Feldzüge zwischen 9 n. und 14 n. Chr. ?

Kann das wirklich sein, daß der Germanicus an der falschen Seite landet? Warum eigentlich? Warum diese Umstände (Brückenbau)? Warum landet der nicht sofort an der richtigen Stelle? Das erscheint mir sehr zweifelhaft.

Das ist aber genau das was Tacitus berichtet: Germancius landet erst auf der falschen Seite und fährt dann nicht einmal weit genug Ems aufwärts und bringt stattdessen seine Truppen in Gefahr, weil diese zum Teil nicht rechtzeitig vor dem Einsetzen der Flut die Ems überqueren können. Beim Tennis würde man das einen "Doppelfehler" nennen! Und das bei Tacitus, der doch gemeinhin als Bewunderer von Germanicus gilt!

Und warum verlegen wir diese Diskussion nicht in den Germanicus-Thread?:motz:

Weil die Frage im Raum steht, ob zwischen 9 und 14 Truppen im Gebiet zwischen Ems und Weser standen und als Beleg dafür gesehen wurde, dass Germanicus auf eine vorhandene Infrastruktur hätte zurückgreifen können. Und dies ist m.E. nicht der Fall.
 
Weil die Frage im Raum steht, ob zwischen 9 und 14 Truppen im Gebiet zwischen Ems und Weser standen und als Beleg dafür gesehen wurde, dass Germanicus auf eine vorhandene Infrastruktur hätte zurückgreifen können. Und dies ist m.E. nicht der Fall.

Also gut!

Die Frage ist doch folgende:
Wenn ich mit 8 Legionen + Hilfstruppen, + alles andere in Germanien unterwegs bin und ich weiß, daß es dort im Hinblick auf die laufende Versorgung dieser immensen Menschenzahl (und auch Tiere) nix zu holen gibt, dann muß es eine gewisse Infrastruktur gegeben haben. Das Teile davon im Bereich der verbündeten Friesen gelegen haben könnte, liegt doch nahe. Es ist davon auszugehen, daß diese Infrastruktur nicht komplett im Jahre 15 n.Chr. angelegt wurde.
 
Dies ist keine logisch zwingende Schlussfolgerung. Über Flüsse ließen sich nun mal größere Einheiten und ihr Gepäck sehr viel einfacher und schneller bewegen, als zu Land.
Logisch zwingend ist es nicht. Nur plausibel. Eben weil sich über die Flüsse mindestens zehnmal mehr Material (lt. Wolters) transportieren ließ, sind von Beginn an die Flüsse für die Eroberungsfeldzüge genutzt worden. Und eben weil das so war, ist es wahrscheinlich (nicht zwingend), dass die Zufahrten zu den Flüssen gesichert waren und die Landung oder Durchfahrt nicht jedesmal neu erzwungen werden mussten. Vetera ist ein Beispiel dafür, die Lager bei Mainz ebenfalls, auch gegenüber der Ruhrmündung befand sich ein befestigtes Lager. Warum sollte das bei Ems und Weser anders gewesen sein? Der einzige Unterschied ist, dass man dort kein "gegenüberliegendes Ufer" hatte. In der Okkupationsphase gab es die Lager mit Sicherheit, sonst hätte die Unterwerfung der Friesen und Chauken keinen Sinn gehabt. In der Provinzialisierungsphase werden sie kaum aufgegeben worden sein. In den Quellen weist nichts darauf hin, dass sie in der Folge der Varusschlacht angegriffen oder erobert worden wären. Also liegt es nahe, dass sie weiter bestanden.

Nebenbei: Laut Tacitus hat Germanicus die Legionen mit bis zu tausend Schiffen befördert. Mit so einer Flotte legt man nicht einfach an einer natürlichen oder provisorisch geschaffenen Schiffslände an. Dafür ist Infrastruktur nötig (oder zumindest mehr als sinnvoll). Und die immer wieder angeführte "Treue" der Friesen hat die Möglichkeit geboten, diese Infrastruktur zu schaffen. Es wäre sträflich gewesen, das nicht zu nutzen.

Zur Frage, ob Germanicus am "falschen Ufer" angelegt hat: Ihr diskutiert das gerade so, als hätte Tacitus behauptet, Germanicus habe sich bloß irgendwie verfahren. Tatsächlich hat Tacitus doch aber nur kritisiert, dass Germanicus mit dem Brückenbau Zeit verschwendet habe. Er hat auch kritisiert, dass Germanicus Zeit gespart hätte, wenn er weiter die Ems hinauf gefahren wäre. Beides kann man so werten, dass Tacitus ein noch energischeres Vorgehen der Legionen begrüßt hätte. Man kann daraus aber nicht ablesen, dass hier ein schwerwiegender militärischer Fehler begangen worden wäre. Aus Sicht von Germanicus kann einiges dafür gesprochen haben, so zu verfahren:

Landesplatz am Unterlauf: Mehr Platz für die Schiffe und ein gesichertes Nachschublager. Schließlich wollte Germanicus den Nachschub nicht im Heer mitschleppen. Das war ja gerade der Sinn des Aufmarschs mit der Flotte.

Landeplatz am "falschen" Ufer: Dann liegt der Fluss zwischen dem Nachschublager und dem Feind. Eine Brücke lässt sich relativ leicht verteidigen.

Mit dieser "defensiveren" Verfahrensweise hat Germanicus also zwei Vorteile gewonnen und dafür nur einige Tage Zeit verloren. Wenn der Zeitfaktor nicht der Schlüssel zum Sieg war, war es sinnvoll, so vorzugehen.

MfG
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil die Frage im Raum steht, ob zwischen 9 und 14 Truppen im Gebiet zwischen Ems und Weser standen...

Von "zwischen Ems und Weser" habe ich zumindest nichts gesagt. Ich spreche von befestigten Lagern an dem Mündungen der beiden Flüsse, zumindest aber an der Mündung der Ems. Auf Bentumersiel hat @Salvus ja schon hingewiesen. Ich habe explizit geschrieben, dass die römische Kontrolle sich sicher nicht auf das ganze Stammesgebiet der Chauken erstreckte. Bei den Friesen könnte die Kontrolle schon flächendeckender gewesen sein. Die Lager an den Flussmündungen hätten jedenfalls erst dann ihren Sinn verloren, wenn Rom nicht mehr die Absicht gehabt hätte, über die Flüsse ins Landesinnere vorzustoßen. Bis zum Jahr 17 bestand diese Absicht aber unzweifelhaft noch.

Mfg
 
Wenn ich mit 8 Legionen + Hilfstruppen, + alles andere in Germanien unterwegs bin und ich weiß, daß es dort im Hinblick auf die laufende Versorgung dieser immensen Menschenzahl (und auch Tiere) nix zu holen gibt,

Wer sagte, dass es nichts zu holen gab? Caesar berichtet sehr genau, dass er ständig mit seinen gallischen Verbündeten im Clinch wegen der Versorgung lag. Bei Germanicus wird das nicht viel anders gewesen sein, also einmal Versorgungsnachschub aus Gallien, zum anderen von Friesen, Batavern und Chauken.

dann muß es eine gewisse Infrastruktur gegeben haben. Das Teile davon im Bereich der verbündeten Friesen gelegen haben könnte, liegt doch nahe. Es ist davon auszugehen, daß diese Infrastruktur nicht komplett im Jahre 15 n.Chr. angelegt wurde.

Sicher. Ein Wegenetz wird existiert haben. Mit Infrastruktur meinte ich aber römische Standlager und feste Anlegestellen. Dies haben nicht vorexistiert.

Von "zwischen Ems und Weser" habe ich zumindest nichts gesagt. Ich spreche von befestigten Lagern an dem Mündungen der beiden Flüsse, zumindest aber an der Mündung der Ems. Auf Bentumersiel hat @Salvus ja schon hingewiesen.

Bentumersiel war ein germanischer Stapelplatz, ein Lager ist dort bisher nicht nachgewiesen worden.

Ich habe explizit geschrieben, dass die römische Kontrolle sich sicher nicht auf das ganze Stammesgebiet der Chauken erstreckte. Bei den Friesen könnte die Kontrolle schon flächendeckender gewesen sein. Die Lager an den Flussmündungen hätten jedenfalls erst dann ihren Sinn verloren, wenn Rom nicht mehr die Absicht gehabt hätte, über die Flüsse ins Landesinnere vorzustoßen. Bis zum Jahr 17 bestand diese Absicht aber unzweifelhaft noch.

An der Absicht, dass die Römer ins Landesinnere Germaniens stoßen wollten und dazu natürlich die Flüsse als vernünftigste Lösung nutzen. besteht gar kein zweifel. Lediglich an der Existenz der Lager so weit weg von Rhein und Lippe im Zwischenraum von Varusschlacht und den Feldzügen des Germanicus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bentumersiel war ein germanischer Stapelplatz, ein Lager ist dort bisher nicht nachgewiesen worden.
Dort wurden auch Funde ausgegraben, die römisch und spätaugusteisch waren, darunter Ausrüstungsteile römischer Legionäre. Kontakte der einheimischen Bevölkerung zu den Römern sind deshalb mehr als wahrscheinlich. Übrigens reichen die Funde römischer Herkunft bis ins 3. Jahrhundert. Dass die "Anlegestelle" selbst (bislang) nicht gefunden wurde, ändert daran nichts. Möglicherweise wird sie auch nie gefunden, da sich die Emsmündung stark verändert hat.

An der Absicht, dass die Römer ins Landesinnere Germaniens stoßen wollten und dazu natürlich die Flüsse als vernünftigste Lösung nutzen. besteht gar kein zweifel. Lediglich an der Existenz der Lager so weit weg von Rhein und Lippe im Zwischenraum von Varusschlacht und den Feldzügen des Germanicus.
Die reine Entfernung ist aber doch gar nicht das Problem. Per Schiff ließen sich relativ schnell und völlig ungefährdet große Mengen an Nachschub zu einem möglichen Lager an der Emsmündung bringen. Drusus hat doch sogar einen Kanal graben lassen, um den Weg zur Nordsee abzukürzen. Solche Arbeit macht man sich nicht, wenn man nur einen oder zwei Feldzüge plant. Viel schwieriger und gefährlicher war es, über deutlich kürzere Entfernungen Lager im Landesinneren zu versorgen.

MfG
 
Logisch zwingend ist es nicht. Nur plausibel. Eben weil sich über die Flüsse mindestens zehnmal mehr Material (lt. Wolters) transportieren ließ, sind von Beginn an die Flüsse für die Eroberungsfeldzüge genutzt worden. Und eben weil das so war, ist es wahrscheinlich (nicht zwingend), dass die Zufahrten zu den Flüssen gesichert waren und die Landung oder Durchfahrt nicht jedesmal neu erzwungen werden mussten.

Du vergisst, dass du es mit einer Gegend zu tun hast, die durch die Gezeiten, Sturmfluten etc. sehr unbeständig in ihrem Aussehen war. Und welchen Nutzen sollte es haben, die Mündungen der Flüsse zu sichern? Wer sollte das tun? So etwas würde ein organisiertes Staatswesen voraussetzen.

Vetera ist ein Beispiel dafür, die Lager bei Mainz ebenfalls, auch gegenüber der Ruhrmündung befand sich ein befestigtes Lager.

Von einem Lager an der Ruhrmündung ist mir nichts bekannt, lediglich von Funden römischer Säulenteile in Duisburg, aber östlich des Rheins. Dies ist aber zunächst kein Indiz für römische Bautätigkeit, da, wie wir wissen, Säulenteile aus Vetera im Mittelalter gehandelt wurden.

Warum sollte das bei Ems und Weser anders gewesen sein? Der einzige Unterschied ist, dass man dort kein "gegenüberliegendes Ufer" hatte.

Weil Ems und Weser weit ab vom Schuss waren. Solche Lager wären von Oktober bis März von der Außenwelt abgeschnitten gewesen.

In der Okkupationsphase gab es die Lager mit Sicherheit, sonst hätte die Unterwerfung der Friesen und Chauken keinen Sinn gehabt. In der Provinzialisierungsphase werden sie kaum aufgegeben worden sein. In den Quellen weist nichts darauf hin, dass sie in der Folge der Varusschlacht angegriffen oder erobert worden wären. Also liegt es nahe, dass sie weiter bestanden.

Moment mal! Die Existenz dieser Lager an sich ist rein hypothetisch. Nun aus dem Schweigen der Quellen ob der Aufgabe hypothetischer Lager die Schlussfolgerung zu ziehen, die nur hypothetisch existenten Lager hätten weiter existiert, ist absurd.
Und das Gegenteil deiner Behauptung ist richtig: Cassius Dio sagt explizit, dass nur ein rechtsrheinisches Kastell - nämlich Aliso an der Lippe - nach der Varusschlacht bestehen blieb. Das deckt sich mit der Angabe von Velleius Paterculus, dass Tiberius die gallischen Provinzen sicherte und Asprenas, dass dieser durch den Rückzug über den Rhein die westrheinischen Untertanen Roms in ihrer Treue zu Rom bestärkte. Auch spricht Tacitus explizit von den acht Legionen, die am Rhein standen, als Germanicus den Oberfehl übernahm, nicht von Legionen, die in Germanien standen.

Nebenbei: Laut Tacitus hat Germanicus die Legionen mit bis zu tausend Schiffen befördert.Mit so einer Flotte legt man nicht einfach an einer natürlichen oder provisorisch geschaffenen Schiffslände an. Dafür ist Infrastruktur nötig (oder zumindest mehr als sinnvoll). Und die immer wieder angeführte "Treue" der Friesen hat die Möglichkeit geboten, diese Infrastruktur zu schaffen. Es wäre sträflich gewesen, das nicht zu nutzen.

Wenn man davon ausgeht, dass Germanicus naves actuariaenutzte, dann sind Hafenanlagen nicht notwendig.

Zur Frage, ob Germanicus am "falschen Ufer" angelegt hat: Ihr diskutiert das gerade so, als hätte Tacitus behauptet, Germanicus habe sich bloß irgendwie verfahren. Tatsächlich hat Tacitus doch aber nur kritisiert, dass Germanicus mit dem Brückenbau Zeit verschwendet habe. Er hat auch kritisiert, dass Germanicus Zeit gespart hätte, wenn er weiter die Ems hinauf gefahren wäre. Beides kann man so werten, dass Tacitus ein noch energischeres Vorgehen der Legionen begrüßt hätte. Man kann daraus aber nicht ablesen, dass hier ein schwerwiegender militärischer Fehler begangen worden wäre.

Wie würdest du denn Tacitus dann verstehen: "classis Amisiae ore relicta laevo amne, erratumque in eo quod non subvexit aut transposuit militem dextras in terras iturum; ita plures dies efficiendis pontibus absumpti. et eques quidem ac legiones prima aestuaria, nondum adcrescente unda, intrepidi transiere: postremum auxiliorum agmen Batavique in parte ea, dom insultant aquis artemque nandi ostentant, turbati et quidam hausti sunt."

Von einem Fehler ist ganz explizit die Rede. Von verfahren war keine Rede.
 
Dort wurden auch Funde ausgegraben, die römisch und spätaugusteisch waren, darunter Ausrüstungsteile römischer Legionäre. Kontakte der einheimischen Bevölkerung zu den Römern sind deshalb mehr als wahrscheinlich. Übrigens reichen die Funde römischer Herkunft bis ins 3. Jahrhundert. Dass die "Anlegestelle" selbst (bislang) nicht gefunden wurde, ändert daran nichts. Möglicherweise wird sie auch nie gefunden, da sich die Emsmündung stark verändert hat.

Das ist alles bekannt, ändert aber nichts daran, dass in Bentumersiel (im Übrigen entgegen des Wikipediaartikels "Römerlager Bentumersiel") kein Römerlager nachgewiesen ist, allerdings eine germanische Siedlung, die etwa 500 Jahre bestand hatte - wobei diese Siedlung einige Besonderheiten aufweist: keine Ställe und besonders viel römisches Fundgut.

Die reine Entfernung ist aber doch gar nicht das Problem. Per Schiff ließen sich relativ schnell und völlig ungefährdet große Mengen an Nachschub zu einem möglichen Lager an der Emsmündung bringen. Drusus hat doch sogar einen Kanal graben lassen, um den Weg zur Nordsee abzukürzen. Solche Arbeit macht man sich nicht, wenn man nur einen oder zwei Feldzüge plant. Viel schwieriger und gefährlicher war es, über deutlich kürzere Entfernungen Lager im Landesinneren zu versorgen.

Nach allem was wir wissen, ist die germanische Expansion mit dem Tod des Drusus zunächst zum Erliegen gekommen, und, bis in die jüngere Vergangenheit ruhte die Seefahrt auf der Nordsee im Winter. Auch damals schon, wie sich bei Caesar nachlesen lässt. Lager an Ems und Weser wären nicht zu versorgen gewesen.
 
Du vergisst, dass du es mit einer Gegend zu tun hast, die durch die Gezeiten, Sturmfluten etc. sehr unbeständig in ihrem Aussehen war. Und welchen Nutzen sollte es haben, die Mündungen der Flüsse zu sichern? Wer sollte das tun? So etwas würde ein organisiertes Staatswesen voraussetzen.
Vielleicht habe ich mich wieder missverständlich ausgedrückt. Ich meine natürlich: Die Römer haben das getan. Und die hatten ein (hoch)organisiertes Staatswesen. Die Römer wollten die Flüsse für Eroberungszüge nach Germanien hinein nutzen, also mussten sie den Zugang absichern. Sowas haben sie regelmäßig mit Lagern an Flussmündungen gemacht.

Von einem Lager an der Ruhrmündung ist mir nichts bekannt, lediglich von Funden römischer Säulenteile in Duisburg, aber östlich des Rheins.
Ich meine Moers-Asberg. Und: Natürlich östlich des Rheins. So bildete der Fluss eine zusätzliche Sicherung. Trotzdem bleibt erkennbar, dass die Lager Flussmündungen gesichert haben.

Weil Ems und Weser weit ab vom Schuss waren. Solche Lager wären von Oktober bis März von der Außenwelt abgeschnitten gewesen.
Da hast Du einen Punkt. Andererseits: Von Oktober bis März wurde auch nicht Krieg geführt in Mitteleuropa. Die Lager im Landesinneren blieben trotzdem besetzt. Offenbar konnten die Römer mit dem, was sie hatten, den Winter überstehen.

Moment mal! Die Existenz dieser Lager an sich ist rein hypothetisch. Nun aus dem Schweigen der Quellen ob der Aufgabe hypothetischer Lager die Schlussfolgerung zu ziehen, die nur hypothetisch existenten Lager hätten weiter existiert, ist absurd.
Jetzt bitte ich Dich aber! In den Quellen ist von befestigten Lagern im Gebiet der Friesen die Rede. Im Zusammenhang mit dem Friesenaufstand im Jahr 28 (!), der wegen unerfüllbaren Tributforderungen (!) ausbrach, wird ein Kastell "Flevum" (evt. Velsen) an der Nordseeküste genannt, in das sich der befehlshabende Legat geflüchtet habe. Dieser Flottenstützpunkt Flevum soll noch im Jahr 39 weiter ausgebaut worden sein. Die Textstellen müsste ich raussuchen. Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Friesenaufstand wird berichtet, dass eine ganze römische Kohorte "aus Angst vor Verrat" Selbstmord begangen habe. Diese Kohorte lag bestimmt nicht ungeschützt auf freiem Feld sondern in einem befestigten Lager. Und das kann kaum dieses Flevum gewesen sein, sonst wäre der Name wohl genannt worden. Mal abgesehen davon, dass eine Kohorte für die Sicherung eines Flottenstützpunkts schon etwas dürftig erscheint. Es SIND Römerlager im Friesengebiet genannt worden, und nicht nur hypothetisch. Die bestanden sogar noch, als Rom den Plan zur Eroberung Germaniens längst aufgegeben hatte. Anzunehmen, dass sie nicht bestanden hätten, als sie von entscheidender strategischer Bedeutung gewesen wären, klingt für mich eher absurd.

Und das Gegenteil deiner Behauptung ist richtig: Cassius Dio sagt explizit, dass nur ein rechtsrheinisches Kastell - nämlich Aliso an der Lippe - nach der Varusschlacht bestehen blieb.
Trotzdem zweifelt niemand daran, dass die Lager auf Höhe der Wetterau und südlich davon fortbestanden haben. Cassius Dio bezieht sich auf ein Kriegsgebiet. Das lag nördlich der Wetterau und südlich der Küstenregion. Kein römischer Historiker berichtet, dass im Zuge der Varus- und Germanicus-Kämpfe südlich der Wetterau oder an der Küste gekämpft worden sei. Warum hätten dort also bestehende Lager geräumt werden sollen? Das lag außerhalb des Aufstandsgebiets.

Wenn man davon ausgeht, dass Germanicus naves actuariaenutzte, dann sind Hafenanlagen nicht notwendig.
Hafenanlagen... Schon wieder so ein Begriff. Ich habe nicht unterstellt, dass Germanicus einen Tiefseehafen gehabt haben muss. Seine Schiffe konnten überall anlegen, wo die Ufer nicht zu steil und nicht zu flach waren. Aber: Tausend Schiffe befördern eine gewaltige Menge an Material. Das muss irgendwohin. Das wurde sicher nicht auf freiem Feld gelagert. Im Bereich der Landestelle muss es ein Lager gegeben haben, wo das ganze Material sicher gelagert werden konnte - und von wo aus die Landestelle selbst abgesichert werden konnte. Diese Einfallsroute nach Germanien hinein war zu wichtig und wurde zu häufig genutzt, als dass die Römer es dem Zufall überlassen konnten, ob dort ein Anlegen möglich war oder ob der Platz plötzlich von Feinden gehalten wurde.

Wie würdest du denn Tacitus dann verstehen: "classis Amisiae ore relicta laevo amne, erratumque in eo quod non subvexit aut transposuit militem dextras in terras iturum; ita plures dies efficiendis pontibus absumpti. et eques quidem ac legiones prima aestuaria, nondum adcrescente unda, intrepidi transiere: postremum auxiliorum agmen Batavique in parte ea, dom insultant aquis artemque nandi ostentant, turbati et quidam hausti sunt."

Von einem Fehler ist ganz explizit die Rede. Von verfahren war keine Rede.
Die Kritik, die Tacitus äußert, ist "milde". Im Grunde sagt er: Hätte Germanicus nicht ein paar Tage für den Brückenbau verschwendet und wäre er weiter die Ems hinauf gefahren, dann wäre er noch erfolgreicher gewesen. Aber er sagt nirgendwo, dass der "Fehler" des Germanicus ihn an den Rand der Niederlage gebracht hätte. Was Tacitus sagt, ist, dass Germanicus noch ungestümer hätte vorgehen sollen. Dabei war er schon so ungestüm, dass ihn das in einen Konflikt mit Tiberius gebracht hat. Und der war ja nun in militärischer Hinsicht auch kein grüner Junge.

Das ist alles bekannt, ändert aber nichts daran, dass in Bentumersiel (im Übrigen entgegen des Wikipediaartikels "Römerlager Bentumersiel") kein Römerlager nachgewiesen ist, allerdings eine germanische Siedlung, die etwa 500 Jahre bestand hatte - wobei diese Siedlung einige Besonderheiten aufweist: keine Ställe und besonders viel römisches Fundgut.
Danke für den Seitenhieb mit Wikipedia ;). So schlecht, wie alle tun, ist Wikipedia nicht. Trotzdem habe ich mich nicht auf Wiki gestützt. Erscheint Dir folgender Link seriöser? Historische Küstenforschung - Bentumersiel

Da heißt es unter anderem "sind hier auch zahlreiche Gegenstände römischer Provenienz des 1.-2./3. Jh. n. Chr. geborgen worden. Aus dem frühen 1. Jh. n. Chr. stammen einige Metallfragmente von Ausrüstungsteilen römischer Legionäre (Abb. 2) sowie vor allem Scherben von Amphoren bzw. römischer Schwerkeramik. Diese Funde sind mit den Feldzügen des Germanicus 15/16 n. Chr. in das Gebiet östlich der Ems in Verbindung zu bringen."

und:

"Im nördlichen Bereich der Siedlung wurde ein einzeln liegendes Brandgrab gefunden, das mit seinem reichen römischen Import eine große Besonderheit im westgermanischen Gebiet zwischen Weser und Rhein darstellt."

Nach allem was wir wissen, ist die germanische Expansion mit dem Tod des Drusus zunächst zum Erliegen gekommen...
Das halte ich für überinterpretiert. Drusus hatte einen Bruder. Der hieß Tiberius und hat dann den Job seines Bruders zuende geführt. Man kann ja zweifeln, ob er noch übermäßig viel zu tun hatte. Immerhin berichtet nur Velleius Paterculus, dass es Tiberius war, der die Germanen unterworfen hat. Angesichts der Neigungen des Velleius kann das "übertrieben" gewesen sein. Aber es reichte jedenfalls für einen Triumph in Rom. Und dass danach nichts mehr passiert sei, ist auch etwas übertrieben. Da haben die Römer so komische Sachen gemacht, wie bei Waldgirmes eine zivile Stadt zu gründen.

Mit Waldgirmes quäle ich Dich gern, gell? :devil:

MfG
 
Vielleicht habe ich mich wieder missverständlich ausgedrückt. Ich meine natürlich: Die Römer haben das getan. Und die hatten ein (hoch)organisiertes Staatswesen. Die Römer wollten die Flüsse für Eroberungszüge nach Germanien hinein nutzen, also mussten sie den Zugang absichern. Sowas haben sie regelmäßig mit Lagern an Flussmündungen gemacht.

Ich meine Moers-Asberg. Und: Natürlich östlich des Rheins. So bildete der Fluss eine zusätzliche Sicherung. Trotzdem bleibt erkennbar, dass die Lager Flussmündungen gesichert haben.

MfG

Die Römer haben auf ihrer Seite des Rheins die Lager gebaut, siehe Vetera oder Asberg. Von den Binnenhäfen aus konnte man leicht die Mündungen kontrollieren.
Was lag eigentlich gegenüber Gelduba? Hab irgendwo mal gelesen das der Hellweg zu Römischer Zeit hier geendet habe. Kann mir jemand was dazu sagen? Zum Aufmarsch konnten ja auch alte Handelswege benutzt werden, natürlich nicht so komfortabel wie die Flüsse.

Apvar
 
Vielleicht habe ich mich wieder missverständlich ausgedrückt.

Nein, hast du nicht.

Ich meine natürlich: Die Römer haben das getan. Und die hatten ein (hoch)organisiertes Staatswesen. Die Römer wollten die Flüsse für Eroberungszüge nach Germanien hinein nutzen, also mussten sie den Zugang absichern. Sowas haben sie regelmäßig mit Lagern an Flussmündungen gemacht.
Hier stellt sich doch die Frage, wozu sie dies mit viel Aufwand hätten tun sollen? Dies hätte doch nur einen Sinn, wenn jemand die Flussmündungen dauerhaft besetzen würde, was nur ginge, wenn dieser jemand ein hocheffektives Staatswesen hätte (und damit die Möglichkeit, ein stehendes Heer zu unterhalten und zu versorgen). Die Flussmündungen in den Rhein waren eine ganz andere Sache, als die Flussmündungen in die Nordsee.

Da hast Du einen Punkt. Andererseits: Von Oktober bis März wurde auch nicht Krieg geführt in Mitteleuropa. Die Lager im Landesinneren blieben trotzdem besetzt. Offenbar konnten die Römer mit dem, was sie hatten, den Winter überstehen.

Tatsache ist, dass bisher keine Standlager an Ems und Weser nachgewiesen sind. Die zweite Tatsache ist, dass sie riesiger horrea bedurft hätten, da sie im Ggs. zu den Lippelagern im Winter nicht versorgt hätten werden können. Du konstruierst hier quasi ex nihil, ohne archäologischen Befund, ohne literarische Deckung und ohne, dass es militärisch sinnvoll gewesen wäre, die Existenz von Lagern über einen längeren Zeitraum.


Jetzt bitte ich Dich aber! In den Quellen ist von befestigten Lagern im Gebiet der Friesen die Rede. Im Zusammenhang mit dem Friesenaufstand im Jahr 28 (!), der wegen unerfüllbaren Tributforderungen (!) ausbrach, wird ein Kastell "Flevum" (evt. Velsen) an der Nordseeküste genannt, in das sich der befehlshabende Legat geflüchtet habe. Dieser Flottenstützpunkt Flevum soll noch im Jahr 39 weiter ausgebaut worden sein. Die Textstellen müsste ich raussuchen. Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Friesenaufstand wird berichtet, dass eine ganze römische Kohorte "aus Angst vor Verrat" Selbstmord begangen habe. Diese Kohorte lag bestimmt nicht ungeschützt auf freiem Feld sondern in einem befestigten Lager. Und das kann kaum dieses Flevum gewesen sein, sonst wäre der Name wohl genannt worden. Mal abgesehen davon, dass eine Kohorte für die Sicherung eines Flottenstützpunkts schon etwas dürftig erscheint. Es SIND Römerlager im Friesengebiet genannt worden, und nicht nur hypothetisch. Die bestanden sogar noch, als Rom den Plan zur Eroberung Germaniens längst aufgegeben hatte. Anzunehmen, dass sie nicht bestanden hätten, als sie von entscheidender strategischer Bedeutung gewesen wären, klingt für mich eher absurd.

Jetzt springst du aber um 20 Jahre. Außerdem ist Velsen nur wenige km nördlich des Rheins. Ob es im Winter dauerhaft besetzt war, wissen wir nicht, bei Tacitus wird nur geschrieben, dass hier neben Bürgern (civium) auch Verbündete (sociorumque) ihren Dienst taten. Jedenfalls gab es hier eine Kette von Lagern, u.a. auch Lugdunum Batavorum (Katwijk), Albaniana (Alphen aan den Rijn) oder Praetorium Agrippinae (Valkenburg). Bezeichnend ist dabei Albaniana, wegen seines heutigen Ortsnamens, der auf einen alten Rheinarm verweist. Heute ist der Oude Rhein ein eigenständiger Fluss, damals gehörte er noch zum Rhein. Das vermindert die Entfernung von Velsen zum Rhein auf 20 km, was eine Versorgung des Lagers über den Landweg ermöglicht hätte. Über die Utrechtsche Vecht und das IJ (heute ausgebaut zum Nordseekanal) hätte man Velsen allerdings auch versorgen können. Alles in allem ist also das ab 15 nachgewiesene Lager Velsen nicht mit den hypothetischen Lagern an Ems und Lippe zu vergleichen.

Trotzdem zweifelt niemand daran, dass die Lager auf Höhe der Wetterau und südlich davon fortbestanden haben. Cassius Dio bezieht sich auf ein Kriegsgebiet. Das lag nördlich der Wetterau und südlich der Küstenregion. Kein römischer Historiker berichtet, dass im Zuge der Varus- und Germanicus-Kämpfe südlich der Wetterau oder an der Küste gekämpft worden sei. Warum hätten dort also bestehende Lager geräumt werden sollen? Das lag außerhalb des Aufstandsgebiets.

Ich weiß nicht was mit den Wetteraulagern um 9 n. Chr. geschah. Tacitus berichtet allerdings, dass Germanicus das Lager seines Vaters auf dem Taunus wieder errichtete. Waldgirmes gilt als nach 9 aufgelassen, Bad Ems wurde erst von den Adoptivkaisern gegründet, Niederberg ist flavisch.
Der grundlegende Unterschied ist auch hier wieder, dass wir in der Wetterau und rundherum Lager nachweisen können, während dies für Ems- und Wesermündung nicht gilt. Vor allem aber lässt sich das Postulat einer dauerhaften Stationierung zwischen 9 und 15 an der Nordseeküste nicht aufrecht erhalten.


Hafenanlagen... Schon wieder so ein Begriff. Ich habe nicht unterstellt, dass Germanicus einen Tiefseehafen gehabt haben muss. Seine Schiffe konnten überall anlegen, wo die Ufer nicht zu steil und nicht zu flach waren. Aber: Tausend Schiffe befördern eine gewaltige Menge an Material. Das muss irgendwohin. Das wurde sicher nicht auf freiem Feld gelagert. Im Bereich der Landestelle muss es ein Lager gegeben haben, wo das ganze Material sicher gelagert werden konnte - und von wo aus die Landestelle selbst abgesichert werden konnte.

Den Stapelplatz Bentumersiel gab es ja.


Die Kritik, die Tacitus äußert, ist "milde". Im Grunde sagt er: Hätte Germanicus nicht ein paar Tage für den Brückenbau verschwendet und wäre er weiter die Ems hinauf gefahren, dann wäre er noch erfolgreicher gewesen. Aber er sagt nirgendwo, dass der "Fehler" des Germanicus ihn an den Rand der Niederlage gebracht hätte.

Er sagt deutlich, dass aufgrund dieses Fehlers vollkommen unnötig Auxiliartruppen ertranken! "postremum auxiliorum agmen Batavique in parte ea, dom insultant aquis artemque nandi ostentant, turbati et quidam hausti sunt."
Unter der Prämisse, dass Tacitus ein großer Fan von Germanicus war, ist diese Kritik absolut nicht milde, sondern ziemlich heftig!

Danke für den Seitenhieb mit Wikipedia ;). So schlecht, wie alle tun, ist Wikipedia nicht. Trotzdem habe ich mich nicht auf Wiki gestützt. Erscheint Dir folgender Link seriöser? Historische Küstenforschung - Bentumersiel
Ich bin selber Wikiautor.
Ja, im Institut für hist. Küstenforschung bin ich sogar schon mal gewesen.

Da heißt es unter anderem "sind hier auch zahlreiche Gegenstände römischer Provenienz des 1.-2./3. Jh. n. Chr. geborgen worden. Aus dem frühen 1. Jh. n. Chr. stammen einige Metallfragmente von Ausrüstungsteilen römischer Legionäre (Abb. 2) sowie vor allem Scherben von Amphoren bzw. römischer Schwerkeramik. Diese Funde sind mit den Feldzügen des Germanicus 15/16 n. Chr. in das Gebiet östlich der Ems in Verbindung zu bringen."

und:

"Im nördlichen Bereich der Siedlung wurde ein einzeln liegendes Brandgrab gefunden, das mit seinem reichen römischen Import eine große Besonderheit im westgermanischen Gebiet zwischen Weser und Rhein darstellt."

Den wichtigsten Satz hast du überlesen: "Spuren einer militärischen Anlage der Römer sind bei Bentumersiel aber bislang nicht entdeckt worden."


Das halte ich für überinterpretiert. Drusus hatte einen Bruder. Der hieß Tiberius und hat dann den Job seines Bruders zuende geführt. Man kann ja zweifeln, ob er noch übermäßig viel zu tun hatte. Immerhin berichtet nur Velleius Paterculus, dass es Tiberius war, der die Germanen unterworfen hat. Angesichts der Neigungen des Velleius kann das "übertrieben" gewesen sein. Aber es reichte jedenfalls für einen Triumph in Rom. Und dass danach nichts mehr passiert sei, ist auch etwas übertrieben. Da haben die Römer so komische Sachen gemacht, wie bei Waldgirmes eine zivile Stadt zu gründen.

Sicher, alles richtig. Aber erst ab 4 n. Chr. Da war Drusus schon 13 Jahre tot.

Mit Waldgirmes quäle ich Dich gern, gell? :devil:

Mich, warum? Das einzige was mich stört, ist das Waldgirmes immer dafür angeführt wird, dass Cassius Dio besonders glaubhaft sei.
 
Sicher. Ein Wegenetz wird existiert haben. Mit Infrastruktur meinte ich aber römische Standlager und feste Anlegestellen. Dies haben nicht vorexistiert.

Da bin ich mir nicht sicher.

Tacitus berichtet zumindest von einem Lager an der Lippe, dessen Belagerung der Germanicus Anfang des Jahres 16 n.Chr. aufgelöst hat. Dieses Lager muß ein Standlager bzw. Winterlager der Römer gewesen sein. Es müßte also früher (minimum 15 n.Chr. oder noch früher) angelegt worden sein. Mit diesem Lager war sicherlich auch ein Wegenetz verbunden - zumindest entlang der Lippe.
 
Da bin ich mir nicht sicher.

Tacitus berichtet zumindest von einem Lager an der Lippe, dessen Belagerung der Germanicus Anfang des Jahres 16 n.Chr. aufgelöst hat. Dieses Lager muß ein Standlager bzw. Winterlager der Römer gewesen sein. Es müßte also früher (minimum 15 n.Chr. oder noch früher) angelegt worden sein. Mit diesem Lager war sicherlich auch ein Wegenetz verbunden - zumindest entlang der Lippe.


Maelonn und ich stritten über hypothetische Lager (Garnisonen!) an den Mündungen der Flüsse Ems und Weser. Die Lippelager und die Existenz Alisos über die Varusschlacht hinaus sind unstrittig.
 
Maelonn und ich stritten über hypothetische Lager (Garnisonen!) an den Mündungen der Flüsse Ems und Weser. Die Lippelager und die Existenz Alisos über die Varusschlacht hinaus sind unstrittig.

Gut.

Das bringt mich zur These von Brepohl, die ich durchaus nachvollziehbar finde:

Germanicus rückt mit 6 (!) Legionen an die Lippe aus, um dieses Kastell aus der Belagerung zu befreien. Danach rückt er mit 6 Legionen wieder an den Rhein zurück um sie zu verschiffen? Nein! Die sechs Legionen nehmen natürlich den Landweg an die Weser. Demnach brauchte es weiter östlich gar keine Standlager. Allenfalls natürlich Stapellager. Evt. auch irgendwelche Hafenanlagen. Diese sind aber nunmal nicht zu entdecken.
 
Maelonn und ich stritten über hypothetische Lager (Garnisonen!) an den Mündungen der Flüsse Ems und Weser. Die Lippelager und die Existenz Alisos über die Varusschlacht hinaus sind unstrittig.

Wie das? Hab eigentlich immer nur gehört das nach der Varus-Niederlage das gesamte Rechtsrheinische Gebiet geräumt worden ist. Wie sah eigentlich die Lage am Main nach der Varus-Niederlage aus?

Apvar
 
Maelonn und ich stritten über hypothetische Lager (Garnisonen!) an den Mündungen der Flüsse Ems und Weser. Die Lippelager und die Existenz Alisos über die Varusschlacht hinaus sind unstrittig.
ICH streite NIE. ICH doch nicht! :motz: Insbesondere nicht mit Dir. Ich habe nur disputiert ;).


Wie das? Hab eigentlich immer nur gehört das nach der Varus-Niederlage das gesamte Rechtsrheinische Gebiet geräumt worden ist. Wie sah eigentlich die Lage am Main nach der Varus-Niederlage aus?
Nach der Schlacht hat Tiberius das Kommando über die Rhein-Legionen übernommen. Und von Tiberius sagte Velleius Paterculus, dass er in den Jahren unmittelbar nach der Schlacht (also vor den Germanicus-Feldzügen) damit begonnen habe, rechts des Rheins Lager neu aufzubauen und Wege wiederherzustellen. Ohne das jetzt beschwören zu wollen, meine ich mich daran zu erinnern, dass sowohl bei Haltern als auch bei Waldgirmes Spuren römischer Anwesenheit über einer Brandschicht gefunden wurden - was darauf hindeuten würde, dass beide Standorte nach der Varusschlacht niedergebrannt und danach nocheinmal genutzt wurden. Dass Aliso wieder aufgebaut (oder an jenem Punkt ein neues Lager errichtet wurde), ist in den Quellen überliefert.

Was Deine Frage nach dem Main angeht: Mir sind weder aus den römischen Quellen noch aus archäologischen Ausgrabungen Hinweise bekannt, dass infolge der Varusniederlage südlich des Mains oder auch nur in näherer Umgebung nördlich davon gekämpft worden wäre. Der Aufstand scheint sich auf den Raum zwischen Rhein und Elbe und nördlich des Mains beschränkt zu haben. Das Alpenvorland blieb noch Jahrhunderte fest in römischer Hand.

Hier stellt sich doch die Frage, wozu sie dies mit viel Aufwand hätten tun sollen? Dies hätte doch nur einen Sinn, wenn jemand die Flussmündungen dauerhaft besetzen würde, was nur ginge, wenn dieser jemand ein hocheffektives Staatswesen hätte (und damit die Möglichkeit, ein stehendes Heer zu unterhalten und zu versorgen).
Eigentlich hatten wir die Frage schonmal, aber egal: Ich glaube, wir können unstreitig stellen, dass Rom versucht hat, Germanien (ich präzisiere: Nordwestgermanien) zu erobern und zur Provinz zu machen. Die Quellen zeigen deutlich, dass schon Drusus dazu die Flüsse Ems, Weser und (eingeschränkt) Elbe als Aufmarschwege genutzt hat. Bereits Drusus hat dies mehrfach getan, denn der Aufmarsch über die Flüsse bot die Möglichkeit, sehr viel mehr Material zu transportieren und dies vor allem ungefährdet zu tun. Der Anmarsch konnte von keinem Feind gestört werden. Deshalb waren die Flüsse so wichtig. Drusus´ Sohn Germanicus hat es genauso gemacht. Auch mehrfach.

Die Flussmündungen in den Rhein waren eine ganz andere Sache, als die Flussmündungen in die Nordsee.
Nein. Falsch. Sowohl Main und Lippe als auch Ems und Weser waren ganz zentrale Aufmarschwege für die Römer. Über die Flussläufe haben sie ihre im Kampfgebiet operierenden Truppen versorgt. Alle diese militärischen Operationen standen und fielen mit der Versorgung, ganz nach dem Motto "ohne Mampf kein Kampf". Logistik ist DER ENTSCHEIDENDE FAKTOR in ALLEN Kriegen! Die Flüsse waren der Schlüssel der römischen Strategie. Deshalb liegen auch praktisch alle bislang gefundenen römischen Lager in Flussnähe. Sie liegen an Furten und Zusammenflüssen oder gestaffelt entlang von Flüssen, entlang denen Offensiven vorgetragen wurden (Lippe). Das ist so, weil die Flüsse für die Eroberung so eminent wichtig waren. Und genau deshalb war es aus militärischer Sicht unerlässlich, die Flüsse zu beherrschen! Zumindest aber die Zufahrt in die Flüsse! Wenn Ems und Weser für die Römer so wichtig waren, wie man das aus den Tacitus-Beschreibungen der Germanicus-Feldzüge erschließen kann, dann durften die Römer es unter keinen Umständen zulassen, dass die Flussmündungen eventuell von Feinden kontrolliert werden. Das waren die entscheidenden strategischen Punkte: Wenn überhaupt irgendwo Lager, dann dort!

Tatsache ist, dass bisher keine Standlager an Ems und Weser nachgewiesen sind.
Wundert Dich das? Ems und Weser sind in "jüngerer" Zeit schiffbar gemacht worden. Diese Einwirkung des Menschen hat sich besonders an den Mündungen ausgewirkt. So hatte die Ems in römischer Zeit vermutlich eine Deltamündung. Das kann man schon aus den Tacitus-Berichten schließen. Heute ist das nicht mehr so. Die Reste der Lager sind vermutlich vor 100 oder auch 300 Jahren weggebaggert worden. Das ändert aber nichts:

Aus militärischer Sicht war es zwingend, dass dort Lager waren. Und die archäologischen Befunde belegen die Anwesenheit römischer Legionäre über lange Zeiträume hinweg. Dort sind römische Militaria gefunden worden, die die Anwesenheit von Legionären noch 200 Jahre nach der Aufgabe der Okkupationspläne belegen. Und wenn über 200 Jahre hinweg Militaria verloren werden, dann kann das eigentlich nur bedeuten, dass dort kontinuierlich Legionäre waren. Das wiederum deutet auf das Vorhandensein eines Lagers hin.

Um es auf den Punkt zu bringen: Als Rom den Plan zur Eroberung Germaniens längst aufgegeben hatte, waren an der Küste immer noch regelmäßig Legionäre. Da ist es doch mehr als unwahrscheinlich, dass dort keine Legionäre gewesen sein sollen, als die Eroberung Germaniens noch ein Staatsziel war. Zumal an der Küste offenbar nicht gekämpft wurde, nachdem Varus untergegangen war.

Die zweite Tatsache ist, dass sie riesiger horrea bedurft hätten, da sie im Ggs. zu den Lippelagern im Winter nicht versorgt hätten werden können.
Auch die Lippelager waren im Winter nur eingeschränkt zu versorgen. Was war denn, wenn der Fluss Niedrigwasser hatte oder zugefroren war? Die Lippegarnisonen sind sicher auch dann nicht geräumt worden. Dieses Problem hatten die Römer überall nördlich der Alpen, überall wo Wasser im Winter gefrieren kann. Sie haben trotzdem durchgehalten. Und betrachte mal die Karte: Ein Lager an der Emsmündung hätte durch das Gebiet befreundeter Stämme (Bataver, Friesen) auch über Land versorgt werden können.

Du konstruierst hier quasi ex nihil, ohne archäologischen Befund, ohne literarische Deckung und ohne, dass es militärisch sinnvoll gewesen wäre, die Existenz von Lagern über einen längeren Zeitraum.
"Ex nihil" ganz sicher nicht. Wie erwähnt ist die Anwesenheit römischen Militärs über lange Zeit hinweg archäologisch belegt. Nur die Lager selbst sind nicht nachgewiesen. Und dazu, dass es militärisch nicht nur sinnvoll sondern geradezu notwendig war, (in der Okkupationszeit) dort Lager zu unterhalten, habe ich ja schon was geschrieben.

Jetzt springst du aber um 20 Jahre.
Dass der Standort 20 Jahre nach den Ereignissen noch existiert hat, ist verwunderlicher als die Möglichkeit, dass er während des ganzen Dramas nicht bestanden haben soll. Während des Krieges hatte er strategische Bedeutung. Was wollten die Römer dort noch, nachdem sie den Krieg für beendet erklärt hatten?

Außerdem ist Velsen nur wenige km nördlich des Rheins. Ob es im Winter dauerhaft besetzt war, wissen wir nicht, bei Tacitus wird nur geschrieben, dass hier neben Bürgern (civium) auch Verbündete (sociorumque) ihren Dienst taten. Jedenfalls gab es hier eine Kette von Lagern, u.a. auch Lugdunum Batavorum (Katwijk), Albaniana (Alphen aan den Rijn) oder Praetorium Agrippinae (Valkenburg).
Interessant. Eine ganze Kette von Lagern also. Stützt das meine Argumentation nicht eher als dass es ihr widerspricht?

Mich, warum? Das einzige was mich stört, ist das Waldgirmes immer dafür angeführt wird, dass Cassius Dio besonders glaubhaft sei.
Soweit es um Dein Misstrauen gegenüber der Idee von der Existenz "wasserabweisender Supergermanen" geht, stimme ich Dir sogar zu. Es lässt sich aber nicht wegdiskutieren, dass die Glaubwürdigkeit Dios insbesondere deshalb immer in Zweifel gezogen wurde, weil er von Stadtgründungen in Germanien berichtete: "Was denn, Städte in Germanien? Wie blöd ist denn diese Idee? Den Mann kann man ja nicht ernst nehmen..." Dieser Zweifel lässt sich nach dem Fund von Waldgirmes nicht mehr aufrecht erhalten. Und bereinigt man die Betrachtung von Dios Werk nun um diesen Zweifel, dann muss man feststellen, dass in den Texten aller anderen bekannten römischen Autoren deren jeweilige "politische Absicht" zum Ausdruck kommt, nicht aber im Text von Cassius Dio. Dio bricht sogar mit den bekannten Germanen-Stereotypen.

Nebenbei: Du schriebst, Waldgirmes habe erst ab 4 n.Chr. bestanden. Die Datierung ist zweifelhaft. War es nicht eher 4 (oder gar 6) v.Chr.?

MfG
 
Nebenbei: Du schriebst, Waldgirmes habe erst ab 4 n.Chr. bestanden. Die Datierung ist zweifelhaft. War es nicht eher 4 (oder gar 6) v.Chr.?

Die Antwort findet man dort:
Die Datierung der Siedlung basiert auf den Bronzemünzen, unter denen Asse der wohl zwischen 7 und 3 v. Chr. geprägten 1. Altarserie von Lugdunum-Lyon mit einem Anteil von 70 % deutlich überwiegen. Das Ende von Waldgirmes wird durch Münzen mit dem Gegenstempel des Publius Quinctilius Varus markiert und ist mit dem Schlachtfeld von Kalkriese und der Aufgabe von Haltern als gleichzeitig anzusehen. Gegenwärtig erscheint das Datum 9 n. Chr. nach wie vor als der wahrscheinlichste Zeitpunkt. Die Gründung von Waldgirmes dürfte auf Grund des geringeren Anteils der älteren Nemaususprägungen unter den Fundmünzen etwas später als Haltern erfolgt sein. Die Aussagen zum Siedlungsbeginn können jedoch seit 2005 durch dendrochronologische Daten präzisiert werden (siehe Wasserversorgung).
Quelle: Herrausragende Funde der Grabungen bei Waldgirmes

Achtung bei dem Enddatum hat sich etwas getan, bei dem Chattenland Tagung in Marburg (2009), wurde das Ende von Waldgirmes um 13-15 n.chr. datiert.

LG
DerGeist
 
ICH streite NIE. ICH doch nicht! :motz:Insbesondere nicht mit Dir. Ich habe nur disputiert ;).

Ein rein wissenschaftlicher Streit, ganz ohne negative Emotionen.

Eigentlich hatten wir die Frage schonmal, aber egal: Ich glaube, wir können unstreitig stellen, dass Rom versucht hat, Germanien (ich präzisiere: Nordwestgermanien) zu erobern und zur Provinz zu machen. Die Quellen zeigen deutlich, dass schon Drusus dazu die Flüsse Ems, Weser und (eingeschränkt) Elbe als Aufmarschwege genutzt hat. Bereits Drusus hat dies mehrfach getan, denn der Aufmarsch über die Flüsse bot die Möglichkeit, sehr viel mehr Material zu transportieren und dies vor allem ungefährdet zu tun. Der Anmarsch konnte von keinem Feind gestört werden. Deshalb waren die Flüsse so wichtig. Drusus´ Sohn Germanicus hat es genauso gemacht. Auch mehrfach.


Das ist unbestritten.


El Quijote schrieb:
Die Flussmündungen in den Rhein waren eine ganz andere Sache, als die Flussmündungen in die Nordsee.


Nein. Falsch. Sowohl Main und Lippe als auch Ems und Weser waren ganz zentrale Aufmarschwege für die Römer. Über die Flussläufe haben sie ihre im Kampfgebiet operierenden Truppen versorgt.


Darum ging es nicht. Es ging um die Annahme, dass die Flussmüdungen von Ems und Weser durch dauerhafte Garnisonen gesichert seien. Dies ist weder archäologisch noch literarisch belegt und aus logistischen Gründen eher unwahrscheinlich.


Wenn Ems und Weser für die Römer so wichtig waren, wie man das aus den Tacitus-Beschreibungen der Germanicus-Feldzüge erschließen kann, dann durften die Römer es unter keinen Umständen zulassen, dass die Flussmündungen eventuell von Feinden kontrolliert werden. Das waren die entscheidenden strategischen Punkte: Wenn überhaupt irgendwo Lager, dann dort![...]

Aus militärischer Sicht war es zwingend, dass dort Lager waren. Und die archäologischen Befunde belegen die Anwesenheit römischer Legionäre über lange Zeiträume hinweg. Dort sind römische Militaria gefunden worden, die die Anwesenheit von Legionären noch 200 Jahre nach der Aufgabe der Okkupationspläne belegen. Und wenn über 200 Jahre hinweg Militaria verloren werden, dann kann das eigentlich nur bedeuten, dass dort kontinuierlich Legionäre waren. Das wiederum deutet auf das Vorhandensein eines Lagers hin.


Der wesentliche Unterschied zwischen Rhein und Nordsee war, dass der Rhein die Grenze des römischen Machtbereichs bildete, während die Nordsee schlicht das offene Meer war. Und wir wissen ja, das gerade schiffbare Binnengewässer sich besser als Verbindung als als Grenze eignen. Der Rhein musste aus römischer Sicht also gesichert werden, doch wozu die Mündungen vom Ems und Weser? Die Germanen konnten diese nicht dauerhaft besetzen, dazu fehlten ihnen die Ressourcen. Das machte es für die Römer unnütz und teuer diese Flussmündungen zu besetzen, also werden sie es auch nicht gemacht haben.


Auch die Lippelager waren im Winter nur eingeschränkt zu versorgen. Was war denn, wenn der Fluss Niedrigwasser hatte oder zugefroren war? Die Lippegarnisonen sind sicher auch dann nicht geräumt worden. Dieses Problem hatten die Römer überall nördlich der Alpen, überall wo Wasser im Winter gefrieren kann. Sie haben trotzdem durchgehalten. Und betrachte mal die Karte: Ein Lager an der Emsmündung hätte durch das Gebiet befreundeter Stämme (Bataver, Friesen) auch über Land versorgt werden können.

Die römischen Prahmen hatten kaum Tiefgang und Fließgewässer neigen nicht gerade dazu, zu überfrieren. Das passiert in unseren Breiten nur in sehr extremen Wintern.
Römische Agrarschriftsteller raten dazu, ein Latifundium nicht weiter als 20 Meilen von Städten entfernt zu betreiben, da sonst das benötigte Lasttierfutter den wirtschaftlichen Mehrwert aufzehren würde. Und in der Tat findet man archäologische Spuren von hauptsächlich Latifundien innerhalb dieses Radius'. Jetzt stell dir mal die Maultierzüge vor, die nun so ein an der Ems oder gar an der Weser gelegenes Lager über den Landweg versorgt haben sollen!!!

Wie erwähnt ist die Anwesenheit römischen Militärs über lange Zeit hinweg archäologisch belegt. Nur die Lager selbst sind nicht nachgewiesen. Und dazu, dass es militärisch nicht nur sinnvoll sondern geradezu notwendig war, (in der Okkupationszeit) dort Lager zu unterhalten, habe ich ja schon was geschrieben.
Wir befinden uns aber nicht mehr in der Okkupationszeit sondern nach der größten Niederlage der Römer gegen Germanen nach Auskunft der zeitgenössischen Schriftsteller.
Die Funde von Bentumersiel sind nicht geeignet, die lange Anwesenheit der Römer zu besiegeln. Lediglich römische Ausrüstungsteile sind hier gefunden worden, aufgrund der Deckung mit der Stellen in den Annalen, wonach Germanicus am westlichen Mündungsufer der Ems angelandet ist, nimmt man an, dass diese Ausrüstungsteile in den Kontext dieser Anlandung zu stellen sind. Ich halte das auch für hochwahrscheinlich. Dennoch muss man festhalten: Wir wissen schlicht nicht, wie die römischen Ausrüstungsteile hierher gekommen sind. Lediglich aufgrund der regionalen Deckung und der Datierung der Gegenstände nehmen wir an, dass es sich um Verluststücke des Jahres 16 handelt.



Dass der Standort 20 Jahre nach den Ereignissen noch existiert hat, ist verwunderlicher als die Möglichkeit, dass er während des ganzen Dramas nicht bestanden haben soll. Während des Krieges hatte er strategische Bedeutung. Was wollten die Römer dort noch, nachdem sie den Krieg für beendet erklärt hatten?


Wieso noch?! Außerdem war das Friesengebiet doch zunächst noch römertreu.


Interessant. Eine ganze Kette von Lagern also. Stützt das meine Argumentation nicht eher als dass es ihr widerspricht?
Nein. Diese Kette von Römerlagern befand sich entlang eines Rheinarmes, der heute einen eigenständigen Fluss bildet.

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Zuletzt bearbeitet:
Ein rein wissenschaftlicher Streit, ganz ohne negative Emotionen.
Genau. Und überzeugen werden wir einander wohl auch nicht mehr. Aber das macht ja auch nix. Ich jedenfalls finde die Diskussion spannend.

Römische Agrarschriftsteller raten dazu, ein Latifundium nicht weiter als 20 Meilen von Städten entfernt zu betreiben, da sonst das benötigte Lasttierfutter den wirtschaftlichen Mehrwert aufzehren würde. Und in der Tat findet man archäologische Spuren von hauptsächlich Latifundien innerhalb dieses Radius'. Jetzt stell dir mal die Maultierzüge vor, die nun so ein an der Ems oder gar an der Weser gelegenes Lager über den Landweg versorgt haben sollen!!!
Da machst Du die Probleme größer als sie wirklich waren. Die Römer konnten ihre Versorgungsgüter ja auch einlagern. Ich denke, sie konnten mit vollen Lagern einen Winter überstehen, auch wenn der Nachschub wegen der Witterung dünner wurde. Aliso ist ein Beispiel dafür. Das Lager wurde offenbar monatelang belagert und die Bewohner sind nicht verhungert. Oberaden ist das größte uns bekannte Lager in der ganzen römischen Welt, und es war mehrere Jahre lang durchgehend besetzt, auch im Winter. Ein solches Kingsize-Lager zu versorgen, war bestimmt eine Kunst für sich. Aber es ging. Dein Latifundien-Beispiel ist sicher zutreffend, jedoch argumentiert es mit Kriterien der "Wirtschaftlichkeit". Beim Militär ist das anders. Das war immer ein "Verlustgeschäft". Egal, wie die Versorgungsgüter letztlich zu den Lagern geschafft wurden: Sie mussten in ganz Gallien zusammengesammelt und über absolut unwirtschaftlich lange Landwege zu den Flüssen transportiert werden, über die sie dann letztlich zu den Soldaten geschafft wurden.

Wir befinden uns aber nicht mehr in der Okkupationszeit sondern nach der größten Niederlage der Römer gegen Germanen nach Auskunft der zeitgenössischen Schriftsteller.
Es war die größte Niederlage gegen Germanen. Das stimmt. Trotzdem war es nicht diese Niederlage, die Rom bewogen hat, die Eroberungspläne zu den Akten zu legen. Den Anspruch auf Germanien hat Rom weiter erhoben. Das änderte sich erst, nachdem Germanicus zurückbeordert worden war. Also befand sich Rom sehr wohl noch (oder auch: wieder) in der Okkupationsphase.

Wieso noch?! Außerdem war das Friesengebiet doch zunächst noch römertreu.
Vielleicht überinterpretiere ich da jetzt etwas, aber ich habe nicht den Eindruck, dass es aus römischer Sicht in Friesland viel zu holen gab. Selbst die friesischen Ochsenhäute waren ja offenbar so minderwertig, dass die römischen Steuereintreiber sich von den Friesen betrogen fühlten.

Witzige Geschichte übrigens: Um zu beweisen, dass sie tatsächlich keine größeren Häute liefern konnten, haben die Friesen lebendes Vieh nach Rom getrieben und dort vorgezeigt. Erst als auch das nicht fruchtete, haben sie begonnen, "ihre" Römer niederzumachen.

Aber das nur am Rande. Ich gehe einfach davon aus, dass Friesland (und auch das Chauken-Gebiet) für Rom in erster Linie strategische Bedeutung hatte: Als mögliches Aufmarschgebiet zur Eroberung Germaniens. Als die Eroberungspläne aufgegeben worden waren, bestand eigentlich kein Bedarf mehr an einer Präsenz in Friesland. Aber vielleicht war der außenpolitische Richtungswechsel, den Tiberius vorgenommen hat, ja auch gar kein so einschneidender Schritt. Vielleicht war es keine "Kapitulation" sondern nur ein unbefristeter einseitiger Waffenstillstand. Möglicherweise sind die Eroberungspläne nicht abgeblasen sondern nur aufgeschoben worden. Der Anspruch, Germanien doch noch zu erobern, ist ja auch immer wieder mal aus der Schublade geholt worden. Das könnte auch die Schlacht am Harzhorn erklären, denn auf den ersten Blick erschließt sich ja nicht, was die Römer dort wollten und woher sie überhaupt gekommen sind...

MfG
 
Das könnte auch die Schlacht am Harzhorn erklären, denn auf den ersten Blick erschließt sich ja nicht, was die Römer dort wollten und woher sie überhaupt gekommen sind...

MfG

Die römischen Truppen, die am Harzhorn gekämpft haben, waren zahlenmäßig nicht in der Lage um eine Okkupation durchzuführen. Es kann sich hier eher um einen Strafexpedition-Feldzug gehandelt haben. Oder wenn man es überspitzt darstellt um ein Himmelfahrtskommando.
Wenn man bedenkt, daß ein paar Dekaden später die Germanen den Limes überrannt haben und die Römer sich dem Ansturm nicht mehr erwehren konnten.

Und zu den Wasserwegen ist anzumerken:
Tacitus 8.Buch (53): "Um jedoch die Mannschaften nicht erschlaffen zu lassen, vollendete Paulinus den vor dreiundsechzig Jahren von Drusus zur Regulierung des Rheins begonnenen Damm, während Vetus Anstalten traf, Mosel und Arar durch einen Kanal miteinander zu verbinden. Der Nachschub sollte auf dem Meer, dann auf der Rhone und dem Arar herangeführt,durch diesen Kanal und dann auf der Mosel in den Rhein und von da aus in den Ozean gehen, und so sollten die Schwierigkeiten des Landweges beseitigt und die westlichen und nördlichen Küstengebiete durch Schiffsverkehr miteinander verbunden werden."
Das zeigt wieder einmal die katastrophalen Landwege in Germanien auf.
 
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