Sommerlager des Varus

Entschuldige Trajan, aber es macht keinen Sinn, mit einer Karte in der einen und Cassius Dio oder Tacitus in der anderen Hand nach dem Ort der Varusschlacht zu suchen. Das haben schon unzählige Heimatforscher und Dorfschullehrer seit hunderten von Jahren versucht. Unabdingbar für jedwede halbwegs zuverlässige Aussage sind archäologische Funde. Aber Vorsicht: Nicht jedes gefundene Schlachtfeld muss sogleich das Varusschlachtfeld sein. Es gibt dutzende von Schlachtfeldern aus der Zeit der römisch-germanischen Kriege zwischen 9 und 16 n.Chr., die noch auf ihre Entdeckung warten. Wenn man nun Kalkriese als möglichen Ort der Varusschlacht in Frage stellt, muss man nicht unbedingt ein eigenes Modell gegenüberstellen. Sonst läuft man Gefahr, sich genauso lächerlich zu machen wie Friebe, Brepohl, Kramer etc.
 
Trajan schrieb:
Hi Cherusker,




ähem, ich warte immer noch auf DEINE Karte...ja wo ist sie denn ?

beste Grüsse, Trajan.

Die wird es auch nicht geben. Wie CATO es hier bereits geschrieben hat, gibt es unzählige Vermutungen über den Verlauf der Varusschlacht. Man kann sich nur blamieren....:pfeif:
Aber in welchem Tal sie lang zogen, das kann man nur anhand von archäologischen Funden feststellen und nicht an den Schriftquellen.

Ferner gab es auch unzählige andere Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern. So hat es u.a. auch den "immensum bellum" im Jahre 1n.Chr. gegeben. Darüber wurde von den Römern so gut wie gar nichts berichtet. Da es auch vor der Zeitenwende zu etlichen Auseinsetzungen (z.B. unter Drusus bei Arbalo) kam, sind mögliche Funde auch nicht immer mit der Varusschlacht gleichzusetzen. Daher gehe ich auch bei Kalkriese von einem "Schnellschuß" aus. Dort hat man etwas gefunden und gleich zur Varusschlacht erklärt, anscheinend ohne andere Möglichkeiten zu überprüfen. :weinen:
 
Ave Miteinand,

vielen Dank für Eure Einwendungen zur Diskussion.

Cato schrieb:
.... aber es macht keinen Sinn, mit einer
Karte in der einen und Cassius Dio oder Tacitus in der anderen
Hand nach dem Ort der Varusschlacht zu suchen. Das haben
schon unzählige Heimatforscher und Dorfschullehrer seit
hunderten von Jahren versucht. ...

Und waren erfolgreich, siehe Mommsen, der schon hundert Jahre vor Clunn das Schlachtfeld aus praktisch rein statistischen Überlegungen ausfindig machte. Daneben gabs es, da hast du recht, auch Blödsinn der sich zum Teil hartnäckig bis heute hält.

Cato schrieb:
.... Unabdingbar für jedwede
halbwegs zuverlässige Aussage sind archäologische Funde. ...

und keine Funde ohne ausreichende Theorie. Man kann nicht einfach in der Gegend rumlaufen und jedes Schrottteil z.B. den Pontes Longi zuordnen.

Cato schrieb:
.... Wenn man nun Kalkriese als möglichen Ort der
Varusschlacht in Frage stellt, muss man nicht unbedingt ein
eigenes Modell gegenüberstellen. Sonst läuft man Gefahr, sich
genauso lächerlich zu machen wie Friebe, Brepohl, Kramer etc. ...

Genau so ist es ! Jeder, der eine Behauptung aufstellt, HAT diese zu belegen; keineswegs haben die Kritiker die Aufgabe sie zu widerlegen.

Tut also Butter bei die Fisch, SOFERN ihr eine eigene These habt !

Natürlich machen sich Leute wie Friebe lächerlich, aber du kannst doch nicht ernsthaft erlauben, dass jeder selbsternannte Experte lustig Nonsense verzapfen kann und du ihm auch noch das Recht einräumst, dass dann nichtmal belegen zu müssen.

Wissenschaftliches Arbeiten hat immer das Risiko, auch mal falsch zuliegen. Wer damit ein ernsthaftes Problem hat, sollte lieber was anderes machen. Man darf nie den Fehler begehen, sich in eine Idee unnötig zu verbeissen; sobald einem was besseres angeboten wird gilt "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern". Dazu ist der wissenschaftliche Disput notwendig und hilfreich.

Cherusker schrieb:
...Die wird es auch nicht geben. .....gibt es unzählige Vermutungen über den
Verlauf der Varusschlacht. Man kann sich nur
blamieren....in welchem Tal sie lang zogen, das kann man nur anhand
von archäologischen Funden feststellen und nicht an den
Schriftquellen. ....

Das ich dass noch erleben darf "...und nicht an den Schriftquellen..." aus deinem Munde. Natürlich hast du recht, dass es unzählige Vermutungen gibt, aber dass heisst nicht viel: Es gibt erkennbare massive Qualitätsunterschiede, es gibt eben hoch wahrscheinliche über weniger wahrscheinliche bis hin zu unsinnigen Vermutungen. Und man kann das durchaus sachlich und uneitel unterscheiden.

Und nocheinmal: kein Experiment ohne Theorie ! Nur wenn du eine klare Vorstellung davon hast, wo du was suchst, wirst du auch Funde machen können. Oder eben keine, wenn deine Theorie nicht stimmt. Aber auch selbst Zufallsfunde, wie der Hildesheimer Silberfund, sagen dir garnichts, wenn du keine Theorie dazu hast.

Cherusker schrieb:
.....So hat es u.a. auch den "immensum bellum" im Jahre 1n.Chr. gegeben. Darüber wurde von den Römern so gut wie gar nichts berichtet. ...

Genau, und eben wegen solcher Beispiele, und dass ist nun wirklich nicht das einzige, kann man eben nie sicher argumentieren: Der XXX wurde von den Quellen nicht erwähnt, also hat es ihn auch nicht gegeben.... die Quellen sind nun mal sehr dürftig und sehr kritisch zu betrachten.

Cherusker schrieb:
...sind mögliche Funde auch nicht
immer mit der Varusschlacht gleichzusetzen. Daher gehe ich
auch bei Kalkriese von einem "Schnellschuß" aus. Dort hat
man etwas gefunden und gleich zur Varusschlacht erklärt,
anscheinend ohne andere Möglichkeiten zu überprüfen....

Das ist einfach nicht richtig. Die Kalkriese These gärt schliesslich schon über 120 Jahre. Auch die ersten Veröffentlichung, die ich vor mehr als 10 Jahren im Spektrum gelesen habe, erklärt die Schlacht nicht einfach zur Varusschlacht. Selbst in der letzten wissenschaftlichen Veröffentlichung von Schlüter steht das so nicht drin. Keine Rede also von einem Schnellschuss ! Mediale Pointierung ist nicht den agierenden Wissenschaftlern anzulasten.

Man kann eben IMMER nur von Wahrscheinlichkeiten reden, und das tut Schlüter und sein Team auch, da sie wissenschaftlich redlich sind. Nur, und das muss man einfach akzeptieren, die Wahrscheinlichkeit dass es sich um einen Teil der mehrtägigen Varusschlacht handelt ist höher als jede Wahrscheinlichkeit es einer anderen Schlacht zu zuordnen.

Und wer etwas anderes behauptet muss dies belegen können, und da habe ich bisher nicht viel attraktives gesehen. Die numismatischen Überlegungen des Hr. Lippek waren da immerhin noch das beste, aber er hatte trotz netter Statistik, die ich sehr zu würdigen weiss, nichts wirklich neues belegt, schon gar nicht eine Germanicus-Schlacht; imho sogar genau das Gegenteil. Aber wie auch immer, er hats wenigstens ordentlich versucht, was zu respektieren ist (obgleich er einige paranoide Texte verfasste, die es nicht sind).

SUMMA SUMMARUM: Es macht sich niemand lächerlich, wenn er seine Thesen konkretisiert, die Visualisierung in einer Karte gehört dabei zu den wirkungsvollsten und anschaulichsten Einlassungen. Zudem haben wir heutzutage früher nicht vorhandene Möglichkeiten mit Geoinformationssystemen zuarbeiten, da braucht keiner mehr mühsam mit Kompass, Abakus und Karte in der Botanik zu hantieren, virtuelle 3-D-Flüge gibts sogar gratis.

Also denn: Gentlemen, start your engines !


Mit besten Grüssen, Trajan.
 
Hallo Trajan,
ich möchte darauf hinweisen, dass nach derzeitigem Forschungsstand die Frage nach der Lage des Sommerlagers sowie nach der Zugrichtung des Varusheeres völlig offen ist. Dieser Sachverhalt wird in der Dissertation von Ralf G. Jahn deutlich:

„Offen bleibt unzweifelhaft auch, von wo Varus ursprünglich abmarschierte: Irgendwo von der Weser, z.B: von Minden aus, oder von den Lippequellen. Die Lage des ominösen Sommerlagers ist bis heute unbekannt. Auch gibt es in den Quellen keine sicheren Hinweise über die Zugrichtung des Varus. Weder lassen sich die rebellischen Stämme bestimmen, noch müssen sie an einer Route gesucht werden, die Varus, sei es auf Umwegen, zum Rhein geführt hätte. Der Überfall geschah andererseits nicht am (nie erreichten) Ziel der Expedition, sondern auf dem Wege dahin, an einer Stelle, wo man damit nicht gerechnet hatte, also vermutlich im vermeintlich bundesgenössischen Gebiet, vermutlich bei eben den Cheruskern“.
(Jahn, Ralf G., Der Römisch-Germanische Krieg (9-16 n.Chr.), Diss., Bonn 2001, S.140)

Die vagen und sich zum Teil widersprechenden römischen Quellen zum Verlauf und Ort der Varusschlacht lassen vielerlei Interpretationsmöglichkeiten zu. Wo das Sommerlager lag bzw. auf welchen Standort sich „weit entfernt wohnende Stämme“ bezieht ist ungeklärt. Auch der Hinweis „äußerste Brukterer“ bleibt wertlos, solange nicht der Nachbarstamm genannt wird. Die Bezeichnung „Teutoburgiensi saltu“ bleibt ebenfalls ungeklärt und die topographische Situation „eingeschlossen in Wäldern und Sümpfen“ trifft praktisch überall in Germanien zu.
Die Funde von Kalkriese, insbesondere die Münzen, sind dagegen weitaus schlagkräftigere Argumente für einen tatsächlichen Schlachtort. Allerdings hat das Fallbeispiel Kalkriese gezeigt, dass es immens schwierig ist, einen aufgefundenen Schlachtort eindeutig zu identifizieren, d.h. einem historischen Ereignis zuzuordnen.

Nach wie vor offen bleibt die Frage, weshalb Germanicus 15 n.Chr., bei seinem Vorstoß von Westen nach Osten, die Umstände um den Untergang des Varusheeres in gleicher Marschrichtung nachvollziehen konnte. Die Theorie von einer schleifenförmigen Bewegungsrichtung klingt sehr konstruiert.
 
Ave Cato und Cherusker und alle Mitleser,

vielen Dank für Eure Mails. Seid bitte nicht böse wenn ich etwas zuviel bohre, es liegt nur daran dass ich an Euren Meinungen aufrichtig interessiert bin.

Cato schrieb:
... nach derzeitigem Forschungsstand die Frage nach der Lage des Sommerlagers sowie nach der Zugrichtung des Varusheeres völlig offen ist....

Was die Sache ja so interessant macht.

Du zitierst im Folgenden den Jahn, übrigens eine wahre Goldgrube ist seine Promotion, und er fasst in der Tat den um 2000 aktuellen Forschungsstand zusammen. Ich gehe kurz auf die Textstelle ein:

Cato schrieb:
... „Offen bleibt unzweifelhaft auch, von wo Varus ursprünglich abmarschierte: Irgendwo von der Weser, z.B: von Minden aus, oder von den Lippequellen. Die Lage des ominösen Sommerlagers ist bis heute unbekannt. ....

Das bezieht sich auf die Quellenlage und ist absolut korrekt, da steht wirklich nicht viel. Nicht mal, von woher er eigentlich kam. Wir nehmen an dass er entlang der Lipperoute kam, die bietet sich wirklich an. Theoretisch könnt er aber auch über die Lahnroute gekommen sein, auch wenn es eben sehr unwahrscheinlich für den Statthalter von germania inferior wäre.

Cato schrieb:
...Auch gibt es in den Quellen keine sicheren Hinweise über die Zugrichtung des Varus. Weder lassen sich die rebellischen Stämme bestimmen, noch müssen sie an einer Route gesucht werden, die Varus, sei es auf Umwegen, zum Rhein geführt hätte. ....

Das bezieht sich auf die Quellenlage und ist absolut korrekt.

Cato schrieb:
...Der Überfall geschah andererseits nicht am (nie erreichten) Ziel der Expedition, sondern auf dem Wege dahin, an einer Stelle, wo man damit nicht gerechnet hatte, also vermutlich im vermeintlich bundesgenössischen Gebiet, vermutlich bei eben den Cheruskern". ....

Das ist bereits eine Schlussfolgerung Jahn's über die man streiten kann. Die Quellen sind extrem dünn, und Jahn folgert genau wie ich "vermutlich im vermeintlich bundesgenössischen Gebiet", denn Varus hätte den Umweg inklusive Tross niemals zu weit entfernten, ihm unbekannnten Völkern gemacht.

Cato schrieb:
...Die vagen und sich zum Teil widersprechenden römischen Quellen zum Verlauf und Ort der Varusschlacht lassen vielerlei Interpretationsmöglichkeiten zu. Wo das Sommerlager lag bzw. auf welchen Standort sich „weit entfernt wohnende Stämme" bezieht ist ungeklärt. Auch der Hinweis „äußerste Brukterer" bleibt wertlos, solange nicht der Nachbarstamm genannt wird. Die Bezeichnung „Teutoburgiensi saltu" bleibt ebenfalls ungeklärt und die topographische Situation „eingeschlossen in Wäldern und Sümpfen" trifft praktisch überall in Germanien zu. ....

Dem stimme ich aus Sicht der Quellen uneingeschränkt zu. Es ist aber zu einseitig nur die Quellen zu betrachten, auch in Verbindung mit der wenigen Archäologie. Worauf ich u.a. poche, ist dass man die geostrategische Sachlage (neben anderen Konnotationen) gleichermassen mit einbezieht. An der Topologie hat sich bis heute nichts nennenswertes geändert. Die Quellen, die Archäologie, die Topologie, Militärlogik, Politik der Zeit u.a. setzen mehr oder weniger starke Fixpunkte, an denen man das Geschehen aufhängen muss.

Wenn ich z.B. nur folgende Fixpunkte ernst nehme:

(a) der Herrschaftsanspruch Roms bzw. Varus ging bis zur Elbe.
(b) das Kernland der Cherusker, und überhaupt der Besiedlungsdichte lag, u.a. nach der Verbreitungskarte, in der Gegend des Leine/Innerste Dreieck.
(c) die letzte Versorgungsstelle seitens der Rheinarmee lag an der Lippe in Anreppen.
(d) die gegebene Topologie der Gegend
(e) die Siedlungsverbreitungskarte
(f) Kalkriese als Teil der Varusschlacht

dann gibt es nicht mehr allzu viele Möglichkeiten für das Geschehen, ich würde sogar sagen, dass dann kein Weg allzuweit an der Werretaltheorie vorbeiführt. Übrigens habe ich den Weg erstmal anhand von 3-D-GIS Daten ermittelt, ohne Ortsnamen, und dann bei der Verknüpfung mit Ortsdaten habe ich zu meinem grössten Erstaunen fetsgestellt, das der Schlachtbeginn dann genau mit der Parallelüberlieferung der Gnitaheide=Knetterheide zusammenfiel. Das Feld neben der Knetterheide heisst übrigens Kriegerheide; die nötige Marschleistung von ca. 18 bis 20 km pro Tag bis Kalkriese passt ebenfalls genau zudem, wozu die Armee unter den gegebenen Umständen noch in der Lage war u.v.m.

Ich glaube nicht, dass wir die Flinte ob der dünnen Überlieferungen ins Korn werfen müssen, wir können, nicht anders als Mommsen 1884, durch geschickte Ausnutzung neuere Erkenntnisse und Hilfsmittel, den Varusweg einigermassen rekonstruieren. Da wäre mir Eure Meinung jetzt auch so wichtig, denn wenn ihr andere Fixpunkte setzt und einen anderen Weg konstruiert, dann liessen sich die Unterschiede sachlich diskuttieren.

Cato schrieb:
...Nach wie vor offen bleibt die Frage, weshalb Germanicus 15 n.Chr., bei seinem Vorstoß von Westen nach Osten, die Umstände um den Untergang des Varusheeres in gleicher Marschrichtung nachvollziehen konnte......

Auch dass ist aufgrund der Topologie des Werretalwegs nicht so schwierig nachzuvollziehen: Das Problem dieses Germanicusbesuches des Schlachtfeldes haben wir an anderer Stelle ja schon ausführlich besprochen, die Quelle ist schwach.
Aber welche Himmelrichtung auch immer: Germanicus könnte sowohl von der oberen Ems an der Bielefelder Senke den Teutoburger Wald überquert haben, dann klappt dass problemlos, er trifft dann gleich schnell auf die Gegend der Knetterheide.
Oder er kommt über die Weser über die Porta Westfalica, und trifft bei Bünde auf das erste Marschlager, ganz nach Quellenlage, beides geht ohne weiteres.

Cato schrieb:
...Die Theorie von einer schleifenförmigen Bewegungsrichtung klingt sehr konstruiert.....

Warum ? Ich zitiere Dio:

Cass. Dio 56 , 19,3: "So fühlte sich der römische Feldherr sicher und rechnete mit nichts Schlimmem; all denen aber, welche die Vorgänge argwöhnisch verfolgten und ihn zur Vorsicht mahnten, schenkte er keinen Glauben, ja machte ihnen sogar Vorwürfe, als seien sie ohne Grund beunruhigt und wollten seine Freunde nur verleumden. Dann kam es zu einer ersten Aufstandsbewegung, und zwar bei den Völkerschaften, die von ihm entfernt wohnten; ein wohlüberlegter Plan:"

Demnach waren sie ja auch nicht sehr weit entfernt, sondern nur entfernt, jedenfalls aber etwas abseits der Cherusker und abseits des üblichen Weges. Daraus ergibt sich schon zwangsläufig eine Schleife, andernfalls hätte der Aufstand einfach nur auf dem Weg gelegen.

Cass. Dio 56 , 19,4: "Varus sollte gegen diese Unruhestifter zu Felde ziehen und auf dem Marsch durch angeblich befreundetes Gebiet mit geringerer Mühe überwältigt werden, anstatt daß er sich, wie bei einem allgemeinen, plötzlichen Ausbruch von Feindseligkeiten gegen ihn zu erwarten war, besonders in acht nahm. Und so kam es denn auch: Zuerst gaben ihm die Verschworenen beim Ausmarsch das Geleite, dann beurlaubten sie sich, um angeblich die verbündeten Kontingente zu sammeln und ihm damit rasch zur Hilfe zu kommen,"

und es ging durch angeblich beruhigtes Gebiet, denn sonst hätte er das mit Tross nie gewagt.

Natürlich müssen wir mit den Quellen vorsichtig sein, und mir ist klar das es u.U. noch andere Wege gibt und ich habe auch etliche durchprobiert. Aber der hier vorgeführte passt einfach am besten mit allen mir bekannten Konnotationen zusammen.

Deswegen bin ich auch so sehr an Euren unabhängigen Konstrukten interessiert.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Das ist bereits eine Schlussfolgerung Jahn's über die man streiten kann. Die Quellen sind extrem dünn, und Jahn folgert genau wie ich "vermutlich im vermeintlich bundesgenössischen Gebiet", denn Varus hätte den Umweg inklusive Tross niemals zu weit entfernten, ihm unbekannnten Völkern gemacht.

Jahn weist an anderer Stelle darauf hin, dass ein römischer Tross in Vorbereitung militärischer Operationen in der Regel zu einem Stützpunkt geführt wurde, der als Basislager für die aktiven Kampfverbände diente. Dabei entfernte sich die kämpfende Truppe selten mehr als drei Tagesmärsche (ca. 75 km) vom Tross.




Trajan schrieb:
Das Feld neben der Knetterheide heisst übrigens Kriegerheide; die nötige Marschleistung von ca. 18 bis 20 km pro Tag bis Kalkriese passt ebenfalls genau zudem, wozu die Armee unter den gegebenen Umständen noch in der Lage war u.v.m.
Das Varusheer bewegte sich zwar während der Schlacht vorwärts, konnte jedoch durch anhaltende Kampfhandlungen nicht annähernd die gewohnte Tagesmarschleistung erreichen. Zwischen erstem und letztem Lager halte ich deshalb eine Distanz von 10-15 km für realistisch.

Trajan schrieb:
Da wäre mir Eure Meinung jetzt auch so wichtig, denn wenn ihr andere Fixpunkte setzt und einen anderen Weg konstruiert, dann liessen sich die Unterschiede sachlich diskuttieren. (...)

Ich zitiere Dio:
Cass. Dio 56 , 19,3: "So fühlte sich der römische Feldherr sicher und rechnete mit nichts Schlimmem; all denen aber, welche die Vorgänge argwöhnisch verfolgten und ihn zur Vorsicht mahnten, schenkte er keinen Glauben, ja machte ihnen sogar Vorwürfe, als seien sie ohne Grund beunruhigt und wollten seine Freunde nur verleumden. Dann kam es zu einer ersten Aufstandsbewegung, und zwar bei den Völkerschaften, die von ihm entfernt wohnten; ein wohlüberlegter Plan:". ...Cass. Dio 56 , 19,4: "Varus sollte gegen diese Unruhestifter zu Felde ziehen und auf dem Marsch durch angeblich befreundetes Gebiet mit geringerer Mühe überwältigt werden, anstatt daß er sich, wie bei einem allgemeinen, plötzlichen Ausbruch von Feindseligkeiten gegen ihn zu erwarten war, besonders in acht nahm. Und so kam es denn auch: Zuerst gaben ihm die Verschworenen beim Ausmarsch das Geleite, dann beurlaubten sie sich, um angeblich die verbündeten Kontingente zu sammeln und ihm damit rasch zur Hilfe zu kommen,"

Um nicht unter den Verdacht mangelnder Phantasie zu fallen, stelle ich einmal folgendes Szenario auf:
Im Spätsommer des Jahres 9 lässt Arminius an Varus die Meldung überbringen, im Gebiet des heutigen Thüringen sei es zu einem lokal begrenzten Aufstand gekommen. Varus lässt in seinem Sommerlager in Anreppen die Legionen aus den Lippelagern sammeln und bricht nach Osten auf. Er sieht vor, den Tross in einem Lager an der oberen Weser/Werra (evtl. Hedemünden) zu stationieren, um daraufhin mit den Kampfverbänden nach Thüringen vorzustoßen. Um rasch das Zielgebiet zu erreichen, lässt er auf Rat des Arminius seine Armee den Teutoburger Wald/Eggegebirge auf einem Pass (z.B.bei Lichtenau/Scherfede) überqueren. Als die Vorhut bereits die Diemel östlich des Gebirgszugs (d.h. im Cheruskerland) erreicht hat, werden die hinteren, ungeordnet marschierenden Einheiten in Guerillakämpfe verwickelt. Am Abend des ersten Tages errichtet Varus sein erstes Lager östlich des Gebirgszuges im Raum Scherfede/Rimbeck und erkennt, dass der Rückweg zur Lippe über den Pass versperrt ist. Die nächsten befestigten Lager befinden sich an der Weser und um diese möglichst schnell zu erreichen, entledigt er sich des Trosses. Da in diesem Gebiet keine befestigten Wege vorhanden sind, lässt er die Legionen entlang der Diemel marschieren, um die Weser beim heutigen Bad Karlshafen zu erreichen. Die Angriffe der Germanen nehmen an den folgenden Tagen an Heftigkeit derart zu, dass die Armee fast vollständig aufgerieben wird.


Italien hat überigens gerade knapp gewonnen....
Gruß Cato
 
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Trajan schrieb:
....
Das ist einfach nicht richtig. Die Kalkriese These gärt schliesslich schon über 120 Jahre. Auch die ersten Veröffentlichung, die ich vor mehr als 10 Jahren im Spektrum gelesen habe, erklärt die Schlacht nicht einfach zur Varusschlacht. Selbst in der letzten wissenschaftlichen Veröffentlichung von Schlüter steht das so nicht drin. Keine Rede also von einem Schnellschuss ! Mediale Pointierung ist nicht den agierenden Wissenschaftlern anzulasten.

Man kann eben IMMER nur von Wahrscheinlichkeiten reden, und das tut Schlüter und sein Team auch, da sie wissenschaftlich redlich sind. Nur, und das muss man einfach akzeptieren, die Wahrscheinlichkeit dass es sich um einen Teil der mehrtägigen Varusschlacht handelt ist höher als jede Wahrscheinlichkeit es einer anderen Schlacht zu zuordnen.

Und wer etwas anderes behauptet muss dies belegen können, und da habe ich bisher nicht viel attraktives gesehen. Die numismatischen Überlegungen des Hr. Lippek waren da immerhin noch das beste, aber er hatte trotz netter Statistik, die ich sehr zu würdigen weiss, nichts wirklich neues belegt, schon gar nicht eine Germanicus-Schlacht; imho sogar genau das Gegenteil. Aber wie auch immer, er hats wenigstens ordentlich versucht, was zu respektieren ist (obgleich er einige paranoide Texte verfasste, die es nicht sind).
....

Mit besten Grüssen, Trajan.

Z.Zt. lese ich "Der Römisch-Germanische Krieg (9-16n.Chr.)", also die Dissertation von RALF G. JAHN aus dem Jahre 1999. Die Hälfte habe ich schon geschafft. Es kommen ja alle üblichen Verdächtigen darin vor...

Wenn Du seine Erkenntnisse bezüglich Kalkriese als Deine Grundlage nimmst, dann ist das aber nicht mehr aktuell.
JAHN geht (wie die Mommsen-Befürworter) wohl von einem 3Legionen-Sommerlager im Raum Minden (oder vielleicht Rinteln?) aus. Er läßt die Varuslegionen auf dem Hellweg vor dem Samtforde (!) bis nach Kalkriese ziehen. Ca. 16km vor besagtem Ort wurden sie dann von Arminius angegriffen und der Kampf zog sich in den folgenden Tagen bis Kalkriese hin.

Und jetzt kommt mein Senf dazu....:pfeif:

1. Ich sehe kein 3Legionenlager (das habe ich schon mehrmals geschrieben). Germanien war mit etlichen Römerstützpunkten (Versorgung, Beobachtung,usw.) durchsetzt. JAHN kannte noch nicht das Römerlager Hedemünden. Das war damals nur den Raubgräbern bekannt. Für ihn ist es noch eine germanische Fliehburg! Östlich des Teutoburger Waldes gibt es für ihn keine römische Präsenz. Das hat sich mittlerweile überholt....

2.Der Hellweg vor dem Samtforde war eine "antike Autobahn" (diese Bezeichnung kommt auch von Archäologen:winke: ), d.h. im germanischen Gebiet gab es nur ein unzureichendes Verkehrsnetz. Die wenigen Hellwege waren somit bestens bekannt (JAHN schreibt auch, daß er bereits seit der Hallstattzeit genutzt wurde). Allerdings sieht JAHN hier einen unwegsamen Weg, der durch schlechtes Wetter nahezu unpassierbar wurde :)confused: ) und den Römern auch nicht recht bekannt war.
Auch kommen bei ihm die kampferprobten Legionen mit dem schlechtem Wetter anscheinend überhaupt nicht zu recht. Es waren wohl "Schönwettersoldaten"?:grübel:
Auch sieht er das Wiehengebirge als eine Art Urwald an. Das kann nicht der Fall sein, da es hier einen Hudewald (germanische Nutzung) gab. Somit konnte man gut in den Wald hineinsehen, da es an Unterholz fehlte.

3. JAHN läßt die Legionen in Kalkriese "verenden". Für ihn ist es der Ort der Vernichtungsschlacht. Mittlerweile gehen die Kalkrieser Archäologen ( u.a. nach Rat von Militärhistorikern) hier nicht von einer Vernichtungsschlacht aus, sondern vom Beginn der Schlacht. Aber warum gibt es in Kalkriese Troßfunde? Angeblich hatten doch die Römer den Troß verbrannt, sodaß sie sich schneller vorwärts bewegen konnten? Fällt das JAHN nicht auf...oder muß ich noch weiterlesen?:grübel:

Wenn die Legionen auf dem Hellweg nicht vorwärts kommen, wieso schaffen sie dann bei Dir die Strecke (unter Kampfbedingung wohlgemerkt) von Bad Salzuflen bis Kalkriese ? Das ist doch bei unwegsamen Gelände (hier gibt es doch keinen Hellweg) ziemlich weit, oder?:pfeif:

Aber Du möchtest gerne Theorien hören....
Ich sehe die Varusschlacht westlich der Weser im Raum Teutoburger Wald bis zur Weser. Für mich spielt Anreppen eine wesentliche Rolle. Mommsen und seine Experten kannten das Lager noch nicht und hatten auch keine Kenntnis über andere römische Standorte. Da keine Himmelsrichtung für die Richtung des Varuszuges angegeben wurde , kann er genauso gut Richtung Osten gezogen sein. Da die Römer im pannonischen Aufstand hinreichend beschäftigt waren, mußte Varus jeden noch so kleinen germanischen Aufstand sofort im Keim ersticken. JAHN zeigt auf, daß Varus in Syrien militärische Erfahrungen gesammelt hat und somit kein "Anfänger" war. Den Römern war mit Sicherheit noch der "immensum bellum" bekannt, den erst Tiberius nach ca.3Jahren beendete. Somit war ein rasches Handeln erforderlich. Nirgendswo steht, daß Varus in das Winterlager wollte. JAHN schreibt richtigerweise, daß sich die Römer nie weit vom letzten Versorgungsstützpunkt entfernen konnten. Daher mußten sich die Römer für weiter östlich gelegene Aktionen mit einem großen Troß eindecken. Varus hätte diesen an der Weser deponieren können (sowas unternahm Caesar auch in Gallien!), um dann mit seinen Legionen begrenzt weiterziehen zu können.
Da ich nicht jedes Tal zum Varusschlachtort erklären will, habe ich das gesamte Gebiet vom Teutoburger Wald bis zur Weser als möglichen Ort benannt. Höchstwahrscheinlich zogen die Römer an einem Bach-bzw. Flußlauf (z.B. Emmer) entlang, der in die Weser mündet. Aber allzuweit können sie nicht gekommen sein.

P.S.
Und zu W.Lippek. Auch wenn er mit seiner "Münzzählung" ein wenig übertreibt, so muß ich doch seine Sammlung von Presseartikeln über Kalkriese erwähnen. Hier erkennt man, daß in Kalkriese häufiger der absolute Beweis für die Varusschlacht erklärt wurde, um dann Jahre später wieder den absoluten Beweis zu haben. Anscheinend glaubten sie selbst nicht daran?:grübel:
 
1. Ich sehe kein 3Legionenlager (das habe ich schon mehrmals geschrieben). Germanien war mit etlichen Römerstützpunkten (Versorgung, Beobachtung,usw.) durchsetzt.

Nun schreibt Tacitus aber ausdrücklich, dass die Truppen des Germanicus ein Lager vorfanden, dass die Arbeit von drei Legionen zeigte. Ebenso ist es hochwahrscheinlich, dass die drei Legionen und auch alle Auxiliartruppen bei ihrem Todesmarsch zusammen marschierten.

Der Hellweg vor dem Samtforde war eine "antike Autobahn" (diese Bezeichnung kommt auch von Archäologen:winke: ), d.h. im germanischen Gebiet gab es nur ein unzureichendes Verkehrsnetz. Die wenigen Hellwege waren somit bestens bekannt (JAHN schreibt auch, daß er bereits seit der Hallstattzeit genutzt wurde). Allerdings sieht JAHN hier einen unwegsamen Weg, der durch schlechtes Wetter nahezu unpassierbar wurde :)confused: ) und den Römern auch nicht recht bekannt war.

Ach ja, wieder mal die "antike Autobahn"... Der Hellweg lässt sich sicher nicht annähernd mit einer der Römerstraßen links des Rheins vergleichen. Abgesehen davon ist nirgendwo bezeugt, dass die Römer dort pausenlos lang marschierten (ich halte es sogar für unwahrscheinlich, da sich ihre Lagerkette ein gutes Stück weiter südlich befand). Weiter verweise ich einmal mehr auf einen Aufsatz von D. Timpe, der recht überzeugend darlegt, dass die geographischen Kenntnisse der Römer von Germanien höchst unzureichend waren und sie sich mehr oder weniger an den Flüssen orientierten. Ich sehe nichts, was dagegen spricht, dass die Römer entlang des Hellwegs in einen Hinterhalt geraten konnten.

Auch kommen bei ihm die kampferprobten Legionen mit dem schlechtem Wetter anscheinend überhaupt nicht zu recht. Es waren wohl "Schönwettersoldaten"?:grübel:
Auch sieht er das Wiehengebirge als eine Art Urwald an. Das kann nicht der Fall sein, da es hier einen Hudewald (germanische Nutzung) gab. Somit konnte man gut in den Wald hineinsehen, da es an Unterholz fehlte.

Da muss ich wieder auf die "Quellenkritik" verweisen... :devil: Wenn Dio und andere gewissermaßen eine "feindliche Natur" Germaniens schildern, reflektiert das mehr ihre eigene Sichtweise auf das barbarische und unzivilisierte Land und muss nicht unbedingt wörtlich genommen werden! Allerdings zeigten die Ausgrabungen bei Kalkriese doch auf, dass das Gelände durchaus sumpfig war!
 
Ashigaru schrieb:
Nun schreibt Tacitus aber ausdrücklich, dass die Truppen des Germanicus ein Lager vorfanden, dass die Arbeit von drei Legionen zeigte. Ebenso ist es hochwahrscheinlich, dass die drei Legionen und auch alle Auxiliartruppen bei ihrem Todesmarsch zusammen marschierten.

Es geht doch nicht um die Marschlager, da waren zweifelsfrei alle 3Legionen und die Hilfstruppen beisammen (das beschreibt Tacitus), sondern das Sommerlager (ein Standlager)!:pfeif:
Die bisherige Meinung dieser Experten geht immer davon aus, daß Varus mit 3Legionen an die Weser zog, um sich dort in einem riesigen 3Legionenlager zu "verschanzen". Er unternimmt dann seine "Untaten" (Rechtsprechung) und zieht dann mit seinen Legionen aus diesem Riesenlager wieder zurück in die Winterlager. Und das halte ich für falsch!:motz:
Varus saß in keinem riesigen 3Legionenstandlager, da Cassius Dio beschreibt, daß er die Truppen wegen verschiedener Aufgaben über das Land verteilte. Nach Erkenntnis eines Aufstandes hat er diese Truppen wieder zusammen kommen lassen (daher kamen auch soviele "Zivilisten" mit). Ich gehe davon aus, daß es in Germanien bereits mehrere römische Stützpunkte gegeben hat, die von Römern besetzt waren (z.B. Hedemünden, Sparrenberger Egge). Tacitus läßt den Arminius sagen, daß er keine römische Gebäude mehr in Germanien dulde. Das ist ein Hinweis darauf, daß es östlich der Weser auch römische Standorte gab.

Und TIMPE.....einer der üblichen Verdächtigen. Die Römer waren seit Drusus (12v.Chr.) im Lande. Sie kannten sich schon auf den üblichen Handelswegen aus, alles andere halte ich für ein Märchen der Historiker aus dem 19./20.Jh.!:winke: So wußte doch Germanicus, daß auf den pontes longi eine Engstelle kommt, die als einzige Möglichkeit für Kampfhandlungen geeignet war. Drusus hatte Standorte an der Maas, Weser und Elbe errichten lassen. Tiberius ist mehrmals durchs Land gezogen. Und jetzt im Jahre 9n.Chr. sollen die Römer über bekannte Hellwege keine Ahnung haben?:grübel: Diese kann man wirklich nicht mit Römerstraßen vergleichen, aber sie dienten auch den Römern als Nachschubwege. Allzu dumm halte ich die Römer nicht....:scheinheilig:
 
Ave Cato, Cherusker und Ashigaru,
herzlichen Dank für Eure Einlassungen.
Ich werde mal in derReihenfolge Ashigaru, Cherusker, Cato auf die aufgeworfenen Details eingehen.


@Ashigaru: Da kann ich im Prinzip nichts weiteres sagen als dass ich dir zustimme.


Cherusker schrieb:
.....von RALF G. JAHN ..Es kommen ja alle üblichen Verdächtigen darin vor..Wenn Du seine Erkenntnisse bezüglich Kalkriese als Deine Grundlage nimmst,..


Ja, müssen sie auch, weil es eine Promotion ist, und da fasst man nun mal den Forschungsstand zusammen. Und das macht Jahn eben ungewöhnlich umfassend, das ist seine Stärke und manchmal auch seine Schwäche. Seine Meinung zu Kalkriese ist nicht meine alleinige Grundlage, da bin ich schon weiter gestreut.


Cherusker schrieb:
...wohl von einem 3Legionen-Sommerlager im Raum Minden (oder vielleicht Rinteln?) aus. .. Ca. 16km vor besagtem Ort wurden sie dann von Arminius angegriffen und der Kampf zog sich in den folgenden Tagen bis Kalkriese hin..



Wie so viele Autoren lässt auch Jahn die genauen Örtlichkeiten aussen vor. Die Frage wie kommen die eigentlich nach Kalkriese spielt eine nur untergeordnete Rolle. Die Frage ist aber wichtig und die Klärung wird noch sehr fruchtbar sein. Der Verdienst von Jahn ist es, dass er den aktuellen Forschungsstand wirklich mal gesammelt und verknüpft hat und somit (unfreiwillig ?) ein Standardwerk für den römisch-germanischen Krieg geschaffen hat. Darauf kann man aufbauen.


Cherusker schrieb:
..Östlich des Teutoburger Waldes gibt es für ihn keine römische Präsenz. Das hat sich mittlerweile überholt...
Cherusker schrieb:
..daß es in Germanien bereits mehrere römische Stützpunkte gegeben hat,...Tacitus läßt den Arminius sagen, daß er keine römische Gebäude mehr in Germanien dulde...


Da sind wir nah beieinander. Es gab diese Präsenz in der Tiefe, allerdings nur für eine recht kurze Zeit, wodurch die archäologischen Spuren eben nicht mehr so präsent sind wie westlich des Rheins oder auch noch an der Lippe.


Cherusker schrieb:
...Mittlerweile gehen die Kalkrieser Archäologen ..hier nicht von einer Vernichtungsschlacht aus, sondern vom Beginn der Schlacht. ......


Die Kalkrieser ist ein weiter Begriff. Aber genau wie dir ist mir diese Unstimmigkeit in der Kalkrieser Community auch schon aufgefallen. Das liegt genau daran, dass die Frage "wie kamen die eigentlich nach Kalkriese" immer noch nicht definitiv geklärt ist. Ich bin der Überzeugung, wir können das noch klären.


Cherusker schrieb:
..Aber warum gibt es in Kalkriese Troßfunde?...


Also man hat sich von überflüssigen Teilen des Trosses getrennt. Aber die Römer waren wirklich in eine grausame Situation geschlittert: Sie hatten Frauen und Kinder dabei, sicherlich waren römische Legionen keine Knabenchöre, aber da wird geweint, geflehen und geflennt worden sein. Sie hatten menschliche, nicht rationale, Gründe den wichtigsten Teil des Trosses bis zum Schluss mitzuziehen. Aus einem Sommer- und Kulturzug war unvermittelt ein furchtbarer Todesmarsch geworden.


Cherusker schrieb:
...Wenn die Legionen auf dem Hellweg nicht vorwärts kommen, wieso schaffen sie dann bei Dir die Strecke .... Das ist doch bei unwegsamen Gelände ... ziemlich weit...


Entlang der Flussauen waren die Wege ja nicht wirklich schlecht und die Versorgung aus dem Land auch gut (der Versorgungsaspekt ist auch ganz wichtig), da diese Flussauen ja von den Germanen schon ausgiebig und bevorzugt genutzt wurden. Ich glaube dass diese Wege besser als ihr Ruf waren, solange es trocken war dürfte es da keine grossen Probleme gegeben haben.


Als der Kampf im Werretal, möglicherweise in Knetterheide losging, sah die Situatiuon dann so aus: Umkehren ging nicht, erstens ist dass koordinierte Wenden eines 20 bis 30 Km langen Zuges ein grosses Problem, und zweitens hätte es bedeutet dass man bergauf hätte gehen müssen, was dass Ende für den Tross bedeutet hätte. Andererseits kannte man den Hellweg vor dem Santforde, den man in Kürze weitgehend bergab erreichen konnte, also wird man sich gesputet haben diese Rettungsmöglichkeit zu nutzen.


Aber deine Frage ist sehr wohl berechtigt: welche Marschleistung schafft ein bis zu 30 km langer Tross pro Tag unter welchen Bedingungen ? Ich glaube mehr, als ein einzelner kleiner Verband, denn der Tross planiert sich wie ein Panzer mit seinen Ketten seinen Weg selber ! Die Pioniere vorne haben was zu tun, aber bei trockenem Wetter hat der Rest easy going. Dann ist die durchschnittliche Marschleistung von 18 bis 20 km selbst unter Kampfbedingungen kein wirkliches Problem. Erst wenn der Zug weiter aufgerieben ist, und das Wetter nass, dann wirds eng.


Cherusker schrieb:
..die Varusschlacht ..im Raum Teutoburger Wald bis zur Weser. ...


ich ebenfalls, da unterscheiden wir uns nur in Kalkriese.


Cherusker schrieb:
...daß sich die Römer nie weit vom letzten Versorgungsstützpunkt entfernen konnten. Daher mußten sich die Römer für weiter östlich gelegene Aktionen mit einem großen Troß eindecken. Varus hätte diesen an der Weser deponieren .. um dann mit seinen Legionen begrenzt weiterziehen zu können...


Ja genau. Anreppen war das letzte, und damit auch wichtigste Lager mit entsprechender Ausstattung kurz vor dem Gebirge, und, mein Vorschlag, Hildesheim direkt hinter dem Gebirge. Diese beiden Standorte sind die idealen, wenn man den Anspruch auf das Gebiet zur Elbe anmelden will. Anreppen alleine reicht dafür keinesfalls aus !


Cherusker schrieb:
.. habe ich das gesamte Gebiet vom Teutoburger Wald bis zur Weser als möglichen Ort benannt. Höchstwahrscheinlich zogen die Römer an einem Bach-bzw. Flußlauf (z.B. Emmer) entlang, ...


auch da sind wir uns ziemlich einig. Nur glaube ich dass wir uns den Luxus leisten müssen, ganz konkret auf die möglichen Wege zu deuten. Die wahrscheinlichsten Varianten können wir theoretisch erarbeiten, die Archäologie wird dann irgendwann entscheiden, welche Variante richtiger ist.


Cherusker schrieb:
..er mit seiner "Münzzählung" ein wenig übertreibt, so muß ich doch seine Sammlung von Presseartikeln über Kalkriese erwähnen....


Ich finde dass er gerade die Münzzählung nicht übertreibt, sondern dass ist seine anerkennungswürdige Leistung, und die hat ja auch Berger zu würdigen gewusst. Der Rest dagegen ist imho teilweise paranoid.


Aber zur Münzzählung: Ohne in alle Details zu gehen, hat Lippek eben gezeigt, dass die Münzhorizonte von Kalkriese und von Haltern von zwar gleicher Zeitstellung, aber signifikant unterscheidlicher Zusammensetzung sind ! Und das war wirklich gut und wird von der Fachwelt auch anerkannt.


Wie man dieses Fakt aber interpretiert, darüber gibt es jetzt einiges zu sagen, und da eben hat sich Lippek dann völlig unnötig disqualifiziert, da er überall nur Verschwörer sieht anstatt sich an der Diskussions sachlich zu beteiligen. Insbesondere hat er sich unnötig und voreilig auf die Schlussfolgerung festgelegt, dass damit Kalkriese nicht als Varusschlachtfeld in Frage käme. Das ist aber Unfug.


Hinter dieser Schlussfolgerung steht ja die Annahme, dass die beiden Münzhorizonte identisch sein müssten. Das mussen sie aber nicht, im Gegenteil. Varus hat die Truppen, die er mit auf seine Sommerzüge nahm, zu einem guten Teil aus seiner Privatschatulle bezahlt, die in Haltern zu verschiedenen Zeiten stationierten Truppen dagegen wurden aus ganz anderen Quellen gezahlt. Und nun findet Lippek im Münzhorizont von Kalkriese eben signifikant mehr Münzen aus Italien und Afrika als in Haltern. Genau das ist aber auch zu erwarten, falls Varus in Kalkriese war, denn Varus kam aus Afrika über Italien nach Germanien ! Lippek besorgt also genau dass, was eigentlich Frank Berger hätte tuen müssen.


Cato schrieb:
.. halte ich deshalb eine Distanz von 10-15 km für realistisch......



Nun, auf die besondere Eigenschaft eines solchen Zuges bin ich weiter oben ja bereits eingegangen. Ich habe da aber, genau wie du, auch schon unterscheidliche Meinungen gelesen.


Zunächst mal: Der Ablauf, drei Nächte, 4 Tage, ist auch nur von Dio überliefert, ob es nicht der eine oder andere Tag mehr oder weniger war, ist nicht sicher. Ich habe z.B. auch nochmal den Plan von Clunn nachgeschaut, der lässt eine Luftlinien entfernung von 30 km zu (und ist ein Militärexperte), Knetterheide dagegen liegt 57 km Luftlinie entfernt. Andererseits, Clunn geht auch von der Dynamik kleinerer Verbände in unwegsamen Gelände aus und, er lässt seine Truppen ohne weitere Erklärung ziemlich unmotiviert auf dem Teutoburger Wald Rücken von Süden her entlang marschieren um diese dann in der Gegend von Bad Iburg nach Norden losgehen zu lassen. Seine wesentliche Motivation scheint zu sein, die Truppen dann irgendwo bei Ostercappeln durch dasWiehengebirge brechen zu lassen.


Mit letzterem hat er zwar imho eine gute Nase,da er aber die Herkunftder Truppen nichterklären kann, bei Schlüter und Jahn keine guten Karten, die nehmen dann lieber die Richtung entlang der Wiehengebirgskante von Minden her an.

Das ist genau das z.Z. vorherrschende Dilemma der Kalkrieser: Wie kamen die Römer, wie kam Varus, nach Kalkriese ?


Cato schrieb:
...Varus lässt in seinem Sommerlager in Anreppen .. und bricht nach Osten auf. ......



Schön dass du eine ganz andere Geschichte vorschlägst. Aber den Punkt habe ich ja schon gründlich besprochen: Du setzt hier als deinen ersten Fixpunkt das Sommerlager in Anreppen an.

Das halte ich aber für völlig unpassend. Von dort aus kann man keinen Anspruch auf die Verwaltung Germaniens bis zur Elbe stellen. Der Feind sitzt dann, geschützt durch zwei Gebirgskämme, weit entfernt und massiert vor dem Elbeknie während die Römer auf ihrem letzten verlängerten Rheinposten an der oberen Lippe quasi daheim harren. Da willst du u.a. über Cherusker zu Gerichte sitzen und Hof halten ? Damit hätte man nur Schwäche und Feigheit demonstriert, aber keinen Herrschaftsanspruch.


Cato schrieb:
... nach Thüringen vorzustoßen..Am Abend des ersten Tages errichtet Varus sein erstes Lager .. im Raum Scherfede/Rimbeck ..... Die nächsten .. befinden sich an der Weser und ... entledigt er sich des Trosses. ....lässt er die Legionen entlang der Diemel marschieren, um die Weser beim heutigen Bad Karlshafen zu erreichen. ..


Interessant, deine Idee oder woher kommt die Variante ? Ja Thüringen, da gibts auch noch Cheruskische Verbindungen. Ich habe nämlich noch einen weiteren antiken Hinweis auf Hildesheim gefunden, der in subtilerweise mit Thüringen zusammenhängt. Dazu vielleicht im Nachgang.


Ansonsten würde ich bei deiner Variante ehr einen Anmarschweg via Lahnroute vorschlagen, denn dass Varus wirklich überdie Lipperoute kam, ist ja nirgends geschrieben. Dann hätte er im Chattischen bei Kassel sein Sommerlager gehalten, könnte dann Richtung Norden zu einem cheruskischen Aufstand gerufen werden und nimmt dann den Tross mit, da er sich den Rückweg über die Lipperoute vornimmt.

Wäre auch kein schlechter Ansatz, gefällt mir, nur spricht dann dagegen, dass Varus dann ehr in Mainz, in der germania superior hätte sitzen müssen. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, dass passt nicht so recht.


Cato schrieb:
....Italien hat überigens gerade knapp gewonnen..........


hey, Mann, das war doch ne ganz üble Schwalbe !


Danke nochmal allen, bis auf weiteres, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Die Kalkrieser ist ein weiter Begriff. Aber genau wie dir ist mir diese Unstimmigkeit in der Kalkrieser Community auch schon aufgefallen. Das liegt genau daran, dass die Frage "wie kamen die eigentlich nach Kalkriese" immer noch nicht definitiv geklärt ist. Ich bin der Überzeugung, wir können das noch klären.

Die "Kalkrieser"? Damit meine ich Frau Susanne Wilbers-Rost und ihren Ehemann Achim Rost. Sie ist die Leiterin der Abteilung Archäologie im Museum Kalkriese! Von daher die kompetenteste Person für diese Angelegenheit.



Trajan schrieb:
Also man hat sich von überflüssigen Teilen des Trosses getrennt. Aber die Römer waren wirklich in eine grausame Situation geschlittert: Sie hatten Frauen und Kinder dabei, sicherlich waren römische Legionen keine Knabenchöre, aber da wird geweint, geflehen und geflennt worden sein. Sie hatten menschliche, nicht rationale, Gründe den wichtigsten Teil des Trosses bis zum Schluss mitzuziehen. Aus einem Sommer- und Kulturzug war unvermittelt ein furchtbarer Todesmarsch geworden.

Beim Ausbruch aus Aliso haben die marschierenden Römer eiskalt die Zivilisten abgehängt, sodaß diese anfingen laut zu klagen.


Trajan schrieb:
Entlang der Flussauen waren die Wege ja nicht wirklich schlecht und die Versorgung aus dem Land auch gut (der Versorgungsaspekt ist auch ganz wichtig), da diese Flussauen ja von den Germanen schon ausgiebig und bevorzugt genutzt wurden. Ich glaube dass diese Wege besser als ihr Ruf waren, solange es trocken war dürfte es da keine grossen Probleme gegeben haben.


Als der Kampf im Werretal, möglicherweise in Knetterheide losging, sah die Situatiuon dann so aus: Umkehren ging nicht, erstens ist dass koordinierte Wenden eines 20 bis 30 Km langen Zuges ein grosses Problem, und zweitens hätte es bedeutet dass man bergauf hätte gehen müssen, was dass Ende für den Tross bedeutet hätte. Andererseits kannte man den Hellweg vor dem Santforde, den man in Kürze weitgehend bergab erreichen konnte, also wird man sich gesputet haben diese Rettungsmöglichkeit zu nutzen.


Aber deine Frage ist sehr wohl berechtigt: welche Marschleistung schafft ein bis zu 30 km langer Tross pro Tag unter welchen Bedingungen ? Ich glaube mehr, als ein einzelner kleiner Verband, denn der Tross planiert sich wie ein Panzer mit seinen Ketten seinen Weg selber ! Die Pioniere vorne haben was zu tun, aber bei trockenem Wetter hat der Rest easy going. Dann ist die durchschnittliche Marschleistung von 18 bis 20 km selbst unter Kampfbedingungen kein wirkliches Problem. Erst wenn der Zug weiter aufgerieben ist, und das Wetter nass, dann wirds eng.

Entlang der Flußauen? Da führten i.d.R. keine germanischen Wege entlang. Diese zogen meist auf den Bergrücken entlang, da die Täler durch die Flußauen und Bäche meistens versumpft waren. Die alten Handelswege führten in der Gegend meist am Waldesrand bzw. über die Bergrücken entlang.

Z.Zt. der Varusschlacht kann es kein schönes Wetter gegeben haben, da die Römer in ihren Berichten eher das "deutsche Sauwetter" mit Sturm und Regen beschrieben. JAHN sieht hier sogar den Hellweg vor dem Sandforde als unpassierbar an. Das ist völlig entgegengesetzt zu Deiner Vermutung:pfeif:
Und mit einem großen Troß mit Frauen und Kinder konnten die Legionäre bestimmt nicht schneller marschieren. :winke: Selbst Germanicus hat Caecina daraufhingewiesen, daß er sich mit seinem Troß bei den pontes longi beeilen soll. Ein Troß mit Ochsenkarren und Mulis war im schnellen Marsch eher hinderlich und nicht förderlich!
Wenn die überhaupt unter den Bedingungen 10km pro Tag schafften, dann ist das schon viel.

Trajan schrieb:
Ja genau. Anreppen war das letzte, und damit auch wichtigste Lager mit entsprechender Ausstattung kurz vor dem Gebirge, und, mein Vorschlag, Hildesheim direkt hinter dem Gebirge. Diese beiden Standorte sind die idealen, wenn man den Anspruch auf das Gebiet zur Elbe anmelden will. Anreppen alleine reicht dafür keinesfalls aus !


Was lese ich denn da immer von Hildesheim?:grübel: Soll es dort eine Römerstadt gegeben haben? Selbst FRIEBE mußte schmunzeln als er von angeblichen Steinbauten römischen Ursprungs in Hildesheim hörte. Da soll es eine private Stadtführung gegeben haben, bei der so ein Hobbyforscher fast alle älteren Gebäude als römisch ansah.:rofl: Für die Teilnehmer soll es recht amüsant gewesen sein.
Zur Zeitenwende bauten die Römer ihre Lager aus Holz/Erde-Konstruktionen und nicht aus Steinbauten. Wie ich hier schon geschrieben habe, gab es im Raum Hildesheim eine kleine germanische Siedlung und den Galgenberg, auf dem der Hildesheimer Silberschatz gefunden wurde. Jetzt spekulieren wir einmal und vermuten daß der Galgenberg vielleicht eine germanische Kultstätte war (man hat ja gerne heidnische Stätten später mit Hinrichtungsstätten "entweiht"). Aber wo sollen dort die Römer gewesen sein? Wenn schon die Hobbyforscher spekulieren, dann ist es eher der Ort Elze, der aufgrund des Stadtplans das Interesse weckt.:pfeif:






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Hi Cherusker,

Cherusker schrieb:
....Beim Ausbruch aus Aliso haben die marschierenden Römer eiskalt die Zivilisten abgehängt, sodaß diese anfingen laut zu klagen....

Ja, aber da wussten sie ja längst, dass es um alles oder nichts ging, das war keine vergleichbare Situation. Die Legion war kein Knabenchor, gewiss, aber du willst sie doch nicht zu Unmenschen machen ?

Cherusker schrieb:
....Entlang der Flußauen? Da führten i.d.R. keine germanischen Wege entlang. Diese zogen meist auf den Bergrücken entlang, da die Täler durch die Flußauen und Bäche meistens versumpft waren. Die alten Handelswege führten in der Gegend meist am Waldesrand bzw. über die Bergrücken entlang. ....

Jein, die Bergrücken waren wegen ihrer Trockenheit, selbst bei Sauwetter, beliebt. Insbesondere für Reiter kein Problem. Für den Tross, für den jede grössere Steigung aber grösste Mühen und Zeitverlust bedeutet, sind sie kaum geeignet. Die nehmen viel besser die Wege zwischen Aue und Waldesrand. Und die gab es reichlich, denn die Germanen haben nachweislich, und die Tonscherbenarbeit aus der ich die Verbreitungskarte habe stellt das heraus, gerade entlang der Auen gesiedelt.

Cherusker schrieb:
....Z.Zt. der Varusschlacht kann es kein schönes Wetter gegeben haben, ....

Soso, du hast noch alte Wetteraufzeichnungen ?

Cherusker schrieb:
....da die Römer in ihren Berichten eher das "deutsche Sauwetter" mit Sturm und Regen beschrieben. ....

Ja, aber das ist der Topos römischer Geschichtsschreibung: Germanien hat 8 Monate Winter und keinen Sommer, schrieb einer sogar.

Und wenn du den Jahn genau gelesen hast, das stellt er auch mehrfach heraus. Wann und wieviel, ja ob überhaupt, es schlechtes Wetter gegeben hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Ich würde annehmen, das in der Schlussphase dass Wetter tatsächlich schlecht war, am Anfang dagegen nicht.

Und zwar alleine schon wegen dem Tross: der verträgt grundsätzlich, ob Berg oder Tal, kein Sauwetter. Wäre das am Anfang bereits gewesen, Varus wäre nicht mit dem Tross den Umweg gegangen. Und überhaupt, der vorgesehene Weg muss weit bessergewesen sein als bei Dio beschrieben, denn mit einem Tross von Mulikarren, ein Teil wurde sicher auch von Menschen gezogen, gehst du selbst bei bestem Wetter nicht durch Urwälder, das geht einfach nicht.

Cherusker schrieb:
....JAHN sieht hier sogar den Hellweg vor dem Sandforde als unpassierbar an. Das ist völlig entgegengesetzt zu Deiner Vermutung
Und mit einem großen Troß mit Frauen und Kinder konnten die Legionäre bestimmt nicht schneller marschieren. Selbst Germanicus hat Caecina daraufhingewiesen, daß er sich mit seinem Troß bei den pontes longi beeilen soll. Ein Troß mit Ochsenkarren und Mulis war im schnellen Marsch eher hinderlich und nicht förderlich! ....

Ja klar, diese Tatsache kann man ja garnicht stark genug betonen: WARUM NAHM VARUS DEN TROSS MIT ? Das er es tat, daraus lässt sich einiges schliessen, z.B.:

- das der abweichende Weg nahe am normalen Rückweg lag
- das die Wege bekannt waren
- das die Wege garnicht so schlecht waren
- das das Volk der Ruhestörer bekannt war und nicht als übermässig gefährlich galt
- das diese nicht allzu fern der Römerrouten waren
- das das Wetter nicht so schlecht war wie 200 Jahre später behauptet wurde

und einiges mehr.


Cherusker schrieb:
....Selbst FRIEBE mußte schmunzeln als er von angeblichen Steinbauten römischen Ursprungs in Hildesheim hörte. Da soll es eine private Stadtführung gegeben haben, bei der so ein Hobbyforscher fast alle älteren Gebäude als römisch ansah.....

Wenn du meine Einlassungen zurückverfolgst, dann weist du genau dass ich von dem Quatsch nicht rede. Aber die Gegend von Hildesheim war eindeutig cheruskisches Stammland. Nachweislich gab es da nicht nur eine Siedlung, es wimmelte förmlich von ihnen:Hannover, Hildesheim, Salzgitter,Braunschweig, eine Ansiedlung neben der nächsten, dito das ganze Leinetal.

Cherusker schrieb:
....Zur Zeitenwende bauten die Römer ihre Lager aus Holz/Erde-Konstruktionen und nicht aus Steinbauten. .....

das ist klar, bis auf wenige Ausnahmen, aber das haben wir ja bereits diskuttiert und will das nicht alles nochmal wiederkäuen. In Hildesheim sind bestenfalls Teile des Grundriss erhalten, unter dem Beton und Asphalt der Innenstadt könnte evtl. noch was zu finden sein.

Cherusker schrieb:
....Wie ich hier schon geschrieben habe, gab es im Raum Hildesheim eine kleine germanische Siedlung und den Galgenberg, auf dem der Hildesheimer Silberschatz gefunden wurde. .....

Das ist definitiv falsch, es wimmelte vor Ansiedlungen. In Hildesheim-Bevenstedt wurde sogar eine Terra Sigillata Manufactur ausgegraben die schwunghaft auch weit über das Jahr 9 hinaus betrieben wurde.

Cherusker schrieb:
....dann ist es eher der Ort Elze, der aufgrund des Stadtplans das Interesse weckt. .....

Ja, für Elze gilt ähnliches wie für Hildesheim, es liegt fast so gut am östlichen Gebirgsrand, es hat einen Grundriss der römisch anmutet, es ist ebenfalls uralt, es sind dort ebenfalls etliche germanische Siedlungen der Kaiserzeit nachgewiesen, und zu guter letzt es liegt ebenfalls auf der gleichen Route, nur ein paar Kilometer vor Hildesheim.

Sowohl in Hildesheim als auch in Elze ist es angezeigt, eventuell archäologisch etwas zu versuchen.

beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Ja genau. Anreppen war das letzte, und damit auch wichtigste Lager mit entsprechender Ausstattung kurz vor dem Gebirge, und, mein Vorschlag, Hildesheim direkt hinter dem Gebirge. Diese beiden Standorte sind die idealen, wenn man den Anspruch auf das Gebiet zur Elbe anmelden will. (...)


Hallo Trajan,

das Lager von Anreppen könnte aufgrund seiner Lage, seines Aufbaus und seiner Struktur durchaus ein wichtiger Stützpunkt zur militärischen und administrativen Kontrolle des Landes bis zur Weser gewesen sein. Sowohl Drusus als auch Tiberius waren zwar bereits bis zur Elbe vorgestoßen, von zusammenhängenden, durch Römer besetzten Gebieten im Jahre 9 darf man zwischen Weser und Elbe wohl nicht ausgehen. Es wird an wichtigen Flussläufen, d.h. Weser, Fulda, Werra, Leine und Elbe vereinzelte Basislager gegeben haben, von denen Hedemünden ein Beispiel darstellt.
Das Lager von Anreppen dagegen umfasst eine Fläche von 23 ha und verfügte somit über die Kapazität, mind. eine Legion aufzunehmen. Die umfangreichen Ausgrabungen der letzten Jahre durch Dr.Kühlborn haben eine überraschende Entdeckung zutage gebracht: in Anreppen befand sich ein reich ausgestattetes und für die Verhältnisse luxuriöses Praetorium von außergewöhnlicher Größe (> 3500 qm), sowie mehrere größere Stabsgebäude. Zudem verfügte das Lager über ungewöhnlich umfangreiche Speicherbauten. Dendrochronologisch konnte die Erbauungszeit von Anreppen in den Jahreswechel 4/5 n.Chr. datiert werden, also in den Feldzug des Tiberius. Wenn nun Varus vier Jahre später ins rechtsrheinische Germanien vordrang, so ist es nicht ausgeschlossen, dass er diesen Standpunkt als Residenz wählte. Von dort aus waren (über die heutige B1) die Cherusker an der Weser gut erreichbar, sowie (über die heutige A44) die Chatten im Kasseler Becken. Sollte Arminius Plan darin bestanden haben, ihn durch eine Falschmeldung zu einem andern Übergang über den Gebirgszug zu bewegen, so befand sich das römische Heer zwischen Teutoburger Wald und Weser im unwegsamen Niemandsland.
Wenn das Sommerlager des Varus dagegen an der Weser (oder Hildesheim) gelegen haben sollte, kann er selbstverständlich nur nach Westen gezogen sein. Allerdings ist bis heute ein solches Lager nicht entdeckt worden. Also können wir nur die Fakten verwerten, die tatsächlich vorliegen.

Trajan schrieb:
Varus hat die Truppen, die er mit auf seine Sommerzüge nahm, zu einem guten Teil aus seiner Privatschatulle bezahlt, die in Haltern zu verschiedenen Zeiten stationierten Truppen dagegen wurden aus ganz anderen Quellen gezahlt.

Dieses ist über Germanicus berichtet worden, nicht aber bezüglich des Varus. Wenn Du auf die Kontermarken (VAR) auf den Münzen ansprichst, so kann ich nur darauf hinweisen, dass die These von den "Geldgeschenken des Varus an seine Legionäre" längst widerlegt ist. Kontermarken (noch dazu auf Kleingeld) dienten nicht dazu, Beschenkte an ihren Gönner zu erinnern, sondern Geld in Notzeiten aufzuwerten.
 
Ave Cato,

Cato schrieb:
....das Lager von Anreppen könnte aufgrund seiner Lage, seines Aufbaus und seiner Struktur durchaus ein wichtiger Stützpunkt zur militärischen und administrativen Kontrolle des Landes bis zur Weser gewesen sein....

Sicherlich, das glaube ich auch.
Die Versorgungslage wurde hier ja schon mal angesprochen, auch Jahn erwähnt sie irgendwo. Die germanischen Überschüsse waren sicherlich zu gering um den riesigen Varuszug den ganzen Sommer über zu versorgen.

Obendrein pflegten die Herrschaften eine italienische Küche zu geniessen, sodass eine Reihe von Produkten weit hergeholt werden mussten. Anreppen war daher als vorgeschobener Versorgungsposten unabdingbar, alles was die Lippe rauf ging staute sich erstmal genau dort.

Cato schrieb:
....Sowohl Drusus als auch Tiberius waren zwar bereits bis zur Elbe vorgestoßen, ...... Es wird an wichtigen Flussläufen, d.h. Weser, Fulda, Werra, Leine und Elbe vereinzelte Basislager gegeben haben, von denen Hedemünden ein Beispiel darstellt. ....Das Lager von Anreppen dagegen umfasst eine Fläche von 23 ha und verfügte somit über die Kapazität, mind. eine Legion aufzunehmen. ..... in Anreppen befand sich ein reich ausgestattetes und für die Verhältnisse luxuriöses Praetorium von außergewöhnlicher Größe (> 3500 qm), sowie mehrere größere Stabsgebäude. Zudem verfügte das Lager über ungewöhnlich umfangreiche Speicherbauten. Dendrochronologisch konnte die Erbauungszeit von Anreppen in den Jahreswechel 4/5 n.Chr. datiert werden, also in den Feldzug des Tiberius. ......

Yep, so ist es.
Ich glaube, das Tiberius nicht nach nur einem Drittel, zudem dem einfachsten Drittel, schon halt machte, er brauchte weitere Posten. Er muss mindestens einen weiteren Posten hinter dem Gebirge gehabt haben.

Natürlich musste man die Wichtigkeit von Anreppen herausstellen, es war nicht nur ein Durchgangslager, es war erstmal ein bedeutendes Endlager.

Cato schrieb:
....Wenn nun Varus vier Jahre später ins rechtsrheinische Germanien vordrang, so ist es nicht ausgeschlossen, dass er diesen Standpunkt als Residenz wählte. Von dort aus waren (über die heutige B1) die Cherusker an der Weser gut erreichbar, sowie (über die heutige A44) die Chatten im Kasseler Becken. ......

Auf den ersten Blick ja. Aber das ist viel zu kurz gegriffen.
Man kann nicht aus 100 km Entfernung über zwei Gebirge hinweg rufen : "Hallo, ihr seid erobert, ergebt euch ! Und jetzt kommt bitte rüber, ich möchte euch auf meinem Forum in Anreppen richten. Danke schonmal, und bringt die Steuern mit !".

Du brauchst einfach den Stützpunkt am Leine/Innerste Dreieck, sonst klappt das nicht. Tiberius muss das klar gewesen sein, Köln, Anreppen, Hildesheim, Magdeburg, wäre geographisch die perfekte Kette zwischen Rhein und Elbe.

Tiberius hat Köln und Anreppen nachweislich in 4 n.Chr. angelegt, z.T.mit Steinbauten sogar. Hildesheim (oder in der Nähe) wäre als nächste Station einfach klar auf der Hand, Tiberius muss das gewusst haben. Segestes Sohn Segimer war in 4 hoher Priester in Köln, die vertragliche Connection war also da; nichts spricht für Tiberius dagegen gleich Nägel mit Köpfen zu machen.

Cato schrieb:
....
Wenn das Sommerlager des Varus dagegen an der Weser (oder Hildesheim) gelegen haben sollte, kann er selbstverständlich nur nach Westen gezogen sein. Allerdings ist bis heute ein solches Lager nicht entdeckt worden. Also können wir nur die Fakten verwerten, die tatsächlich vorliegen. ......

Das Dilemma ist mir schmerzhaft bewusst, man kann nur durch grossangelegte Grabungen an einigen wohlbestimmten Stellen mehr herauskriegen.

Cato schrieb:
....Wenn Du auf die Kontermarken (VAR) auf den Münzen ansprichst, ......

Nein, auf die kommt es garnicht an, und dass hat ja gerade Lippek dankenswerterweise gezeigt.

Lippek hat ja Haltern und Kalkriese lediglich nach Prägeorten sortiert und damit klar gezeigt, das die Münzen aus Kalkreise trotz gleicher Zeitstellung signifikant mehr italienische und afrikanische Prägeorte enthalten, so wie es für die Privatschatulle des Varus zu erwarten ist.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Jein, die Bergrücken waren wegen ihrer Trockenheit, selbst bei Sauwetter, beliebt. Insbesondere für Reiter kein Problem. Für den Tross, für den jede grössere Steigung aber grösste Mühen und Zeitverlust bedeutet, sind sie kaum geeignet. Die nehmen viel besser die Wege zwischen Aue und Waldesrand. Und die gab es reichlich, denn die Germanen haben nachweislich, und die Tonscherbenarbeit aus der ich die Verbreitungskarte habe stellt das heraus, gerade entlang der Auen gesiedelt.



Soso, du hast noch alte Wetteraufzeichnungen ?



Ja, aber das ist der Topos römischer Geschichtsschreibung: Germanien hat 8 Monate Winter und keinen Sommer, schrieb einer sogar.

Und wenn du den Jahn genau gelesen hast, das stellt er auch mehrfach heraus. Wann und wieviel, ja ob überhaupt, es schlechtes Wetter gegeben hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Ich würde annehmen, das in der Schlussphase dass Wetter tatsächlich schlecht war, am Anfang dagegen nicht.

Und zwar alleine schon wegen dem Tross: der verträgt grundsätzlich, ob Berg oder Tal, kein Sauwetter. Wäre das am Anfang bereits gewesen, Varus wäre nicht mit dem Tross den Umweg gegangen. Und überhaupt, der vorgesehene Weg muss weit bessergewesen sein als bei Dio beschrieben, denn mit einem Tross von Mulikarren, ein Teil wurde sicher auch von Menschen gezogen, gehst du selbst bei bestem Wetter nicht durch Urwälder, das geht einfach nicht.

So so....anscheinend legst Du Dir die Situation so zurecht, wie Du sie haben möchtest. JAHN beschreibt anhand der Quellen, daß die römischen Waffen aufgrund der Nässe unbrauchbar wurden :)confused: ziemlich zweifelhaft). Dagegen verlangst Du von dem Varus-Troß übermenschliche Fähigkeiten: Zivilisten sollen die Marschleistungen von Legionäre erreichen....





Trajan schrieb:
Wenn du meine Einlassungen zurückverfolgst, dann weist du genau dass ich von dem Quatsch nicht rede. Aber die Gegend von Hildesheim war eindeutig cheruskisches Stammland. Nachweislich gab es da nicht nur eine Siedlung, es wimmelte förmlich von ihnen:Hannover, Hildesheim, Salzgitter,Braunschweig, eine Ansiedlung neben der nächsten, dito das ganze Leinetal.

Anscheinend ist hat jede niedersächsische Großstadt für Dich einen germanischen bzw. römischen Urpsrung?:rofl:
Was ist über germanische Siedlungen bekannt.....die Germanen wohnten meist in kleinen Siedlungen die zwischen 100-500 Personen betrugen. Es gab i.d.R. keine Städte (z.B. keltische oppidum). Dafür aber viele kleine Siedlungen die die jeweiligen Sippen miteinander verbanden. Die Küstenregion und die Gebiete der unteren Elbe und der mittleren Weser waren stark besiedelt. Dagegen gab es zwischen Weser, Aller und Elbe eine wohl nahezu siedlungsfreie Zone. Ferner gab es im westlichen Niedersachsen, südlich der Küste und östlich der Ems eine stärkere Besiedelung. Auch nördlich des Harz hin zur Aller gab es etliche Funde (Gebiet der Foser?) .
Aber hier irgendwelche heutige Städte zu benennen, das ist doch nicht ernsthaft gemeint, oder?
Manchmal habe ich das Gefühl Deine Phantasie läßt Dir alle Quellen anders erscheinen? :grübel: Diese Erscheinung erkennt man ansonsten noch bei einem Herrn aus dem Osten.

Fazit:
Die Varuslegionen haben keine großen Entfernungen zurückgelegt, da Germanicus den Verlauf der Schlacht nachging. Das wird er bestimmt nicht über 60km Entfernung gemacht haben, da er von Arminius bedrängt wurde (siehe JAHN).
Hildesheim war damals keine Stadt, sondern nur ein übliches Siedlungsgebiet mit vielen kleinen Siedlungen. Die Leine muß damals schon bedeutender gewesen sein als die Innerste. Somit wird vermutet, daß sich die Römer gen Norden eher an der Leine orientierten!
Im Cheruskerland gibt es etliche Gebiete, die auch noch für die Römer interessant wären. So z.B. die Weser, da hier eine Versorgung von der Nordsee möglich war.
 
Cato schrieb:
Kontermarken (noch dazu auf Kleingeld) dienten [...] dazu, [...] Geld in Notzeiten aufzuwerten.

Könntest Du das näher erklären oder zumindest enstprechende Lieratur vorlegen? Mir erschließt sich das nämlich nicht, wieso Gegenstempel Geld aufwerten können. Metall und Gewicht bleiben doch gleich.





(@Moderation, wir können das gerne als eigenen Thread aufmachen.)
 
Hallo El Quijote,
über Sinn und Zweck von Gegenstempeln auf römischen Aes-Prägungen gibt es verschiedene Theorien. Zum einen dienten sie dazu, den Wert eines Nominals zu erhalten, wenn die Münzen eigentlich nicht mehr in Umlauf waren. Gegen diese Deutung spricht die Tatsache, dass zahlreiche Denare der Republik noch viele Jahrzehnte in der Kaiserzeit im Umlauf waren, ohne Gegenstempel zu tragen. Da überwiegend niedrige Nominale gegengestempelt wurden (also Asse, Dupondien, Sesterzen) und diese Maßnahme gehäuft in volkswirtschaftlich kritischen Zeiten auftrat, gibt es die These, dass durch den Gegenstempel der Souverän das Nominal vorübergehend aufwertete (und dafür bürgte). Die letzte Möglichkeit ist jene, dass ein Souverän Geldgeschenke an seine Soldaten stempelte, um jenen seine Gabe in Erinnerung zu halten. In Kalkriese sind ebenfalls überwiegend Asse gegengestempelt. Der monatliche Sold eines Legionärs der frühen Kaiserzeit betrug genau 300 Asse. Wenn Varus nun jedem der etwa 15 000 Legionäre ein Geldgeschenk eines lächerlichen halben Monatssoldes verabreichen wollte, so musste er 2 250 000 (!) Asse gegenstempeln. Man kann getrost davon ausgehen, dass sich Asse wenig für (ernsthaft gemeinte) Geldzuwendungen eigneten. Für Geldgeschenke eigneten sich überwiegend Denare (oder besser gleich Aurei).
Im Übrigen stellen die unzähligen Symbole und Buchstabenkombinationen der römischen Gegenstempel eine Wissenschaft für sich dar.
Außerdem: Der Stempel VAR kann, zumal er lingiert ist, auch als UAR gelesen werden. Zudem existieren zwei verschiedene Versionen.
Wie auch immer. Tacitus überliefert, dass Germanicus´ Legionen am Niederrhein 14 n.Chr. meuterten, da ihnen noch Soldzahlungen ausstanden. Germanicus musste die Zahlungen aus eigener Tasche vornehmen, bzw. das Geld bei Vertrauten leihen. Es ist durchaus möglich, dass in dieser Situation As-Werte vorübergehend aufgewertet wurden.


Als Literatur zu diem Thema kann ich die Dissertation von Werz empfehlen:
Werz, Ulrich M.A.: Gegenstempel auf frühkaiserzeitlichen Aes- Prägungen im Rheingebiet.

Gruß Cato
 
Cherusker schrieb:
Die bisherige Meinung dieser Experten geht immer davon aus, daß Varus mit 3Legionen an die Weser zog, um sich dort in einem riesigen 3Legionenlager zu "verschanzen". Er unternimmt dann seine "Untaten" (Rechtsprechung) und zieht dann mit seinen Legionen aus diesem Riesenlager wieder zurück in die Winterlager. Und das halte ich für falsch!

Cassius Dio schreibt, dass Varus seine Legionen nicht im Sommerlager zusammen gehalten, sondern aufgeteilt hat (Dio hielt dies wohl für einen Fehler; es war aber durchaus gängige Praxis, so vorzugehen). Die Frage ist, ob sich daraus ableiten lässt, ob überhaupt ein 3-Legionen-Sommerlager existiert hat. Ich würde es für möglich halten, aber ehe im Sinne einer provisorischen Anlage. Die "Experten" vertreten ja häufig die Ansicht, dass die drei Legionen von Vetera starteten, nicht zuletzt wegen des Caelius-Steins. Für sehr wahrscheinlich halte ich es auch, dass der Marsch entweder vom Rhein oder der Lippe ausging.

Cherusker schrieb:
Und TIMPE.....einer der üblichen Verdächtigen. Die Römer waren seit Drusus (12v.Chr.) im Lande. Sie kannten sich schon auf den üblichen Handelswegen aus, alles andere halte ich für ein Märchen der Historiker aus dem 19./20.Jh.

Die Frage ist schon berechtigt, wie präsent die Römer wirklich im freien Germanien waren. Angesichts der Gebiete, von denen sie zeitweise glaubten, sie zu kontrollieren, nehmen sich die paar Legionslager an der Lippe (übertrieben gesagt, dass es in ein paar anderen Gegenden auch noch Lager gab) bescheiden aus. Nirgendwo rechts des Rheins ist eine wirklich langfristige Belegung eines Platzes zu erkennen. Drusus legte einige Lager an, starb dann, die Legionen verließen und zerstörten teilweise diese Plätze wieder. Tiberius baute seine Lager dann an anderen Orten. Für Timpes Ausführungen spricht, dass die Lager wirklich an den Flüssen als Einmarschrouten vom römischen Reich aus lagen (Lippe, Lahn, Main...). Schon mal ausschließen möchte ich, dass die Römer das Netz vorgeschichtlicher Wege (die nun so selten auch nicht sind) kontrollierten. Ich sehe des weiteren kein Grund, warum es Arminius nicht hätte gelingen können, einen Hinterhalt an einem solchen Weg zu legen.


Traianus schrieb:
Das halte ich aber für völlig unpassend. Von dort aus kann man keinen Anspruch auf die Verwaltung Germaniens bis zur Elbe stellen. Der Feind sitzt dann, geschützt durch zwei Gebirgskämme, weit entfernt und massiert vor dem Elbeknie während die Römer auf ihrem letzten verlängerten Rheinposten an der oberen Lippe quasi daheim harren. Da willst du u.a. über Cherusker zu Gerichte sitzen und Hof halten ? Damit hätte man nur Schwäche und Feigheit demonstriert, aber keinen Herrschaftsanspruch
.

Es muss offen bleiben, wie direkt die Herrschaft der Römer über die Cherusker war. Ich halte ein Hauptquartier an der Lippe, mit sicheren Versorgungslinien durchaus für möglich. Man darf nicht vergessen, dass die Römer sich auch über solche Völker als Herrscher darstellten, die sich ihnen nur pro forma unterwarfen.
So berichtete Augustus in seinem res gestae, er habe Britannien unterworfen - dabei betrat zu seiner Regierungszeit nie ein römischer Soldat die Insel und es handelt sich wahrscheinlich nur um kleinere diplomatische Finten, die Augustus hier gelangen.
 
Ashigaru schrieb:
.....Ich sehe des weiteren kein Grund, warum es Arminius nicht hätte gelingen können, einen Hinterhalt an einem solchen Weg zu legen.

Den hat es auch gegeben und zwar bei den "Langen Brücken" (pontes longi). Im Jahre 15 n.Chr. befahl Germanicus dem Caecina mit seiner Heeresabteilung auf bekannten Wegen zurückzuziehen. Da der Troß anscheinend nicht die normale Marschgeschwindigkeit erreichte, sollte Caecina die pontes longi (einst von L.Domitius errichtet) rasch passieren. Das war somit ein bekannter Schwachpunkt und die Römer wußten, daß Arminius sie dort angreifen konnte (somit ein "bekannter" Hinterhalt). Und genau so geschah es .....aber Caecina hatte dafür einen Plan entworfen (bestimmte Aufstellung der Legionen.... allerdings hielten die sich aber nicht daran).

Bei Varus muß es sich anders verhalten haben.....hier vermute ich, daß Arminius den Varus von den bekannten Wegen in unwegsames Gelände führte. Grund hierfür kann eine mögliche Zeitersparnis sein, um schneller zu den entfernt wohnenden rebellischen Stämmen zu gelangen. Varus hatte keinen Grund an Arminius zu zweifeln. Segestes Einwände hatte er vorher nicht geglaubt. So war das ein Hinterhalt, der den Römern vorher nicht bekannt war. Arminius konnte nur davon profitieren, wenn der Varus-Troß Probleme im Gelände erhielt. Bei pontes longi konnte Arminius den Römern nicht mehr den Weg vorschreiben. Daher mußte er die Bäche umleiten, damit das Chaos im Troß größer wurde.

In eine ähnliche Situation ist auch Drusus bei Arbalo gekommen. Hier mußte sich Drusus im unbekanntem Gelände gegen die Cherusker erwehren. Nur die damalige Diziplinlosigkeit der Germanen hat ihn gerettet.
 
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