Für "bist" hätte ich womöglich in irgendeinem Winkel meines Großhirns noch einen Zipfel Verständnis über. Aber für "bis"?! Mitnichten! (Und auch nicht mit Neffen.) Zumal weder der erwähnte Verwandte noch ich aus dem Süden der Republik stammen, sondern aus Sachsen. Zugegeben, wir Sachsen werden nicht unbedingt für Vorkämpfer des Hochdeutschen gehalten, aber "bis" gibt es auch bei uns nur als Präposition, Adverb und Konjunktion - und keinesfalls als Imperativ. Zudem zieht die Verwendung von Mundarten nicht zwangsweise die Unkenntnis des Hochdeutschen nach sich. So werden (hoffentlich) viele "bist" verwendende Süddeutsche auch mit "sei" etwas anzufangen wissen.
Er sagt das also häufiger, "bis"? Ich hatte gedacht, Du hättest das -t- schlicht vergessen.
Du scheinst ein Verfechter des Sprachwandels zu sein.
Gar nicht. Ich bemühe mich um eine ordentliche Sprache, korrekte Grammatik etc. Aber wir sprechen eben heute kein Süd- oder Westgermanisch mehr, sondern Deutsch. Und diese Sprache hat im Verlauf der letzten 2000 Jahre Worte aus anderen Sprachen aufgenommen (und in diese abgegeben), syntaktische Strukturen aus anderen Sprachen aufgenommen (und in diese abgegeben), sich aus sich selbst heraus gewandelt etc. Sprachwandel liegt in der Natur jeder Sprache, da kann man kein Verfechter oder Gegner von sein.
Sinngemäß hieß es da, daß nicht der Duden maßgebend wäre, sondern der Gebrauch der Sprache durch die breite (dumpfe) Masse.Ich stimme Dir ja zu, daß Sprache genau wie die gesamte Kultur einem Wandel unterliegt, dem sich nur aus Prinzip entgegenzustellen kaum Sinn macht. Die Gefahr, die ich allerdings sehe, liegt darin, gewissermaßen vor der eigenen (gesamtgesellschaftlichen) Dummheit und Ignoranz den Schwanz einzuziehen. Wenn 80% der Deut(sprachig)en "sehe" als Befehlsform verwenden, streichen wir dann einfach "sieh"? Sprachwandel oder Verdummung?
Wir sollten nie vergessen, dass die "breite Masse" uns mit einschließt. Es ist zwar so, dass wir alle ein wenig egozentrisch sind, aber objektiv betrachtet halte ich solche Formulierungen, wie die von breiten Massen für arrogant (Was mich nicht unbedingt davor bewahrt, diesen Ausdruck vielleicht auch mal selber zu benutzen). Arrogant deshalb, weil wir uns selbst damit zum Ombligus mundi machen und unsere Meinung als Maßstab allen Seins angenommen sehen wollen.
Wie Du und Liborius inzwischen durch Eure Diskussion herausgearbeitet habt, gibt es neben den Dialekten auch verschiedene Soziolekte, die ihrerseits Einfluss au die Standardsprache ausüben und zum Sprachwandel beitragen. Es ist eben nicht nur eine Soziolekt, der auf die Sprache Einfluss nimmt, sondern mehrere. Und natürlich lernt jeder Deutschsprecher in der Schule, wie es "richtig" ist, nur eben, dass dieses "richtig" sich mit der Zeit wandelt (Bsp.
würdelose Sprache).
Wenn *
sehe oder *
werf irgendwann einmal tatsächlich die Standardssprache erreichen, dann wird, was in den Ohren vieler heute noch fehlerhaft klingt, nicht mehr fehlerhaft klingen. Nehmen wir ein relativ junges Beispiel.
Die Krake wurde erst aufgrund ihres Auslauts auf
Schwa [ə], der eigentlich ein Marker für das feminine Genus ist, hier aber eben nicht, dem falschen, eben dem femininen Genus zugeordnet, und diese Zuordnung irgendwann vom Duden übernommen. Urspringlich war nur
der Krake richtig, heute ist
der Krake nur noch eine Variante.
Wenn Du die Frage nach dem Entweder-oder stellst, die nur Sprachwandel oder Verdummung als Antwort zulässt, dann wirst Du Dich fragen müssen, ob wir nicht das Produkt von Verdummung sind. Oder war die Sprachentwicklung etwa um 1850* auf dem Höhepunkt und ist seit im Niedergang?
Würdelos wie ich bin, ordnete ich das nicht nur Süddeutschen zu. Es ist eigentlich auch kein Imperativ, sondern eine (rhetorische) Frage oder höchstens ein als Frage verkleideter Imperativ. "Bist du ruhig?!" Es entspricht dem englischen "will you be quit?" Da gilt es eher als höflicher den der direkte Imperativ. Noch höflicher ist aber "would you..." Weil die Engländer ja nicht so würdelos sind.
Das mag sogar richtig sein, hätte dann aber seine ursprüngliche Höflichkeit verloren, schon dadurch, dass das
Du weggefallen ist und das
bitte gar nicht auftaucht (und natürlich sehr subkjektiv, ich mir ein freudliches
bist ruhig gar nicht vorstellen kann

).
*willkürlich gesetzter Zeitpunkt