Antike Kriegstraumata

Was beim Sterben in der Antike gerne vergessen wird, ist die Tatsache, dass in den Schlachten selten große Verlustzahlen erreicht wurden. Von wirklichen Katastrophe wie der Varusniederlage oder etwas Carrhae abgesehen, waren die Verluste auf antiken Schlachtfeldern, im Vergleich zur Neuzeit, eher gering. Dagegen dürfte sich die Anzahl der mittleren und schweren Verletzungen, die dann später zum Tod geführt haben, viel höher angefunden haben.
Allerdings stimmt es sicherlicher, dass das Sterben an sich eine viel allgegenwärtigere Position eingenommen hat, als es das für uns heutzutage hat. Der Tod kam in der Folge von Verletzungen, Krankheiten oder dem Verschleiß des eigenen Körpers. All diese Ursachen gab es aber auch im "normalen" Leben in der Antike und war nicht nur für die Soldaten und Söldner vorbehalten. Ein Unfall im Bergbau, beim Holzhacken oder bei der Feldarbeit konnte die gleichen Folgen haben wie eine Schlachtverletzung. Infolge dieser Konstellation stelle ich mir die Frage, in wie weit sich die Antike den Folgen wirklich bewusst war, die wir hier zu interpretieren versuchen. Die Leistungsbereitschaft und auch der Leistungsdruck zum Überleben war damals doch für die Mehrheit durchwegs höher als heute. Deshalb denke ich, dass es Traumata wirklich nur vereinzelt gegeben haben könnte und diese dann nicht auf den Krieg zurückgeführt wurden. Alternativ kann es auch sein, dass solche Traumata als Bestandteil der Kriegsführung einfach akzeptiert und angenommen wurden.
 
"...wenn der Kranke Schaum vor dem Mund hat und mit den Füßen um sich stößt, dann ist es Ares. Nächtliche Angstzustände, Schreck, Wahnvorstellungen, Aufspringen vom Lager, Flucht nach draußen nennen sie Anfälle der Hekate und Besessenheit von Heroen[Anm. des Übersetzers: Geister der Verstorbenen]"(Hippokrates, Die heilige Krankheit, 362)

Vorher erwähnt H., das würde der Kranke wie eine Ziege schreien Hera schuld sei, wie ein Pferd Poseidon u.ä.. Möglich das der gesamte Text polemisch gemeint ist.

Die Ausgabe ist von ´62 und der Übersetzer schreibt im Nachwort, das er inhaltliche Klarheit der Stilistik vorgezogen hat.

Kann gut sein, daß er "Heroen" wörtlich übernahm und seine Deutung nicht komplett ist.

In einer englischen Version von 1868 fehlt "Heroen".http://www.perseus.tufts.edu/hopper/searchresults?q=hippocrates

Es gibt im Netz ein griechisches Original

war mir jetzt zu mühsam, die genau Stelle herauszusuchen, müßte aber eigentlich nicht schwer sein festzustellen, ob "Heroen" darin vorkommt oder nicht.

Würde das zutreffen müßte man noch Vergleiche anstellen, in welchem Sinn "Heroen" bei anderen Autoren zur selben Zeit benutzt wurde.


Mal angenommen, H. oder jene von denen er berichtet, meinten "Heroen" in einem kriegerischen, militärischen Zusammenhang, dann ist es interessant, das jene Krankheit (im ganzen von H. unter Epilepsie zusammengefaßt) vor ihm durch religiöse Handlungen ("Reinigungen, Besprechungen, Entsühnungen") versucht wurde zu heilen.

Aufbauend an Erfahrungswerten wurden psychologische Methoden angewendet?
Die meisten unter der Voraussetzung, daß der Betroffene, Schuld auf sich geladen hatte, von den Göttern bestraft wurde? Wobei es, angesichts der Göttererzählungen auch durchaus möglich sein konnte, das Sterbliche schuldlos gestraft wurden.

Eine Idee kann hier sein den Akt der Entsühnung, wie bei Aischylos beschrieben, in seiner Wirkung auf Parallelen mit modernen Traumata- Behandlungen zu vergleichen, auch wenn es vage bleiben wird

Hippokrates selbst legt den Fokus mehr auf physische Belange, zuviel Schleim, zuwenig Luft, usw.. (Alp-)Träume hält H. im allgemeinen für ein Werkzeug des Körpers seine (physischen) Probleme mitzuteilen, z.B. schlechtes Essen.
 
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Glücklicherweise leben wir heute in einer Zeit, wo die Absurdität solcher Heldenmythen nicht mehr unkommentiert bleiben muss.

Ich halte es, nicht für absurd. Ich denke fast, die Spartaner wußten ganz genau, was sie taten und was sie damit bewirken konnten. Sie nutzten einen psychischen Trick um ihre Kampfkraft zu stärken.

Persönlich denke ich, das die Leiden in der Antike unfaßbar sind.
Allein die Vorstellung, früh als gefangener oder geborerner Sklave in ein Bergwerk gesperrt worden zu sein um dort zu arbeiten und nach ein paar Jahren zu verrecken. Ohne alles, nichts anderes. Über Generationen.

Am nachdrücklichsten blieb mir ein Bericht von Agathias im Gedächtnis, wo er schreibt, wie römische Soldaten Barbarenkinder die Köpfe abschlugen, sie hochwarfen um sie mit den Speeren aufzufangen (er selbst verwahrte sich davor, als reißerischer Geschichtsschreiber gelesen zu werden; kritisierte eben jene). Es war, z.T., wie heute im Kongo.

So bewerte ich das, aber das hilft nichts dabei jene damals zu verstehen.
 
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@ Disput zwischen Rephaim & Marcia, weil es für die Diskussion dieses Threads sehr bedeutsam ist:

Die Belastungen in Feldzügen der Antike mögen anders als in modernen Kriegen gewesen sein, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass auch diese Ereignisse dauerhafte Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen haben.

Wenn ein noch wenig erfahrener Soldat das Leid seiner Freunde und Kameraden erlebte, die vielleicht nicht einmal einen „heldenhaften“ Tod in der Schlacht starben (die Anführungszeichen sind hier unverzichtbar), sondern an Seuchen zugrunde gingen oder an den Folgen von Verletzungen dahinsiechten, oder jemand durch Kriegsverletzungen zum Krüppel wurde, kann ich mir kaum vorstellen, dass so etwas nicht traumatisierend wirkte.

Und je größer die Diskrepanz zwischen den eigenen idealisierenden, heroisch verklärenden Vorstellungen und Erwartungen an den Krieg einerseits und den realen Erfahrungen andererseits war, desto größer mag der Schock gewesen sein.

Ich habe hervorgehoben, daß Marcia offensichtlich die Auffassung vertritt, daß Kriegstraumata durchaus auch in der Antike möglich waren und ferner versucht, dafür eine Erklärungzu liefern. Im Grunde teilt Rephaim auch jene Auffassung Rephaim:

"Kann doch ein Mann nur dann wacker sich zeigen im Krieg, wenn sein Auge vermag den blutigen Mord zu ertragen."(Tyrtaios, 9D)

Zieht man andere Aussagen T.´s heran, in denen er sich vorwiegend mit dem Krieg beschäftigt, vom praktischen Handwerk bis zur inneren Motivation, kann man davon ausgehen, daß T. die Spartaner über den Krieg lehren wollte.

Hier bezieht er sich wohl auf die psychische Belastung.
Allein diese Tatsache, das er es erwähnt, deutet darauf hin, das er sich damit beschäfigte, bzw. beschäftigen mußte, wenn er die Soldaten auf den kampf vorbereiten wollte.

Das wäre nicht notwendig gewesen, hätte es keine Erfahrungen mit Kämpfern gegeben, deren Augen nicht den blutigen Mord ertragen konnten.


Seltsamerweise wendet sich Rephaim in seinem Folgebeitrag aber gegen Marcias Erklärungsversuch:

Ich glaube, das war nicht so.

Das oben genannte Zitat von Tyrtaios geht wie folgt weiter:

"...und sein Mut es ersehnt, wacker zu stehen am Feind...Das ist Tugend und Ruhm, das ist bei den Menschen der schönste und köstlichste Preis, den sich ein Jüngling erringt."

Zuerst werden die Gefahren klar benannt und danach eine heroisierende Motivation aufgebaut.
Welche vielleicht erst dann richtig tragen konnte, in einem Bewußtsein, das Heldenhaftes nur entsteht, wenn Grausames überwunden wird.

Warum gibt es hier eine Differenz angesichts einer angenommen Wahrscheinlichkeit von möglichen Kriegstraumata in der Antike? Ich würde sagen, daß sie darin begründet ist, daß Rephaim annimmt, daß Tyrtaois Pädagogik auch erfolgversprechend gewesen sein müsse; aus der Streß- und Traumaforschung ist nun aber freilich ein Faktor bekannt, den man im weitesten Sinne als Subjektivität bezeichnen kann; ein in diesem Sinne etablierter Fachbegriff ist Resilienz (Resilienz (Psychologie und verwandte Disziplinen) – Wikipedia ; http://www.fthenakis.de/cms/Vortrag_Bremen_HH1_2001-06-07.pdf) - der nach Wikipedia wohl von Block B Block* geprägt wurde. Freilich hängt es von diesem "subjektiven Faktor" ab, ob es zu einer "Diskrepanz zwischen den eigenen [...] Vorstellungen und Erwartungen an den Krieg einerseits und den realen Erfahrungen andererseits" (Marcia) etwa bei den Spartanern hatte kommen können. Aus psychohistorischer Sicht ist die Frage dann tatsächlich höchst interessant, ob die spartanische Erziehung eine "heroisierende Motivation" (Rephaim) im Sinne von Resilienz aufzubauen vermochte.

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Nein, nein, ich hatte dich, Marcia, so verstanden, das du meintest, bei den jungen Soldaten hätte ein romantisch, verklärtes Heldenideal bestanden welches dann durch die nüchterne Realität ad absurdum geführt wird.

Meine Ansicht war nur das es, jetzt auf Tyrtaios bezogen, kein naiv romantisches Heldenideal war, sondern eines, das eben, weil es die nüchterene Realität miteinbezog, ein ~,wahrhaftigeres´, das (These)
tatsächliches Heldentum gerierte.

Wobei ich Heldentum hier nicht werte (wenn, dann längerfristig negativ, da es Kampf voraussetzt), eher als Motivationsstrategie/-funktion gesehen habe.


Ich weiß nicht, wie´s rüberkam, schreibe ungern mit Smilies, aber es war auf keinen Fall negativ oder abwertend gemeint.
 
Wie meinst du das genau? Inwiefern sollte das Zitat paraphrasiert werden?
Vielleicht hat Muspilli auf seine Weise schon die Anwort gegeben. Weil ich ihn aber nicht vereinnahmen will, kurz mein Kommentar:
Wie beim “dulce et decorum” könnte man - versuchsweise - dein Zitat als Militärpropaganda lesen. Dass sie keinen bestehenden, sondern einen mithilfe solcher Slogans zu schaffenden Zustand darstellt.
Das “dulce et decorum” haben vor dem 1. Weltkrieg Möchtegernheroen in den Körpern blasser bebrillter Studienräte gern im Mund geführt. Wenigstens ein Teil von ihnen kam dann aufgrund eigener leidvoller Erfahrung zu der Erkenntnis, die Erasmus schon Jahrhunderte zuvor hatte.

Nachbemerkung wegen deines letzten Beitrags: Wie wärs mit dem alternativen Erklärungsmodell Glorifizierung a la “viel Feind, viel Ehr“ (um nicht nochmals Himmler zu zitieren)?
 
Aus psychohistorischer Sicht ist die Frage dann tatsächlich höchst interessant, ob die spartanische Erziehung eine "heroisierende Motivation" im Sinne von Resilienz aufzubauen vermochte.

Resilienz könnte gut auf die Spartaner passen. So wie ich das verstanden habe, ist es dabei erstmal unahängig von spezifischen Motivation, wozu Kinder genau erzogen werden, sondern vorrangig, ist ein großes, stark aufeinanderbezogenes, möglichst familieninternes Umfeld.

Pauschal spekuliert, es ist zum einen die Zuwendung, die von nahe stehenden Bezugspersonen gegeben wird und vielleicht eine mehr geschlossene und dadurch auch fordernde Umwelt (nachmittags ist es klar zu lernen, da schon die älteren Geschwister dastehen und auf einen warten) das Resilienz fördert(2.).

[Ich versuche psychologische Schaltstellen zu finden, an denen sich verschiedene psychologische Funktionsmechanismen überlappen könnten
(1.Ideologie: (realistisches) Heldentum <-> 2.Erziehungsbedingungen: reszilient).
Hab absolut überhaupt kein tiefgreifendes Wissen darüber.]

Woran genau wird angeknüpft, wenn damals dem Kind geraten wird:
,Denk daran das es furchtbar werden wird, das ist so, daraus werden Helden!´(1.)

Ich hatte nicht den Eindruck, das Reszilienz eine emotionale Abhängigkeit zu den Bezugspersonen stärkt, also wäre der Wunsch, es anderen recht zu machen, für diese, wegen ihnen ein Held zu sein, weniger ausgeprägt.

Ist es ein Merkmal einer reszilienten Erziehung, das Kind insofern zu stärken, da man ihm zutraut mit einer realistischen Wahrnehmung der Welt umgehen zu können?

Dann würde r. Erziehung eine Grundlage schaffen, das ,Denk daran das es furchtbar werden wird,...´ überhaupt angewendet werden kann.

Was hieß es genau, ein Held zu sein?

Um beim Zitat zu bleiben, es ging auch um Tugend, arete. Stark, mutig zu sein, in angemessenem gerechtem Verhalten, nicht überschwänglich werdend, sondern maßhaltend.

Resziliente Eigenschaften?

Das würde bedeuten ein Held wäre derjenige, der die Erziehungsergebnisse perfekt darstellt und weiterträgt? Ein sich selbst-erhaltendes System?


Es ist etwas banal, aber mir fällt da Plato ein, wo er irgendwo darüber schrieb, das er, bzw. Sokrates, es nicht verstehen könne, warum sich die Menschen über andere schlechte Menschen in der Welt aufregen, da es doch eigentlich ganz einfach sei, damit umzugehen. Man müsse sich dessen nur vorher bewußt sein, das es wenig gute und schlechte, viele indifferente, usw. gäbe , dann regt man sich nicht mehr auf.
Es ist im Prinzip dasselbe wie bei Tyrtaios, werd dir klar was ist, damit du besser damit umgehen kannst.
Dafür wird nur ein gesundes Maß an Reflexion und Bewußtsein benötigt, schätze ich mal.
Insofern wäre Resilienz ein gute Grundlage und die Ideologie(hier ohne Heldentum) eine Lebensweisheit, wo beides erstmal nicht soviel direkt miteinander zu tun hat.
 
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Natürlich wird es bereits in der Antike Kriegstraumata gegeben haben.
Das erste und mit das bekannteste wird m.E. in der Ilias geschildert, nämlich der Wahnsinn des großen Ajax. Da ist einer offensichtlich nach Jahren im Krieg vor Troja regelrecht durchgedreht.
Die Frage,die sich mir allerdings stellt ist, ob man mit dem Thema Krieg, Tod und Verwundung damals nicht völlig anders umgegangen ist und dies nicht mehr Teil des Alltags war als heute. Wenn man die Sagen und Berichte von der Antike bis in die beginnende Neuzeit liest, so waren längere Perioden äüßerer und innerer Sicherheit, die den Namen auch verdienten wohl eher die Ausnahme als die Regel.
Und neben den bekannten größeren Kriegen gab es ja meist noch jede Menge lokaler Konflikte und Fehden.
Das könnte natürlich zu eine gewissen Abstumpfen und damit auch zu weniger Traumata geführt haben.

Das “dulce et decorum” ist m.E. übrigens eher eine propagandistischen Ausprägung der neuzeitlichen Nationalstaaten. Vor dieser Periode gibt es eigentlich nur wenige Beispiele dafür. Mir fallen neben den Thermopylen nur noch ein ,zwei Szenen aus der römischen und der schweizerischen Gründerzeit ein, auf die das passen könnte. Allerdings bin ich bei all diesen Beispielen durch aus skeptisch,ob da nicht Zutaten oder interpretierende Übersetzungen des 19.Jahrhunderts drinstecken, die nicht unbedingt was mit der Intention der Originalüberlieferung zu tun haben.
 
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Nein, nein, ich hatte dich, Marcia, so verstanden, das du meintest, bei den jungen Soldaten hätte ein romantisch, verklärtes Heldenideal bestanden welches dann durch die nüchterne Realität ad absurdum geführt wird.

Meine Ansicht war nur das es, jetzt auf Tyrtaios bezogen, kein naiv romantisches Heldenideal war, sondern eines, das eben, weil es die nüchterene Realität miteinbezog, ein ~,wahrhaftigeres´, das (These)
tatsächliches Heldentum gerierte.

Wobei ich Heldentum hier nicht werte (wenn, dann längerfristig negativ, da es Kampf voraussetzt), eher als Motivationsstrategie/-funktion gesehen habe.


Ich weiß nicht, wie´s rüberkam, schreibe ungern mit Smilies, aber es war auf keinen Fall negativ oder abwertend gemeint.

Danke für die Erklärung - das hört sich für mich besser an.:)
Habe mir auch schon ein bisschen gedacht, dass du eher zitierst als wertest.

Wenn ich auf ein Thema emotional sehr anspringe - wie hier - gehe ich eine Weile raus, so auch dieses Mal.;)

Ich habe ja geschrieben, dass wir hier kaum Fakten zur Verfügung haben und lediglich vermuten können.

Von Heldentum halte ich grundsätzlich wenig - und da kann ich auch schlecht raus aus meiner Haut. Was ich über Kriege denke, brauche ich demzufolge auch kaum niederzuschreiben, das erübrigt sich.

Ich sehe es wie Amalaswintha in ihrem Beitrag weiter oben. Eine interessantes Thema ist das auf jeden Fall, wie sich an der Diskussion zeigt.
 
Das erste und mit das bekannteste wird m.E. in der Ilias geschildert, nämlich der Wahnsinn des großen Ajax. Da ist einer offensichtlich nach Jahren im Krieg vor Troja regelrecht durchgedreht.

Jetzt wirds spannend.

Liest man die Erzählung über Ajax, als eine Metapher, dann würde die Aussage, auf das Thema bezogen, lauten:

,(Kriegs-)Traumata entstehen, weil man Niederlagen nicht akzeptieren kann.´

(Athene straft Ajax(oder schützt Odysseus?) mit Wahnsinn, weil jener sich von Entscheidern ungerecht behandelt fühlte und Rache nehmen wollte)
 
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Jetzt wirds spannend.

Liest man die Erzählung über Ajax, als eine Metapher, dann würde die Aussage, auf das Thema bezogen, lauten:

,(Kriegs-)Traumata entstehen, weil man Niederlagen nicht akzeptieren kann.´

(Athene straft Ajax(oder schützt Odysseus?) mit Wahnsinn, weil jener sich von Entscheidern ungerecht behandelt fühlte und Rache nehmen wollte)

Die Erklärung mit den Niederlagen ist mir zu kurz gegriffen. Wenn man Niederlagen mit Erfahrungen ersetzt kommt es eher hin. Wenn man für Personen Verantwortlich ist, und das auch so sieht, und man sie in Tödliche Situationen schickt greift das nach meiner Meinung auch die Psyche an, erst recht wenn die Leute nicht wohlbehalten zurück kommen. Vermutlich wird sich mancher schon gefragt haben ob sein "Sieg" alles aufwiegt, was an Opfern gebracht wurde.

Apvar

P.S. Vielleicht ist meine Sicht aber auch zu modern?
 
Es ist ja dabei nicht die Frage, wie tatsächlich Traumata entstehen, sondern wie sich die Achaier( oder die Zuhörer Sophokles´) das erklärt haben könnten.

Mögliche Scham, schlechtes Gewissen über von einem zu verantwortende
gestorbene Menschen würde ich hier nicht mit Kriegstrauma gleichsetzen.

Die Situation, in die Ajax geschickt wurde, war die, das er nicht die Waffen des gefallenen Achilleus zugesprochen bekam. Sein einziges Opfer, Verlust war (nur) die Ehre.
 
Ja,das war der vordergründige Anlass bzw. die sagenhafte Erklärung, die man zur Zeit der alten Griechen ohne tiefenpsychologische Kenntnisse zu haben,heranzog.
Aber wenn man hier mal den trojanischen Krieg als reales Ereignis voraussetzt und die Vorgeschichte der gesamten Schlachten hinzu nimmt , in denen ja auch Ajax eine tragende Rolle gespielt hat, dann könnte die Entscheidung über die Waffen lediglich als Katalysator in einer Art Triggereffekt das bereits bestehende Trauma ausgelöst haben.Die Folgen waren dann völliger Kontrollverlust,"Raserei" und anschließend er Wahnsinn. diese Sympthomatik ist aber bei Kriegstraumata ,wie sie von Verdun oder der Alpenfront des 1.Weltkrieges überliefert sind ,nicht unüblich.
 
Ich seh das auch so, das ein "Triggereffekt" beschrieben worden sein könnte.

Ich erwähnte das mit der Situation, weil ich annahm, daß du, Apvar , in deiner Antwort dich auf meine Klammer mit "Entscheidern" bezogen hast und nicht die gesamte Geschichte um Ajax kanntest. Sorry, wenn ich da voreilig war.
 
Hallo Rephaim

Kein Problem,ich habe mich auf deinen Satz bezogen:
,(Kriegs-)Traumata entstehen, weil man Niederlagen nicht akzeptieren kann.´

Wobei "Entscheider" scheint mir auch nicht so glücklich, weil jeder muss dauernd was entscheiden. Und ob glücklich wird mit der Entscheidung, stellt sich erst später heraus.

Apvar
 
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"Enscheider" bezog sich hier auf eine Frage in der nur bestimmte Personen vefügen konnten wer die Waffen bekommt und wer nicht. Ajax oder Odysseus hatten nicht diese Macht.
 
Ich glaube bzw. vermute, dass man in Antike und Mittelalter schon alleine deshalb weit weniger psychischen Schaden nach einer Schlacht davon trug, weil man schlicht und einfach den Tod erstmal gewohnt war (denken wir an die höhere Sterblichkeit, in Rom an die Gladiatorenkämpfe), anderer Blickwinkel auf das Thema Krieg (der Tod in der Schlacht als etwas erstrebenswertes, und nicht als etwas Böses, wie man es heute tut). Außerdem keine Dauerbelastung wie heute, wo man als Kämpfer nicht weiß, woher wo welche Gefahr kommt. Außerdem war man viel eher bereit, zur Waffe zur greifen.

Kurz: Man kann schlecht die psychische Gesundheit der Kämpfer von damals mit denen heute vergleichen. Zum Teil müssen ja sich heutige Kämpfer "Mut ansaufen".

Das denke ich mir auch erstmal, wenn ich über psychische Aspekte in der Antike nachdenke. Wir dürfen da glaub ich nicht zu sehr mit unserem gesellschaftlichen Hintergrund rangehen. Ein wichtiger Unterschied zwischen uns und den Menschen der Antike ist auch z.B. der Humanismus, die Aufklärung usw... also gewisse "Menschenrechte" und was damit einhergeht.

Ich frage mich eigentlich ziemlich oft, was in den Menschen damals vorgegangen ist. Meistens hat man überall Mord und Totschlag und so grausame Kriegsschilderungen wie bei Homer (die Kriege waren in Wirklichkeit ja sicher auch so grausam anzusehen, auch wenn "dieser" Krieg vielleicht ins Reich der Mythen zu verweisen ist...).
Aber andererseits leben die Menschen nebenher recht normal. Ich stell mir das immer so vor, als wenn die da an jeder Ecke eine Leiche gesehen haben, immer mal wieder einer abgestochen wurde, dann bestand das Leben für die Männer ständig irgendwie aus Krieg... ich denke einfach, dass die da abgestumpfter waren. Also wirklich beinahe "nicht traumatisierbar", was natürlich bei heutigen Soldaten anders ist, da Unfallopfer normalerweise abgedeckt werden, Leichen bei Begräbnissen fein hergerichtet und fast jeder ein einigermaßen friedliches Leben führt, bis er dann mal in den Krieg muss. Sogar die Kriege sind ja verhältnismäßig "friedlich"... eine Bombe zu werfen und dann weiterzufliegen ist ja was anderes, als seinem Gegenüber den Bauch aufzuschlitzen und dann - wieder Homer - nochmal richtig schön nah ranzugehen und auch ja alles mitzunehmen, was man noch gebrauchen könnte...

Und dann ist sowas auch noch gesellschaftlich hoch angesehen gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwie als widernatürlich wahrgenommen wurde, wie es heute ist, wenn man beim Lesen die Nase rümpft ob der unmenschlichen Darstellungen. Und dann kann es natürlich auch nicht "verrückt" machen (i.S.v. verrückter als die Gesellschaft eh schon ist).
Es ist halt fraglich, ob der Mensch "im Allgemeinen" bestimmte Dinge als grausam und traumatisierend empfindet oder ob es nicht doch von der gesellschaftlichen Einbindung abhängig ist, was genau der Mensch nun "verträgt", oder nicht.

Über das "Ertragen" von Kriegsgemetzel hat sich übrigens auch Tyrtaios Gedanken gemacht, der schreibt an einer Stelle, dass ein "toller Mann" es ertragen können muss, sich im Krieg das Gemetzel anzusehen. Also anscheinend GAB es Menschen, die es nicht ertrugen. Diese Aussage macht er im Zusammenhang mit einem aktuellen (oder bevorstehenden, weiß nicht genau) Krieg, wo er die Männer überzeugen will, für ihre Polis zu kämpfen. Anscheinend gab es also doch bei einigen Männern Hemmungen, sich in den Krieg zu begeben und da evtl. zu sterben oder grausame Dinge zu erleben.

Vielleicht soll die grausame Literatur der Antike dann auch eine gewisse Gewöhnung an das grausame Gemetzel bewirken, die dem Menschen doch erstmal nicht in die Wiege gelegt wurde. Das würde dann bedeuten, dass es auch in der Antike schon echte Kriegstraumata gegeben haben könnte, weil die Leute doch nicht so anders waren als heutzutage.

Aber ich finds halt schwierig zu fassen, was dann da traumatisierend und was "normal" ist im Vergleich zu heute...
 
Mir ist gerade bei der Lektüre der "Ajas "von Sophokles aufgefallen, daß Ajax nach der Mythologie ausgerechnet von der Kriegsgöttin Athena (Prómachos=die in vorderster Linie Kämpfende) mit Wahnsinn geschlagen wird .
Auch das könnte m.E. als Schilderung eines Traumas gedeutet werden.
Ajax wird demnach durch den Krieg verkörpert durch die Kriegsgöttin, wahnsinnig.

Wenn man dies annimmt ,dann waren Kriegstrauma auch in der Antike wohl doch nicht so selten, wenn sie selbst in die Mythen Eingang fanden.
 
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