osmanisches Erbe in Südosteuropa?

Viele Jahre später wendete sich jedoch das Blatt, da die Osmanen ihr Land wegen Rückständigkeit und verpasster Industrialisierung herunterwirtschafteten. Nicht ohne Grund war der Balkan vor dem ersten Weltkrieg die ärmste Region Europas. Ob sie deshalb heut auch noch so arm ist oder ob daran der Kommunismus Schuld trägt wäre eine andere interessante Frage.

Das ist gewiss ein wesentlicher Grund für die Rückständigkeit vieler Balkanregionen. Nicht nur die Osmanen verpassten die Industrialisierung und einen modernen Staat mit politischer Teilhabe der Bevölkerung, sondern zugleich mit ihnen auch die türkisch beherrschten Balkanvölker.

Das Fehlen einer Phase der Aufklärung, der Loslösung der Religion vom Staat und Formen des (beginnenden) Parlamentarismus ließen die Balkanvölker vielfach in gesellschaftlich und wirtschaftlich soätmittelalterlichen Verhältnissen verharren.
 
Das ist gewiss ein wesentlicher Grund für die Rückständigkeit vieler Balkanregionen. Nicht nur die Osmanen verpassten die Industrialisierung und einen modernen Staat mit politischer Teilhabe der Bevölkerung, sondern zugleich mit ihnen auch die türkisch beherrschten Balkanvölker.

Das Fehlen einer Phase der Aufklärung, der Loslösung der Religion vom Staat und Formen des (beginnenden) Parlamentarismus ließen die Balkanvölker vielfach in gesellschaftlich und wirtschaftlich soätmittelalterlichen Verhältnissen verharren.
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Loslösung von Staat und Religion. Dir ist schon klar da außer Griechenland alle Balkanstaaten komunistisch waren.
 
vielleicht wäre noch ein Effekt zu sehen, der sich später ins Gegenteil verkehrte:

Die verschiedensten Volksgruppen vermengten sich immer mehr im Laufe der osmanischen Jahrhunderte, die Verzahnung der Siedlungsgebiete nahm immer mehr zu. Auch beeinflusst durch osmanische Siedlungspolitik, also z.B. Bevölkerungsdeportationen/-Verschiebungen, z.B. zur Ankurbelung des Reisanbaus. Deshalb waren die Unabhängigkeitskriege und späteren gegenseitigen Kriege auch recht blutig, weil quasi Schwiegersohn gegen Neffe ins Feld ziehen musste.

Letztlich ließen die Osmanen in den von ihnen eroberten Gebieten eine große Heterogenität der Bevölkerung zu (religiös, ethnisch, sprachlich, etc.), so dass bisweilen gar von einer pax ottomanica für bestimmte Zeiten gesprochen wird, in Anlehnung an ähnliche Zeiten des Römischen Reiches.

Diese meist konservierte Heterogenität (Istanbul war noch vor wenigen Generationen so christlich, wie muslimisch geprägt) war es dann letztlich auch, die den osmanischen Türken fast ihren "eigenen" Staat in Anatolien gekostet hätte. Eben weil sie als letztes auf den Zug des Nationalismus und auf den Nationalstaatsgedanken aufgesprungen waren.

Hätten sie so gehandelt wie viele andere Reiche im Mittelalter und der frühen Neuzeit, also eine ethnische, sprachliche, religiöse, usw. Homogenisierung betrieben, sähen die Landkarten und die Geschichte vermutlich anders aus.

zu weiteren Faktoren, z.B. der wirtschaftlichen Entwicklung und Einbindung des Balkans in den Weltmarkt:

siehe:

Produktivität:
http://www.geschichtsforum.de/f42/s...ht-bei-nikopolis-27612/index2.html#post419359

auch den Anhang beachten:
http://www.geschichtsforum.de/f42/ethnogenese-der-t-rken-15756/index22.html#post404411

Zusammenleben auf dem Balkan:
http://www.geschichtsforum.de/f56/v...d-die-geschichte-21518/index8.html#post423369

Zusammenleben und steigender Wohlstand auf dem Balkan bis zum Ausbruch des Unabhängigkeitskampfes:
http://www.geschichtsforum.de/f56/v...d-die-geschichte-21518/index6.html#post422988

http://www.geschichtsforum.de/f42/der-untergang-des-osmanischen-reiches-gr-nde-27689/#post420175

Zudem hatten wir im Historiographie-Thread hier im Subforum dieses Erbe der Osmanen auch schon mal thematisiert, z.B.:
Zeithistorische Forschungen

"Maria Todorova kann drei Charakteristika südosteuropäischer Gesellschaften (mit Ausnahme Rumäniens) benennen, die sich auf osmanisches Wirken zurückführen lassen: das Fehlen eines feudalen Adels, die Existenz einer relativ freien Bauernschaft sowie die grundsätzliche Unterordnung der Stadt unter den feudalen Staat. Todorovas Hinweise jedoch, dass nicht die Osmanen ein Erbe auf dem Balkan seien, sondern der Balkan ein Erbe der Osmanen sei, und dass die Osmanen nicht als Fremdkörper betrachtet werden sollten, der auf den christlichen Völkern Südosteuropas gelastet habe, müssen in der Öffentlichkeit südosteuropäischer Staaten immer noch als ketzerisch gelten"

oder auch hier:
http://www.ifsh.de/pdf/publikationen/hb/hb138.pdf

Vielleicht noch wenige Zitate aus Donald Quataert (siehe Lit.Tipps), aus dem Kapitel 10, Erben des OR, siehe auch in googlebooks.

"In the
more than thirty countries that now exist in territories once occupied by
the Ottoman Empire, the Ottoman past until recently has been largely
ignored and/or considered in extremely negative terms. With some ex-
ceptions, this remains the situation today in the former Balkan provinces.
...
Given the presence of the
Ottoman Empire in many of these successor states for five to six cen-
turies – an extraordinarily long period of time – the overall lack of public
awareness and debate at first seems remarkable.
...
[Sprache]
At one
time, there was a considerable penetration of Ottoman Turkish into the
various languages; for example, Turkish words accounted for one-sixth
of all Rumanian vocabulary during the pre-independence nineteenth
century. Today, however, just a few words survive although, generally,
195196 The Ottoman Empire, 1700–1922
somewhat more Turkish elements persist in other Balkan languages, in-
cluding Greek, Serbo-Croatian, and Bulgarian.
...
We also must con-
sider that all of the post-Ottoman regimes launched linguistic purges, that
were sustained efforts to eliminate Ottoman usages from the emerging
national languages of the successor states.
...
[osm. Toleranz ermöglichte Vielfalt des Balkans]
In the former imperial lands, some nationalists continue to wax elo-
quent about the cultural destruction wrought by the Ottomans. This
is ironic, for the heterogeneous variety of cultures, customs, and lan-
guages that presently exist in the successor states in fact is powerful testi-
mony to the light hand of the Ottoman state on society. That is, the very
fact that peoples who were speaking Bulgarian or Greek and professing
Christianity at the moment of the Ottoman conquest still retained those languages and religion many centuries later following the departure of the
Ottomans, speaks to Ottoman tolerance of linguistic and religious differ-
ence.
...
[Landwirtschaft]
In the Balkan lands,
by contrast, economic patterns from the Ottoman era were obliterated:
the independence regimes often embarked on land distribution programs
that reversed the landholding patterns of the Ottoman era. And then, the
Communist regimes completed the destruction of the former Ottoman
economic and political elites.
The Ottoman legacy, however, clearly stands out when we look at a
number of population distribution patterns. Migrations imposed by the
Ottoman imperial system compelled the movement of peoples within the
empire,with effects down to the present.
...
[Zusammenfassung]
In sum, the Ottoman legacy, both in the lands the empire once occupied
and beyond, is mixed. For some, it remains an object variously of oppo-
sition, derision, scorn, and even hatred while others along this spectrum
view the Ottoman past as irrelevant for their own present. Admirers of the
Ottoman legacy, however, are divided. They disagree over whether the
Ottoman entity they seek to emulate is a secular, nationalist, or Islamist
state and society. In these pages, I have argued that the Ottoman legacy
is of a political and social system offering non-national, multi-religious
and multi-ethnic forms of organization for a world increasingly divided
by nationality, religious belief and ethnicity."

Seine Lit.Tipps:
* - Brown, Leon Carl, ed. Imperial legacy: The Ottoman imprint on the Balkans and the Middle East (New York, 1996)
- Kiel, Machiel. Art and society of Bulgaria in the Turkish period (Aassen/Maastricht, 1985).
- Todorova, Maria. Imagining the Balkans (Oxford, 1997)

*= für Einsteiger in die Materie geeignet
 
Zuletzt bearbeitet:
um eine sprachliche, kulturelle und politische Homogenität zu erreichen fällte es ganz einfach an Türken.

In Bulgarien gab es noch ethnische Türken in größerer Zahl. In Bosnien und Serbien schon fast garkeine und die die da waren wollten wieder schnell weg in die reichen Provinzen wie Istanbul, Athen e.t.c. Wahrscheinlich leben in manchen Wohnhäusern in Berlin mehr türkischsprechende Menschen als im 18 Jahrhundert am Westbalkan.

In Kombination mit der Toleranz der Osmanen war das sicher auch ein wichtiger Grund dafür das aus dem Osmanischen Reich nie ein heterogener Staat wurde.
 
Bulgarien hat den größten moslemischen Anteil an der Bevölkerung aller EU-Staaten: 13% ...

Vermutlich liegt das daran, dass Bulgarien dem türkischen Kernland Kleinasien am nächsten lag. In Bulgarien kam es zwischen 1969 und 1978 im Zuge eines Abkommens zur Umsiedlung zu einer Auswanderung von über 100 000 Türken, was allgemein auch als "Bulgarisierung" bezeichnet wird.

Ganz grundsätzlich muss man festhalten, dass die türkische Minderheit in allen Balkanstaaten keine Freunde fand und somit im 20. Jh. - gezwungen oder freiwillig - die Balkanstaaten Richtung Türkei verließ.

Kann man daraus schließen, dass die jahrhundertelange türkische Besatzung als Fremdherrschaft wahrgenommen wurde und die Türken nicht als Förderer von Wirtschaft und Kultur wahrgenommen wurden, sondern ganz im Gegenteil als Hemmschuh und Ausbeuter, denen man sich endlich entledigt hatte? :grübel:
 
Vermutlich liegt das daran, dass Bulgarien dem türkischen Kernland Kleinasien am nächsten lag. In Bulgarien kam es zwischen 1969 und 1978 im Zuge eines Abkommens zur Umsiedlung zu einer Auswanderung von über 100 000 Türken, was allgemein auch als "Bulgarisierung" bezeichnet wird.

Ganz grundsätzlich muss man festhalten, dass die türkische Minderheit in allen Balkanstaaten keine Freunde fand und somit im 20. Jh. - gezwungen oder freiwillig - die Balkanstaaten Richtung Türkei verließ.

Kann man daraus schließen, dass die jahrhundertelange türkische Besatzung als Fremdherrschaft wahrgenommen wurde und die Türken nicht als Förderer von Wirtschaft und Kultur wahrgenommen wurden, sondern ganz im Gegenteil als Hemmschuh und Ausbeuter, denen man sich endlich entledigt hatte? :grübel:


2 Ausnahmen Albanien und BiH.
 
Kannst du das bitte erläutern?

Albanien betrachtete demnach die Türken als Freunde? Und was ist bitte "BiH"?


In Albanein gab es keine Vertreibung von türkischer Bevölkerung. Das selbe in Bosnien Herzegovina (BiH) und im weiteren Sinne Serbien, Montenegro und Kosovo.

In keinem dieser Länder lebten jemals viele ethnische Türken.

So ist deine Aussage die türkische Bevölkerung wurde überall am Balkan massenhaft vertrieben Schwachsinn.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Aussage von Dieter ist falsch. Wie können Staaten Türken vertreiben wenn auf dem Gebiet fast keine Türken gewohnt haben.

Selbstverständlich haben beträchtliche türkische Minderheiten nach dem Abzug der Türken in vielen Balkanstaaten gelebt. So z.B. in Bulgarien, wie dieser Wiki-Artikel erläutert:

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde auch in Bulgarien ein kommunistisches Regime konstruiert. Im Rahmen eines „Umsiedlungsabkommens“ zwischen der Volksrepublik Bulgarien und der Türkei verließen 1969–1978 nochmals 110.000 Türken das Land.[12]
Nach den bzw. trotz der Vertreibungen von bis zu 327.000 der sich der „Bulgarisierung“ widersetzenden türkischen Muslime in den 1980ern befanden sich 1991 offiziell noch immer 900.000 Angehörige der türkischen Minderheit im Land, von denen sich damals aber kaum 800.000 tatsächlich auch als Muslime bekannten.[13] Mit dem Ende des Kommunismus aber kam auch das Ende des staatlich verordneten Atheismus, das Bekenntnis zur Religion, darunter auch zum Islam nahm sowohl unter Türken als auch unter Pomaken wieder zu. Knapp 100.000 in den 1980ern geflohene Türken kehrten nach Bulgarien zurück, während gleichzeitig viele Bulgaren und Türken auf der Suche nach Arbeit im Ausland Bulgarien verließen. So sank die Bevölkerung in den 20 Jahren zwischen 1985 und 2005 von 9 Millionen auf unter 8 Millionen, während gleichzeitig der Anteil der Muslime im Land wieder leicht stieg.

Wie kannst du da behaupten, dass es nach der Unabhängigkeit der jungen Balkanstaaten im 19. Jh. keine türkischen Minderheiten gegeben hätte? Das Gegenteil ist der Fall!
 
Selbstverständlich haben beträchtliche türkische Minderheiten nach dem Abzug der Türken in vielen Balkanstaaten gelebt. So z.B. in Bulgarien, wie dieser Wiki-Artikel erläutert:



Wie kannst du da behaupten, dass es nach der Unabhängigkeit der jungen Balkanstaaten im 19. Jh. keine türkischen Minderheiten gegeben hätte? Das Gegenteil ist der Fall!


wo sind sie hin

Wenigstens in Bosnien müsste es größere türkische Minderheiten geben. Weil dort kein Mensch Türken vertrieben hat. Trotzdem gibt es nur eine winzige türkische Minderheit in Mostar. Wo sind die ganzen Türken die Karadjordje aus dem Belgrader Pashaluk getrieben hat. Die Hauptfluchtrichtung wärend des 1 serbischen Aufstands war Bosnien und nicht die Türkei.

Ich rede hier von Bosnien, Serbien und Montenegro und du kommst mir mit Bulgarien. Einem Land welches an Anatolien fast angeklebt ist.
 

Ich glaube, wir verstehen uns falsch. Niemand behauptet, dass es noch heute beträchtliche türkische Minderheiten auf dem Balkan gibt, Bulgarien und Griechenland vielleicht ausgenommen.

Die Frage war:

Ganz grundsätzlich muss man festhalten, dass die türkische Minderheit in allen Balkanstaaten keine Freunde fand und somit im 20. Jh. - gezwungen oder freiwillig - die Balkanstaaten Richtung Türkei verließ.

Kann man daraus schließen, dass die jahrhundertelange türkische Besatzung als Fremdherrschaft wahrgenommen wurde und die Türken nicht als Förderer von Wirtschaft und Kultur wahrgenommen wurden, sondern ganz im Gegenteil als Hemmschuh und Ausbeuter, denen man sich endlich entledigt hatte?


Damit war die türkische Minderheit zur Zeit ihrer osmanischen Herrschaft vom 14.-19. Jh. gemeint. Das hast du gewiss falsch verstanden!
 
Jeder Mensch welcher dem Glauben Mohammeds anhängt fühlt sich und ist ein Türke obwohl nur einer von tausend des Türkischen mächtig ist. Der Rest der Bevölkerung sind türkiche Untertanen Raja genannt.

Vuk Stefanovic Karadzic, Lingvist, Geschichtenschreiber und Chronist.

Beschreibt die verhältnisse des westlichen Balkans.
 
I

Die Frage war:

Ganz grundsätzlich muss man festhalten, dass die türkische Minderheit in allen Balkanstaaten keine Freunde fand und somit im 20. Jh. - gezwungen oder freiwillig - die Balkanstaaten Richtung Türkei verließ.


Ich habe dich verstanden es gab keine türkischen größeren Minderheiten in weiten Teilen des Balkans selbst im 15-17 Jahrhundert.

Dieter ich bin der deutschen Sprache mächtig obwohl man es nicht immer merkt.

Meine Aussage war Serbien Bosnien, Albanien und Montenegro waren nie von einer größeren Anzahl von ethnischen Türken besiedelt.
 
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