Trennung vorgeschichtliche und geschichtliche Keltike

Klasse Beiträge, keine Frage. Dass die Abgrenzung zwischen der historischen und der prähistorischen Zeitschiene und damit auch der entsprechenden Methodik fließend ist, hört sich erst mal einfach an, ist im Detail natürlich schwierig.

Ich selbst sehe das Problem jedoch recht „locker“. Da uns überliefertes Schriftgut in unterschiedlichen Regionen zu unterschiedlichen Zeiten zur Verfügung steht, ist eine Abgrenzung meiner Meinung nach letztlich geographisch bedingt.
Ebenso bestehen ja Probleme (Naher Osten), wenn wir zwar schriftliche Überlieferungen haben, die entsprechende Kultur jedoch in einem prähistorischen Kontext eingebettet ist.

Das Problem haben wir in Europa nun mal bei „den Kelten“ und bei „den Germanen“.
Meine Befürchtung ist nun, dass nur aufgrund eines methodischen Problems, oder, böse gesagt, aufgrund eines „Kompetenzgerangels“ Kulturkontinuitäten vermutet und sogar gefordert werden, damit „beide Seiten“ beteiligt bleiben.
Alleine der Begriff „Kelten“ (oder „Germanen“) verleitet zur Annahme einer zusammengehörigen, praktisch ungebrochenen Kontinuität, die sich noch dazu in einer Art „Kulturevolutionären Entwicklung“ verändert.
Jedem, der sich jedoch mit diesem Thema befasst, ist jedoch klar, dass sich der Begriff "Keltisch" (oder "Germanisch") nur sehr schwer zeitlich, geographisch und faktisch (Grabungsergebnisse) unter einen Hut bringen lässt.
Ich befürchte, dass hier, mehr oder weniger unbewusst, unsere Vorstellungen über die Begriffe des „Stammes“, des „Volkes“, oder gar der „Nation“ mitspielen. Ich meine damit selbstverständlich nicht den Missbrauch der Begriffe in der Zeit vom Ende des 19. bis Mitte des 20. Jh.
Es ginge mir bei einer detaillierteren Chronologie des Begriffes „Kelten“ also gar nicht mal so sehr um die Abgrenzung prähistorisch/historisch sondern mehr um die Vermeidung der Problematik, die sich eben aus der Verwendung des Begriffes „Kelten“ und der damit verbundenen Übertragung verschiedener Vorstellungen, die sich aus der Verwendung eines „Volksbegriffes“ auf alle Nachrichten, die wir aus dieser Zeit haben, ergeben.

Geht man/frau von dem Zeitraum aus, der im Forum gerne als „keltisch“ angesprochen wird, kommen wir bei großzügiger Auslegung auf bis zu 2000 Jahre. (ca 1000 v.Chr. bis ca 1000 n.Chr. also von „protokeltischer“ Urnenfelderkultur bis zum inselkeltischem Kunstausdruck)

Jetzt für diesen Zeitraum nur eine bestimmte Zeitperiode herauszugreifen und einen bestimmten Kulturausdruck mehr oder weniger unkritisch auf diesen ganzen Zeitraum zu übertragen, halte ich für, nun ja, bedenklich. Und genau dass wird aber durch die Verwendung einer einzelnen Themenüberschrift „Kelten“ für Themen von der Hallstattzeit bis ins Mittelalter unterstützt.

Ich würde dabei nicht mal das Rad neu erfinden wollen. Ich denke, eine Einteilung in die anerkannten Untergliederungen prähistorische Keltike und historische Keltike wären völlig ausreichend. Die Trennung wäre die Besetzung der Keltike durch die Römer oder/und der Germanen, absolutchronologisch jeweils durchaus unterschiedlich.


Wie gesagt, nur ein Vorschlag.


Thomas

PS: Ich finde die methodische Debatte über die Abgrenzung historisch/prähistorisch äußerst anregend. Ich würde mich wirklich freuen, wenn sie fortgesetzt werden würde, vielleicht sogar unter einem eigenen Threat, damit man/frau nicht immer so aufpassen muss, dass noch irgendwie ein Bezug zur Keltike bestehen bleibt ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke dieser Artikel könnte uns alle in der Diskussion weiter bringen, werde mal bei Gelegenheit in die Bib. gehen und ihn lesen.
Die Tyrannei der Schriftquellen?

Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie




ZUSAMMENFASSUNG:



Die Frage der Interaktion zwischen materieller und schriftlicher Überlieferung, ein zentrales Problem für die archäologische Mittelalterforschung, wurde seit der Entstehung des Fachs in Mitteleuropa immer wieder diskutiert. Die dazu geäußerten Überlegungen lassen unterschiedliche erkenntnistheoretische Ansätze erkennen. Sie werden in einem forschungseschichtlichen Überblick dargestellt und bewertet. Derzeit wird in der englischsprachigen theoretischen Archäologie entweder eine von der schriftlichen Überlieferung völlig unabhängige archaeological agenda als Deutungsgrundlage oder aber die kontextuelle Interpretation von materiellen und schriftlichen Quellen vorgeschlagen, die bisher von skandinavischen Mittelalterarchäologen am konsequentesten durchdacht worden ist. Dabei ist eine Annäherung an ältere Überlegungen in Mitteleuropa festzustellen. Die Möglichkeit, Schriftquellen und materielle Quellen wechselseitig für eine Interpretation nach dem Prinzip des Analogieschlusses zu nutzen, wurde bisher kaum aufgegriffen. Auf diesem Weg könnten materielle Überreste anhand von Modellen gedeutet werden, die durch Analogiebildung mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung zu gewinnen sind.
Scholkmann, Barbara: Die Tyrannei der Schriftquellen? Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie. In:Heinz, Marlies / Eggert, Manfred K. H. / Veit, Ulrich (Hrsg.): Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation. Tübinger Archäologische Taschenbücher Bd. 2.
Quelle:- Die Tyrannei der Schriftquellen?
 
Nun ja, die Betrachtung der Keltischen Kultur nach Zeithorizonten alleine zu gliedern macht aus meiner Sicht wenig Sinn.Wir haben es zwar mit einer Kultur zu tun,diese ist jedoch m.E. nicht durchgängig uniform sondern weist bei einem gemeinsamen Ursprung und "Überbau " doch erhebliche regionale Unterschiede und auch unterschiedliche Entwicklungsgrade auf,die gerade nicht universell zeithorizontabhängig sind.
So weist die nachmalige Galloromania bereits vor der Besetzung durch Rom andere Strukturen auf als die britischen Inseln oder die Region der Galater und die einzelnen Entwicklungsschritte finden auch in verschiedenen Zeiträumen statt.
Ich würde daher eher für eine Betrachtung plädieren,die zwar auf Zeithorizonte abstellt,diese jedoch mit einer großräumigen Regionalbetrachtung verknüpft
In der Praxis würde das bedeuten, nicht zwischen einer historischen und prähistorischen Zeitschiene der Kelten allgemein sondern zwischen einer historischen und prähistorischen Zeitschiene der Keltiberer,der Gallia cisalpina, der GalloRomania,der süddeutschen Kelten, der Iro-Briten,der Galater usw. zu differenzieren.
 
Ich halte die fremden Schriftquellen nach wie vor, für nicht so belastbar, wie gerne von Seiten der Historiker gerne angenommen. Von daher ist der Hinweis auf Poseidonius der sehr wahrscheinlich entweder abgeschrieben hat oder vom Hören, Sagen berichtet, als Quelle eher schwierig.
Poseidonius war wohl nie bei den Völkern im Norden selbst.
Da wir keine eignen schriftlichen Quellen der "Kelten" selbst haben, außer den paar Namen aus Südfrankreich aus der Spätlaténezeit, ist der Begriff Vorgeschichte der passende.

...


Wie kommst Du zu dem Schluß, Poseidonios wäre nie bei den von ihm beschriebenen Völkern gewesen? Ist das gängige Meinung in der Forschung? Ich habe eher anderes gelesen. Persönlich halte ich ihn für einen der wenigen antiken Autoren, die wirklich vor Ort geforscht haben. Bei aller Schwieirigkeit der Rekonstruktion des leider verlorenen Werks aus Diodoros, Strabon etc. scheint es mir, das weite Teile seiner Berichte von echtem Erleben, wenigstens "Hörensagen vor Ort" zeugen. Auch die hohe Anerkennung, die er bei anderen antiken Autoren genoß, spricht für mich für Poseidonios Kenntnishintergrund.

Poseidonios war sicher nie sehr weit im Norden, etwa im Bereich der später von Caesar so genannten Germani cisrhenani, aber er dürfte von einigen gallischen Stämmen einen unmittelbaren Eindruck gehabt haben.


Zur Teilung der Keltenfrage: ich finde Thomas Trauners Argumente einleuchtend, allerdings glaube ich, daß man die entstehenden Probleme im jeweiligen Thread beherrschen kann und würde den relativ kleinen Keltenteil daher nicht aufspalten.
 
Wie kommst Du zu dem Schluß, Poseidonios wäre nie bei den von ihm beschriebenen Völkern gewesen? Ist das gängige Meinung in der Forschung? Ich habe eher anderes gelesen.

Wenn du mir belastbare Quellen für deine Annahme liefern kannst, so lasse ich mich gerne eines besseren belehren.

Soweit ich das bisher rekonstruiert habe geht man davon aus das Poseidonios mglw. Reisen zu den besagten Gruppen durchgeführt haben könnte.
Ob er nun tatsächlich vor Ort war, ist wohl schwierig zu beweisen.
 
Das verstehe ich jetzt nicht. Hast Du ein Wort vergessen, meinst Du "keine" Reisen? Weil Du schreibst, man nehme an, P. habe möglicherweise Reisen zu (einem Teil) der beschriebenen gallischen Völker unternommen? Etwas anderes habe ich ja auch nicht behauptet.

Belastbare Beweise für Besuche sind nicht zu erbringen, jedenfalls nicht von mir. Es liegt ja noch nicht mal das Werk des P. vor, man muß es rekonstruieren. Also ist das Maß der Unsicherheit groß.

Trotzdem, wenn ich z.B. die Geschichte über den Lobdichter lese, der zum Fest des Lovernius zu spät kam und neben dem Wagen laufend Verse rezitierte, wofür er einen Beutel Gold zugeworfen bekam: so was hört man kaum aus der Ferne, das spricht für ein Erleben vor Ort, bzw. zumindest Hörensagen aus der Nähe.

Ich halte Poseidonios jedenfalls für zuverlässiger als z.B. Tacitus, was aber auch daran liegen kann, daß ich (hochwissenschaftlich natürlich) die Kelten mag und die Germanen nicht. :D

Edit: übrigens, ist ja recht ot, diese Frage, fiel mir gerade auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Prinzip ist es doch auch nur eine Spekulation ob P. jemals das was er berichtet hat, selbst gesehen hat.

Genau hier liegt eben auch mein Kritikpunkt, solange man nicht beweisen kann, das P. das geschriebene selbst erlebt hat, so sollte man m.M. nach auch diese Quelle sehr vorsichtig interpretieren und nicht als objektiven Bericht sehen.
 
Ich finde die Diskussion keineswegs OT. Sie zeigt eben genau die Schwierigkeit, die schon grundlegend bei der historischen Quellenlage zu den Kelten vorliegt.
Mit ein Grund, nochmals eine Trennung zwischen den Diskussionen zu den historischen und den vorgeschichtlichen Quellen zu den Kelten anzuregen.

Die Diskrepanzen sowohl in den Aussagemöglichkeiten und vor allem die Quellenkritik ist für diesen Teil der europäischen Geschichte m.E. doch wesentlicher größer als z.b. in der Quellenlage zum Mittelalter, bei dem im übrigen dasselbe Problem diskutiert wird.

Thomas
 
Geht man/frau von dem Zeitraum aus, der im Forum gerne als „keltisch“ angesprochen wird, kommen wir bei großzügiger Auslegung auf bis zu 2000 Jahre. (ca 1000 v.Chr. bis ca 1000 n.Chr. also von „protokeltischer“ Urnenfelderkultur bis zum inselkeltischem Kunstausdruck)

Das ist allerdings ein sehr hypothetischer Zeitraum, der in der Praxis keine Rolle spielt. Wir haben die Hallstatt-Zeit, die etwa von 800-500 v. Chr. reicht und nicht als typische Epoche keltischer Kultur gilt. Und dann haben wir mit La Tène von rund 500 bis zur Zeitenwende die im eigentlichen Sinn als "keltisch" ausgewiesene Zeitspanne mit typischen archäologischen Zeugnissen, die diese Kultur von anderen Kulturen eindeutig unterscheidet.

Was allerdings oft aus den Augen verloren wird ist die Tatsache, dass auch die Kelten bereits andere Völker überschichtet und assimiliert haben, und mit ziemlicher Sicherheit einiges von dem, was wir als "typisch keltisch" ansehen, in Wahrheit auf andere Ethnien zurückgeht, was wir allerdings heute nicht mehr bestimmen oder unterscheiden können.

Und an den Rändern des keltischen Einflussgebietes haben sich natürlich vielfache Überschichtungen und gegenseitige kulturelle Beeinflussungen ergeben, die von uns nicht mehr säuberlich zu trennen sind.

Im übrigen hat sich bei den Germanen vielfach der Terminus "Sprach- und Kulturgemeinschaft" durchgesetzt, da der Begriff "Volk" irrige Vorstellungen vermittelt. Vielleicht wäre es angebracht, auch den Kelten diese Erläuterung beizugeben.
 
Zitat:
Thomas Trauner
Geht man/frau von dem Zeitraum aus, der im Forum gerne als „keltisch“ angesprochen wird, kommen wir bei großzügiger Auslegung auf bis zu 2000 Jahre. (ca 1000 v.Chr. bis ca 1000 n.Chr. also von „protokeltischer“ Urnenfelderkultur bis zum inselkeltischem Kunstausdruck)

Das ist allerdings ein sehr hypothetischer Zeitraum, der in der Praxis keine Rolle spielt. Wir haben die Hallstatt-Zeit, die etwa von 800-500 v. Chr. reicht und nicht als typische Epoche keltischer Kultur gilt. Und dann haben wir mit La Tène von rund 500 bis zur Zeitenwende die im eigentlichen Sinn als "keltisch" ausgewiesene Zeitspanne mit typischen archäologischen Zeugnissen, die diese Kultur von anderen Kulturen eindeutig unterscheidet.
Ich finde deinen Widerspruch doch ein wenig überzogen.
Erstens hat Thomas sich auf die hier im Forum teilweise gängige Praxis der Aufteilung der "keltischen" Kultur bezogen und dies auch mit dem Wort großzügig nochmals deutlich gemacht.
Zweitens sprach er von protokeltischer Urnenfelderkultur, im übrigen ein fest stehender Begriff innerhalb der VFG, wobei es natürlich auch dort andere Meinungen gibt.
Drittens würde ich mal behaupten, dass Thomas ein sehr guter Kenner der Archäologie der Kelten ist, und keine weitere Belehrung über die Stufeneinteilung benötigt.:pfeif:
Wir haben die Hallstatt-Zeit, die etwa von 800-500 v. Chr. reicht und nicht als typische Epoche keltischer Kultur gilt.
Seltsam nur das z.B. die Heuneburg und auch weitere Fürstensitze & Fürstengräber der Hallstattzeit (Ha D), als frühkeltisch bezeichnet werden und dies auch in den aktuellen Forschungen vgl.
www.fuerstensitze.de :: Home
Was allerdings oft aus den Augen verloren wird ist die Tatsache, dass auch die Kelten bereits andere Völker überschichtet und assimiliert haben, und mit ziemlicher Sicherheit einiges von dem, was wir als "typisch keltisch" ansehen, in Wahrheit auf andere Ethnien zurückgeht, was wir allerdings heute nicht mehr bestimmen oder unterscheiden können.
Dafür wären doch einige Bsp. aus dem Kerngebiet der vorgeschichtlichen keltischen Kultur doch sehr interessant.
Im übrigen benutzt du hier wieder den Begriff Völker den du dann weiter unten wieder relativierst. Besser wäre doch dann Ansprache als Kulturgruppe(n).
Im übrigen hat sich bei den Germanen vielfach der Terminus "Sprach- und Kulturgemeinschaft" durchgesetzt, da der Begriff "Volk" irrige Vorstellungen vermittelt. Vielleicht wäre es angebracht, auch den Kelten diese Erläuterung beizugeben.
Eine sehr gute Idee, wobei ich den Begriff Kulturgemeinschaft favorisieren würde.
Sprachgemeinschaft halte ich für ein wenig schwierig, da wir so gut wie keine Überlieferungen schriftlicher Natur aus den frühkeltischen Zeit haben.
 
Erstens hat Thomas sich auf die hier im Forum teilweise gängige Praxis der Aufteilung der "keltischen" Kultur bezogen und dies auch mit dem Wort großzügig nochmals deutlich gemacht.

Einen Zeitraum von 1200 v. Chr. bis 1000 n. Chr. als "keltisch" zu bezeichnen, ist auch bei größter Toleranz unsinnig und erweckt völlig falsche Vorstellungen.

Zweitens sprach er von protokeltischer Urnenfelderkultur, im übrigen ein fest stehender Begriff innerhalb der VFG, wobei es natürlich auch dort andere Meinungen gibt.

Die Urnenfelderkultur ist nicht protokeltisch. Du selbst hast dich im Verlauf einiger Diskussionen heftig gegen eine solche Interpretation gewehrt. Du hast sogar in der Zeit um 800 v. Chr. absolut nicht von "Kelten" sprechen wollen - und das mit größter Vehemenz. Was gilt nun, Herr Geist?

Drittens würde ich mal behaupten, dass Thomas ein sehr guter Kenner der Archäologie der Kelten ist, und keine weitere Belehrung über die Stufeneinteilung benötigt.

Drittens würde ich mal behaupten, dass es hier keineswegs um "Belehrung" geht, sondern um eine Diskussion auf Augenhöhe. Außerdem denke ich, dass sich Tommy schon selbst seiner Haut erwehren kann und dich nicht als Fürsprecher braucht.

Seltsam nur das z.B. die Heuneburg und auch weitere Fürstensitze & Fürstengräber der Hallstattzeit (Ha D), als frühkeltisch bezeichnet werden und dies auch in den aktuellen Forschungen vgl.

Das ist nun sehr beckmesserisch. Du wirst doch erkannt haben, dass ich mich bei meinen Zeitangaben auf gerundete Zahlen beschränke und ob ich hier nun einen bestimmten Fürstensitz als Frühkeltisch oder als Hallstatt Ha D 3 bezeichne, ist außerhalb eines Kelten-Seminars an der Uni ziemlich wumpe!
 
...
Einen Zeitraum von 1200 v. Chr. bis 1000 n. Chr. als "keltisch" zu bezeichnen, ist auch bei größter Toleranz unsinnig und erweckt völlig falsche Vorstellungen.

...

Sehe ich auch so. Da stellt sich mir aber eine andere Frage, die eher in Thomas Trauners Richtung führen würden, wenn auch aus teilweise anderen Gründen. Die Keltologie behandelt zwar die Kelten von zumindest Späthallstatt/Frühlatene bis in die Jetztzeit, aber ein gewisser Bruch zur sonstigen Einteilung des Forums liegt da ja schon vor. Keiner würde eine Frage nach z.B. gesellschaftlichen Beziehungen im 11. Jhr. im Bereich des heutigen Deutschlands unter einem Punkt "Die Germanen" stellen, obwohl im Bereich sicher Nachkommen von Germanen lebten und einen Nachfolger einer germanischen Sprache benutzten. Bei den Unterschieden der späteren keltischen Gemeinschaften verhält es sich doch ähnlich. Eine Aufspaltung könnte dies deutlicher machen. Ich habe nur die oben schon mal geschilderte Befürchtung, daß der nachchristliche Keltenteil relativ verwaisen würde, wenn man sich die Threads der letzten Jahre so anschaut, aber was soll's. :pfeif:
 
@Geist, danke.
@Dieter, ich hab´s auch nicht als Belehrung aufgefasst.
@ Luziv, du sagst es.

Vielleicht zu meinen zitierten zeitlichen Aussagen:
Dass die Ha als „frühkeltisch“, aber auch erst ab HaD, bezeichnet wird, ist schon klar. Da ist aber schon seit längerm im Fach Bewegung zu vermerken.
Es ist die Frage, wie ich meine Schubkästchen aufteile oder vorsortiere.

Wenn ich „keltisch“ als Kulturausdruck verstehe, habe ich halt das Problem, dass die Übergänge von HaB nach HaC, von HaC nach HaD und von HaD nach LtA doch auch als „fließend“ gesehen werden können.
Bei HaB nach C ist´s die Keramik und ein Teil der Trachtausstattung (Fußschaukelringe), ebenso kann man die Wagenbestattungen so einsortieren.
Der Bruch wäre evtl. HaC/D wobei HaC2 ja HaC1 mit Teilen von HaD meint.
Von D3 nach LTA führen uns die Schnabelkannen und die Augenperlen.
Ausserdem die Kontinuität der Gräberfelder. Etc. Etc.
Deswegen halte ich, wenn ich mich nur an den Kulturausdruck der Artefakte halte, es für statthaft „Keltisch“ als Kulturbezeichnung für HaA bis LTD zu verwenden. Dem muss man nicht folgen. Das Fach ist sich da nicht wirklich schlüssig, soweit ich das beobachten kann.

Dann eben die historische Dimension. Da haben wir „Kelten“ als (nichtkeltische) Bezeichnung für eine Gemeinschaft, die von den Nichtkelten ja tatsächlich, als, na ja , „Volk“ wahrgenommen wurde.
Und dadurch haben wir jetzt das Problem der Konkurrenz zwischen, Verzeihung, „Volksbegriff“ und „Kulturausdruck“. Soll heißen, es bleibt das Problem, ob nun alle Kelten Latèneausstattungen trugen und ob alle Latèneausstattungen von Kelten getragen wurden.
Ist es bei Italischen Funden schon praktisch nicht mehr zu unterscheiden, ob denn nun jeder Montefortino-Helm auf einem „keltischen“ oder auf einem „italischen“ Kopf saß, wird es besonders im Inselkeltischen ja ganz unmöglich, eine reine Lehre zu verkünden.

Im speziellen Fall kommt ja noch das Problem des „Volksbegriffes“ hinzu. Das ist ein verbrannter Begriff, also kein Wunder, dass „Kulturgemeinschaft“ bevorzugt wird.

Meine Meinung, wirklich nur meine Meinung, ist, sich im Archäologischen Bereich an den „Kulturausdruck“ zu halten, demzufolge HA A bis LtD als keltisch zu sehen und in Kauf zu nehmen, den rothaarigen, baumlangen Kerl mit bleicher Haut, der nach einer Blutvergiftung aufgrund eines Gänsebisses in Rom zusammen mit einen etruskischen Schwert beerdigt wurde, zu übersehen.
Im historischen Bereich sollten wir beim „Volksbegriff“ im Sinne der damaligen Schreiber bleiben. Und dabei zulassen, dass wir eben nicht in der Lage sind, jede Begebenheit und Schilderung archäologisch zu untermauern, weil ein paar römische Münzen und ein Pugio eben noch keine Römer machen.

Mir fällt keine wirklich gute Lösung ein. Selbst eine Art „Pax Romana“ (Orientierung am römisch/griechischen Kulturausdruck, unabhängig vom ethnischen/sprachlichen = Römer, Alle anderen = Barbaren) hilft nicht wirklich. (War nicht wirklich so, ich weiß)

Definitionen sind ein hartes Brot.

Hier im Forum könnten wir aber selbst definieren, um eben nicht jedes Mal wieder neu zu diskutieren was der/die Schreiber/in denn nun meint. Und deswegen meine Idee einer Trennung zwischen archäologischen und historischen Keltenausdrucks/verständnisses.
Und zufällig ließe sich das ganz gut an einer (definierten) Zeitlinie festmachen. (Ende LtD)

Thomas
 
Zitat:
DerGeist
Zweitens sprach er von protokeltischer Urnenfelderkultur, im übrigen ein fest stehender Begriff innerhalb der VFG, wobei es natürlich auch dort andere Meinungen gibt.

Die Urnenfelderkultur ist nicht protokeltisch. Du selbst hast dich im Verlauf einiger Diskussionen heftig gegen eine solche Interpretation gewehrt. Du hast sogar in der Zeit um 800 v. Chr. absolut nicht von "Kelten" sprechen wollen - und das mit größter Vehemenz. Was gilt nun, Herr Geist?
Wie du hoffentlich gelesen hast, habe ich mir erlaubt Thomas zu zitieren, ich wollte nur darauf aufmerksam machen, das die UK eben auch als Protokeltische Kultur definiert wird.
Ich pers. halte davon recht wenig wie du richtig bemerkt hast, aber es darf doch erlaubt sein, eine gängige Praxis der Terminologie vor zu stellen oder Herr Dieter ?
Thomas hat das Problem doch sehr gut beschrieben:
Wenn ich „keltisch“ als Kulturausdruck verstehe, habe ich halt das Problem, dass die Übergänge von HaB nach HaC, von HaC nach HaD und von HaD nach LtA doch auch als „fließend“ gesehen werden können.
Bei HaB nach C ist´s die Keramik und ein Teil der Trachtausstattung (Fußschaukelringe), ebenso kann man die Wagenbestattungen so einsortieren.
Der Bruch wäre evtl. HaC/D wobei HaC2 ja HaC1 mit Teilen von HaD meint.
Von D3 nach LTA führen uns die Schnabelkannen und die Augenperlen.
Ausserdem die Kontinuität der Gräberfelder. Etc. Etc.
Deswegen halte ich, wenn ich mich nur an den Kulturausdruck der Artefakte halte, es für statthaft „Keltisch“ als Kulturbezeichnung für HaA bis LTD zu verwenden. Dem muss man nicht folgen. Das Fach ist sich da nicht wirklich schlüssig, soweit ich das beobachten kann.
Zitat:
DerGeist
Erstens hat Thomas sich auf die hier im Forum teilweise gängige Praxis der Aufteilung der "keltischen" Kultur bezogen und dies auch mit dem Wort großzügig nochmals deutlich gemacht.

Einen Zeitraum von 1200 v. Chr. bis 1000 n. Chr. als "keltisch" zu bezeichnen, ist auch bei größter Toleranz unsinnig und erweckt völlig falsche Vorstellungen.
Diese Praxis ist doch recht verbreitet hier im Forum und dieser Thread sollte doch auch dazu dienen sich mit solchen Aussagen zu beschäftigen.
Meine pers. Meinung habe ich nun oft genug deutlich gemacht, aus diesem Grund werde ich diese jetzt nicht noch mal hier ausbreiten.

Zitat:
DerGeist
Seltsam nur das z.B. die Heuneburg und auch weitere Fürstensitze & Fürstengräber der Hallstattzeit (Ha D), als frühkeltisch bezeichnet werden und dies auch in den aktuellen Forschungen vgl.

Das ist nun sehr beckmesserisch. Du wirst doch erkannt haben, dass ich mich bei meinen Zeitangaben auf gerundete Zahlen beschränke und ob ich hier nun einen bestimmten Fürstensitz als Frühkeltisch oder als Hallstatt Ha D 3 bezeichne, ist außerhalb eines Kelten-Seminars an der Uni ziemlich wumpe!
Das ist eben nicht, genau hier liegt ja der der Hund begraben.
Es ist die Frage, wie ich meine Schubkästchen aufteile oder vorsortiere.
Je nach dem wie die Schubladen sortiert werden, ändert sich auf die zeitliche Definition der "keltischen" Kulturen.
Gerade die Fürstensitze & Fürstengräber spielen eine große Rolle bei der Definition dieser Schubladen, dies ist dem Material geschuldet (Hinweis auf die Fibelchronologie von Mansfeld der Heuneburg!).
Je genauer und detaillierter die Untersuchungen und Datierungen, um so genauer können dann auch die Definitionen von Kulturgruppen sein.
 
Meine Meinung, wirklich nur meine Meinung, ist, sich im Archäologischen Bereich an den „Kulturausdruck“ zu halten, demzufolge HA A bis LtD als keltisch zu sehen ...

Auch ich bin dieser Meinung, obwohl unser GEISTlicher Freund das in diversen Threads in Abrede gestellt und massiv bekämpft hat. Es ist doch ganz offensichtlich, dass ein Volk (oder Kult- u. Sprachgemeinschaft oder wie auch immer) , das sich etwa um 600 v. Chr. als eindeutig keltisch erweisen lässt, in seinem Siedlungsraum Süddeutschland/Ostfrankreich auch schon einige Jahrhunderte zuvor gesessen haben muss, zumal entsprechende Funde das eindeutig nahelegen.

Ob man allerdings bereits die Urnenfelderkultur (also Ha A-etwa Ha B1) schon als proto-keltisch bezeichnen kann, möchte ich doch in Zweifel ziehen; ich will nicht ausschließen, dass bereits die Vorfahren der Kelten um 1200 v. Chr. in den späteren Keltensitzen saßen, aber diese Spekulation erscheint mir doch vermessen. Weder im Bestattungsritus noch in der Keramik oder den Produkten der Metallverarbeitung sehe ich eine so große Nähe, dass man zwingend von "proto-keltisch" sprechen könnte.

Ich halte es eher mit der folgenden Definition, die mir treffender erscheint und die trotz ihres Alters nichts an Überzeugungskraft eingebüßt hat:

Wolfgang Kimmig bestritt 1964, dass die verschiedenen Urnenfeldergruppen einem Volk angehörten, aber wie auch Pittioni ging er von der These einer Wanderung aus, die neben Kulturkontakten sowie einem damit einhergehenden Kulturaustausch mit vielen verschiedenen Beeinflussungen für die Entstehung und Ausbreitung der Urnenfelderkultur verantwortlich gewesen sei. So führten nach Kimmig diese Wanderungen der Urnenfelderleute über Griechenland, die ägäischen Inseln bis nach Syrien, Palästina und Ägypten.

Die Vielfalt der einzelnen Gruppen legte demnach den Schluss nahe, dass in der Urnenfelderkultur kein ethnisch einheitlicher Komplex vorliegt, sondern vielmehr vom Vorhandensein verschiedener Stämme ausgegangen werden muss, die später an der Herausbildung der verschiedenen eisenzeitlichen Volksgruppen beteiligt waren (Illyrer, Italiker, Iberer, Ligurer, Kelten). Eine geographische Zuordnung einzelner Regionalgruppen der Urnenfelderkultur zu erst Jahrhunderte später namentlich überlieferten Stämmern und Völkern ist anhand der archäologischen Funde jedoch nicht möglich.

Als bindende Gemeinsamkeit der Träger der Urnenfelderkultur darf die Annahme neuer religiöser Vorstellungen zu Beginn der Spätbronzezeit vermutet werden, was in weiten Teilen Europas zu einem Wandel der Bestattungssitten führte.
 
Diesem Konstrukt des Raimund Karl an die lieben "ArchäologInnen" und "KeltologInnen" kann man glauben schenken - oder auch nicht!

Objektive Wissenschaft ist keine Glaubenssache.
Der Artikel ist eben auch nur eine Meinung unter einigen zu dem Thema.
Gerade die Dekonstruktion und die Herleitung des Kulturbegriffs sind zumind. für die deutschsprachige Archäologie außerordentlich bemerkenswert und meiner Meinung nach auch äußerst wichtig.
Zumindest kommt so mal etwas Bewegung in die Diskussion.
 
Dieter, leider bin ich jetzt ein wenig im Zeitdruck...
Die Diskussion zeigt ja gerade das Problem glasklar auf.
Ohne Dir nahe treten zu wollen: Deiner Argumentation ist gut zu folgen, auch das Zitat vom guten alten Kimmig ist durchaus berechtigt.
Das Problem ist jedoch, verstehe mich bitte richtig, dass auch Kimmig 1964 genau in die Klemme kommt, um die es jetzt noch geht.
Der Kulturausdruck (egal, ob jetzt UK oder Ha oder sonstwas) ist eben nicht zwingend deckungsgleich mit einer, sagen wir, Ethnie (wobei das Wort ja nicht stimmt) oder, sei´s drum, eben Volk.
Nicht falsch verstehen, aber Hr. Kimmig ist 1964 immer noch Gefangener der Gleichsetzung von Volk = Kulturausdruck bzw. dem unbedingten Versuch, zu einem bestimmten Kulturausdruck ein "Volk" zu finden.
Darum geht´s nach meiner Meinung. Es ist letztlich eine Verwirrung, die nur aufgrund der unterschiedlichen Auffassung und Definition von zwei Begriffen zustande kommt.
Zum Glück haben wir das Problem in der VG erst mit dem Begriff "Kelten".

Der Kulturausdruck "UK" verteilt sich letztlich von der Nordischen Bronzezeit bis zur Villa Nova Kultur und von Spanien bis Polen.
Innerhalb des süddeutschen Sprachraumes geht die UK in die Hallstattzeit über. Im süddeutschen Sprachraum. (Transalpin rechnet man Villa Nova durchaus schon zu den Wurzeln der Etrusker.)

Zu Süddeutschen Sprachraum:
Weder im Bestattungsritus noch in der Keramik oder den Produkten der Metallverarbeitung sehe ich eine so große Nähe, dass man zwingend von "proto-keltisch" sprechen könnte.

Na ja. Erstmal haben wir Siedlungs- und Gräberfeldkontinuitäten.
Zweitens ist die Keramik schon sehr ähnlich. Es gibt ja nicht nur Alb-Hegau.
Abroll- oder Rollrädchenverzierungen, Dreiwirbel etc. auf "graphitiertem" Ton, finden sich sowohl in UK als auch in HA.
Die Sitte der Wagenbestattungen (Poing) beginnt in der UK, in HA finden wir lange noch die Brandbestattung in Urnen.
Ob sich z.b. das Gündlingen-Schwert nicht doch aus einer UK Tradition entwickelt, ist zwar umstritten, aber das Problem der Vergesellschaftung von z.B.Gündlingen-Schwert und UK-Wagenräder-Naben besteht schon. Dann haben wir Schaukelfußringe. Oder die Wasservögel, die in HaC immer noch auftauchen und, folgt man der Datierung mancher Frauengräber mit rombusförmigen Gürtelhaken und Schaukelfußringen, sogar noch in D1.

Aber da könnten wir stundenlang noch diskutieren.
Auch wenn ich mich wiederhole:
Ich bin dafür, "Keltisch" in der Archäologie als reinen Kulturbegriff zu definieren, der sich nur aufgrund von Artefakten, deren Verteilung und aufgrund von Befunden ergibt.
Das hat eben nichts mit dem historischen (graeco-römischen) Keltenbegriff zu tun.
Das kann nicht zur Deckung gebracht werden. Der historische Begriff umfasst eben auch Aussehen, Verhalten, Sprache, Feindbilder.
Das fehlt im Archäologischen. Andererseits sagt uns kein Grieche aus Marseille, ob seine Handelpartner jetzt schon Certosa- oder noch Entenkopffibeln trugen oder nicht.
Eigentlich wäre ja ein Hallstattmensch mit Schlangenfibel ein...Etrusker ?

Thomas
 
Ich bin dafür, "Keltisch" in der Archäologie als reinen Kulturbegriff zu definieren, der sich nur aufgrund von Artefakten, deren Verteilung und aufgrund von Befunden ergibt.

Trotz dieses Begriffspiels bleibt die Krux, in der wir uns befinden, die gleiche. Es erhebt sich doch sofort die Frage: Wer waren die Träger dieser Kultur, denn dahinter verbergen sich schließlich Menschen, und diese Menschen sprechen auch eine Sprache. Aber welche war das? Und welche historisch fassbarem gingen daraus hervor?

Das sind doch die naheliegenden Fragen, die sich sofort stellen, und aus denen uns auch der wohlgemeinte "Kulturbegriff" nicht erlöst.

Nicht falsch verstehen, aber Hr. Kimmig ist 1964 immer noch Gefangener der Gleichsetzung von Volk = Kulturausdruck bzw. dem unbedingten Versuch, zu einem bestimmten Kulturausdruck ein "Volk" zu finden.

Du hast das Kimmigzitat oben nicht richtig gelesen. Er sagt ja gerade wie du, dass die Zuordnung der UK zu einer Ethnie (oder "Volk") eben nicht möglich ist!

Kimmig schrieb:
Eine geographische Zuordnung einzelner Regionalgruppen der Urnenfelderkultur zu erst Jahrhunderte später namentlich überlieferten Stämmern und Völkern ist anhand der archäologischen Funde jedoch nicht möglich.
 
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