Überschallwindkanäle gab es schon vor dem zweiten Weltkrieg an verschiedenen Stellen, zuerst an der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen, wo mit Ludwig Prandtl einer der bedeutendsten Wissenschaftler aus der Geschichte der Aerodynamik wirkte. Prandtl und seine Mitarbeiter arbeiteten schon seit den Jahren vor dem ersten Weltkrieg an der Theorie der Überschallströmungen und mit seinem Assistenten Adolf Busemann baute Prandtl in Göttingen um 1930 den ersten Überschallwindkanal.
Von 1921 – 1926 arbeitete bei Prandtl auch Jacob Ackeret, der vorher zwei Jahre Assistent bei Stodola an der ETH Zürich im Fach Strömungsmaschinenlehre gewesen war. Ackeret ging dann zurück nach Zürich und wurde zunächst PD, später Professor und 1934 Direktor der Institutes für Aerodynamik an der ETH. Hier baute er einen kontinuierlich laufenden Überschallkanal, der 1934 in Betrieb ging. (Jahresbericht des Institutes 1935 siehe
http://www.ethbib.ethz.ch/exhibit/ackeret/jahresbericht1935.pdf) Auch für das Italienische Aerodynamische Forschungszentrum in Guidonia, wo der italienische Aerodynamik-Papst Antonio Ferri 1938 die erste transsonische Messstrecke einrichtete, hatte Ackeret den Kanal entworfen.
Wegen seiner Kenntnis-Kombination von Strömungsmaschinenlehre (Stodola) und Aerodynamik kompressibler Flüssigkeiten (Prandtl) war er hierfür besonders geeignet.
In Deutschland wurde im Krieg der Überschallkanal in Peenemünde gebaut, für den die bedeutendsten Vorarbeiten von dem Prandtl-Schüler Carl Wieselsberger stammen, der an der TH Aachen Aerodynamik lehrte.
Wer sich für den Stand der Überschallaerodynamik und -windkanäle in den dreißiger Jahren interessiert, dem kann ich die Lektüre des folgenden Aufsatzes empfehlen:
http://www.dglr.de/literatur/publikationen/pfeilfluegel/Kapitel1.pdf
Im zweiten Weltkrieg war die Überschallaerodynamik von höchstem Interesse, da die ersten Überschalleffekte an Tragflügelprofilen schon bei Fluggeschwindigkeiten erheblich unterhalb der Schallgeschwindigkeit auftreten und sowohl bei dem Raketenjäger Me 163 als auch natürlich insbesondere bei den Raketen (A1 – A4, Wasserfall, Rheintochter etc) die aerodynamischen Effekte im Trans- und Überschall sowohl Stabilitäts- als auch Strukturprobleme auslösen können.
Vor diesem Hintergrund halte ich es schon für nicht unwahrscheinlich, dass von deutscher Seite versucht wurde, sich die besondere Expertise von Jacob Ackeret durch die Bestellung eines Kanals in der Schweiz zunutze zu machen. Allerdings waren Prandtl’s Mitarbeiter, wie sie gezeigt haben, zum Bau solcher Kanäle auch alleine durchaus in der Lage.