Ort der Varusschlacht - Eine Frage des Geldes, oder Lokalpratiotismus?

salvus

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Wo war denn nun diese Schlacht?

In Kalkriese (von mir persönlich favorisiert)?
Im Umkreis von Detmold - da steht ja ein Denkmal!
oder:
im Arnsberger Wald - nicht ganz so unwahrscheinlich.
oder:
im Münsterland bei Beckum - auch nicht sooo unwahrscheinlich.

Was sagen uns die Quellen?
Könnte durchaus im Münsterland gewesen sein!

Oder ist das alles nur eine Frage des Geldes?

Gehen wir nach Anreppen:

Dort erwartet uns ein Holzschild: WILLKOMMEN IM RÖMERDORF ANREPPEN.

Weiter nix.

Keine Hinweisschilder. Keine Wegweiser. Einfach nix.

Sind die sich ihres kulturellen Erbes nicht bewußt?

Die Ausgrabungen in Kalkriese: Sind nur bis 2010 finanziell gesichert!
Gehen uns da nicht viele Erkenntnisse verloren, aus finanziellen Gründen?

Welche (archäologischen) Hinweise gibt es eigentlich auf die Varusschlacht in Westfalen-Lippe? Ist das alles nur eine Frage von Streit zwischen Niedersachsen und Westfalen?
Gönnen die beiden sich die Schlacht nicht?

Welche Hinweise geben die Quellen?

Fragen über Fragen...
 
Wo war denn nun diese Schlacht?

Welche (archäologischen) Hinweise gibt es eigentlich auf die Varusschlacht in Westfalen-Lippe?

Fragen über Fragen...


Es gibt überhaupt keine archäologischen Hinweise auf Schlachtorte.
Das einzige jemals gefundene antike Schlachtfeld ist das in Kalkriese.
 
Und nebenbei: welches kulturelle Erbe?
Aus dem kurzzeitigen Lager in Anreppen ist m.W. nichts entstanden. Das heutige Anreppen führt sich nicht darauf zurück, die Strassenzüge stammen nicht vom Lager. Von der römischen Kultur ist Anreppen bis zur Ausgrabung nicht mehr oder weniger geprägt gewesen als Grevenbroich oder Schneeberg.
Und das sich nur das Schild findet, stimmt nicht: Herzlich Willkommen auf Anreppen.de

Repo: das stimmt nicht, es gibt einige weitere. Bspw. Krefeld-Gellep (gleich 2 mal). Ein weiteres Schlachtfeld wird heute als die Belagerung von Alesia verortet. Jüngst in Dtl. (ich merk mir den Namen einfach nicht) ein weiteres.
Und sucht man weiter, so sind Standorte bekannt, nur nichts mehr zu finden.
 
Es gibt überhaupt keine archäologischen Hinweise auf Schlachtorte.
Das einzige jemals gefundene antike Schlachtfeld ist das in Kalkriese.


Das stimmt nun nicht: Massada würde mir alleine vom kurzen Überlegen schon einfallen, Numantia, Alesia oder auch dieses neu gefundene kaiserzeitliche Schlachtfeld bei Hedemünden...
 
@Tib. Gabinius & Ashigaru:
Ich habe Repo so verstanden, daß er mit "jemals gefundene antike Schlachtfeld" die für die Varusschlacht denkbare Region meint, nicht den kompletten antiken Raum.
 
@Tib. Gabinius & Ashigaru:
Ich habe Repo so verstanden, daß er mit "jemals gefundene antike Schlachtfeld" die für die Varusschlacht denkbare Region meint, nicht den kompletten antiken Raum.

So viele Schlachtfelder sind auch wieder nicht gefunden worden … ich sehe das eher wie Tib. und Ashigaru (wobei ich Masada ausklammern möchte, das war eine Belagerung).

In DE wurden zwei römerzeitliche Schlachtfelder gefunden, Kalkriese und das bei Hedemünden. Für die Varusschlacht kommt nur ersteres in Frage. Problematisch an dieser Schlachtfeldarchäologie ist, dass sie während ihrer Entdeckung entsteht; wie alle frisch geschlüpften Wissenschaften hat sie erst einmal alle Hände voll zu tun, sich selbst gegen die Infragestellungen derer zu verteidigen, die von ihrem Scheitern Nutzen ziehen würden.

Schon Mommsen (Theodor) hat die Varusschlacht bei Kalkriese vermutet, damals war die Detmold-Lobby stärker und hat den Mordshermann* dort hingesetzt. Die Funde von Kalkriese sprechen eine eindeutige Sprache, aber in einer seltsamen Parallele zur Ablehnung der Evolution durch Kreationisten, welche auf "mehr Beweisen" beharren und nach jedem Strohhalm greifen, um die wissenschaftliche Erkenntnis zu verleugnen, wird der Münzenberg negiert und auf der Kratzerei des Mundblechs herumgeritten.

Nichtsdestotrotz ist mangelndes Sitzfleisch das Problem der heutigen wie der mommsigen Mediengesellschaft, man will schnellschnell Resultate haben. Darüber hinaus ist die Hermannsschlacht/Varusschlacht ein Reizthema; Kalkriese ist der Versuch, gewissermaßen durch eine politisch korrekte/alkalische Gedenkstätte die politisch inkorrekte/acidische Gedenkstätte zu neutralisieren. Jede Gedenkstätte ist eine Form der Vergangenheitsbewältigung, jede Epoche muss die Vergangenheitsbewältigungen vergangener Zeiten mit bewältigen, deshalb ist Kalkriese als Varusschlacht-Fläche nicht nur wahrscheinlich wissenschaftlich korrekt, sondern politisch und gesellschaftlich notwendig und richtig.

Sollte sie sich wider Erwarten als falsch rausstellen - Pech gehabt. Hier geht es nicht um einen Schöpfergott wie bei der Evolution, niemandes Seelenheil ist hier in Gefahr, Autobahnschilder kann man leicht umdekorieren und Museen umbenennen. Das schafft im Zweifelsfalle dann Arbeitsplätze, wenn man sie wirklich braucht - nach dem Boom.


*ein westfälischer Ausdruck, nb.
 
Wie Tib. schon schrieb Krefeld ist ein Schlachtfeld vor dem Lager recht gut dokumentiert.
Anhand der Leichenfunde konnte man sogar recht eindeutig den Ablauf rekonstruieren.
Dazu gibt es ein nettes kleines Büchlein im Museum.

In Xanten z.B. sollt man eigentlich etwas Ähnliches erwarten können, allerdings sind meines Wissens nur Brandspuren nachgewiesen.
 
@Tib. Gabinius & Ashigaru:
Ich habe Repo so verstanden, daß er mit "jemals gefundene antike Schlachtfeld" die für die Varusschlacht denkbare Region meint, nicht den kompletten antiken Raum.


So ist es.
Wenn ein "Schlachtort" bekannt ist, lässt sich da noch lange nichts im Boden nachweisen.
In der Regel sind die GPS-Koordinaten nicht bekannt:D.
Und 5 Meter daneben ist knapp vorbei, aber halt auch daneben:D
 
Mummius Picius schrieb:
Schon Mommsen (Theodor) hat die Varusschlacht bei Kalkriese vermutet, damals war die Detmold-Lobby stärker und hat den Mordshermann* dort hingesetzt.
Der Bau des Hermannsdenkmals begann 1838. Mommsen veröffentlichte seine These von der Varusschlacht bei Kalkriese erst 1885.
 
Es gibt überhaupt keine archäologischen Hinweise auf Schlachtorte.
Das einzige jemals gefundene antike Schlachtfeld ist das in Kalkriese.
Irrtum. Bei Kalefeld (Niedersachsen) wird gerade ein weiteres untersucht.

Aber wahrscheinlich meintest Du, dass das einzige bislang bekannte Schlachtfeld aus augusteisch-tiberischer Zeit in Nordwestdeutschland jenes in Kalkriese ist. Das ist sachlich richtig. :fs:

Damit sprichst Du exakt die große Versuchung an, der so viele Interessierte derzeit erliegen: Wir haben eine Schlachtstätte, also betrachten wir sie, mangels Alternativen, als das Varusschlachtfeld. Für Ausflüge von Schulklassen, Familien oder Heimatforscher reicht das allemal.:rofl:
 
Wir haben eine Schlachtstätte, also betrachten wir sie, mangels Alternativen, als das Varusschlachtfeld. Für Ausflüge von Schulklassen, Familien oder Heimatforscher reicht das allemal.:rofl:
Ich habe doch ein so großes Zutrauen in die dort arbeitenden Forscher, dass die Zuweisung dieses Ortes als Örtlichkeit der Varusschlacht auf ein klein wenig mehr beruht als auf der Tatsache, dass es das derzeit einzig bekannte Schlachtfeld aus der Zeit ist.
 
Ich habe doch ein so großes Zutrauen in die dort arbeitenden Forscher, dass die Zuweisung dieses Ortes als Örtlichkeit der Varusschlacht auf ein klein wenig mehr beruht als auf der Tatsache, dass es das derzeit einzig bekannte Schlachtfeld aus der Zeit ist.

Leider nicht. Die Zuweisung beruht auf genau zwei Tatsachen und zwar, dass der mögliche Zeitraum ungefähr stimmt und die Region ebenfalls ungefähr. Mehr nicht. Alles andere ist Fiktion.
 
Genau das gleiche könntest du aber auch zu all den anderen Theorien zu Kalkriese sagen: Zu Angrivarierwall, zu pontes longi. Auch hier passt der Zeitraum ungefähr, auch hier stimmt die Region ungefähr, mehr nicht.
Ist aber schon klar, warum du das bei den Alternativen nicht auch erwähnst!
 
Ist aber schon klar, warum du das bei den Alternativen nicht auch erwähnst!

Weshalb ist das "klar"?
Keine der Thesen zu Kalkriese lässt sich beweisen, darüber dürfte hier doch Einigkeit bestehen.

Fest steht:
Kalkriese hat gegenüber allen anderen Thesen zum Ort der Varusschlacht (Detmold, Beckumer Berge etc.) den Vorteil, dass die Stätte als Schlachtfeld archäologisch eindeutig nachgewiesen ist.
Mangels Alternativen kann man nun durchaus annehmen, dass es sich tatsächlich das Varusschlachtfeld handelt. Zur Durchführung der Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr reicht es zumindest aus. Das ist der Hauptgrund für das Getöse.
 
Fest steht:
Kalkriese hat gegenüber allen anderen Thesen zum Ort der Varusschlacht (Detmold, Beckumer Berge etc.) den Vorteil, dass die Stätte als Schlachtfeld archäologisch eindeutig nachgewiesen ist.

Na immerhin.
Mangels Alternativen kann man nun durchaus annehmen, dass es sich tatsächlich das Varusschlachtfeld handelt.

Man kann auch sagen: Die Funde passen besser zur Varusschlacht als zu jeder anderen schriftlich belegten Schlacht dieser Jahre und deswegen diese Zuweisung machen.
Zur Durchführung der Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr reicht es zumindest aus. Das ist der Hauptgrund für das Getöse.

Du meinst, man ist sich vor ca. 20 Jahren bewußt geworden, dass man dringend den Ort der Varusschlacht braucht, damit man 2009 das Jubiläum feiern kann? Und als man dann die Funde in Kalkriese gemacht hat, war man dankbar, dass das Jubiläum gerettet ist? :pfeif:
 
Mit einer 100%igen Wahrscheinlichkeit wird sich nie beweisen lassen, wo das Varusschlachtfeld gelegen hat. Die ausführlichste geografische Beschreibung liefert Tacitus - wie authentisch diese ist, lässt sich niemals sagen.

Wie Nicole richtig schreibt, liefert Kalkriese bisher die höchste Wahrscheinlichkeit - allerdings haben die von ihr genannten Argumente für mich ein höheres Gewicht als für sie. Als drittes möchte ich noch hinzufügen, dass der Fundanfall wirklich enorm ist. Was immer an diesem Platz sich genau ereignet haben mag, so war sicher nicht nur eine kleine Auxiliarkohorte vorort.

Meines Wissens übertrifft der dortige Münzanfall auch den von allen länger bezogenen frühkaiserzeitlichen Lagern aus Deutschland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo zusammen,

es mag mir entgangen sein, aber keiner argumentiert hier wirklich mit dem vorhandenen Quellenmaterial. 1. Die archäologischen Funde aus Kalkriese belegen durchaus - und ist in der Wissenschaft "communis opinio" -, dass Kalkriese mit der Varusschlacht in Verbindung zu bringen ist. 2. "Das" Schlachtfeld, also das einzige Schlachtfeld des "bellum Varianum" bzw. der "clades Variana", ist es sicher nicht. Denn man muss auch die literarische Überlieferung berücksichtigen. Sie belegt, dass sich der Kampf über Tage hinzog. Es gibt daher sicherlich noch weitere "Schlachtfelder" - und Kalkriese ist eines davon. Kennt keiner von Euch die zeitgenössische Darstellung des Velleius Paterculus (als preiswerte Ausgabe mit Übersetzung bei Reclam!)?

Da ihr wohl alle Schüler/innen seid, die hier diskutieren, rate ich Euch, historische Fragen nicht aus dem Bauch heraus und nach eigener Logik zu beurteilen, sondern insbesondere auf dem Boden vorhandener Quellen und wissenschaftlicher Erkenntnisse zu argumentieren. Gerade zur Varuskatastrophe gibt es derzeit viele, meistens auch seriöse und zuverlässige Darstellungen, die das Problem ausführlich diskutieren und das Für und Wider beleuchten. Interessierten kann ich Literaturempfehlungen geben.

Gruß

Gregorius
 
Hallo zusammen,

es mag mir entgangen sein, aber keiner argumentiert hier wirklich mit dem vorhandenen Quellenmaterial.
Doch, doch, aber in einem anderen Thread: http://www.geschichtsforum.de/f28/kalkriese-als-ort-der-varusschlacht-zweifelhaft-22738/

1. Die archäologischen Funde aus Kalkriese belegen durchaus - und ist in der Wissenschaft "communis opinio" -, dass Kalkriese mit der Varusschlacht in Verbindung zu bringen ist.

Je nachdem, wie du das im Detail meinst. Natürlich sind auch die Schlachten des Germanicus mit Varus in Verbindung zu bringen.
Communis opinio ist, - zumindest weitestgehend* - dass es sich bei Kalkriese um ein frühkaiserliches Schlachtfeld handelt, bei dem Römer und Germanen einen Zusammenstoß hatten, umstritten ist, ob prae/dum oder post mortem Vari.

2. "Das" Schlachtfeld, also das einzige Schlachtfeld des "bellum Varianum" bzw. der "clades Variana", ist es sicher nicht. Denn man muss auch die literarische Überlieferung berücksichtigen. Sie belegt, dass sich der Kampf über Tage hinzog. Es gibt daher sicherlich noch weitere "Schlachtfelder" - und Kalkriese ist eines davon. Kennt keiner von Euch die zeitgenössische Darstellung des Velleius Paterculus (als preiswerte Ausgabe mit Übersetzung bei Reclam!)?

Vorsicht, nichts durcheinander bringen. Es ist nicht Velleius Paterculus, sondern Cassius Dio, der von einer mehrtägigen Schlacht berichtet.

Wenn Du tiefer in die Diskussion einstiegen möchtest, empfehle ich Dir diesen Thread: http://www.geschichtsforum.de/f28/kalkriese-als-ort-der-varusschlacht-zweifelhaft-22738/

*Es gibt noch Vereinzelte, die in Kalkriese kein Schlachtfeld sondern eine Kultstätte sehen.
 
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