Hallo zusammen; Bitte nehmt es mir nicht allzu übel, aber ich würe doch gerne noch einmal dieses alte Thema ansprechen. Ich denke, dass man hier (auch wegen der persönlichen Attacken gegeneinander) nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen ist. Trotzdem würde ich gerne meine Ansicht der Lage darstellen:
Ich bin der Auffassung, dass die Aussage, Deutschland trage eine so große Schuld am Krieg, so nicht haltbar ist. Wenn man den Begriff der Schuld etwa durch Fahrlässigkeit ersetzen würde, dann ja, aber Schuld haben andere mindestens genauso viel wie das Deutsche Reich, wenn nicht sogar Österreich Ungarn eine größere „Schuld“ hat. Ich möchte im Folgenden erläutern wie ich, oder besser gesagt wir (Im Rahmen der Vorbereitung zu einer Geschichts Leistungskurs Klausur) zu diesem Ergebnis gekommen sind und ich würde mich auch über kritische Meinungsäußerungen dazu von euch freuen
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Grundsätzlich haben wir den chronologischen Verlauf in 2 Teile gegliedert um leichter die Übersicht zu behalten. Zum einen die Zeit etwa ab dem Krimkrieg bis kurz vor der Julikrise, und zum anderen die Entwicklungen unmittelbar nach dem Tod Franz Ferdinands (Julikrise).
In ersterem Zeitraum trägt das Deutsche Reich tatsächlich eine größere Teilschuld an dem Eintreten gewisser Voraussetzungen als die anderen Mächte. Vor allem die Außenpolitik Wilhelms II (Politik der freien Hand) im Zusammenhang mit der Aufgabe der Saturiertheit Deutschlands und der „lauten Politik“ gegenüber den anderen Großmächten, Kündigung des Rückversicherungsvertrages, Flottenproblem mit Großbritannien, etc haben Deutschland in die Abseitsrolle gedrängt, in welcher nur noch Ö-U als fester Partner übrig blieb (Italien war nach dem Geheimvertrag mit Frankreich 1900 nur noch ein sehr labiles Mitglied des Dreibundes und man kann vermuten, dass dies auch D wie auch Ö-U vllt nicht bekannt war, aber dass sie es zumindest geahnt haben; Die Türkei hatte mit Russland wegen des Balkankonfliktes sowie mit Italien wegen Tripolitanien zu kämpfen. Somit waren dies beide keine Bündnispartner auf die man sich verlassen konnte). Hier liegt Deutschlands Schuld an dem Zusammenkommen des verhängnisvollen Bündnissystems. Ö-U als auch Russland hatten neben den territorialen Ansprüchen auf dem Balkan auch mit Innenpolitischen Problemen zu kämpfen und suchten somit eine Ablenkung dieser nach außen, da sie sonst beide an ihnen zu zerbrechen drohten. Und auch GB und F werfen wir vor mit dem weitgehenden Ausschluss D aus der Kolonialpolitik (außer meist wertlosen Kolonien) und der Vormachtstellung der britischen Home Fleet für ein gewisses, berechtigtes Neidverhalten bei D gesorgt zu haben. Auch die Demütigungen und das harte Aufzeigen der Isolierung D bei Konferenzen wie der in Algeciras waren sicherlich nicht förderlich für eine zukünftige gemeinsame Lösung eines größeren Konfliktes. Des Weiteren muss man ebenfalls sagen, dass auf dem Berliner Kongress 1878 alle europäischen Großmächte der Aufteilung des Gebietes auf dem Balkan zugestimmt haben, welches später mehrfach zum Krisenherd werden sollte. Vor allem die Einverleibung Bosnien Herzegowinas in Ö-U (Verwaltungsrechtlich), was den Bestrebungen Serbiens nach einem slawischen Einheitsstaat widersprach, ebenso wie durch die Gründung autonomer Staaten die Interessen Russlands nicht hinreichend erfüllt wurden. Kurz gesagt machen wir durch die imperialen Bestrebungen aller Großmächte in dieser Zeit auch alle zu einem gewissen, und keine zu einen besonders herausragen großen Teil an der Bildung dieses explosiven Zustandes in der Julikrise verantwortlich.
Und eben auch in der folgenden Phase, sprich der Julikrise selbst sind die Deutschen unserer Meinung fahrlässig, nicht aber wirklich mit der größten Schuld beladen. Was Deutschland selbst betrifft, so ist man den Weg des sog kalkulierten Risikos gegangen. Laut dem Kölner Historiker Andreas Hillgruber heißt das in etwa, dass man mit dem bewussten Zuspitzen der Krise gedachte, den Bund zwischen F und R aufbrechen zu können, und somit die Isolation D zu durchbrechen. Man war offenbar der Auffassung, dass ein begrenzter Krieg von allen Mächten akzeptiert werden würde, und nur geringe territoriale Verschiebungen ebenso. Soll heißen, ein auf Serbien begrenzter Konflikt würde nicht zum Weltkrieg führen. Russland sollte, ebenso wie Frankreich (Da allen Bewusst war, dass D selbst gegen F und R gemeinsam bestehe könne) alleine durch Abschreckung davon abgehalten werden in den Krieg einzutreten und ein Sieg Ö-U gegen Serbien sollte somit zu einem derartigen Prestigeverlust Russlands führen, dass Frankreich an ihm nicht mehr interessiert wäre und das Bündnis aufkündigen würde. Dies würde aber heißen, dass Deutschland bei der Ausstellung des Blankoschecks an Ö-U durchaus nicht daran dachte einen Weltkrieg, sondern nur einen regional begrenzten Krieg anzufangen und selbst dies nicht unter der Beteiligung eigener Truppen. Dies zeigt sich auch umso mehr, als D erst am 1.8.1914 Mobil macht, also erst kurz vor Ausbruch des eigentlichen Krieges. Dies erklärt auch die Ablehnung der ersten Vermittlungsversuche Englands durch Deutschland, da letzteres nicht mit einem Welt- und somit einem 2 Fronten Krieg rechnete bis zu dem Zeitpunkt der russischen Generalmobilmachung am 30.7.1914.
Somit müssen wir dann also weiter sehen nach Ö-U. Das an Serbien gestellte Ultimatum war von vorne herein nicht dazu gedacht angenommen zu werden. Somit kann man hier zumindest einen Kriegswillen bejahen. Auch mit dem Hintergrundwissen, dass sich Ö-U keine weitere Mobilmachung mehr leisten konnte. Durch die Teilmobilmachungen bei den vorherigen Konflikten (Balkankrisen als Schutz, falls die Konflikte auf Ö-U übergreifen würden) war der Finanzhaushalt derartig ausgelaugt, dass man, hätte man diese Mobilmachung nun ebenfalls wieder abgeblasen, sich in absehbarer Zeit keine weitere hätte leisten können. Es liegt die Vermutung nahe, dass deshalb das Ultimatum so gestellt wurde und dass auch deshalb nun die Vermittlungsversuche Deutschlands, welches nun (ab dem30.7.1914) empfahl die britischen Vermittlungsversuche anzunehmen, nicht akzeptiert wurden. Hinzu kommt natürlich noch die bereits oben genannte innenpolitische Lage, welche einen Sieg in einem Krieg nach außen zur Stabilisierung der Monarchie dringend benötigte. Aber auch hier sehen wir keinen Grund für einen Weltkrieg. Der Konflikt war immer noch auf Serbien begrenzt und auch Ö-U dachte, die Abschreckung der anderen Großmächte durch D würde gewährleistet.
Kommen wir zu Frankreich, welches nach unserem Ermessen eine sehr viel bedeutendere Rolle spielt als ihm oftmals angemessen wird. Und zwar mit der einzigen diplomatischen Aktion, welche überhaupt von Frankreich ausgeht. Frankreich gibt nämlich ebenfalls einen „Blankoscheck“, nur eben an Russland. Mit der Zusage, alle Bündnisverpflichtungen einzugehen (23.7.1914) bekommt nun nämlich Russland die Möglichkeit einzugreifen. Russland hätte sich dies vorher nicht getraut, da es Deutschland haushoch unterlegen ist, und Deutschland auch nicht von sich aus einen Krieg beginnt. Mit dem „Blankoscheck“ nun allerdings im Rücken (welcher indirekt nicht gegen Ö-U sondern bereits gegen D gerichtet zu sein scheint) kann Russland nun Serbien Hilfe zusagen. Bis zu diesem Punkt hier, haben wir aber immer noch einen begrenzten Konflikt. Mobilmachungen in Russland sind ebenso irreversibel wie in Ö-U. Schlicht und ergreifend wegen der Fläche und der unzureichenden Infrastruktur und Kommunikation braucht Russland ca. 2 Monate um mobil zu sein. Nun stellt sich aber die Frage warum Russland General mobil machte und nicht eine Teilmobilmachung ausführte. Bei einer Teilmobilmachung, so unsere Meinung, hätte der Konflikt ebenso begrenzt bleiben können auf Serbien, bei einer Generalmobilmachung aber musste sich Deutschland mit dem Wissen des Besuchs des franz Präsidenten in Russland, zwangsläufig bedroht fühlen. Und das ist dann auch der Zeitpunkt, wo in Deutschland das Militär die Staatsgeschäfte übernimmt und die Politiker nur noch als Farce agieren. Ebenso vermuten wir, dass die russische Generalmobilmachung auf die innenpolitische Lage und den Druck der konservativen zu Stande kam. Dass aber wiederum würde heißen, dass nicht Deutschland für den Weltkrieg verantwortlich ist, sondern die konservative und militärische Lobby Russlands und somit auch nicht „Russland“ an sich selbst. Ebenso wie in Deutschland sind hier die Politiker nur noch die Funktionäre der Militärs, welche bereits das Ruder in der Hand haben.
Kurz gesagt sind wir der Auffassung, dass Deutschland mit der Politik des kalkulierten Risikos, ebenso wie Ö-U nur für begrenzten Krieg zur Verantwortung zu ziehen sind. Der Ausbruch des großen, schlussendlich weltweiten Krieges ist auf die russische Generalmobilmachung zurückzuführen, durch welche allen klar war, dass es Krieg im großen Stiel geben müsse, da eben die Mobilmachung irreversibel ist. Aber wie gesagt waren es hier die Militärs; Der Zar suchte ja noch zuvor sogar eine Verständigung mit Willi II. Aber auch hier spielt Frankreich mit. Wie bereits hier gesagt wurde, hatte Frankreich ja alle Kriegsgegner systematisch mundtot gemacht und somit auch jede Opposition gegen den Krieg. Auch wenn man bis heute nicht weiß was genau bei dem Besuch des franz. Präsidenten in Russland gesagt wurde, so klingt es doch plausibel wenn es nicht gerade Friedensangebote waren.
Somit wiederum ist aber grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem Kriegswillen eines ganzen Landes und der Übernahme der Landesgeschäfte durch militaristische, rechte oder konservative Gruppen, welche eig. immer auf Konfrontation aus sind. Sieht man von wenigen Ausnahmen (wie z.B. Hohlweg) ab, so waren die Politiker wohl hauptsächlich gegen den Krieg, konnten sich aber spätestens ab der russischen Generalmobilmachung (ebenfalls wieder durch „rechte“ Gruppen angezettelt) nicht mehr dem Militär entziehen. Ab hier war es wohl ein hineinrutschen, verursacht durch die allgemein bereits vor der Krise entstandene Lage (siehe oben).
Was aber wieder die Kriegsschuld angeht, so ist sie, sei es durch Fahrlässigkeit, Verbissenheit, Rachegelüste oder Kriegstreiberei verursacht, auf Alle Großmächte mit Ausnahme Großbritanniens gleichmäßig zu verteilen.
Ufff
Gleich mal vielen Dank an alle, die sich die Mühe machen dies zu lesen; Sollte eig ned so lang werden; Wie gesagt ich freue ich auf Kritik oder andere Meinungen eurerseits
J
Lg Rem