Aussterbende Wörter - vergessene Wörter

In der deutschen Armee waren ja früher viele französische Ausdrücke dieser Art üblich - die sind wohl ziemlich komplett weggefallen bzw. durch deutsche und englische Begriffe ersetzt worden.


Bis zum 1. Weltkrieg konnte man in deutschsprachigen Büchern noch Begriffe wie avant-garde und arrière-garde (für Vorhut und Nachhut) lesen. Heute ist die Avantgarde eher im künstlerisch-kulturellen Bereich angesiedelt.

Es hieß noch Compagnie statt Kompanie. Bis ins 19. Jh. wurde der Leutnant noch Lieutenant geschrieben, der Oberleutnant war der Premierlieutenant. Nach dem Krieg gegen Frankreich hat man die deutsche Sprache dann auch im militärischen nach und nach "entwelscht".
 
Es gab auch bei der Kavallerie das Piquet/Pikett, wo es ebenfalls die Aufgabe hat, die aufgestellten Wachen zu unterstützen, Vorposten zu sein oder sich bereit zu halten sowie ggf. die angegriffenen Wachen zu verstärken oder beim Rückzug aufzunehmen.

Klar. Aber dann hat sich ein bisschen was davon noch lange Zeit erhalten. Ich denke mir, dass die Pferde kurzfristig bereit stehen mussten. Vielleicht hat man sie deswegen ausserhalb der Ställe oder Zelte (gesattelt und gezäumt?) angebunden? Bei uns hat man halt mit "piquet" die gespannten Seile gemeint ...
 

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Klar. Aber dann hat sich ein bisschen was davon noch lange Zeit erhalten. Ich denke mir, dass die Pferde kurzfristig bereit stehen mussten. Vielleicht hat man sie deswegen ausserhalb der Ställe oder Zelte (gesattelt und gezäumt?) angebunden? Bei uns hat man halt mit "piquet" die gespannten Seile gemeint ...

Ich frage mich gerade, ob das Wort "pikiert" also wenn jemand schnell und unnötig beleidigt ist, darin seinen Ursprung hat? Schließlich sind solche Leute auch "schnell aufgezäumt"
 
Du kannst ja mal in einem gutem Französischlexikon nachgucken, was das Verb "piquer" alles bedeuten kann...
 
Die Adverben 'fürbass' und 'fürbasser'

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Antwort auf die Ausgangsfrage von Jacobum

Gemäss 'Grimm' ritt oder ging 'fürbass' oder 'fürbasser' (= fort , weiter bzw. weiter fort):

"FÜRBASZ, adv. weiter, weiter fort. zu betonen fürbász, doch findet sich bei dichtern auch fǘrbasz. ahd., aber erst im 11.--12. jahrh. nachweisbar, furbaჳ (GRAFF 4, 222), mhd. vürbaჳ, fürbaჳ, vürebaჳ (Iw. 1121), zusammengesetzt aus dem ahd. adv. furi, mhd. vür, für, nhd. für, und ahd. paჳ, baჳ, mhd. baჳ, nhd. basz. s. 1, 1156. dagegen läszt sich die gramm. 3, 108 vermuthete entstehung aus der praep. für mit dem acc. sing. eines adj. baჳ nicht halten, wie denn auch s. 214 ausdrücklich gesagt wird, dasz für »hier durchaus adv., keine praep.« ist. andere alte mundarten haben übrigens das wort nicht. es steht
1) von fortbewegung im raume: mhd.

dër künec mit hër reit fürbaჳ.
Parz. 204, 14;

dô reit niht fürbaჳ Guntherwan ein lüzel fur die stat.
Nib. 1228, 4 ..."

Manche Fortbewegungsverben haben übrigens ihre Bedeutung ebenfalls geändert:
'fahren' bedeutete 'reisen', 'wandern', 'zu Fuss gehen'
'reisen' bedeutete 'sich bereit machen', 'sich zum Aufbruch rüsten', 'etwas reparieren'
'reiten' bedeutete auch 'mit dem Pferdewagen fahren' bzw. 'mitfahren'

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Die Adverbien 'selbander' und 'selbdritt'

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Das Adverb 'selbander' gehen bedeutet nicht 'zu zweit nebeneinander' gehen sondern 'zu zweit', 'die beiden miteinander', 'zwei miteinander'.

"... heute ist derartiges ungebräuchlich (höchstens etwa mit jemand selbander, selbsechst mit seinen leuten).
b) ungemein häufig ist namentlich die verbindung mit der kleinsten möglichen zahl, 2, schon in der ältern sprache meist in der festen form s e l b a n d e r : metsecundus hd. selbe-, selb-, sab-, nd. selff-, zulfander. DIEF. gloss. 359b; ich bitte dich, dasz du selb-ander, selb-dritte, selb-vierte kommest, ti prego che tu venga [stesso] con quell' altro, qual secondo, con quei due altri qual terzo u. s. w. KRAMER dict. 2, 762c; selbander, bini STIELER 2003; item wir haben den Kroppensmid vor Lauffertor
Bd. 16, Sp. 424
selbander gesant gegen Lichtenberg. d. städtechron. 2, 82, 33; so geit man dem selbdritt 55 guldin und dem selbander 40 guldin. 4, 153, 18; der ward gefangen selb ander. 5, 142, 24; die er mir selbander erstlich hie auf sein kost doran port. TUCHER baumeisterb. 197, 13 Lexer; zu zwai weilen im jahr .. soll der maier des richters von Kuefstain warten selbander des abents und des ambtmans. tirol. weisth. 1, 56, 22; solt ich dz thůn selbander dz ich allein thůn solt. Eulenspiegel s. 104 neudruck; Lucidor .. erzählte gern und gut, so dasz Julie entzückt ausrief: so was müsse man selbander sehen. GÖTHE 21, 135 ..."
(Grimm)

Und, wenn Leute 'selbdritt' unterwegs sind, bedeutet das 'zu dritt' und nicht 'zu dritt nebeneinander'.

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Es gibt aber auch Neuschöpfungen. Bis vor ein paar Jahren hätten mit dem Spruch "Mensch, kann der Typ da drinne net ma´n bissje hinnemachen" bestenfalls Nordhessen, vor allem Kasseläner, etwas anfangen können. Inzwischen ist hinne machen" schon Allgemeingut in Bayern, Thüringen und Brandenburg. In Süddeutschland könnte man das wieder mißverstehen als jemanden umbringen, denn "Hinniche" sind Tote. Man sagt aber in Schwaben nicht "der ist hin", sondern "der isch hä". Deutsche Sprache, schwere Sprache.

Hinne machen (im Sinne von "sich beeilen") gab es in Sachsen schon vor 40 Jahren. ;)
 
Ich hab jetzt nicht alles gelesen und von daher weiß ich nicht, ob es schon vorkam:

Pauspapier und Telegramm sind wohl die nächsten Opfer des Informationszeitalters.
 
Hinne machen (im Sinne von "sich beeilen") gab es in Sachsen schon vor 40 Jahren. ;)

Also ich kenn diesen Ausdruck auch schon aus meiner Jugend in Schleswig-Holstein. Dort dürfte er aber jüngeren Alters sein, davor gab und gibt es noch immer: "Mach zu!" oder auch "(Nu) mach (man) tau!" :winke:
 
Ich kann mich noch an ein Karl-May-Buch erinnern (fragt mich bitte nicht, welches). Da rief der Erzähler seinem Widersacher zu: "Kerl, bist du toll?"

Ich dachte damals auch, komisch, dass er seinem Feind ein Kompliment macht...

Bis in die 1920er Jahre war toll = tollwütig, verrückt.

Das war bei uns (ehem.DDR) glaube ich, noch länger so gültig:
toll = tollwütig, verrückt.
Kann mich noch gut erinnern, das wir uns als Kinder (heimlich) über den "Westbesuch" lustig machten, der alles "toll" fand. Wir haben "toll" in dem Sprachgebrauch gar nicht so gekannt und haben (in Gedanken) toll immer mit "verrückt" übersetzt. War stets eine heimliche Freude!
 
Ich habe mal das Wort glusam für warm, gemütlich gelesen. Gehört habe ich es noch nie.
Leibesblödigkeit habe ich auch einmal in einem Text aus dem 16. Jahrhundert gelesen. Danach muss blöd nicht unbedingt ein geistiger Mangel sein.
 
Ich habe mal das Wort glusam für warm, gemütlich gelesen. Gehört habe ich es noch nie.
Mörike: kam ... "in einen schönen Saal, hier war es lieblich, glusam mitten im Winter"; "glusam = mäßig erwärmt (auch in moralischer Bedeutung: stillen Charakters)"
Grimms Wörterbuch, Bd. 8, Sp. 481

Leibesblödigkeit habe ich auch einmal in einem Text aus dem 16. Jahrhundert gelesen. Danach muss blöd nicht unbedingt ein geistiger Mangel sein.
Richtig, "blöd" wurde früher - bis 18. Jh.? - auf Schwächen aller Art bezogen (Furchtsamkeit, Organschwäche usw.).

Zinkgref: "pfalzgraf Fridrich, der wegen sitzlebens in etwas Leibesblödigkeit gerathen ware"
Grimms Wörterbuch, Bd. 12, Sp. 595
 
Da ich hier noch Frischling bin und aus diesem Grunde früher meinen Senf nicht dazugeben konnte, fände ich es sehr schade, wenn dieser Thread gänzlich einschlafen würde. Der zu Redensarten würde mich noch mehr interessieren, aber den getraue ich mir nicht mehr aus der Versenkung zu holen...

Auf dem Rückzug befinden sich mittlerweile auch Begriffe, die nicht mehr als politisch korrekt gelten oder die der "Sprachpöbel" durch andere Sündenböcke ersetzt hat. Wer weiß noch, wer oder was ein Schlawiner eigentlich war? Wie sieht es mit den Hottentotten aus? Im Vergleich zu manchen anderen hier genannten Wörtern ist das natürlich kein wirklicher Verlust. Fürbaß zum Beispiel hat mich - warum auch immer - schon immer beeindruckt.

Erschreckend hingegen finde ich, daß die Befehlsformen unregelmäßiger Verben nicht mehr zum Allgemeingut zu gehören scheinen. Zwar wäre es übertrieben, diese auf die Liste der aussterbenden Wörter zu setzen, aber die Tendenz, die zu erkennen ich glaube, gibt mir zu denken. Was zu meiner Schulzeit selbst mäßig begabte Schüler wie selbstverständlich anzuwenden vermochten, geht heute selbst Leuten ab, denen man eine gehobene Grundbildung unterstellen können sollte. Wenn Studenten "sehe" statt "sieh" verwenden, wird mir schlecht. Überhaupt wird - nicht zuletzt im Internet - die erste Person Singular Indikativ nicht nur als Behelf angesehen, sondern, schlimmer noch, für die korrekte Form gehalten. Gebe statt gib - alter Schwede! Den Vogel hat peinlicherweise ein Verwandter von mir abgeschossen, der "bis" statt "sei" verwendet hat. "Bis ruhig!" ARGH!
 
Hallo Magnus,

Als "Norddeutscher" würde ich ja auch die Form sei bei "sei ruhig!" verwenden, aber sofern ich das richtig sehe - die Süddeutschen unter uns mögen mich verbessern - ist es in Teilen Süddeutschlands ganz normal, die Form bist zu verwenden: "Bist ruhig!" Ich finde diese Befehlsform fast noch autoritärer als sei, weil das bist den angestrebten Zustand schon mit einschließt. :grübel:

Ansonsten gilt: lebende Sprachen verändern sich, was wir heute als richtig kennen, war vielleicht vor gar nicht mal so langer Zeit noch falsch, oder zumindest schlechter Stil. Nehmen wir deinen ersten Satz als Beispiel:

Da ich hier noch Frischling bin und aus diesem Grunde früher meinen Senf nicht dazugeben konnte, fände ich es sehr schade, wenn dieser Thread gänzlich einschlafen würde.

Der ist völlig korrekt und würde heute selbst von einem pingeligen Deutschlehrer nicht angestrichen werden. Vor 60 oder 70 Jahren aber bläuten die Deutschlehrer ihren Schülern noch ein, dass Deutsch eine würdelose Sprache sei. Klar, was ich meine?
 
Zuletzt bearbeitet:
Für "bist" hätte ich womöglich in irgendeinem Winkel meines Großhirns noch einen Zipfel Verständnis über. Aber für "bis"?! Mitnichten! (Und auch nicht mit Neffen.) Zumal weder der erwähnte Verwandte noch ich aus dem Süden der Republik stammen, sondern aus Sachsen. Zugegeben, wir Sachsen werden nicht unbedingt für Vorkämpfer des Hochdeutschen gehalten, aber "bis" gibt es auch bei uns nur als Präposition, Adverb und Konjunktion - und keinesfalls als Imperativ. Zudem zieht die Verwendung von Mundarten nicht zwangsweise die Unkenntnis des Hochdeutschen nach sich. So werden (hoffentlich) viele "bist" verwendende Süddeutsche auch mit "sei" etwas anzufangen wissen.

"... wenn dieser Thread gänzlich einschliefe." :) Was zu dem Gedanken führt, daß neben den Befehlsformen nach gleicher Masche auch die Möglichkeitsformen ohne Hilfsverb wohl bald nur noch der ausgesprochenen Bildungselite geläufig sein werden.

Du scheinst ein Verfechter des Sprachwandels zu sein. Hatte schon auf den ersten Seiten einen entsprechenden Beitrag gelesen, auf den einzugehen mich gereizt hat. Sinngemäß hieß es da, daß nicht der Duden maßgebend wäre, sondern der Gebrauch der Sprache durch die breite (dumpfe) Masse. Ich stimme Dir ja zu, daß Sprache genau wie die gesamte Kultur einem Wandel unterliegt, dem sich nur aus Prinzip entgegenzustellen kaum Sinn macht. Die Gefahr, die ich allerdings sehe, liegt darin, gewissermaßen vor der eigenen (gesamtgesellschaftlichen) Dummheit und Ignoranz den Schwanz einzuziehen. Wenn 80% der Deut(sprachig)en "sehe" als Befehlsform verwenden, streichen wir dann einfach "sieh"? Sprachwandel oder Verdummung? Halbvoll oder halbleer?
 
Hallo Magnus,

Als "Norddeutscher" würde ich ja auch die Form sei bei "sei ruhig!" verwenden, aber sofern ich das richtig sehe - die Süddeutschen unter uns mögen mich verbessern - ist es in Teilen Süddeutschlands ganz normal, die Form bist zu verwenden: "Bist ruhig!" Ich finde diese Befehlsform fast noch autoritärer als sei, weil das bist den angestrebten Zustand schon mit einschließt. :grübel:
Würdelos wie ich bin, ordnete ich das nicht nur Süddeutschen zu. Es ist eigentlich auch kein Imperativ, sondern eine (rhetorische) Frage oder höchstens ein als Frage verkleideter Imperativ. "Bist du ruhig?!" Es entspricht dem englischen "will you be quit?" Da gilt es eher als höflicher den der direkte Imperativ. Noch höflicher ist aber "would you..." Weil die Engländer ja nicht so würdelos sind.

Vor 60 oder 70 Jahren aber bläuten die Deutschlehrer ihren Schülern noch ein, dass Deutsch eine würdelose Sprache sei. Klar, was ich meine?
 
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