Ethnogenese und frühe Geschichte der Goten

Was wäre übrigens, wenn "Germanisch" und "Slavisch" sich erst relativ spät auseinanderentwickelt hätten?

Das ist doch die heutige Theorie. Die Ethnogenese der Slawen fand erst im 5. Jahrhundert statt. Aber trotzdem waren, genauso wie bei den Goten, nicht nur Germanen daran beteiligt.

Meine Aussage war natürlich falsch. Sprachlich gesehen hat sich das Balto-Slawische bereits früher getrennt, wie Hyokkose richtig gestellt hat.
Vom baltischen hat sich das slawische dann im 4 Jh. vom baltischen getrennt.

Ich hatte es missverstanden und mich nur auf die kulturelle (archäologisch fassbare) Entwicklung der Slawen bezogen bzw. auf ihre Ethnogenese.
 
Witege Antwort auf Beitrag 35

Witege
1. Als Antwort auf deine Absätze bezüglich der Venedi, Anten und Sclavenen kann ich Dir nur raten das Zitat des § 119, das Du selber da hingesetzt hast, mit kühlem Kopf zu lesen, einschliesslich des letzten Satzes.Dann weisst Du, wen alles Ermanarich unterworfen hat.
2; Ich spreche von "vermuteten Einwanderern" weil die Entwicklung der Wielbark-Kultur solch eine Zuwanderung unverkennbar macht, aber ich eine ethnische Zuordnung fûr unmöglich und für blosse Vermutung halte.
3. Ich nehme an, dass die herrschende Schicht, ich weiss nicht wie gross sie war, aus Männern verschiedener Herkunft bestand.Des Jordanes Brotgeber war so einer, (§265), Gunthigis, Neffe eines Alanenfûrsten und vaterseits ein Amaler. Was für die legitimen Fürstinnen galt, das war noch mehr der Fall für allerlei Arten von Bettgespielen. Sie kamen von Überall.
Was Tacitus über die "Proceres" der germanischen Bastarnen (Basterna,= Tragsattel, Karren) sagt, das deutet auf eine gleiche soziale Ebene, aber die Bastarnen übrnahmen die sarmatische Schädeldeformation,, einer der kulturellen Einflüsse, nach denen Du mich so herausfordernd fragst.
4. Der polychrome Stil des Schmuckes ist eIn anderer Zug, aber im Augenblick streitet man noch, soviel ich weiss, ob die Sarmaten da kreativ waren oder blos Kunden und Mittelsmänner.
Für das was uns hier interessiert st es gleichgültig. Die Goten haben ihn jedenfalls weder aus Skandinavien bekommen, noch erfunden. Du wirst verstehen, dass ich mich hier nicht länger verbreitere darüber. Es ist einfach kein Platz, aber ein Buch möchte ich Dir doch anraten, falls Du es noch nicht kennst:V.E. Gaydukevic "Das Bosporanische Reich"; Akademie- Verlag Berlin. (Ich hoffe, Du bist nicht wie Cherusker, der beleidigt ist, wenn man ihm solch einen Hinweis gibt.)
5. Ich behaupte nicht, ganz bestimmt nicht, dass die Goten keine Germanen waren, sondern blos, dass ihre prägende, entscheidende Schicht, wenn Du willst, der ethnogenetische Kern,nicht von der Ostsee kam und dass ihre Ethnogenese ganz anders verlaufen ist, als man bisher annahm. Ich bin damit, wie ich hier schon festgestellt habe, nicht weit von Wolfram und Co, nur konsequenter, brutaler in mrinen Schlussfolgerungen.
6. Wenn's Dir Spass macht, zu behaupten, ich lege Jordanes "falsche Behauptungen in den Mund, so zieh Dich an Deiner eigenen Nase.
Siehe Deine Lesart des § 119.
Und schliesslich, an Deiner Stelle würde ich nichts fett schreiben. ein diskretes Unterstreichen genügt, sonst sieht das wie Geschrei aus.
Bis bald
Boiorix
 
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1. Als Antwort auf deine Absätze bezüglich der Venedi, Anten und Sclavenen kann ich Dir nur raten das Zitat des § 119, das Du selber da hingesetzt hast, mit kühlem Kopf zu lesen, einschliesslich des letzten Satzes.Dann weisst Du, wen alles Ermanarich unterworfen hat.
Stell dir vor, sogar mir ist das aufgefallen, allerdings kann man das doch nicht wörtlich übernehmen.
Jetzt (also zur Zeit des Jordanes) sind es drei Völker, damals wurden nur die Venethi unterworfen. Oder denkst du wirklich Jordanes war sich im klaren darüber, wie die Ethnogenese der einzelnen Völker dort abgeloffen war?



Und schliesslich, an Deiner Stelle würde ich nichts fett schreiben. ein diskretes Unterstreichen genügt, sonst sieht das wie Geschrei aus.
Gut zu wissen...
 
Ermanarich und die Slaven

Witege
1. Ich muss Dir gestehen, dass ich mich seit Jahren mit Jordanes beschäftige. Bisher habe ich noch nie einen Grund gefunden an ihm ernsthaft zu zweifeln, ---an seinen Interpreten schon.
Jordanes schreibt, dass Ermanarich die Veneter besiegte (§119), teilt uns dann ihre Teilung in drei namentlich genannte Völker mit und sagt schliesslich, dass sie alle Hermanarich dienen mussten ( ;..tunc omnes Hermanarici imperiis servierunt.) §120
Warum dran zweifeln?
2. Über die Ethngenese der Slaven wusste weder er noch Cassiodor etwas. Ich nehme an, dass die Angaben über die Ereignisse des 4.Jh von Cassiodor stammen, der da einfach berichtet was man sich unter den Goten erzählte, und die klagenden Kommentare von Jordanes, der ihnen räumlich näher war. aber§§119-120 handeln vom 4.Jh.

Gruss
Boio
 
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1. Ich muss Dir gestehen, dass ich mich seit Jahren mit Jordanes beschäftige. Bisher habe ich noch nie einen Grund gefunden an ihm ernsthaft zu zweifeln, ---an seinen Interpreten schon.


Ich würde an jeden antiken Autoren mit einer gewissen Vorsicht herangehen und nicht 100 %ig auf das vertrauen, was er geschrieben hat bzw. was heute davon zu lesen ist. Zu viele Kenntnisse wurden durch Hörensagen weitergegeben, das Abschreiben von Cassiodor im Eiltempo ist bekannt. Ausgrabungs-Erkenntnisse gab es zu der Zeit überhaupt nicht, geographische Kenntnisse sind auch nicht mit den heutigen zu vergleichen.

Ohne eine Wertung abgeben zu wollen, mein Jordanis-Exemplar (Übersetzung von Dr. Wilhelm Martens) beginnt mit der Einleitung: „Es ist kein Geschichtsschreiber ersten Ranges, dessen Bekanntschaft der Leser auf den folgenden Blättern machen wird…“
Und im vorletzten Absatz heißt es: „Die handschriftliche Überlieferung der Schriften des Jordanis gewährt keine ausreichende Sicherheit; denn auch die älteste, 1880 leider bei einem Brand im Hause Th. Mommsen zugrunde gegangene Heidelberger Handschrift aus dem 9. oder gar noch 8. Jahrhundert ist sehr fehlerhaft, und die übrigen Handschriften bieten wohl an manchen Stellen einen besseren Text, doch müssen wir uns bescheiden, nicht mit Gewissheit sagen zu können, war Jordanis wirklich geschrieben hat.“

Eine Quelle des Jordanis, nämlich Ablabius, ist uns unbekannt. Was nicht bedeuten muss, dass man grundsätzlich daran zweifeln muss, was aus dieser Quelle stammt.

Wenn Du nicht ein Original-Schriftstück besitzt, kannst Du davon ausgehen, dass im Laufe der Jahrhunderte durch Abschreiben sich so mancher Fehler eingeschlichen haben mag, Worte durch den versehentlichen Austausch eines Buchstabens schon eine andere Bedeutung bekommen haben könnten. Schau mal in das Buch von Christian Rohr über den Theoderich-Panegyricus von Ennodius. Da kannst Du so etwas verfolgen.
Z. T. saßen 8 Schreiber zur gleichen Zeit daran, Abkürzungen wurden falsch interpretiert, später berichtigt (wirklich richtig berichtigt?). Die Geschichte über die Überlieferung des Panegyricus wird auf mehr Seiten aufgezeigt, als der Panegyricus selbst.
Viel anders wird es den Schriften des Jordanis auch nicht ergangen sein.
 
Jordanes unD Ablabius

Ostrogotha
Was Du sagst, das ist alles richtig, vom bisherigen Wissensstand aus, aber der steckt immr noch tief in der Germanen-Romantik des 19. Jhs.
Vor bald dreissig Jahren hat Herwig Wolfram uns eine Analyse der Getica des Jordanes versprochen, die bis heute höchstens bruchstückweise erschienen ist, und an einer Stelle wo ein gewöhnicher Sterblicher praktisch nicht drankommt.
Was die Mertens-Übersetzung angeht,so ist sie eine der schlechtesten die ich kenne. Man kann natürlich so weit gehen wie der Däne Arne Christensen, und die Getica für überhaupt ein litterarisches und nicht historisches Buch halten, aber dann müssen wir die Hände in den Schoss legen und feststellen, wir wissen nix.
Wenn wir ihn aber überhaupt benutzen, dann haben wir kein Recht an ihm nach Belieben herumzudeuteln;
Ich will Dir zwei Beispiele geben: Da steht irgendwo, die Gepiden, Nachzügler der Goten, hâtten die Goten mit KrIeg bedroht, wenn sie ihnen nicht Land abgäben. Die Goten sitzen da am Shwarzen Meer und die Gepiden angeblich im Weichseldelta ca 1250 Km Luftlinie entfernt. Also Krieg, und den soll's wirklich gegeben haben, über diese Entfernung hinweg und auf einer Strasse, wo um ein Haar die Goten selber draufgegangen wären. Tolle Kerle, diese Gepiden. Und trotzdem haben sie von den Goten Dresche bezogen.
Und dier Gepiden tun das, weil sie dort in der Enge sind, "eingeengt zwischen rauhen Bergen und dichten Wäldern". Rauhe Berge am Weichseldelta, und niemand wundert sich;
Denn, natürlich, wie Du sagst, der Text ist halt unzuverlässig. Und die Gepiden sitzen im Weichseldelta zwischen 'flachen Gewâssern". Nanu, die Weichselarme sind flach? Mir ganz neu.
Aber siehst Du, Jordanes spricht vier mal von dem "Fluss Weichsel" (flumen Vistulae), aber ausgerechnet, wenn er von den Gepiden spricht, dann ist's nicht mehr die "Vistula" und auch kein"flumen" mehr, sondern ganz simpel ein Ort namens "Viscla", ohne Fluss. Niemand hat sich da je Gedanken gemacht. Viscla = Vistula, und das, wie die rauhen Berge und die Distanz, das sind eben die Abschreiber, die das entstellt haben.
Und wenn die Goten nach Sûden ziehen, und an einen "Abgrund, umgeben von Sümpfen" kommen, der ihnen Schwierigkeiten macht, dann phantasiert eben Cassiodor oder Jordanes oder die Abschreiber sind's wieder.
aber jeder dieser Beschuldigten weiss, dass ein "Abgrund, umgeben von Sümpfen "eben voll Wasser läuft und ein See wird; Blos die modernen Interpreten wissens nicht. Und siehalten es daher nicht für notwendig, sich in Russland mal umzuschauen, was es da für Môglichkeiten gibt, diese Stelle zu interpretieren;
Genug.
ich habe unserem Freund Marbod ein Stückchen Jordanes-Text anvertraut, damit er es von neutralen Latinisten übersetzen lässt. Das Stückchen enthält nämlich an einer ungemein wichtigen STelle einen so elementaren Fehler, dass ich meinen Augen nicht getraut habe, ehe ich nicht drei französische, zxei deutsche und zwei englische plus eine spanische Übersetzung verglichen habe. Alle machen den gleichen Schnitzer, den ich mir im ersten Latein-Schuljahr nicht hätte erlauben können.
Alle machen den gleichen Fehler, und alle Interpreten folgen ihnen, weil sie alle von vornherein wissen wie das war und daher nicht dem Jordanes-Text folgen, sonder ihrem Vorurteil, justement der romantischen Goten- Verehrung, die Felix Dahn in seinem " Kampf um Rom" auch betreibt.Er war nicht der Einzige.
Wenn Marbod mit seiner Übersetzung da ist, werden wir hier Gelegenheit haben, die Frage zu diskutieren.
Nur noch eins: Du hast Ablabius erwähnt. Rolf Hachmann, den ich sonst sehr schätze, sieht ihn als westgotischen GescHichtsschreiber, wenn ich mich recht erinnere in Gallien; Aber dann ist's nur merkwürdig; dass Jordanes kein Wort über ihn verliert, wenn er von den Westgoten spricht, sondern sich drei mal auf ihn beruft, wenns sich um die Umgebung des Asowschen Meeres handelt.
Otto Seek, der in der grossen Real-Encyklopedie des Klassischen Alterttums (Pauly-Wissowa) den Artikel "Ablabius" vefasste, hält ihn entweder für eine "Personnifizierung des Volksgeistes" oder aber für "Ein literarisches Pseudonym der Gotenkönigin Amalasuntha".
"Sehens, lieber Herr, drum ham Ihre Kinder Plattfüss!"
Also gedulde Dich noch ein bisschen, Ostrogotha, bis Marbod mit den Übersetzungen kommt, dann werde ich den Beweis für meine Behauptungen antreten und meine wissenschaftlichen Majestätsbeleidigungen rechtfertigen.

Boiorix
 
Gruezi Marbod
Du môchtest die Jordanes-Übersetzungsschnitzer kennenlernen.
Eigentlich gehört das in einen eigenen Thread, aber wenigstens soviel:
Ich nehme an, dass du Wagner "Getica" unter der Hand hast.Dann übersetz mal folgenden Satz und lies dann die Leute (aber bitte erst nachher), die Wagner (cap.IV) dazu zitiert.
Also: Jordanes Getica § 27 "....et exercitus mediaetate transposita pons dicitur, unde amnem traiecerat; irreparabiliter corruisse..."


Ich kenne zwar weder Wagner noch den Jordanes-Text, möchte aber gerade deshalb - als völlig Unbeleckter - einen Übersetzungsversuch wagen.

Und es heißt, daß die von der Mitte hinübergesetzte Brücke des Heeres dort, wo es über den Fluß setzte, unwiederbringlich zerstört worden sei.


Mehr als blamieren kann ich mich mit meinem eingerosteten Latein ja nicht...
 
Mehr als blamieren kann ich mich mit meinem eingerosteten Latein ja nicht...
Das stimmt. Also mache ich auch einen Versuch:

Man sagt, dass die Brücke, nachdem die Hälfte des Heeres hinübergesetzt worden war, von wo sie den Strom überquert hatte, unwiederbringlich zusammengestürzt sei.
 
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Das stimmt. Also mache ich auch einen Versuch:

Man sagt, dass die Brücke, nachdem die Hälfte des Heeres hinübergesetzt worden war, von wo sie den Strom überquert hatte, unwiederbringlich zusammengestürzt sei.


Das hört sich sinnvoller an als das, was ich übersetzt habe. Mich stört aber die Anbindung zu "transposita" - das paßt m. E. weder zu "exercitus" noch zu "medietate".
 
Das hört sich sinnvoller an als das, was ich übersetzt habe. Mich stört aber die Anbindung zu "transposita" - das paßt m. E. weder zu "exercitus" noch zu "medietate".

Transposita ist doch PPP Ablativ oder Nominativ Singular Femininum von transponere und kann deswegen nur zu medietate (auch Femininum, Ablativ) gehören.

Zusammen ist es dann ein Ablativus Absolutus der Vorzeitigkeit.
 
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Der Brückeneinsturz der Goten

Aha, ihr könnt es aso nicht erwarten dass Marbod sich meldet.
Und Bravo, Ihr seid Beide näher an der Wahrheit als alle bisherigen "Fachleute". Fast richtig.
Nun, der elementare, Klippschul-Fehler ist, dass hier "Medietas=die Mitte" mit "Dimidium = die Hälfte" verwechselt wird. Von sämtlichen Übersetzern und Interpreten.
Es ist keine Rede davon, dass "die Hälfte des Heeres" hinübergezogen sei, und dann "die Brücke unwiederherstellbar eingebrochen"sei,
sondern das Heer war über die Brûcke gezogen, als diese in der Mitte einbrach;
Im Übrigen kann "pons dictus" nicht "die erwähnte Brücke" heissen, weil dies die erste Erwähnung ist. Es Ist also eine "sogenannte Brücke".
Aber mir scheint, das gehört von Hyokkoses Beitrag 52 an definitiv in den Goten-Thread .Es ist meine Schuld, dass es hier unter den Schwaben steht ( knirrsch, knirrsch, total zerknirrscht)
Hyokkose, Du hast doch die Macht, das zu berichtigen? Bitte!!!
(Was man in diesen Text alles "hineinlesen" kann, davon werde ich Euch eine kostprobe geben, wenn wir über die nächsten zwei oder drei Sätze hinaus sind.)
Gruss
Boiorix
 
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Nun, der elementare, Klippschul-Fehler ist, dass hier "Medietas=die Mitte" mit "Dimidium = die Hälfte" verwechselt wird. Von sämtlichen Übersetzern und Interpreten.
In meinem Pons steht:
medietas, -atis f:
1) Mitte
2) (spätlateinisch) Hälfte
Also stimmt Hälfte auf jeden Fall...

Oder bist du ein Sprachgelehrter, der genug Fachwissen hat um den Pons für Schule und Studium anzweifeln zu können?


Im Übrigen kann "pons dictus" nicht "die erwähnte Brücke" heissen, weil dies die erste Erwähnung ist. Es Ist also eine "sogenannte Brücke".
Dummerweise steht da aber "dicitur" und nicht "dictus".
Dicitur ist ein passives Verb bei dem ein NCI steht...



Es ist keine Rede davon, dass "die Hälfte des Heeres" hinübergezogen sei, und dann "die Brücke unwiederherstellbar eingebrochen"sei,
sondern das Heer war über die Brûcke gezogen, als diese in der Mitte einbrach;
Doch:
exercitus, -us steht im Genetiv, obwohl es natürlich auch Nominativ hätte sein können.
pons, pontis steht allerdings eindeutig im Nominativ und nicht im Akkusativ (pontem)...

Außerdem ist transposita ein PPP und somit vorzeitig und nicht gleichzeitig...



(Was man in diesen Text alles "hineinlesen" kann, davon werde ich Euch eine kostprobe geben, wenn wir über die nächsten zwei oder drei Sätze hinaus sind.)
Da bin ich ja mal gespannt...
 
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Bartek Beowulf

Vielen Dank, Bartek, für Deine hier grade ausgesprochene Wertschätzung meines vorigen Beitrags. Leider kann ich hier vorläufig nicht auf Beowulf eingehen, weil das vom eigentlichen Thema ablenken würde.
Es ist da nâmlich im "Namen der Sueven"Thread eine Diskussion entstanden, die hier relevant ist (dort ab 52). Ich habe nun Hyokkose gebeten, diese Beiträge hierher zu verpflanzen, wo sie besser am Platz sind.
In der Zwischenzeit nur so viel:
Das Beowulf-Lied vergesellschafted "Geats" (Goten, Gauten) mit "Dânen", und das stimmt natürlich in Skandinavien. Aber auch am SChwarzen Meer waren "Gothi" mit Alanischen Elementen am Don vergesellschaftet und im Alanisch/ossetischen heisst "Dan" = Fluss, daher der "Don", gräzisiert "Tanais".
Ob nun die Gothi von den Gauten kommen (offizielle Lesart) oder die Gauten durch den Einfluss der Gothen entstanden (meine Ansicht), darum geht's nun hier. Wo also die "Geats" hingehören, das ist hier sekundär und hängt davon ab, welcher Ansicht man folgt.
Gruss
Boiorix
 
iWitege
Mit der Korrektur der mir in Eile passierten Verwechslung von Dicitur und Dictus hast Du natürlich recht, und ich bitte um Entschuldigung. An der Frage selber ândert das nichts;
Der Satz ist eindeutig: "...exercitus mediaetate transposita pons dicitur, unde amnem trajecerat..." und wenn Du "mediaetas" auf den "exercitus" beziehen willst, dann gehört er vorangestellt "die Hälfte des Heeres". Wenn Du Cassiodor/Jordanes den Blödsinn zutraust, geschrieben zu haben "das Heer der Hälfte hatte den Fluss überschritten" (ganz gleich, wie Du das grammaticalisch rechtfertigen würdest), dann erübrigt sich jede derartige Detail-Diskussion, so wie mit Arne Christensen, der kurzerhand der ganzen Getica historische Relevanz abspricht.
Vertrittst Du aber nicht diese absurde Formulierung, dann sehe ich nicht, wie Du vermeiden kannst, "Mediaetas" auf die Brücke zu beziehen.

Und zu Deiner Rhetorischen Frage , ob ich ein Sprachgelehrter sei, der sich erlauben könne, den Pons anzuzweifeln, gestehe ich demütig, dass ich das natürlich bei Weitem nicht sei, sondern hier diskutiere, um meine Ansichten an denen zu messen, die von Sprachgelehrten vertraten werden, die ihren Pons verinnerlicht haben.
Das leidige Problem bei solchen Diskussionen ist nur, dass ich da oft auf Leute treffe, die nicht mehr unterscheiden können, ob es um die Existenz eines Wortes geht, oder um die Frage nach dem Gebrauch, den ein Autor von einem Wort macht.
Konkret:
Welchen Gebrauch kann Cassiodor/Jordanes von "Mediaetas" machen? Du brauchst nicht einmal den spätlateinischen Sinn. Übersetze "Die Mitte des Heeres hatte den Fluss überschritten..." und Du hast eine Übersetzung gegen mich. Aber auch dann müsste Mediaetas voranstehen;
Aber wie gesagt, hier ist, wenigstens fûr mich, eben der exercitus das Subjekt von transposita, und nicht die Mediaetas.
Ich erwarte Deine weiteren Einwände mit Interesse
Bis bald
Boiorix
 
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Der Satz ist eindeutig: "...exercitus mediaetate transposita pons dicitur, unde amnem trajecerat..." und wenn Du "mediaetas" auf den "exercitus" beziehen willst, dann gehört er vorangestellt "die Hälfte des Heeres".
Falsch, im Lateinischen ist der Kasus entscheidend und nicht die Reihenfolge der Wörter. Du solltest mal ein paar Sachen von Cicero anschauen, da ist der Zusammenhang der Wörter noch unklarer...


Welchen Gebrauch kann Cassiodor/Jordanes von "Mediaetas" machen?
Ablativus Absolutus...
http://de.wikipedia.org/wiki/Ablativus_absolutus

Aber wie gesagt, hier ist, wenigstens fûr mich, eben der exercitus das Subjekt von transposita, und nicht die Mediaetas.
transposita = weiblich
exercitus = männlich
daraus folgt: es passt nicht zusammen, egal welche Übersetzung du dir erwünscht hättest...

Du könntest natürlich noch behaupten, dass Jordanes die lateinische Grammatik nicht beherrschte...
 
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Transposita ist doch PPP Ablativ oder Nominativ Singular Femininum von transponere und kann deswegen nur zu medietate (auch Femininum, Ablativ) gehören.

Zusammen ist es dann ein Ablativus Absolutus der Vorzeitigkeit.


Jetzt ist bei mir der Groschen gefallen! An den Ablativus Absolutus hatte ich nicht gedacht... Da sieht man, wie eingerostet mein Latein ist.

Ob man "Hälfte" oder "Mitte" übersetzt, ist eigentlich nicht entscheidend. Ob nun genau die Hälfte des Heeres oder die Mitte des Heerzuges übergesetzt hatte, kommt ja annähernd auf dasselbe heraus.

Vergeßt meinen Stuß, ich schließe mich Witeges Übersetzung an.
 
Aber mir scheint, das gehört von Hyokkoses Beitrag 52 an definitiv in den Goten-Thread .


Ich verschiebe die Beiträge gerne, möchte aber bei dieser Gelegenheit noch einmal anregen, Hinweise auf andere Beiträge zu verlinken. Die Numerierung kann sich jederzeit durch Verschiebung oder Löschung von Beiträgen ändern und wird damit zum Wiederauffinden vollkommen wertlos.
 
...Wenn wir ihn aber überhaupt benutzen, dann haben wir kein Recht an ihm nach Belieben herumzudeuteln;

...Denn, natürlich, wie Du sagst, der Text ist halt unzuverlässig.

... dann phantasiert eben Cassiodor oder Jordanes oder die Abschreiber sind's wieder.

Boiorix


Du hast eine überlieferte Handschrift von Jordanis – das ist stark! Oder was hast Du Marbod da anvertraut an lateinischem Text? „Anvertraut“ klingt nach kostbar.

Über die rd. 1500 Jahre hinweg vertraust Du eigentlich nicht mehr 100 %ig Jordanis, sondern zum großen Teil den Schreibern in den Klöstern (sh. meinen Hinweis auf den Panegyricus des Ennodius). Aber das hatten wir schon.

Über Prokops Gotenkrieg ist bekannt, dass dort Fehler enthalten sind. Wenn ich mit Deiner Konsequenz („Wenn wir ihn aber überhaupt benutzen, dann haben wir kein Recht an ihm nach Belieben herumzudeuteln;) daran gehe, dann hat Aligern die Familie gewechselt und ist nicht mehr Tejas Bruder wie bei Agathias, sondern Totilas Bruder.

Einen der beiden Autoren müssen wir also anzweifeln. Prokop berichtet auf x Seiten vorher die Wahrheit. Muss ich ihm deswegen in dem Punkt auch glauben? Oder war Agathias falsch informiert?

Prokop kann sich Ragnaris, Befehlshaber von Tarent, als einen hinterlistigen Goten vorstellen. Bei Agathias ist er ein Hunne. Ludwig Schmidt interpretiert ihn da, weil seiner Meinung nach Hinterlist besser zu einem Hunnen passt. Muss das deswegen stimmen? Wer hat Recht?

Das auch nur als Beispiel, wie weit man sich auf solche Texte verlassen kann.

Nichts gegen Erkenntnisse, die sich belegen lassen, die andere vor Dir vielleicht außer Acht gelassen haben, aber dem Jordanis-Text voll zu vertrauen, halte ich für ziemlich gewagt.

Und Du selbst gibst mir darin Recht = „Denn, natürlich, wie Du sagst, der Text ist halt unzuverlässig.“ und des weiteren = „dann phantasiert eben Cassiodor oder Jordanes oder die Abschreiber sind's wieder.“ Scusi, aber dann bekomme ich Deinen Satz „Wenn wir ihn aber überhaupt benutzen, dann haben wir kein Recht an ihm nach Belieben herumzudeuteln“ mit den beiden vorgenannten nicht ganz auf eine Linie.
 
An Witege

Witege
Für Deinen Hinweis zu "dicitur" muss ich mich bedanken: " ...pons dicitur....irreparabiliter coruisse..." macht tatsächlich mehr Sinn.Also Danke.
Was Deinen anderen, wesentlicheren Einwand angeht, so komme ich nicht mit.
Ich sehe das so: Exercitus (masc. nom.) mediaetate (fem.acc.) transposita (verb, fem.)
Vorher heisst es "ubi delectavit magna ubertate regionum et exercitus..." etc
Also: " wo die grosse Fruchtbarkeit der Gegend erfreute, und das Heer, die Mitte überschritten..."
Icch darf Dich vielleicht auch daran erinnern, dass der von Dir ins Feld geführte spätlateinische Sinn von "mediaetas" nur eine mögliche Alternative zu "dimidium" darstellt, es sei denn, Du kannst nachweisen, dass es der normale Ausdruch bei Cassiodor/Jordanes sei, und "dimidium" zu ihrer Zeit bereits vergessen und ausgestorben.

Dein letzter Satz aber macht mir wirklich Angst:
"Du könntest natürlich auch behaupten dass Jordanes die lateinische Grammatik nicht beherrschte"
Da sehe ich , bildlich gesprochen, den drohend erhobenen Rohrstock.
Tatsächlich, und das kannst Du mir glauben, bin ich weit davon entfernt das zu behaupten.
Es gibt aber Leute, fürchte ich, die dieser Meinung sind, obwohl sie Jordanes eigentlich gut kennen sollten:
Getica § 266:
"...ego item quamvis agramatus Iordanis ante conversionem meam notarius fui."
Velleicht lässt Du mich wissen, was der Pons zu "agramatus" zu sagen hat.
Übrigens scheint mir, angesichts eines fehlenden M in agramatus, dass der Schreiber an Dislexie litt.

Auf baldiges Wiederlesen
Boiorix
 
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