Entschuldigung, dass ich den Beitrag wieder nach oben zerre, aber ich möchte da auch meinen Senf dazugeben
Grundsätzlich muss man bei Jane-Austen-Verfilmungen im Auge behalten, dass es sich dabei um LITERATURverfilmungen handelt, und nicht um die üblichen historischen Filme. (meine Ansicht, korrigiert mich bitte, wenn ich da etwas falsch sehe
)
Jane Austen, die Zeit ihres Lebens unverheiratet blieb (darauf komme ich gleich nochmal zu sprechen
) zeichnete in ihren Romanen ein Bild von der Gesellschaft ihrer Zeit, allerdings (!) ist es natürlich nichtsdestotrotz Fiktion.
Dass ein Mr. Willoughby in "Sinn und Sinnlichkeit" sich in eine Marianne Dashwood verliebt, ist Gang und Gäbe gewesen. Dass aber ein Mr. Darcy zu Pemberley eine einfache Elizabeth Bennet (Stolz und Vorurteil) heiratet, war fast jenseits der Realität.
Der Stand eines Adeligen in der Gesellschaft richtete sich nicht nur nach dessen Hab und Gut, sondern auch nach seinem Namen und dem Alter seines Adelstitels. Nicht umsonst ist in vielen Romanen, die versuchen, diese Zeit authentisch widerzugeben von "Neureichen" die Rede. Beispielsweise konnte sich eine reiche Kaufmannsfamilie durchaus eine Peerwürde erkaufen. Deswegen waren sie trotzdem nicht angesehener. Und Landadel und Stadtadel waren auch zwei verschiedene Welten.
Wer zum "großen Adel" gehörte, konnte nicht auf ein Haus in London verzichten, egal, wie es um seine Mittel bestellt war (was auch erklärt, warum so viele Adelige immer wieder in hohe Schulden gerieten und zum Schluss ihre Landsitze vermieten - wie in Stolz und Vorurteil der Sitz Netherfield, der von Mr. Bingley angemietet wird - oder gar verkaufen mussten). Auch ist bekannt, dass hoch verschuldete Adelige sich des öfteren aus der Stadt zurück aufs Land zurückzogen, um sich zu "rehabilitieren", heißt: sie verkauften Teile der Ländereien oder verpachtetem sie und lebten eine Zeit lang nur von dem, was das Gut abwarf, bis sie wieder in der Lage waren, in die Stadt zurückzukehren.
Zu Stolz und Vorurteil gibt es folgendes zu sagen. Fideikomiss war zwar Gang und Gäbe aber keine Pflichtregelung. Es war in England durchaus möglich, auch als Frau zu Erben (nicht umsonst prügelte man sich um reiche Erbinnen!), und zwar nicht nur Geld. Auch bei der Fideikomiss-Regelung gab es Ausnahmen: die Witwe des Verstorbenen übernahm das Gut, bis der Nachfolger ihres Mannes volljährig war (i.d.R. bis zum 25. Lebensjahr dessen), desweiteren bestand für den Verstorbenen immer noch die Möglichkeit, die Fideikomiss-Regelung aufzuheben und alles z.b. seiner Witwe zu vermachen, auch die Ländereien.
Dass sich also ein Mr. Wickham an eine Familie Bennet hing ist nicht ein Zeichen dafür, dass die Bennets zwingend so vermögend waren... es ist vielmehr die Tatsache, dass er sich sicher war, er wäre in jedem Fall mit einer Bennet-Tochter besser dran. Sie hatte den Namen einer Adelsfamilie (wenn auch nur Landadel) und würde - auch wenn sie kein großes Erbe hätte, sagen wir, 500 Pfund im Jahr - sein Leben absichern. Im Gegensatz zu dem, was ihn erwarten würde, wenn er allein bliebe - er war nicht adelig, er hatte kein Geld und keine Bleibe außerhalb der Armee... sein Vater hatte ihn als Pfarrer zu Pemberley sehen wollen, was er aber ausschlug und somit Heimatlos wurde. Er hatte nur eben nicht geahnt, dass die Erbschaft der Bennet-Töchter fast gleich null war, eben durch den Fideikomiss und die nicht gerade rosige finanzielle Lage der Familie.
Zu Mr. Darcy sei gesagt, dass er besonders zu Anfang (sowohl im Buch als auch im Film) sehr arrogant dem Landadel gegenüber auftritt. Diese Haltung ist Selbstverständlich, wenn man davon ausgeht, dass der Stadtadel, der regelmäßig mit der königlichen Familie Kontakt hatte, sich zur feineren Gesellschaft zählte. Auch die Tatsache dass alle fünf Bennet-Töchter bereits in die Gesellschaft aufgenommen wurden, obwohl zwei von ihnen gerade erst aus dem Schulzimmer entlassen worden waren und die Jüngste sogar noch IM Schulzimmer saß, zeigt nicht gerade ein sonderlich standesbewusstes Auftreten der Bennets. (Siehe auch den Kommentar der Lady Catherine de Burgh, die pikiert nach dem Alter von Elizabeth fragt
)
Dazu muss erwähnt werden, dass Elizabeth mit ihren über 20 Jahren und Jane, die NOCH älter war, sich schon zu den "Sitzengelassenen" zählen konnte. Zu der Zeit wurden die jungen Damen mit 17 Jahren bei Hofe vorgestellt, "in die Gesellschaft eingeführt", und wenn möglich direkt an den ersten passenden Bewerber verheiratet. Hier komme ich auch wieder auf Ms. Austen selbst zu sprechen, denn sie selbst hatte das Pech (oder Glück, wer weiß) niemals zu heiraten und sich von ihrer Feder ernähren zu müssen. Auch diese Tatsache macht eine Braut aus dem Landadel nicht gerade attraktiv, denn es zeigt, dass die Familie entweder zu arm war, um vielleicht sogar schöne Töchter bei Hofe vorzustellen - derlei war finanziell sehr aufwändig, es musste ein Haus in London angemietet werden, um die gesamte Ballsaison auszunutzen, dazu die Garderobe für die junge Dame sowie deren Begleiterin, die Diener, die das entsprechende Haus versorgten usw. usf. - oder die junge Dame, so sie denn bei Hofe war, war nicht anziehend genug gewesen, als dass sie jemand hätte haben wollen.
So oder so, Mr. Darcy hätte Elizabeth Bennet nicht heiraten können, ohne innerhalb seines Standes einige Stufen herabzusinken... was er ihr in seinem ersten Heiratsantrag auch mitteilt
.
Auch die Tatsache, dass Onkel und Tante die Bennet-Töchter mit auf Reisen nehmen sprechen sehr dafür, dass die Bennets nicht gerade finanziell auf einem grünen Zweig saßen. Eine Kur in Bath (die zu der zeit sehr in Mode war), oder eine Reise durch das Land, wie sie im Buch erwähnt wird, war außer Reichweite für die Bennets. Wenn man sieht, wie sehr sich Mrs. Bennet freut, dass die älteste nach London eingeladen wurde und die zweitälteste auf eine Reise mitgenommen wird und eine der jüngsten mit der Frau des Befehlshabers des dort Stationierten Regiments auf Reisen geht, kann man davon ausgehen, dass es eine Seltenheit war, wenn irgendjemand in der Familie im Stande war, sich mehr als 20 Meilen vom eigenen Haus zu entfernen.
Die Bennets als "nicht so arm" zu bezeichnen fällt mir daher sehr schwer. Sie konnten sich zwar die Bediensteten leisten, hin und wieder ein paar neue Kleidungsstücke und ernähren konnten sie sich auch noch. Doch gehörte es z.B. auch zum feinen Ton, wenn die junge Dame auf dem Land auch mal zu Pferde anzutreffen war. Davon ist weder im Buch noch im Film die Rede. Es existiert eine Kutsche, die aber die Familienkutsche ist und auch nur bewegt wird, wenns zu einer Festivität im Umland geht. Was z.B. dafür spräche, dass sie keinen fest eingestellten Kutscher hatten, sonst hätte diese ja immer zur Verfügung gestanden
. Das fehlen von Reitpferden erzählt noch ein Übriges. Und es wird auch mehrfach erwähnt, dass die Bennett-Töchter keine Aussicht auf irgendeine Mitgift haben.
Was die Kleidung an sich angeht, bin ich nicht so bewandert, ich kann dazu also eher wenig sagen, ob sie nun authentisch ist oder nicht.
Ich halte es aber bei Literaturverfilmungen immer für besser, möglichst nah am Original zu bleiben und daher favorisiere ich definitiv die BBC-Version. Aber das ist Geschmackssache.
Und wer gern Jane Austen liest und sich in dieser Zeit wohlfühlt, dem rate ich einfach mal, sich Georgette Heyer zu widmen. Ihre Romane erschienen zwar in den 1970er Jahren, sind aber nichtsdestotrotz gut recherchiert und lesen sich sehr angenehm. Der eine oder andere könnte sich sogar erheitert fühlen, wenn die Protagonistin stotternd auf ihren 20 Jahre älteren Ehemann losstürmt und ihn fragt "B-b-b-ist du jetzt f-f-furchtbar b-böse, M-m-marcus?"
Und jetzt bin ich mit meinem Sermon am Ende