Trennung vorgeschichtliche und geschichtliche Keltike

Thomas Trauner

Aktives Mitglied
Liebe Geschichtsforumianerinnen und Geschichtsforuminaer,

worüber ich immer wieder bei Fragen und Diskussionen im Zusammenhang mit den Stichwort „Kelten“ nachdenke ist, ob es nicht vielleicht sinnvoll wäre, dieses doch recht komplexe und oft recht heißblütig diskutierte Thema in zwei Abteilungen zu gliedern.

Einmal die vorgeschichtliche Keltike, sprich von 800- 15 v. Chr., die vor allem archäologisch erfasst wird und zum anderen die geschichtliche, die dann vor allem den späteren Nordwesteuropäischen, sprich nachchristlichen Britischen Bereich abdecken soll.
(Mir ist bekannt, dass es da Überschneidungen gibt. La-Téne D ist nicht chronologisch deckungsgleich mit „Late Iron“ or „Roman“ im Britischen Sprachgebrauch.

Ich sehe da verschiedene Vorteile. Diskussionen zur keltischen Götterwelt oder anderen Teilbereichen, die wir nur aus (sehr spätkeltischen) schriftlichen Aufzeichnungen oder gar erst von den Inselkelten kennen, würden sich damit auch deutlicher in den passenden zeitlichen und geographischen Kontext einpassen.
Die vorgeschichtliche Keltike wäre frei von Vermutungen, die letztlich alle in einen anderen, spätern Kontext gehören.
Missverständnisse oder oft sehr lange Diskussionen und Erklärungen würden sich reduzieren.

Meinungen ?

Thomas
 
Ich sehe da verschiedene Vorteile. Diskussionen zur keltischen Götterwelt oder anderen Teilbereichen, die wir nur aus (sehr spätkeltischen) schriftlichen Aufzeichnungen oder gar erst von den Inselkelten kennen, würden sich damit auch deutlicher in den passenden zeitlichen und geographischen Kontext einpassen.
Die vorgeschichtliche Keltike wäre frei von Vermutungen, die letztlich alle in einen anderen, spätern Kontext gehören.
Sehr gute Anregung, ich würde diese Anregung gerne Unterstützen.
 
Meine Frage hierzu: was machen wir denn dann mit der romano-britischen/gallorömischen Epoche?

Ein großteil der Inschriften zu Gottheiten z.B. stammt aus dieser Zeit ebenso wie viele der sogenannten klassischen Quellen.

Meiner Erfahrung nach lässt sich diese Zeit und die La Téne nicht strikt trennen, da die Romanisierung eine ziemliche lange Übergangszeit in den verschiedenen Gebieten, hatte.
 
Meine Frage hierzu: was machen wir denn dann mit der romano-britischen/gallorömischen Epoche?
Ich denke Thomas hat das schon relativ gut ausformuliert:
Einmal die vorgeschichtliche Keltike, sprich von 800- 15 v. Chr., die vor allem archäologisch erfasst wird und zum anderen die geschichtliche, die dann vor allem den späteren Nordwesteuropäischen, sprich nachchristlichen Britischen Bereich abdecken soll.
(Mir ist bekannt, dass es da Überschneidungen gibt. La-Téne D ist nicht chronologisch deckungsgleich mit „Late Iron“ or „Roman“ im Britischen Sprachgebrauch.
 
Ich muß hier Haerangils Einwand unterstützen, wenn es um den zeitlichen Rahmen geht, der im übrigen schlecht abzustecken geht. Bis zum Ende des 1. vorchristlichen Jahrhunderts eine Vorgeschichte der Kelten anzuführen, klingt doch sehr "euphemistisch" -denn ganz so vorgeschichtlich ist die Keltike auch wieder nicht; laßt mich lügen, war es Poseidonius, der ein Art keltisches Königtum kennt, das mit dem Magdalensberg in Verbindung gebracht wurde (bei Gelegenheit schaue das noch genauer nach). Vergessen wird auch die ganze Geschichte der "italischen" Kelten und das später bei Caesar als Gallien erscheinende Keltengebiet tritt denn auch vorher in die Geschichte ein. Die Beschränkung der historischen Kelten wiederum auf Britannien läßt mindestens die Galater aus dem Spiel.
 
Ich halte die fremden Schriftquellen nach wie vor, für nicht so belastbar, wie gerne von Seiten der Historiker gerne angenommen. Von daher ist der Hinweis auf Poseidonius der sehr wahrscheinlich entweder abgeschrieben hat oder vom Hören, Sagen berichtet, als Quelle eher schwierig.
Poseidonius war wohl nie bei den Völkern im Norden selbst.
Da wir keine eignen schriftlichen Quellen der "Kelten" selbst haben, außer den paar Namen aus Südfrankreich aus der Spätlaténezeit, ist der Begriff Vorgeschichte der passende.

Tante Wiki sagt folgendes:
Die Urgeschichte (synonym: Vorgeschichte oder Prähistorie) bezeichnet die älteste Periode der Menschheitsgeschichte. Sie erstreckt sich vom Auftreten der ersten Steinwerkzeuge vor etwa 2,5 Millionen Jahren (vgl. Stammesgeschichte des Menschen) bis zum regional sehr unterschiedlichen Auftreten von Schriftzeugnissen. Die Erforschung dieser Epoche ist Sache der Archäologie und ihrer Hilfswissenschaften. Die nachfolgende Frühgeschichte ist die Periode, in der Schriftquellen zwar vorliegen, ohne archäologische Quellen jedoch ebenfalls kein hinreichendes Geschichtsbild gezeichnet werden könnte.

Thomas möchte, genau so wie ich auch, eine Trennung von nicht schriftlicher keltischer Kultur und der z.T. sehr viel später schriftlich fixierten "Postkeltischen" Kulturen.
 
Da wir keine eignen schriftlichen Quellen der "Kelten" selbst haben, außer den paar Namen aus Südfrankreich aus der Spätlaténezeit, ist der Begriff Vorgeschichte der passende.

Als Student der frühgeschichtlichen Archäologie (im Gegensatz zu dir nur diese) muss ich dich da einfach korrigieren. Ob dir die vorhandenen Schriftquellen zusagen oder nicht spielt dabei keine Rolle. Frühgeschichte ist der passende Begriff, wie in deinem Wiki-Zitat steht.


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Obwohl die 7 Seiten Keltenthemen bestimmt nicht zu viele sind um den Überblick zu verlieren, wäre es vielleicht schon sinnvoll die mittelalterlichen Kelten auszuklammern, evtl. zu den 3 Seiten Angelsachsen.
 
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Als Student der frühgeschichtlichen Archäologie (im Gegensatz zu dir nur diese) muss ich dich da einfach korrigieren. Ob dir die vorhandenen Schriftquellen zusagen oder nicht spielt dabei keine Rolle. Frühgeschichte ist der passende Begriff, wie in deinem Wiki-Zitat steht.
Ich würde sagen, dass die Begriffe leider bist heute nicht genau genug definiert sind.
Festzuhalten ist folgendes:

  • Ur- oder Vorgeschichte befasst sich mit den Schriftlosen Zeiträumen

  • Frühgeschichte befasst sich mit den Zeiträumen in denen Schriftzeugnisse vorliegen.
Daneben gibt es Archäologen, die wie ich eben auch, die Frühgeschichte mit dem Beginn der Entwicklung einer eignen Schriftkultur beginnen lassen, andere wiederum lassen die Frühgeschichte wie oben beschrieben, beginnen.

(Zum Einstieg: Eggert, Prähistorische Archäologie, Konzepte und Methoden (S.22ff.))

Ob mir dabei die Schriftquellen zusagen oder nicht spielt keine Rolle.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei es hier ja um das Selbstverständnis des Faches der Vorgeschichte geht und nicht um diese Unterscheidung geht.
Nicht ganz, es geht auch um eine kleine Geschichte der Archäologien und um die Begrifflichkeiten Vorgeschichte, Urgeschichte und Frühgeschichte.
 
Nicht ganz, es geht auch um eine kleine Geschichte der Archäologien und um die Begrifflichkeiten Vorgeschichte, Urgeschichte und Frühgeschichte.

Und wo genau? Unter dem Kapitel II.4: Selbstverständnis, S. 22-30, welche ich als Einstieg lesen sollte, lese ich nichts von dem alleinstehenden Begriff der "Frühgeschichte".
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Oder meintest du S. 12f:
"... ist der Begriff "Urgeschichte" gleichbedeutend mit "schriftlose Zeit", während der Begriff "Frühgeschichte" einen Zeitraum meint, für den zwar schon einige wenige Schriften zur Verfügung stehen, dessen Erforschung aber in erster Linie auf der Basis nichtschriftlicher Zeugnisse erfolgen muß. Das Fehlen bzw. der Mangel an schriftlichen Dokumenten ist nicht durch irgendwelche sekundären Prozesse... bedingt; Schriftquellen sind allein deswegen nicht vorhanden bzw. äußerst rar, weil sie im einstigen Kulturzusammenhang entweder gänzlich oder doch weitgehend unbekannt waren."

Aber wie gesagt, deine Sicht hatte ich bisher noch nicht gehört bzw. ich habe es anders gelernt (wie hier), eben ohne den Zusatz "eigene" Schriftquellen, wobei die "eigenen" Schriftquellen ja auch keine besseren Quellen sein müssen als die "fremden", vor allem zu der Zeit in der die Schriftlichkeit noch nicht einen großen Teil der Bevölkerung erreicht hat.
 
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Aber wie gesagt, deine Sicht hatte ich bisher noch nicht gehört bzw. ich habe es anders gelernt (wie hier), eben ohne den Zusatz "eigene" Schriftquellen,...

So kenne ich das auch.

...wobei die "eigenen" Schriftquellen ja auch keine besseren Quellen sein müssen als die "fremden", vor allem zu der Zeit in der die Schriftlichkeit noch nicht einen großen Teil der Bevölkerung erreicht hat.

Es ist ja schon ein Unterschied, ob etwa Strabon über die Keltiberer berichtet, oder Jordanes über die Goten. Halt Innensicht und Außensicht. Und da unterscheiden seriöse Historiker - schließlich ist Q-Kritik das A und O der Geschichtswissenschaft - sehr wohl, anders als von DerGeist hier behauptet:

Ich halte die fremden Schriftquellen nach wie vor, für nicht so belastbar, wie gerne von Seiten der Historiker gerne angenommen.

Die Frage ist doch: Sollen wir jetzt alles, was die antiken (oder auch mittelalterlichen) Schriftsteller über fremde Kulturen geschrieben haben, verwerfen?!
 
Zitat:
DerGeist
Ich halte die fremden Schriftquellen nach wie vor, für nicht so belastbar, wie gerne von Seiten der Historiker gerne angenommen.

Die Frage ist doch: Sollen wir jetzt alles, was die antiken (oder auch mittelalterlichen) Schriftsteller über fremde Kulturen geschrieben haben, verwerfen?!

Von verwerfen habe ich nicht gesprochen, sondern das ich sie für nicht so belastbar halte, wie von Seiten der Historiker angenommen.
Außerdem könnte man diese Diskussion auch mal auslagern, das sie mit dem Vorschlag von Thomas nicht wirklich etwas zu tun hat.
 
Von verwerfen habe ich nicht gesprochen, sondern das ich sie für nicht so belastbar halte, wie von Seiten der Historiker angenommen.

Und genau das streite ich mit einem Verweis auf die Q-Kritik als täglichem Brot des Historikers ab. Solange aber die schriftlichen Quellen - die i.d.R. nun mal sehr viel einfacher zugänglich sind, als archäologische Befunde (sofern diese nicht sogar noch im Boden schlummern) - das einzige sind, was zugänglich ist, solange kann nur auf sie zurückgegriffen werden. Ein guter Historiker weiß aber um de Problematik und Suggestion der Schriftquelle.
 
Und genau das streite ich mit einem Verweis auf die Q-Kritik als täglichem Brot des Historikers ab.

Schön das du die Quellenkritik würdigst, gerade da liegt der Hund begraben, denn Historiker halten die archäologischen Quellen für Quellen des zweiten oder dritten Ranges während die Schriftquellen als Quellen des ersten Ranges angesehen werden, d.h. es wird die schriftl. Überlieferung zugrunde gelegt und dann wird versucht das archl. Quellenmaterial damit in Deckung zu bringen.
Solche Versuche gibt es zu genüge, z.B. Troja = Wilusa =Illios.
Ob nun Hisarlik nun wirklich Troja bleibt nach wie vor offen.
Aber genug damit, erstmal.

Ich würde für die von Thomas vorgeschlagene Trennung unter Berücksichtigung der ital., iberischen und Galatischen Kelten vorschlagen, dass wir die Frühgeschichte der Kelten ungf. mit der Mittellaténezeit beginnen lassen. Für die Abschnitte der älteren Eisenzeit haben wir nun wirklich nichts objektives an Schriftquellen.
 
Laut folgender Definition bewegen wir uns bei den "Kelten" bis in die Spätlaténezeit in der Vorgeschichte:
Mit dem Einsetzen der ersten Schriftzeugnisse in Mitteleuropa in der Zeit um Christi Geburt, die ergänzend zu den archäologischen Quellen herangezogen werden, beginnt die Frühgeschichte, die in Römische Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit und frühes Mittelalter (Merowinger- und Karolingerzeit) untergliedert wird.
Bereich für Ur- und Frühgeschichte

oder auch folgende:
Die Frühgeschichte widmet sich der Kulturentwicklung Europas von der Spätantike bzw. Völkerwanderungszeit bis zum Einsetzen des Hochmittelalters unter Berücksichtigung vornehmlich archäologischer, aber auch historischer Quellen.
Ur- und Frühgeschichte (M. A.)
 
Schön das du die Quellenkritik würdigst, gerade da liegt der Hund begraben, denn Historiker halten die archäologischen Quellen für Quellen des zweiten oder dritten Ranges während die Schriftquellen als Quellen des ersten Ranges angesehen werden, d.h. es wird die schriftl. Überlieferung zugrunde gelegt und dann wird versucht das archl. Quellenmaterial damit in Deckung zu bringen.

Nein. Historiker unterscheiden in Überrestquellen (Dokumente) und Traditionsquellen (Monumente). Überrestquellen, zu denen archäologische Zeugnisse i.d.R. gehören, gelten als die glaubwürdigeren. Das Problem ist eher, dass Historiker nun mal eher philologisch arbeiten, weshalb die literarischen Quellen lange Zeit ein starkes Übergewicht besaßen und ereignishistorisch noch immer besitzen.
 
...wird die schriftl. Überlieferung zugrunde gelegt und dann wird versucht das archl. Quellenmaterial damit in Deckung zu bringen.

Und was sollen die Historiker denn bei einem Großteil der Themen sonst machen? Schließlich geht es bei ihrer Arbeit doch gerade um diese historischen/schriftlichen Quellen. Natürlich können auch die Archäologen zur "Universalgeschichte" betragen, aber fast nichts für die ereignisgeschichtlichen Fragen. Und warum sollten die Historiker auch nicht darüber spekulieren ob Hisarlik jetzt Troja ist oder nicht? Es sollte doch jedem klar sein, dass es hierbei immer nur um Spekulationen und eben nicht um Fakten geht.


Ich sehe das Problem eher bei den Archäologen bzw. Altertumsforschern, die die archäologisch erschlossenen Kulturkreise immer mit den aus schriftquellen bekannten Quellen benennen mussten. Und wenn wir dann noch die Sprachforscher dazu nehmen, kommen wir wieder zu den falschen Rückschlüsse, die man aus diesem Terminologieproblem bekommt.

Wir hatten das ja schon in anderen Threads. Nur weil jemand eine "keltische" Sprache spricht, muss er noch lange keiner "keltischen" Kultur angehört haben, sich selbst als "Kelte" gesehen haben bzw. von den schreibenden Zeitgenossen als "Kelte" bezeichnet worden sein bzw. umgekehrt.

Für die Abschnitte der älteren Eisenzeit haben wir nun wirklich nichts objektives an Schriftquellen.
Wobei es doch dann auch fraglich ist, ob man dann überhaupt von "Kelten" in diesem Zusammenhang sprechen sollte geschweige denn noch extra dafür ein eigenes Kapitell zu eröffnen.

Wenn dann wäre ein Kapitell/Forum?: Vorgeschichte Europas als Ausklammerung aus der Frühzeit des Menschen bzw. Kelten doch sinnvoller.
 
Ich sehe das Problem eher bei den Archäologen bzw. Altertumsforschern, die die archäologisch erschlossenen Kulturkreise immer mit den aus schriftquellen bekannten Quellen benennen mussten.
Ich muss nichts aufgrund von Schriftquellen benennen, dafür haben wir Archäologen ja die Stufengliederung der Materiellen Kultur.
Am Bsp. der "Kelten" sage ich einfach Spätlaténekultur und basta, dafür brauche ich keine Schriftquellen.

Das Problem hast du aber sehr gut herausgearbeitet, es herrscht(e) fast ein Zwang, sowohl von Archäologen als auch Historikern, Kulturen aufgrund von bekannten Schriftquellen zu benennen.
Ich möchte mal das Bsp. der hess. Chatten in Erinnerung rufen.
Archäologisch gesehen kann man die Existenz eines solchen Stammes überhaupt nicht belegen, die historische Überlieferung liefert bekanntermaßen andere Ergebnisse.
 
Archäologisch gesehen kann man die Existenz eines solchen Stammes überhaupt nicht belegen, die historische Überlieferung liefert bekanntermaßen andere Ergebnisse.

Archäologisch kannst du feststellen, dass es eine Kulturgruppe gab - oder auch nicht - und dies dann mit der literarischen Überlieferung kontrastieren und z.B. feststellen, dass diese entweder falsch ist oder sich die Chatten archäologisch nicht von ihren Nachbarn unterscheiden. Oder, oder, oder...
 
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