Napoleon (2023)

Ich finde diesen Film nicht so schlecht, wie über ihn hier – und nicht nur hier – geschrieben wird. Ich finde, man muss diesen Film unter der Prämisse sehen, was Scott mit diesem Film sagen wollte (Beziehung Napoleon-Josephine beleuchten); und da finde ich, ist er diesem Anspruch gerecht geworden.

Was den historischen Napoleon betrifft, ist mein Urteil zwiespältig. Einerseits war er ein Herrscher, der Angriffskriege führte und dabei über Leichen ging. Aber er war eben nicht nur fähiger Militär und Eroberer, sondern auch derjenige, der die Früchte der Französischen Revolution nach Europa (und darüber hinaus) gebracht hatte. Dass das unter Zwang geschah, war wohl notwendig, denn von allein wäre der Adel – und mit ihm die damaligen Monarchien – nicht bereit gewesen, die Menschen- bzw. Bürgerrechte, die der Code civil mitbrachte, zu akzeptieren. Jedenfalls nicht so schnell.
 
Was den historischen Napoleon betrifft, ist mein Urteil zwiespältig. Einerseits war er ein Herrscher, der Angriffskriege führte und dabei über Leichen ging. Aber er war eben nicht nur fähiger Militär und Eroberer, sondern auch derjenige, der die Früchte der Französischen Revolution nach Europa (und darüber hinaus) gebracht hatte. Dass das unter Zwang geschah, war wohl notwendig, denn von allein wäre der Adel – und mit ihm die damaligen Monarchien – nicht bereit gewesen, die Menschen- bzw. Bürgerrechte, die der Code civil mitbrachte, zu akzeptieren. Jedenfalls nicht so schnell.
Hm, dann hätte er spätestens am 19. März 1812 Ferdinand VII. aus der Haft entlassen und um einen Frieden mit den Spaniern ersuchen sowie einem bedingungslosen Abzug seiner Truppen aus Spanien aushandeln müssen. Es dauerte aber noch bis 1814 bis eine spanisch-britische Koaltion Napoleon gänzlich aus Spanien herausgeworfen hatten.

Auch in Berlin konnte Heinrich von Kleist mit seinen Abendblättern (dem 1810/11 ersten täglich erscheinenden Periodikum Deutschlands) diese dicht machen, weil er die notwendigen Informationen nicht mehr erhielt (die Leser kauften den Abendblätter in erster Linie wegen der Polizeiberichte, weniger wegen Kleists sonstigen Texten), weil er sich bei den Franzosen mit seiner mal mehr mal weniger unterschwelligen Kritik unbeliebt gemacht hatte.

So ganz überzeugt das nicht. Die Frage ist: Heiligt der Zweck (der ja zu hinterfragen wäre) die Mittel?

Nichts gegen Napoleons Eroberungen im Zuge der Koalitionskriege - aber wie rechtfertigt sich der Angriff auf die verbündeten Spanier?!
 
Wenn man sich anschaut, wie selbstsüchtig Napoleon das Fell des erlegten Bären verteilt hat, wie unerbittlich er Kritik und Unabhängigkeitsbestrebungen verfolgte, scheint mir klar zu sein, dass seine ach-so-gepriesenen Reformen nur Stillhaltetropfen für die unterworfenen Völker waren – in Frankreich selbst hatte er gesehen, dass er nur den Anschein waren musste, und seine Position war gefestigt. Militärisch war der Mann ein Genie, aber wie fast alle Genies auch mit pathologischen Charakterzügen, der zur Befriedigung seines Egos buchstäblich über Leichen ging. Und zwar bis zu 6,5 Mio. Leichen, wenn man der Wikipedia glauben darf.

Ich sehe nicht, wie selbst der Code Civil da zu einer Bewertung als moralisch ambivalenter Figur führen könnte. Allerdings gebe ich gerne zu, dass ich mich ohnehin frage, warum dieser Mann nicht allgemein unter den großen europäischen Tyrannen eingereiht, sondern auch noch als eine Art Vater Europas bewundert wird. Zumal er anders als andere Männer seines Kalibers in einer Zeit "wirkte", in der Aufklärung und Humanismus ihm bereits das Unmoralische seines Tuns hätten aufzeigen können. Episoden wie den Streit von 2015 zwischen Frankreich und Belgien, welches eine Waterloo-Gedenkmünze auf französischen Druck hin wieder einstampfen musste, weil die angeblich die Gefühle Frankreichs verletze und einen großen Europäer diskreditiere, erfüllen mich eher mit Schauder als Belustigung.
 
Aber er war eben nicht nur fähiger Militär und Eroberer, sondern auch derjenige, der die Früchte der Französischen Revolution nach Europa (und darüber hinaus) gebracht hatte. Dass das unter Zwang geschah, war wohl notwendig, denn von allein wäre der Adel – und mit ihm die damaligen Monarchien – nicht bereit gewesen, die Menschen- bzw. Bürgerrechte, die der Code civil mitbrachte, zu akzeptieren. Jedenfalls nicht so schnell.

Inwiefern waren denn die Monarchen unbedingt das große Problem, das gesellschaftlichen Reformen im Weg stand?

In Großbritannien war die Monarchie seit Beginn des 18. Jahrhunderts weitgehend entmachtet.

Ein Zar Alexander I. hatte zu Beginn seiner Regntschaft durchaus recht liberale Ideen und Reformvorstellungen, zum Reaktionär wandete er sich erst später.

Ein Friedrich II. hatte in Preußen auf den Krondomänen die Leibeigenschaft abgeschafft, die Folter als Mittel der Justiz weitgehend abgeschafft und mit dem Beginn der Arbeit am "Allgemeinen Landrecht" durchaus auch versucht Verrechtlichung der Verhältnisse in Preußen weiter vorran zu treiben.
Was er sich seiner Zeit nicht wagte, war der Versuch größere Änderungen gegen den Adel durchzupeitschen, so dass sich Maßnahmen wie die Aufhebung der Leibeigenschaft auf die Krondomänen beschränkte, aber der Fortschrittsgedanke war hier bei der Monarchie definitiv vor der französischen Revolution vorhanden.

Ähnliches in Österreich mit Joseph II. der einen nicht unerheblichen Teil seiner Energien darauf verwendete die Modernisierung des Österreichischen Staates zu dekretieren, womit er in seinem Handeln weiterging als Friedrich II. und den Konflikt mit dem Adel und der Kirche durchaus in Teilen aufnahm, nur dass er ihn an diversen Fronten verloren hat und einen Großteil seiner Reformen aufweichen oder auf Betreiben von Adel und Kirche widerrufen musste.

Auch in Frankreich war die Monarchie in Gestalt von Louis XVI so reaktionär eigentlich nicht.
Das die überkommenen Steuerprivilegien für Adel und Kirche so nicht mehr stehen bleiben konnten, hatte Louis XVI wohl durchaus eingesehen, das Problem war eher die notwendigen Veränderungen auch durchsetzen zu können.


Das ging natürlich alles nicht so weit wie die französische Revolution die Veränderungen dann trieb.
Aber die Vorstellung, dass die Monarchie eine grundsätzlich reaktionäre Rolle gespielt habe, würde ich jedenfalls für das 18. Jahrhundert nicht teilenn wollen.
Im 19. und 20. Jahrhundert sieht das anders aus, da ist die Monarchie in Teilen tatsächlich die eingebaute Reformbremse, die zwar (bis auf einige Ausnahmen, wie z.B. Karl X. in Frankreich) in der Regel nicht mehr versucht das Rad der Zeit zurück zu drehen, aber jedenfalls eine eher konservative Einrichtung ist.
Die Rolle der Monarchien im 18. Jahrhundert würde ich anders beurteilen wollen, in dieser Zeit sind die Monarchen durachaus mitunter selbst relativ rührige Aktivposten in Sachen Reformen, die eher am Wiederstand des überkommenen Feudaladels (weniger des jüngeren Dienstadels) und des hohen Klerus (der niedere Klerus war in teilen selbst relativ mittellos und hatte von den Privilegien der Kirchenfürsten und Großwürdenträger nichts) scheiterte.

Napoléon selbst wird man aus der französischen Perspektive sogar durchaus in Teilen reaktionäre Tendezen unterstellen können, insofern er einiges, was die Revolution und die daraus hervorgegangenen Regierungen geleistet hatte, wieder rückgängig machte.
Die Sklaverei wurde wieder erlaubt, es wurden wieder Adelstitel und damit verbundene Dotationen vergeben etc.

Das macht das Bild eines Napoléon der notwendig war um dem verstockten monarchischen Europa den Fortschritt gewaltsam einzutrichtern in meinen Augen etwas fraglich.
 
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Aber er war eben nicht nur fähiger Militär und Eroberer, sondern auch derjenige, der die Früchte der Französischen Revolution nach Europa (und darüber hinaus) gebracht hatte. Dass das unter Zwang geschah, war wohl notwendig, denn von allein wäre der Adel – und mit ihm die damaligen Monarchien – nicht bereit gewesen, die Menschen- bzw. Bürgerrechte, die der Code civil mitbrachte, zu akzeptieren. Jedenfalls nicht so schnell.
Dass es ihm mit dem Wohlergehen der Menschen nicht so wirklich ernst war, zeigen doch bereits seine erzwungenen Truppenstellungen für seine Kriege. Was hatten Rheinbundsoldaten vor Moskau zu schaffen? Ihre Heimat verteidigten sie dort ganz bestimmt nicht. Ob ein gepresster deutscher Bauernsohn wirklich lieber in Russland für den Kaiser verreckte als zuhause unter der Fuchtel seines Fürsten zu leben?
Und was die Menschen- und Bürgerrechte anbelangt, so galten sie leider nicht auch für alle in den französischen Kolonien. Oder für den Herzog von Enghien.

Napoleons "Wohltaten" waren doch bloß eine Mischung aus Feigenblättchen, Beruhigungspille und Propagandaschmäh. Im Zweifel standen seine Machtinteressen stets im Vordergrund.
 
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Wenn man sich anschaut, wie selbstsüchtig Napoleon das Fell des erlegten Bären verteilt hat, wie unerbittlich er Kritik und Unabhängigkeitsbestrebungen verfolgte, scheint mir klar zu sein, dass seine ach-so-gepriesenen Reformen nur Stillhaltetropfen für die unterworfenen Völker waren – in Frankreich selbst hatte er gesehen, dass er nur den Anschein waren musste, und seine Position war gefestigt.

Zumal mit erheblichen Kontributionenn verbunden und zum Teil auch sehr eigennützig im französischen Sinn.

Die Aufhebung der wirtschaftlichen Privilegien, der Zünfte, Gewerbefreiheit etc. in den rheinischen Gebieten und den napoleonischen Musterstaaten z.B. relativiert sich doch erheblich, vor dem Hintergrund, dass im Zuge eines Zoll- und Wirtschaftssystems passierte, dass voll auf Frankreich und seine Bedürfnisse zugeschnitten war und mitunter darauf hinaus lief die Entwicklung der lokalen Wirtschaft zu Gunsten der Französischen durch systematische Benachteiligung zu unterdrücken und die Durchsetzung dieses Wirtschaftsregimes noch durch in ben betreffenden Gebieten stationierte Truppen mitunter gegen die Interessen der Bevölkerung durchzusetzen.
 
Ich sehe nicht, wie selbst der Code Civil da zu einer Bewertung als moralisch ambivalenter Figur führen könnte. Allerdings gebe ich gerne zu, dass ich mich ohnehin frage, warum dieser Mann nicht allgemein unter den großen europäischen Tyrannen eingereiht, sondern auch noch als eine Art Vater Europas bewundert wird.

Er war ein großer Tyrann- ohne Frage!

Er war aber auch ein Vater Europas- durchaus auch mit allen negativen Folgen. Den Völkern Europas erschien seine Herrschaft zuletzt als unerträglich, und als Militär wie als Eroberer ist er zuletzt grandios gescheitert. Das deutsche, das italienische, auch das polnische Nationalgefühl hätte sich kaum ohne ihn so entwickelt wie sie es dann taten. Der Historiker Thoma Nipperdey sagte mal im Zusammenhang mit der europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts "Am Anfang war Napoleon" Nipperdey meinte damit, dass die Entwicklung und Nationenbildung der meisten europäischen Staaten ohne Napoleon gar nicht denkbar war. Napoleon Bonaparte hat Europa in die Moderne katapultiert.

Er war aber doch auch ein bisschen mehr, als nur ein genialer Militär, er war auch ein bedeutender Staatsmann. Als Militär, als Eroberer ist er zuletzt gescheitert. Viele der von ihm begründeten Einrichtungen, Gründungen und Institutionen haben ihn um viele Jahre überlebt und vieles, was er begründete, hat noch immer Bestand.

Die Justizreformen im Königreich Westphalen haben das Rechtswesen nachhaltig geprägt. Viele Reformen erwiesen sich als so effektiv, dass selbst die Restauration daran festhielt, die sonst versuchte, jedes Andenken an die Franzosenzeit zu vernichten.
 
Der Historiker Thoma Nipperdey sagte mal im Zusammenhang mit der europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts "Am Anfang war Napoleon" Nipperdey meinte damit, dass die Entwicklung und Nationenbildung der meisten europäischen Staaten ohne Napoleon gar nicht denkbar war.

Kann ich ehrlich gesagt in dieser Form nicht nachvollziehen.

Unumstritten ist sicherlich, dass für die Formierung des deutschen und italienischen nationalgefühls und Nationalstaates Napoléon eine wichtige Rolle spielte, aber wo noch abgesehen von diesen beiden Räumen?

Nord- und Westeuropa hatten sich abgesehen von Irland und Belgien bereits vor Napoléon mehr oder weniger in festen territorialen Grenzen mit einigermaßen starken Zentralgewalten formiert.
In Irland und Belgien bildete sich die Nationalbewegung doch vor allem wegen dem Brass auf die britische und niederländische Politik, aber nicht wegen irgendwas wofür Napoléon vernatwortlich war.

In Spanien mag Napoléon vielleicht etwas zur "inneren Einigung" der Nation durch den Widerstadspampf gegen Frankreich beigetragen haben.

Und was Osteuropa angeht würde ich meinen, dass Napoleon da der Formierung von Nationen und Nationalstaaten eher im Weg stand, insofern er weniger mit Preußen, aber mit den diesen Raum beherrschenden Mächten Österreich und Russland immer wieder den Kompromiss suchte.

Die Polen ließ Napoléon eigentlich eher hängen, indem er ihnen die Widerherstellung eines größeren polnischen Staates versagte und lediglich das kleine, von Frankreich abhängige "Herzogtum Warschau" schuf, dass kaum größer und eigenständiger war, das 1914/1915 geschaffene und per Personalunion an Russland angegliederte "Kongresspolen".
Im Fall Polen dürfte die Nachhhaltige Verägerung über die zunehmend repsressive Politik der Teilungsmächte, im Besonderen Russland und Preußen, weniger Habsburg, wesentlich mehr für die Formierung der polnischen Nation getan haben als Napoléon.

Im Hinblick auf Österreich bestätigte Napoléon trotz mehrerer Siege über Habsburg immer wieder den Fortbestad des Vielvölkerreiches, obwohl spätestens nach dem verlorenen Krieg von 1909 Habsburg von den vielen Niederlagen derartig erschöpft war, dass die Auflösung des Habsburger Reiches sicherlich möglich gewesen wäre, hätte das Napoléons Interessen entsprochen.

Anders sieht es vielleicht mit Lateinamerika aus, da setzten die Folgen der napoléonischen Zeit einiges in Bewegung.
Aber das sind dann doch eher indirekte Auswirkungen, diesen Teil der Welt hatte Napoléon nie betreten und er hatte darauf auch nie direkten Zugriff.
 
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Die Entwicklung von Nationalitätsidentitäten richtete sich ja letztlich gegen Napoleon. Nationalitätsidentitäten haben sich im Laufe des 19. Jahrhunderts vielerorts in Europa entwickelt, wo Napoleons Armeen nie einen Fuß hingesetzt haben, und wo Frankreichs kultureller Einflus eher gering war.

Die Entwicklung eines griechischen Nationalgefühls und die Unabhängigkeits-Bewegung in Griechenland in den 1820er Jahren oder auch etwa in Serbien wären ohne die Initialzündung der Französische Revolution und die Herrschaft Napoleons nur schwer vorstellbar.

Also die mentalitätshistorischen und ideengeschichtlichen Nachwirkungen der Französischen Revolution würde ich keinesfalls unterschätzen.

Auch die politisch historischen Nachwirkungen nicht wo er nicht mal direkt involviert war. Das hatte ja Auswirkungen bis in die Neue Welt. Ohne Napoleon hätte es keine Lewis und Clarke Expedition, keinen Louisiana Purchase gegeben. Die Entwicklung der USA wäre eine andere gewesen. Ohne Napoleon wäre auch die Unabhängigkeit Lateinamerikas fraglich, die Erfolge Simon Bolivars. Ohne Napoleon der in den Kolonien die Sklaverei wieder einführte (sie wurde erst 1848 in den französischen Kolonien endgültig abgeschafft) hätte es und auch keinen Revolutions-Export nach Hispaniola, vermutlich auch keinen (erfolgreichen) Sklavenaufstand auf Haiti.

Sicher war das alles nicht Napoleons Verdienst, er hat das nicht gefördert, und die Kräfte, die sein Einfluss entfesselte, richteten sich gegen ihn.
 
2017 liess die NZZ eine Umfrage über die Geschichtskenntnisse der Schweizer machen. Auf die Frage "Welche Einzelperson hatte den größten Einfluss auf die Schweizer Geschichte" gaben von den gut 50% Prozent, die eine Person nennen konnten oder wollten, mit Abstand die meisten Napoleon an.
https://sotomo.ch/site/wp-content/uploads/2020/12/NZZ_Geschichte_Geschichtsbilder.pdf
Napoleon mag ein Tyrann gewesen sein, doch vermute ich, dass er heute vielerorts wohlwollender betrachtet wird, als andere europäische Tyrannen. Natürlich vor allem in den Gebieten, wo durch ihn eine bleibende Verbesserung der Verhältnisse herbeigeführt wurde, wie eben in manchen Teilen der Schweiz.
Selbst einer unserer Historiker titelte einen Artikel im Magazin "NZZ Geschichte" mit "Napoleon - Erfinder der Schweiz".

Wie geduldig er mit den Abgesandten der Helvetische Consulta – Wikipedia umging und seine geniale Lösung (Mediationsakte) ist schon beeindruckend und zeugt von sehr guten Kenntnissen lokaler Begebenheiten, was immer seine Absichten dabei waren.

Ich habe den Film noch nicht gesehen, er scheint sich aber in der Schweiz zum Kassenschlager zu entwickeln.
 
Ich finde, man muss diesen Film unter der Prämisse sehen, was Scott mit diesem Film sagen wollte (Beziehung Napoleon-Josephine beleuchten);

Das hätte Scott und die Werbekampagne dann auch so bennen sollen und nicht in Interviews und vor allem Trailern suggerieren es wäre ein "Ridley Scott" Film wie man es gewohnt ist.

Bei Königreich der Himmel hat er ja auch nicht in Hauptsache die Leiden des leprakranken jungen Königs von Jerusalem als Kammerspiel gezeigt - Das wäre ebenso eine Täuschung der Zuschauer gewesen die sich in den Rezensionen gerächt hätte.

Der Film war nicht schlecht - einen schlechten Film hätte ich mir nicht 160 Minuten ohne Pause angeschaut. Er war nur nicht das was ich mir erhofft hatte.
 
Dass das was an Napoleon erzählenswert ist eine Beziehungskiste ist. Die Beziehungskiste eines Riesen-Kotzbrocken der nicht von einer unerhört bedeutenden, unerhört faszinierenden Frau lassen kann.
Ja, er war Josephine hörig: Er hat z.B. ihr zuliebe die Sklaverei wieder zugelassen, weil sie glaubte, ihre Besitzungen auf Martinique würden sonst unrentabel. Und in diesem Film geht es vor allem um diese Beziehung Napoleons mit Josephine. Oder um Napoleon privat als Würstchen, der machte, was seine Frau oder seine Mutter wollten? Und vielleicht waren diese Kriege zum Teil auch Ersatzhandlungen, um sich zu beweisen, dass er doch ein Mann war?

Was hatten Rheinbundsoldaten vor Moskau zu schaffen?
Nichts. Aber da war er schon dem Wahn verfallen, er sei der Größte und könne alles, auch das große Russland besiegen.
Andererseits waren der Rheinbund und Bayern als Verbündete Frankreichs verpflichtet, Soldaten zu stellen – zusammen mehr als 100.000 Mann. Aber auch Preußen (20.000) und Österreich (30.000) lieferten "freiwillig" Soldaten an Napoleon. Alle diese "Lieferungen" waren das Ergebnis der verlorenen Koalitionskriege, die diese europäische Staaten und Fürstentümer anzettelten, um Napoleon – und mit ihm die aus der Revolution resultierenden Reformen – loszuwerden.
Aber das waren nur Zahlen, die Motivation dieser Soldaten war gering – und damit auch deren Kampfkraft.

Das deutsche, das italienische, auch das polnische Nationalgefühl hätte sich kaum ohne ihn so entwickelt wie sie es dann taten.
(…)
Napoleon Bonaparte hat Europa in die Moderne katapultiert.
Er war aber doch auch ein bisschen mehr, als nur ein genialer Militär, er war auch ein bedeutender Staatsmann. Als Militär, als Eroberer ist er zuletzt gescheitert. Viele der von ihm begründeten Einrichtungen, Gründungen und Institutionen haben ihn um viele Jahre überlebt und vieles, was er begründete, hat noch immer Bestand.
(…)
Die Justizreformen im Königreich Westphalen haben das Rechtswesen nachhaltig geprägt. Viele Reformen erwiesen sich als so effektiv, dass selbst die Restauration daran festhielt, die sonst versuchte, jedes Andenken an die Franzosenzeit zu vernichten.
Dem stimme ich zu.

Der Film war nicht schlecht - einen schlechten Film hätte ich mir nicht 160 Minuten ohne Pause angeschaut. Er war nur nicht das was ich mir erhofft hatte.
Ging mir genauso. Es ist sicherlich schwierig bis unmöglich, das Leben und Tun eines Egomannen, der in zwei Jahrzehnten fast ganz Europa nicht nur okkupierte, sondern auch in die Moderne katapultierte, in einem einzigen Film zu schildern.
Napoleon konnte das alles tun, weil sich das Europa der Monarchien als zu schwach erwies: 5 Kriege haben sie gemeinsam gegen ihn geführt und alle verloren.
Dass er am Ende scheiterte, war nicht das Verdienst dieser Monarchien, sondern seiner Überheblichkeit geschuldet.
 
Ja, er war Josephine hörig: Er hat z.B. ihr zuliebe die Sklaverei wieder zugelassen, weil sie glaubte, ihre Besitzungen auf Martinique würden sonst unrentabel. Und in diesem Film geht es vor allem um diese Beziehung Napoleons mit Josephine. Oder um Napoleon privat als Würstchen, der machte, was seine Frau oder seine Mutter wollten? Und vielleicht waren diese Kriege zum Teil auch Ersatzhandlungen, um sich zu beweisen, dass er doch ein Mann war?

Napoleon war empfänglich für die erotischen Reize der sechs Jahre älteren Josephine. Noch empfänglicher aber war er für das soziale Netzwerk, zu dem ihm Barras und Josephine Eintritt verschafften. Barras trat sogar Josephine an Napoleon ab und fungierte als Trauzeuge.

Er war wohl tatsächlich glühend in sie verliebt, während sie die Verbindung wohl eher als Versorgungsehe betrachtete und nicht auf Amouren verzichtete, vermutlich nicht einmal auf Barras.

Napoleon hat schon früh ein Informations-Netzwerk installiert, und auch er hatte zahlreiche Seitensprünge- mit und ohne Anlauf- Napoleon schreckte keineswegs davor zurück, selbst in Josephines Gegenwart mit seinen amourösen Abenteuern zu prahlen oder sie oder auch andere Damen zu kompromittieren.

Taktgefühl oder Höflichkeit kannte er nicht. Eine zeitgenössische Beobachterin berichtete, dass es ihm Vergnügen bereitete, andere bloßzustellen, und er nutzte ausgiebig die Spitzelberichte Fouchés um Frauen öffentlich über ihre Affären zu befragen.
Napoleon nutzte solche Informationen auch, um Frauen ins Bett zu bekommen oder Männer kaltzustellen. Napoleon sagte mal glücklich sei, wer sich in irgendeiner Provinz vor ihm verstecken kann.

Sein Außenminister Talleyrand sagte ihm einmal auf den Kopf zu:

"Sire, der gute Geschmack ist ihr persönlicher Feind. Könnten Sie sich seiner mit Kanonenschüssen entledigen, so wäre er längst beseitigt!"

Napoleon war sich sehr wohl bewusst, dass Josephine Affären hatte, er war mehrmals drauf und dran, sie in die Wüste zu schicken. Er hat selbst eine Vielzahl von Affären gehabt, und er gab sich nicht die geringste Mühe, das diskret zu tun- Im Gegenteil, er hat selbst in Josephines Gegenwart damit geprahlt, er hat Josephine und andere Frauen mit seinen Intimkenntnissen kompromittiert und gedemütigt.

Um eine Dynastie zu gründen, dazu war Josephine nicht geeignet, und er hat sie 1809 ziemlich lieblos gegen Marie Luise von Österreich ausgetauscht, weil sie keine Kinder mehr gebären konnte.

Josephine hat Napoleon ausgenutzt, er war der Mann, der ihr einen gewissen Lebensstandard garantierte. Aber auch Napoleon hat sich Josephine bedient. In der Zeit des Direktoriums war sie, war Barras ein wertvoller Türöffner, und Josephine war dank ihrer sozialen Kontakte ihm sehr nützlich.

Napoleon fehlte gesellschaftlicher Schliff, ihm fehlten völlig höfische Manieren und Taktgefühl, er war vielleicht im Umgang mit Frauen anfangs schüchtern und gehemmt, er hat aber durchaus nichts anbrennen lassen. Napoleon als einem hörigen Pantoffelhelden darzustellen, wird dem historischen Bonaparte nicht gerecht- der führte sich eher auf wie ein "Silberrücken", der auf eine ganze Kollektion williger Starlets zurückgreifen konnte und der nicht davor zurückschreckte, intime Kenntnisse auszuspielen und Frauen bloßzustellen.
1809 ersetzte er Josephine durch Marie Luise- Für eine Dynastie taugte Josephine nicht mehr so recht, auch wenn sie zu einer Stammmutter verschiedener Adelshäuser wurde.

Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation Deutschland 1763-1815 S. 562-566.
 
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Napoleon fehlte gesellschaftlicher Schliff, ihm fehlten völlig höfische Manieren und Taktgefühl, er war vielleicht im Umgang mit Frauen anfangs schüchtern und gehemmt, er hat aber durchaus nichts anbrennen lassen.
Na ja, er entstammte dem niederen Adel und fing in der Armee als Unterleutnant an – woher sollte er höfische Manieren beherrschen, die zudem nach der Revolution nicht mehr gebraucht wurden. Jedenfalls zunächst nicht. Und dass er später nichts hat anbrennen lassen, ist seiner Popularität geschuldet: Frauen lieben erfolgreiche und/oder mächtige Männer. Von ihnen ging dann die Initiative aus – auch bei Josephine war das offensichtlich der Fall; als sie sich kennenlernten, war sie gerade Witwe (mit zwei Kindern) geworden und war zudem hoch verschuldet.
 
. Und dass er später nichts hat anbrennen lassen, ist seiner Popularität geschuldet: Frauen lieben erfolgreiche und/oder mächtige Männer. .

Ich würde eher sagen erfolgreiche und mächtige Männer lieben es, sich mit dekorativen Frauen als Statussymbolen zu umgeben, und diese Frauen lassen sich eben kaufen.

Das Benehmen von reichen und mächtigen Männern lässt man sich auch nur gefallen, solange sie mächtig und liquide sind.

Sind sie es nicht mehr, dann tut man das, was jeder verständige Mann mit Großkotzen tun sollte: Man schmeißt sie raus
 
Andererseits waren der Rheinbund und Bayern als Verbündete Frankreichs verpflichtet, Soldaten zu stellen – zusammen mehr als 100.000 Mann. Aber auch Preußen (20.000) und Österreich (30.000) lieferten "freiwillig" Soldaten an Napoleon. Alle diese "Lieferungen" waren das Ergebnis der verlorenen Koalitionskriege, die diese europäische Staaten und Fürstentümer anzettelten, um Napoleon – und mit ihm die aus der Revolution resultierenden Reformen – loszuwerden.
Schon richtig.
Aber wäre es Napoleon tatsächlich um das Wohlergehen der Menschen gegangen, hätte er trotzdem nicht die Stellung von Truppen für einen Angriffskrieg auf Russland erzwingen müssen. Selbst wenn Napoleon Erfolg gehabt hätte, hätte der Sieg den Rheinbundstaaten, geschweige denn ihren Bürgern, nicht wirklich etwas gebracht. So oder so hätten sie nutzlos für fremde Interessen kämpfen und sterben müssen. Was nutzt ihnen da der Code civil?
 
Sind sie es nicht mehr, dann tut man das, was jeder verständige Mann mit Großkotzen tun sollte: Man schmeißt sie raus
...oder wenn man so einem eine Sinfonie in Es-Dur gewidmet hat, dann zerreißt man die Widmung wieder und macht das rückgängig :D ich gehe davon aus, dass diese berühmte Sinfonie nicht im Soundtrack des Films auftaucht
 
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