptgrund warum Fischer mit seiner Hauptschuldthese ziemlich allein darstand, sind die methodischen und der Umstand, dass es an Quellenbeweisen dafür fehlte und nach wie vor fehlt.
Die These, Deutschland sei in den I. Weltkrieg hineingeschlittert, ist ein Märchen, denn die Vorbereitungen dazu fingen spätestens 1902 mit der Flottenbau an.
Wenn Deutschland ab 1902 (spätestens den Krieg wollte, erkläre bitte warum):
- Es ihn 1905 oder in der folge nicht begann, obwohl Russland gerade von der Niederlage gegen japan und Revolution geschüttelt am Boden lag und ein Krieg mit wenig Aufwand zu gewinnen gewesen wäre
- Die Rüstung nicht in dem Maße forciert wurde, wie das möglich gewesen wäre, jahrelang wurden überhaupt keine Heeresvermehrungen betrieben, die 1912/1913 beschlossene Aufstockung wurde auf Betreiben des Kriegsministers v. Heeringen von 300.000 auf 100.000 Mann eingedampft. Das Reich gab pro Kopf weniger Geld für das Militär aus als frankreich und bildete auch einen deutlich geringeren Anteil seiner theoretisch wehrpflichtigen Bevölkerung tatsächlich an der Waffe aus.
- 1913 das Flottenwettrüsten stillschweigend beendet wurde, denn der ausbleibende Beginn der Konstruktion weiterer Schiffe und das weitgehende Beschränken auf die Beendigung begonnener Projekte ja den genglichen Vorsprung in der Folge vergrößern musste.
- Trotz des Umstands das dass Haber-Bosch-Verfahren sit 1911 bekannt war, vor Kriegsbeginn keine Anstrengungen unternommen wurden eine autarke Sprengstoffproduktion aufzubauen, die nicht mehr vom Chile-Salpeter abhängig war.
- Keine größeren Investitionsprogramme in die strategischen Bahnen im Osten, den Ausbau von Umspuranlagen für die Russische spurweite etc. aufgelegt wurden.
Das alles widerspricht der Vorstellung es sei auf Krieg hingearbeitet worden massiv, wie auch der Stand der neueren Tirpitz-Forschung und die entsprechenden Thesen zum "Risiko-Gedanken".
Wäre schön, du würdest einfach mal aufhören hartnäckig zu ignorieren, was in den letzten rund 100 Jahren so an Erkenntnissen insgesamt gwonnen worden ist.
Aufgrund der späten Einigung fühlte sich Deutschlands bei der Aufteilung der Welt zu kurz gekommen – und wollte diesen Zustand ändern.
Dazu war - das beweist das britisch-deutsche Abkommen über die portugiesischen Kolonien - (war zwar nicht ratifiziert, immerhin aber fertig ausgearbeitete und paraphiert).
Deutschland hätte auf Basis dieses Abkommens reelle Aussichten im Falle dass die Sanierung der portugiesischen Staatsfinanzen die Abstoßung der portugiesischen Kolonien unumgänglich machten, Nord-Mocambique und den größten Teil von Angola auf friedlichem Weg zu übernehmen, was rein territorial den deutschen Besitzstand in Afrika auf einen Schlag verdoppelt hätte.
Deutschland hätte sich auch jederzeit in einen Plan zur Aufteilung des Osmanischen Reiches einlassen können, wie es anderen europäischen Mächten vorschwebte. Auch hier wärenn ohne Weltkrieg Kolonien zu gewinne gewesen, wenn man das unbedingt gewollt hätte. Wollte man aber nicht, da man der Meinung war dass die Erhaltung den eigenen Einflussinteressen eher entgegen kam.
Man machte 1913-1914 Anstalten bei den Briten zu sondieren ob eine Vereinbarung, wie für die portugiesischen Kolonien vorgesehen auch für Belgisch-Kongo erreichbar wäre, falls Belgien nicht mehr in der Lage wäre das Gebiet zu unterhalten.
Und so ganz verteilt, wie es das geflügelte Wort behauptete, war die Welt dann auch noch nicht. Man hätte jederzeit versuchen können seinen Einfluss in China auszubauen, ohne dafür einen Weltkrieg anzetteln zu müssen, man hätte außerdem versuchen können sich in Siam oder Persien weiter festzusetzen.
In Somalia wurde von deutscher Seite her ein Projekt sich als Kolonialmacht dort zu etablieren sogar aufgegeben, um Italien eine Koloniegründung dort zu ermöglichen und die Beziehungen zu Rom zu verbessern.
Zum Ausbau des Kolonialreiches war ein Weltkrieg nicht notwendig.
Im Übrigen wenn man der Meinung gewesen wäre Krieg führen zu müssen um sein Kolonialreich zu vergrößern, wären das logische Ziel die Niederlande gewesen.
Die ursprünglichen Thesen Fischers haben bis heute bestand.
Jede These die mal geäußert wurde hat in ihrer Gestalt als These Bestand. Belege für sein "Hauptschuld"-Postulat, die irgendeinen Bestand haben könnten hat Fischer nie geliefert.
Wörtlich hat Mommsen das nicht getan. Aber indem er Caesar so überschwänglich lobte und in eine Reihe mit Perikles und Napoleon stellte, hat er klar zu erkennen gegeben, wo seine Präferenzen liegen.
Dir ist aber klar, dass Mommsen zu den Begründern der Fortschrittspartei war und in den 1860er Jahren im preußischen Landtag saß?
Heißt er war während des preußischen Verfassungskonfliktes und Bismarcks Vorbeirregieren am Landtag und dessen Budetrecht vertreter der Partei, die sich dieser Entwicklung gegenüber von allen vertretenen Strömungen am kritischsten zeigte und auf die Rechte des Parlamentes pochte.
Auch wenn er sich später mit der Bismarck'schen Politik aussöhnte und sich später zu den Nationalliberalen schlug, die rückwirkend bereit waren über Bismarcks Verfassungsbruch hinweg zu sehen, hat er während der Auseinandersetzung zu einer Partei gehört, die den Ruf nach einem "starken Mann" strikt ablehnte.
Du sagst es: Er trug zu einen Paradigmenwechsel bei – und wurde deswegen von den alten Garde angegriffen, die nicht einsehen wollte, dass sie 20-30 Jahre auf dem falschen Pferd saß.
Ein Paradigmenwechsel bedeutet für dich zum Mitschreiben nicht, dass das alte Paradigma falsch und das neue richtig oder zumindest besser wäre, sondern erstmal nur eine Verschiebung des Diskurses in andere Themenzusammenhänge.
In diesem Zusammenhang ist vielleicht interessant, dass das Dokument über sog. Septemberprogramm schon in den 1940er Jahren entdeckt, aber danach weiter geheim gehalten wurde – bis Fischer es wieder ausgrub.
Wobei du hier fröhlich den Umstand des zweiten Weltkriegs ignorierst, den Umstand, dass möglicherweise nicht bekannt war, wo es durch die Kriegsereignisse abgeblieben war und ob es noch existierte, so wie, denn Umstand, dass zunächst einmal die Siegermächte die Hände auf dem Großteil des Archivguts hatten, es teilweise auch außer Landes brachten, so dass Inaugenscheinnahme und Publikation möglicherweise zeitnah schlicht nicht möglich waren.
Mal abgesehen von der Neuordnung des akademischen Betriebs und die Schwierigkeiten über die Besatzungszonen hinweg zu arbeiten.