Hallo miteinand,
Ashigaru schrieb:
...Die Umwehrung und alle Häuser etc. bestanden hingegen, wie bei anderen Orten der Zeitstellung, aus einer Holzkonstruktion. Selbst die Legionslager am Rhein wurden m.W. erst in flavischer Zeit in Stein ausgebaut....
Yep, das Steinargument ist wirklich gewichtig. Xanten, Neuss, Bonn, Oberaden, Haltern, die waren um die Zeit alle in Holz-Erde-Technik soweit bekannt, Steinbauten die Ausnahme. So mit dem Ende des Bataveraufstands um 70 wurden die Rheinlager in Stein gegossen. Korrekt. Und es gibt genau die Ausnahme, die du auch schon erwähnt hast: Köln. Nach dendrochronologischen Untersuchungen wurde die steinerne Stadtmauer in 4n.Chr. errichtet, ergo augusteiisch Tiberianisch.
Ashigaru schrieb:
...Die Fotos auf der Idistaviso-Seite sind m.E. einfach Nonsense, egal wie man es dreht.....
Logo, m.E. eben. Aber wenn nur 5 % von dem was vorgebracht wird stimmt, dann wirds schon interessant.
Ashigaru schrieb:
... Klar, im Friebe-Forum wurde mal über die "Theorien" Meyers diskutiert. Gemeinsam mit den Hildesheimern hat er, dass er die Geschehnisse im Jahr 9 vor allem rechts der Weser vermutet. Die Hildesheimer wollen aber auch Aliso bzw. die Endschlacht "zu sich" verlegen, was nicht ganz den Geschmack des "Halb-Varus-Städters" trifft... er gestattet ihnen lediglich gnädig zu, dass in Hildesheim der Anfangspunkt der Schlacht liegen darf.....
Ach. Man muss natürlich immer unterscheiden zwischen den Indizien/Funden als solche und Interpretationen von diesen Indizien/Funden. Beides muss leider nicht viel miteinander zu tun haben, oft genug garnichts.
Aber spinnen wir doch einfach mal weiter, schliesslich wollen wir nicht nur vorgekautes wieder hochwürgen, sondern Rätsel lösen:
(a) in 4 n.Chr. ist Tiberius Statthalter in Niedergermanien. Er hat den Anspruch auf Niedergermanien bis zur Elbe.
(b) Köln wird als Verwaltungshauptstadt in Stein gebaut, um den gallisch-niedergermanischen Rheinraum zu beherrschen. Mainz für den Süden, aber das spielt hier keine so grosse Rolle, ausser dass es da ist. In Köln ist genau zu dieser Zeit Segimundus, der Sohn des Cheruskerfürsten Segestes als Hoher Priester ansässig, die Söhne des Segimers Arminius und Flavus mutmasslich als Auxiliarführer dagegen im nicht weit entfernten Xanten (Castra Vetera I).
(c) Die Elbe liegt Luftlinie 350 km östlich von Köln, Mainz nur etwa 140 km Luftlinie südlich. Es klafft da also eine gewaltige Verwaltungslücke im Osten. Der Verwaltungsexperte und Militär Tiberius ist dafür bekannt keine halben Sachen zu machen. Er braucht eine weitere Verwaltungsstadt wenn er bis zur Elbe herrschen will, ganz sicher.
(d) Das Ende der Lipperoute liegt heute Paderborn, es ist wie Mainz 150 km Luftlinie von Köln entfernt, aber dann ist die Elbe immer noch satte 200 km weit weg und dazwischen dass kaum beherrschbare Bergland vom Teutoburgerland. Das wäre also viel zu kurz gegriffen.
(e) er wählt folgerichtig die allererste Möglichkeit hinter diesen Bergen: 250 km Luftlinie von Köln und noch 100 flache Kilometer bis zur Elbe: Hildesheim, und zwar im gleichen oder folgenden Jahr wie auch Köln, also in 4 oder 5.
(f) Hildesheim hätte noch weitere geostrategische Vorteile: Neben den damals dort ansässigen vertraglich und personell gebundenen Cheruskern, trifft sich genau dort die Nordost-Lipperoute von Xanten mit der Südost-Wetterauroute von Mainz her (genauer gesagt liegt der Treffpunkt etwa bei dem hier auch erwähnten Elze an der Leine, kurz vor Hildesheim).
(g) Nicht zuletzt hat Tiberius noch einen weiteren emotionalen Grund für diesen Ort: einiges spricht dafür, dass hier ganz in der Nähe, möglicherweise im nur 10 km östlich liegenden Schellerten, sein Bruder Drusus starb. Tiberius eilte damals an diese Stelle um mit seinem geliebten Bruder die letzten Stunden zu verbringen. Eine neue Verwaltungsstadt, die "Colonia Ulpia Drusa", ihm zum Andenken gerade hier hochziehen; Warum eigentlich nicht ?
(h) nur ganze 4 oder 5 Jahre später ist der Versuch aber schon im Ansatz gescheitert, die nur teilweise fertiggestellte Stadt wird von den Cheruskern in 9 kassiert. Nachdem sich die Cherusker dann gegenseitig massakriert haben von den Sachsen übernommen und nach 772 von KdG christianisiert, indem danach die ehemals heidnische Siedlung zum Kirchengut erklärt wird und mit reichlich Kirchen gründlich überbaut wird.
Tolle Geschichte, gefällt mir irgendwie. Stimmt oder gespinnt ?
Allemal interessant genug, Heimatforscher hin und magere oder gar schwachsinnige Homepages her, um doch etwas tiefer nachzuforschen denke ich.
Cherusker schrieb:
...nicht schon wieder mit Jahn argumentieren.Oder bist Du es selbst?....
Danke, nein. Aber zum Jahn: den muss man einfach gelesen haben. Ich habe selten ein dermassen gut recherchiertes und dokumentiertes Werk gelesen. Jahn belegt jeden Satz mit Literaturverweisen, Zitaten und Fussnoten: Er hat teilweise Druckseiten, auf denen 90 % der Seite von Fussnoten eingenommen wird. Das Werk ist wirklich eine Goldgrube für die Zeit des römisch-germanischen-Krieges. Wer es noch nicht hat, der sollte es sich unbedingt besorgen. Per Uni-Fernleihe immer möglich.
Cherusker schrieb:
...Da vertraue ich doch eher den römischen Geschichtsschreibern. ....
Genau das sollte man aber nicht ohne Vorbehalt tun, ohne fundierte Quellenkritik taugen die manchmal kaum mehr als der Friebe. Sie sind aber neben stummen archäologischen Funden das wenige authentische was wir haben.
Cherusker schrieb:
...Aber es kann immerhin die Möglichkeit bestehen, daß diese römischen Geschichtsschreiber über Quellen verfügten, die heute verschollen sind. ....
Das ist nicht nur eine Möglichkeit, dass ist ganz sicher so. Die Quellen hätten wir auch gerne, z.B. das grosse zeitgenössische Geschichtswerk von Plinius dem Älteren, dass sicherlich vieles hergeben könnte.
Cherusker schrieb:
... Hildesheim eine Römerstadt? Diese Vermutung gilt z.Zt. als schick. Es soll sogar eine Führung eines Heimatforschers durch die besagte Stadt gegeben haben, wobei einige Gebäude als römisch definiert wurden. ....
Selbst wenn etwas dran ist, die Hoffnung römische Gebäude zu finden ist natürlich gegen Null anzusiedeln. Korrekt. Man darf nicht mehr als Fundamente erwarten, im Fall von Holz-Erde Technik bestenfalls Schattierungen auf dem planum.
Cherusker schrieb:
...daß die Römer höchstwahrscheinlich die Leine gen Norden gezogen sind, um dann ostwärts an die Elbe zu gelangen. Wenn man die Marschleistung der römischen Legionen berücksichtigt, so lassen sich zukünftig auch weitere Lager entdecken. Ein bestimmter Ort ist schon in den Blickpunkt geraten....
Welcher Ort wäre deiner Meinung nach ein wirklich guter Tip ?
Cherusker schrieb:
...Die Heimatforscher dagegen stürzen sich nicht auf Hildesheim, sondern auf den Ort Elze (liegt an der Leine). Die schachbrettartige Anordnung der Straßen lassen hier die Phantasie der Heimatforscher blühen. ....
Verständlich, Elze liegt an der strategisch wichtigen Kreuzung der Lippe- und der Lahn/Wetterau-Routen. Laut Stadtgeschichte ist es genau wie Hildesheim seit 800 christianisiert und genauso schon vorher besiedelt gewesen. Der Grundriss war mir noch garnicht so aufgefallen, aber du hast recht, da kann man schon in Versuchung kommen.
Na denn wünsche ich frohe Ostern, wir können derweil jamal tief in uns gehen von wegen gelegter und ungelegter Eier....
So long, beste Grüsse, Trajan.