Ob im 18. Seculo absonderliche Degen vor das Frauenzimmer seyn; Item, ob solcher Manier Degen-Mode eygentlich nützlich und zugelassen seye.
Da meine Anmeldung im Reenacter*-Forum im Juni fehl schlug, handle ich die gewissen 'Degendamen' nun endlich an dieser Stelle ab, was ich schon seit Wochen vor mir her geschoben habe. Als Verfechterin des galanten Wohlwesens ist es meine heilige Pflicht, hierzu Stellung zu nehmen:
Nutzerin "Maria von Virmond" fragte im Reenacterforum am 25.04.07 folgendes:
"... wieviel würde ein Degen für Damen (18. Jhd.) kosten und wie schwer wäre dieser?
Sind eigentlich noch Originalstücke aus diese Zeit die speziell für Frauen angefertigt wurden erhalten?"
Als bekennende Tantzmeisterin muß ich dazu sagen, daß bei uns im 18.Jahrhundert 'Zuckertorte mit Senf' nicht angesagt sei. Zu ausladenen Kleidern paßt ein Degen einfach nicht. Außerdem ist Frauenzimmer-Kleidung zum Fechten viel zu unpraktisch! Die Dame vertraut sich ja dem Schutze des Cavaliers an ...
Daß aber unsere galante Zeit dem Frauenzimmer nicht einige Emanzipation vergönne, kann man nicht eigentlich behaupten: Wußten Sie eigentlich, daß Damenwahl auf unseren Bällen überflüssig ist? Weil nämlich im frühen 18.Jahrhundert die Dame jederzeit einen Herrn zum Tanz bitten kann - eben nicht allein der Herr die Dame. Die galante Welt achtet aber sehr auf Stil. Ich darf einmal den verehrten Maitre LOUIS BONIN zitieren:
"Hat aber eine Dame hoch tanzen gelernet/ welches was rares/ und sie hat den Habit [also den Aufzug bzw. die Kleidung] eines Cavaliers/ da wird man ihr das hohe Tanzen nicht verwehren/ sondern vielmehr aus ihrer Geschicklichkeit ein Ergötzen schöpfen."
Die Tanzmeister des 18. Jahrhunderts begründen stets zu recht, daß allzu heftiges Tanzen in weiblicher Kleidung nur komisch wirken würde. Mir erschien dies sogar schon bei Feüillets Gigue à deux, obwohl darin nur flach gesprungene Contretemps vorkommen: Weil dieser Tanz aber recht wild anmutet, kamen mir die Damens wie hüpfende Nilpferde vor, deren Kunstpopos wild hin, her, auf und nieder schleuderten. Oder waren sie alle Fregatten in Seenot?
Doch, ist das nicht im 21.Jahrhundert genauso? Ist es nicht so, daß wir Frauen uns im schicken Kleid oder Rock deutlich dezenter bewegen, als in Jeans oder Trainingszeug? Einfach deswegen, weil die Wirkung der Kleidung (sowie die conventionell-feminine Aura) sonst zerstört wird. Auch die Frau des 21.Jahrhunderts möchte 'Frauenzimmer-gemäß' wirken und wird sich kaum männliche Requisiten umhängen. Bei Männern haben sie so immer noch den besten Erfolg (!!!).
Übrigens gilt obige Frage bei LOUIS BONIN auch umgekehrt: Er besteht nämlich darauf, daß Männer, die auf einem Ball weibliche Kleidung tragen, dementsprechend flach und "doucement" zu tanzen haben, weil es sonst ja doch nur grotesk herüber kommen würde.
Am 26.April antwortete im Reenacterforum ein gewisser Jacobus u.a. folgendermaßen:
"Im Mittelalter, gerade im späten, waren es bedeutend mehr Damen als nur Jean d´Arc.
Nun war das Mittelalter deutlich emanzipizierter als viel heute wissen. In meinen 15 Jht. Fechtbüchern von Thalhofer und anderen ist der gerichtliche Zweikampf zwischen Mann und Frau immer ein Thema!!!Und mit dieser Emanzipitation gings aber ab M. Luther und Reformation deutlich bergab."
Ich muß dazu sagen, daß dem Mittelalter der Humanismus noch fremd war und dementsprechen wenig galt auch ein Frauenleben. Frauen sind Männern nachweislich körperlich unterlegen, weshalb der obgenannte Zweikampf eigentlich reine Barbarei ist. Andernfalls wäre bei einer Olympiade die Geschlechteraufteilung unnötig. Bei Blankwaffen kommt es allemal auch auf Muskelkraft an. Wie wenig aber dem Mittelalter ein Frauenleben gilt, sieht man im "Armen Heinrich": Zwar wird die Jungfrau schließlich nicht zu Heilungszwecken des Ritters geschlachtet, doch wird die ganze Zeit mit dem Gedanken daran gespielt. Das erinnert mich doch stark an den afrikanischen Aberglauben des 21. Jahrhunderts, wonach der Geschlechtsverkehr mit einer Jungfer von Aids heile. - Daß das Mittelalter weitaus roher, abergläubischer und unbarmherziger war, als die Frühneuzeit, entnimmt man der Sprache von Originalliteratur. - Mittelalterfans werden natürlich immer bestrebt sein, zu beschönigen.
Der von mir gleichfalls verehrte Caspar Stieler schreibt 1695 in seinem Buch "Zeitungs Lust und Nutz":
"Nachdem es aber iezo nicht mehr um die Zeit der alten Welt ist/ da das Weibes-Volk/ gleich den Schnecken Jahr aus Jahr ein/ im Hause bleibet und arbeitet/ sondern eine mehrere Freyheit erlanget hat/ in Gesellschaften zu kommen und Politische/ oder tugend Gespräche zu halten ..."
Ich sage : Stieler hat recht. In der Gotik galt zwar die Dame hohen Standes etwas und lebte recht emanzipiert, doch erst in der Vor- und Frühaufklärung kam die bürgerliche Frau in diesen Genuß. - Die bürgerliche Revolution scheint frauenemanzipatorisch zunächst einen Rückschritt gemacht zu haben (die "Damenwahl" ist ja sogar noch um die Mitte des 20ten Jahrhunderts Ventil!). Inzwischen kann man aber sagen, daß Frauen nie zuvor in der Geschichte so frei gelebt haben, wie heute in unserer westlichen Kultur. - Mal ganz offen gesagt, halte ich die Histörchen vom früheren Matriarchat für reichlich übersteigert und schönfärberisch idealisiert - womit sich bekennende Frauenaktivistinnen beruhigen (woanders als hier ist's immer beser/ bzw. gaanz gaanz früher? - ein nostalgischer Allgemeinplatz). Berichte von sagenumwobenen Amazoninnen der Antike findet man ja auch in der Litteratur des 18.Jahrhunderts. Vergessen wir aber nicht, daß der Mann auf natürliche Weise mit Testosteron 'gedopt' ist. (Den Hormonspiegel alter Amazonen kann man heute schlecht überprüfen, doch ich fürchte, daß so manche als Hermaprodit durchgehen könnte ...) - Das mit dem "Matriarchat" erinnert mich stark an Beteuerungen, daß in muslimischen Landen die Frau aber-ja-doch das Sagen im Hause habe und folglich nun-ja-immerhin-doch einigen Einfluß. Das ist Scheinlogik welche Realitäten von Unterdrückung auf den Kopf stellt. Und genauso verherrlicht man heute auch das Mittelalter.
Nein, für mich steht fest, daß die frühe Neuzeit in Sachen Frauenbefreihung einen großen Fortschritt gebracht hat. Der zweite Schritt wurde im 19./20.Jahrhundert vorbereitet und getan, wovon wir heute profitieren dürfen.
Das Thema "Degen speziell für Damen" kann man getrost abhaken. Eine Frau, die zu ihrer Damenrobe einen Degen tragen wollte, würde im frühen 18.Jahrhundert zum Gespött werden. Je nach der Strenge der örtlichen Obrigkeit, kann auch leicht passieren, daß sie deswegen vor Gericht landen wird, wo man ihr die Auflage machen wird, den Degen künftig abzulegen. Weil "Crossover" in der galanten Welt im großen und ganzen numal verpönt ist. Es wäre, wie man dort argumentiert, ein Auflehnen gegen die gottgewolte Geschlechterordnung. Außerdem sehen die Männer den Degen (ebenso wie die Hose) als ihr männliches Vorrecht an und sind von daher wenig nachgibig in diesem Punkte.
Es hat aber in der Frühneuzeit einige wenige Frauen gegeben, welche zu wahrem Heldenruhm gelangt sind - weshalb man ihnen ihre Ehre und männliche Kleidertracht auch gelassen hat : als Soldaten zu Felde, zur See ect.; bekanntermaßen hat es ja auch berühmte Piratinnen gegeben. Diese in der Tat gefeierten Heldinnen agierten aber allesamt in männlicher Kleidung, worin sie sich jahrelang als Männer ausgegeben hatten (bis man ihnen auf die Schliche kam). Trotzdem sollte man nicht übersehen, daß die Masse derjenigen Frauen, die sich zum Militär stahlen, mit Schimpf und Schande davon gejagt wurde, sowie des öfteren auch bestraft.
Das waren aber - das muß hier betont werden - keinesfalls normale Frauen. Nicht wenige unter ihnen waren schlicht homosexuell und teils sogar mit Frauen verheiratet. Andererseits trieb natürlich auch das Elend Frauen zum Militär - oder die drohende Zwangsverheiratung.
Eine galante Dame würde niemals ohne Not soetwas machen - es sei denn sie steht z.B. auf Frauen und will partout aus ihrer Rolle ausbrechen ...
Heute, im 21.Jahrhundert dürfen wir Frauen ja wirklich ALLES. Wir können alles das tun, was Männer auch tun - sogar mit einer Panzerfaust durch den Schlamm robben, oder mit einem schweren Bohrhammer malochen. Ja, wir dürfen sogar mehr, als die Männer : alles anziehen, ob Rock oder Hose, selbst wenn es Männerklamotten sind. Wer würde davon einen Skandal machen wollen? Männer haben soviele Freiheiten nicht - in Frauenkleidern werden sie schnell lächerlich gemacht und skandalisiert.
Doch in der Regel nutzen wir Frauen diese Freiheiten kaum voll aus. Weil wir eben doch Frauen sein wollen. Und so kehren wir eben doch immer wieder freiwillig in die Schranken gewisser weiblicher Conventionen zurück. Tragen eher zierliche kleine Acsencoires, als klotzige Bohrhämmer. (Ich hörte übrigens öfters Raunen, daß die Herren dies heute noch honorieren würden, um die Frauen zur Weiblichkeit zu ermuntern.) ...
Ähnlich muß man die Dame des 18.Jahrhunderts auch betrachten. Warum sollte sie einen Degen tragen? Sie wird ja in der Regel nicht auf Frauen, sondern auf Männer stehen, welche einen Degen tragen, womit sie gerade auch das "Damen=Volck" beschützen möchten. Ein Calvalier wäre tief verletzt, wollte seine Ballbegleiterin mit einem Degen erscheinen, als wäre er nicht Kerls genug, für die Sicherheit seiner Dame zu sorgen(!!).
Andererseits hat es in Europa einige wenige Höfe gegeben, wo man sich fast jede Verrücktheit heraus nehmen konnte. Höfe etwa, wo Homosexualität völlig offen gelebt wurde. In Wolfenbüttel etwa, wo der schwule Herzog Anton-Ulrich regierte (der sich sehr um die Teütsche Sprache und Litteratur verdient gemacht hat!), kann ich mir so ziemlich alles vorstellen. Und es gab gewiß noch den einen oder anderen Winkel in Europa, wo ungewöhnliche Dinge an der Tagesordnung waren. In Norditalien soll es z.B. noch doller zugegangen sein, als etwa in Pariß und Versaille. Und in Holland vernahm man auch zuweilen Frauen Trompete und Posaune blasen, oder die Pauke schlagen, was ansonsten undenkbar war.
Als Tanzmeisterin, in der Tradition des frühen 18.Jahrhunderts, muß ich aber den guten Geschmack anmahnen!!!!!!!! Wer seine Rolle ernst nimmt und nicht mit groteskem Narrentum aufzuziehen gedenkt, sollte sich überlegen, ob frau nicht lieber zur Herrenstange greift, um sich einen schicken Justeaucorps überzustreifen, wenn frau nunmal so sehr an ihrem schönen Degen hängt.
Weil sich - selbst der erlesenste und kostbarste Senf - eben nicht zur Zuckertorte schickt !!!!!!!!!!!!
* Ich bin keine "Reenacterin". Ich selbst spreche und schätze US-Englisch sehr, aber warum kann man nicht - wo man sich doch so gerne ins 18.Jahrhundert versetzten möchte - Ausdrücke wählen, die dem Zeitgefühl entsprechen? Sonst ist's ja kein authentischer Aufenthalt in jener Zeit mehr.