Hier genügt es wohl auf das Urteil des Verfassungsgerichtes zu verweisen, welches jschmidt beschrieb. Wenn selbst die Soldaten der Wehrmacht nicht zwischen Kampfbefehl und Mordauftrag unterscheiden konnten, so sollten wir das auch nicht tun.
Im Übrigen finde ich es sehr verwunderlich, dass weiter mit dem falsch verstandenen Ausdruck "Moral" herumgedoktert wird. Moral ist gerade nichts subjektives! Ebensowenig, wie ein Gesetz subjektiv zu verstehen ist.
Ich habe mein Anliegen, denke ich, schon oben genauer und unmissverständlicher präzesiert - möchte es aber noch einmal versuchen. Es geht bei der Wertung historischer Ereignisse um eine Sensibilität. Eine Sensibilität, bezüglich der Worte, die man gebraucht und eine Sensibilität bezüglich der Perspektive, die man wählt.
Um das anschaulicher zu machen:
Unsensibel ist es in meinen Augen das militärische Handeln der Wehrmacht zu bewundern - diese Perspektive klammert scheuklappenartig die Verbrechen der Wehrmacht und die Verbrechen im Rücken der Wehrmacht aus. Erwähnt man jedoch die Verbrechen, so ist es legitim auch die "Leistungen" der Wehrmacht zu erwähnen. Etwa die Logistik. Die Perspektive ist dadurch erweitert und wird der Ambivalenz der Historie gerecht.
Außerdem gebietet die Sensibilität eine Wortwahl, die sachlich und nüchtern bleibt und darum bemüht ist dieser Ambivalenz gerecht zu werden. Unsensibel ist es etwa von "Meisterleistungen" der Wehrmacht zu sprechen, oder gar auf deren Leistungen "stolz" zu sein. Hiermit wird nicht nur eine positiv belegte Wertung vorgenommen, sondern auch das Handeln der Wehrmacht als Ganzes (inkl. der Verbrechen) gefasst.
Diese Sensibilität gebietet die Moral - als Verstandesgesetz, dem unabhängig von Alter, Kultur und Religion jeder vernunftbegabte Mensch zustimmen müsste.
jschmidt und kW Schäfer haben bereits darauf verwiesen, dass historische Objektivität eine Fiktion ist. Leistungen als solche sind moralisch neutral, ob sie dem Guten oder Bösen dienen ändert also nichts an der Qualität der Leistungen. Zur Frage hatten wir hier im Forum schon einige gut durchdachte Beiträge bei Diskussionen zu "historischer Größe" gegeben. Die Annahme, dass Moral eine feste angenommene Größe ist, die gerade
nicht subjektiv ist und für alle Zeiten gilt, muss zwangsläufig zu Fehlurteilen führen, wenn man sich mit der römischen Gladiatur beschäftigt und diese Kämpfe auf Leben und Tod einzig unter dem Aspekt ihrer moralischen Verwerflichkeit beurteilt. Denn das, was vielen modernen betrachtern geradezu als Perversion erscheint, galt den Römern sozusagen als Inbegriff der "romanitas".
Wie wir wissen, kosteten die Kriege Friedrich II. zahllose Menschenleben, und in seiner manchmal recht offenen art gab der Preußenkönig zu, dass er den 1. Schlesischen Krieg nur aus Gier nach Ruhm vom Zaun gebrochen habe. Petersburg wurde buchstäblich auf Gebeinen errichtet, ebenso wie beim Bau von Versailles Tausende von Arbeitern ums Leben kamen, wie im Kolosseum Hunderttausende gestorben wurden. Es ist durchaus ehrenhaft, sich einmal die Kosten historischer Größe vor Augen zu führen, und noch niemals gab es irgendeine Größe der Geschichte, der nicht nicht irgendwann die Finger dreckig machte.
Ähnliches gilt auch für die Institution der Sklaverei, und kürzlich gab es im Forum eine ganz interessante Diskussion um Sklaverei und Leibeigenschaft. Sie hatte aber auch einige recht wirre Beiträge, deren Schwäche nicht zuletzt im moralisierenden Anspruch lag. Oft genug wurden dabei Äpfel mit Birnen verglichen und der historischen Objektivität war das nicht gerade sehr zuträglich.
Ich denke, im GF besteht durchaus eine Bereitschaft, die Wehrmacht überaus kritisch zu beurteilen. Dass die Wehrmacht einen Vernichtungskrieg entgegen aller Konventionen geführt hat, dass zahlreiche Kriegsverbrechen verübt wurden, dass der Hungertod von Millionen Zivilisten und Kriegsgefangenen zumindest billigend in Kauf genommen wurde und die Wehrmacht bürokratische und materielle Hilfe beim Holocaust geleistet hat wird von den meisten Geschichtsforianern sicher nicht bestritten. Respekt vor militärischen oder logistischen Leistungen der Wehrmacht zu haben, bzw. diese zu würdigen, muss ja durchaus nicht bedeuten, dass damit Verbrechen der Wehrmacht ausgeblendet oder glorifiziert werden