Maria-eine Jungfrau?

Es sei denn, Maria hätte ebenfalls von David abgestammt, denn wenn ich mich nicht irre, wird zumindest die Glaubenszugehörigkeit über die mütterliche Linie vererbt (zumindest in der jüdischen Tradition, meine ich zu wissen). Ob das allerdings auch auf die allgemeine Abstammung bzw. Stammeszugehörigkeit zutrifft, weiß ich leider auch nicht.
Nein, die Stammeszugehörigkeit wird ausschließlich über den leiblichen Vater definiert. Auch eine Adoption ändert nichts.
 
Jungfrauen vs. junge Frauen – yet again

Es kommt nicht auf Meinungen, sondern auf Fakten an. Fakt ist, dass die griechischen Evangelien (also die Urtexte) Παρθένος (parthénos) schreiben, was 'Jungfrau' bedeutet. In Jesaja 7, 14 gibt es eine Prophezeiung die in der Einheitsübersetzung lautet: "Seht, die Jungfrau wird ein Kind gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel geben."
Selbst wenn man sich auf den Gedanken einlässt, dass die Fakten tatsächlich so offen vor den Augen lägen, so wäre meine Interpretation trotzdem behutsamer.
Wie viel Gewicht der Einheitsübersetzung bei dem Thema zukommen sollte, ist eine andere Frage. Jedenfalls sollte man im Auge behalten, dass es sich bei der EÜ um eine katholische Bibelübersetzung handelt. Damit will ich aber ausdrücklich nicht den Topos des »Nachbarthreads« Ist die Bibel verfälscht worden? bedienen und behaupten, die Katholische Kirche hätte die Bibel willentlich ge- oder verfälscht – bedenken sollte man jedoch, dass auch diese Übersetzung theologisch, exegetisch und in Tradition nicht in einem luftfreien Raum schwebt.
Jesaja 7,14 ist seit je her für die christliche Theologie bedeutsam und in der für die Katholische Kirche so bedeutsamen Vulgata findet sich an der Stelle »virgo«.
Dem kann man solche protestantische Übersetzungen, die sich um einen gewissen überkonfessionellen und -religiösen Blick bemühen, wie der Neuen Zürcher Bibel oder der New Revised Standard Version entgegenhalten. Dort heißt es »junge Frau« respektive »young woman«. Jüdische Übersetzungen vermeiden ohnehin in Abgrenzung zu christlichen an der Stelle das Wort »Jungfrau«.

Also, was tun? Zurück zum »Ur«-Text?

Diese Stelle ist in der Septuaginta mit parthenos übersetzt. Jetzt gibt es Menschen, die der Meinung sind, diese Übersetzung sei falsch, weil im hebräischen Urtext almah (העלמה 'die junge Frau') steht. Matthäus bezieht sich direkt auf diese biblische Stelle.

Dem Hinweis auf den hebräischen Text kann ich folgen, dazu aber vorher noch eine Anmerkung: Es wird oft vergessen, dass der biblisch-hebräische Textkorpus recht klein ist, gleichzeitig einen relativ langen Zeitraum und wahrscheinlich auch verschiedene Dialekte umfasst, s. a. (Huehnergard 2002: 2). Das ist hier zu beachten, denn ʿalmā kommt im Masoretischen Text (MT) gerade neun Mal vor, in hier zu beachtenden Formen nur noch sieben Mal, nämlich: Gen 24,43, Ex 2,8, Spr 30,19, Jes 7,14, Ps 68,26, Hld 1,3, Hld 6,8.
Das deutschsprachige Standardwörterbuch für biblisches Hebräisch das Hebräische und aramäische Lexikon zum Alten Testament (HALAT) gibt zu ʿalmā u. a. an:
a) mannbares Mädchen Gn 2443 Ex 28 Ps 6826, als Bezeichnung d. Geliebten HL 13 68; b) e. Mädchen, das verheiratet sein kann Pr 3019; c) d. junge Frau (Lex.¹ bis zur 1. Geburt :: Wildbg. BK X 290) Js 714 G παρθένος (> Mt 123, A Σ Θ νεᾶνις, [...]

(HALAT: 790)​
Dazu die Abkürzungen der griechischen Kodiezes:
G = Septuaginta
A = griechische Übersetzung des AT durch Aquila
Σ = griechische Übersetzung des AT durch Syammachus
Θ = griechische Übersetzung des AT durch Theodotion

Die Definitionen die HALAT anbietet, sollte man aufgrund des seltenen Vorkommens des Wortes unter Vorbehalt betrachten, als educated guess eben. Der Kontext, in dem ʿalmā erscheint suggeriert aber tatsächlich eine ungefähre Bedeutung ›Mädchen‹ oder ›junge Frau‹. Die Etymologie deutet in die gleiche Richtung. Grammatisch ist ʿalmā die feminine Form von ʿǣlæm, was gar nur zwei Mal im MT vorkommt (1 Sam 17,57, 1Sam 20,22) und vermutlich in etwa ›junger Mann‹ bedeutet (HALAT: 790). Kognate in verwandten Sprachen sind aramäisch ʿəlaym das in verschiedenen aramäischen Dialekten ›boy‹, ›adult‹, ›servant‹ oder ›fawn‹ bedeutet (CAL: ʿlym), ebenso das arabische ġulām etwa ›Junge‹, ›Jüngling‹, ›Knecht‹, ›Sklave‹.

Wozu nun das lange Ausschweifen? Um zu belegen, dass die explizite Bedeutung ›Jungfrau‹ für ʿalmā sich nicht durch den Kontext im MT belegen lässt, ebenso wenig unter Berücksichtigung der Etymologie. Alles was sich sagen lässt ist, dass ʿalmā wahrscheinlich allgemein auf ein Mädchen oder eine junge Frau referiert, eventuell sogar auf eine verheiratete Frau (s. Spr 30,19).

Um noch einmal auf παρθένος in Jes 7,14 zurückzukommen: Zumindest im Altgriechischen kann das Wort auch ganz allgemein ›maiden‹ oder ›girl‹ bedeuten (LSJ: παρθένος). Wie übersetzten auf die Sprache der Septuaginta spezialisierte Wörterbücher dieses Wort?

Zur Verwendung von naʿărā: In Gen 34,2 wird die gewaltsame Vergewaltigung Dīnās durch Šəḵēm geschildert:
[...] er [Šəḵēm] nahm sie [Dīnā], schlief mit ihr und vergewaltigte sie.
Gen 34,2​
Im nächsten Vers wird die Liebe Šəḵēms für [Dīnā] und sein Werben um sie erzählt :
Doch hing seine Seele an Dīnā [...], er liebte das Mädchen [naʿărā] und redete dem Mädchen [naʿărā] gefällig zu.
Gen 34,3​
Interessanterweise übersetzt nun die Septuaginta naʿărā] beide Male mit parthénos (bzw. flektiert im Akkusativ resp. Genitiv). Es gibt keinen Grund parthénos bei diesem Handlungsverlauf technisch und betonend als Jungfrau aufzufassen. (Aber ich bin offen für Erklärungen. Hier wurde schließlich auch schon ausgiebig über Marias Hymen spekuliert. Bezeichnenderweise trat die Damenwelt damit hervor, nicht die Herren der Schöpfung. ;-)) Jedenfalls erweckt das Zweifel ob parthénos in der Septuaginta per se ›Jungfrau‹ bedeutet und ob in Jes 7,14 überhaupt die Jungfräulichkeit hervorgehoben werden soll – ich habe da einige Zweifel.
Interessant ist auch, dass spätere Bibelübersetzungen ins Griechische neânis ›Mädchen‹ in Jes 7,14 bedienen, wie der HALAT-Eintrag zeigt. Dem Begriff fehlt jedenfalls die explizite jungfräuliche Konnotation.

Warum streitet man überhaupt darüber, ob in Jes 7,14 eine Jungfrau oder eine junge Frau gemeint sei? Dass man im biblischen Kontext prinzipiell annahm und erwartete, eine junge (unverheiratete) Frau sei gemeinhin auch eine Jungfrau, darf man sicherlich voraussetzten. Problematisch ist aber, dass in Jesaja nicht ersichtlich ist, wen hā-ʿalmā meint. Das könnte ohne Weiteres auch ʾĀḥāz’ oder Yəšaʿyāhūs Frau meinen, dann muss das Wort auch keine technische Jungfrau bezeichnen. Die ganze Szene ist überhaupt kompliziert. Besteht das Zeichen in einer Jungfrauengeburt oder bloß einer Geburt? Vielleicht auch das folgend Angekündigte? Das alles würde sich ohne Weiteres in die narrative Struktur einfügen und ich würde mich nicht auf eine richtige Lesung festlegen wollen.

In Mt 1,23 wird explizit Jes 7,14 zitiert und als Vorhersage Jesu Geburt gedeutet. Gleichzeitig kann man wohl annehmen, dass so ein Verweis an so hervorstechender Stelle am Anfang des Evangeliums auch eine Legitimation der Botschaft selbst darstellen soll. Hier liegt also eine religiöse Rede vor und diese religiös zu deuten obliegt Theologen. Aus philologischer Perspektive halte ich es jedenfalls nicht ratsam, Jes 7,14 im Lichte von Mt 1,23 zu betrachten – das Evangelium ist immerhin mindestens einige Jahrhunderte später entstanden.
Interessant an dieser Stelle ist immerhin noch, dass es in der Septuaginta in Jes 7,14 καλέσεις (Futur 2. Person Singular) und in Mt 1,23 καλέσουσιν (Futur 3. Person Plural) steht – wie auch im Hebräischen das eigenwillige wə-qārāṯ. Ich habe aber gerade keine kritische Ausgabe der Septuaginta zur Hand. Wird da auf weitere Varianten hingewiesen? Nestle-Aland machen jedenfalls in Mt 1,23 darauf aufmerksam.

So weit zum Glauben der Juden um die Zeitenwende und der christlichen Adaption dieses Glaubens.
Vorsicht. ;) Das ist doch noch ein gewagter Schritt. :devil:



Literatur:

Huehnergard, J. (2002). Introduction. In: J. Kaltner & S. L. McKenzie (Hrsg.), Beyond Babel. A Handbook for Biblical Hebrew and Related Languages. (S. 1–18). Atlanta: Society of Biblical Literature.

Kaufman, Stephen A. The Comprehensive Aramaic Lexicon. Cincinnati, Ohio: Hebrew Union College. The Comprehensive Aramaic Lexicon

Köhler, L., Baumgartner, W., und Stamm, J. J. (1983). Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament. Lieferung III. (3., neubearb. Aufl.). Leiden: E. J. Brill.

Liddell, H. G., und Scott, R. A Greek-English Lexicon. Search Tools
 
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Wie viel Gewicht der Einheitsübersetzung bei dem Thema zukommen sollte, ist eine andere Frage. Jedenfalls sollte man im Auge behalten, dass es sich bei der EÜ um eine katholische Bibelübersetzung handelt. Damit will ich aber ausdrücklich nicht den Topos des »Nachbarthreads« Ist die Bibel verfälscht worden? bedienen und behaupten, die Katholische Kirche hätte die Bibel willentlich ge- oder verfälscht – bedenken sollte man jedoch, dass auch diese Übersetzung theologisch, exegetisch und in Tradition nicht in einem luftfreien Raum schwebt.

Die Einheitsübersetzung ist aber für meine Argumentation gar nicht ausschlaggebend, sondern die Septuaginta, die schließlich eine jüdische Übersetzung für hellenisierte Juden ist (oder judaisierte Hellenen?). In der jüdischen Septuaginta wird העלמה ('die junge Frau') mit Παρθένος ('Jungfrau') wiedergegeben. Die EÜ war nur der Hinweis, wie der Satz in der katholischen Interpretation wiedergegeben wird. Die katholische Interpretation des Jesajazitats allerdings deckt sich hier mit einer vorchristlichen(!) jüdischen Interpretation eben - hoffentlich ohne redundant zu werden - der Septuaginta.


Jesaja 7,14 ist seit je her für die christliche Theologie bedeutsam und in der für die Katholische Kirche so bedeutsamen Vulgata findet sich an der Stelle »virgo«.

Das ist nur folgerichtig, da Hieronymus ja nicht den hebräischen Urtext sondern die Septuaginta als Grundlage für die Vulgata benutzte.

Dem kann man solche protestantische Übersetzungen, die sich um einen gewissen überkonfessionellen und -religiösen Blick bemühen, wie der Neuen Zürcher Bibel oder der New Revised Standard Version entgegenhalten. Dort heißt es »junge Frau« respektive »young woman«. Jüdische Übersetzungen vermeiden ohnehin in Abgrenzung zu christlichen an der Stelle das Wort »Jungfrau«.

Ja, das sind eben Übersetzungen auf modernen philologischem Standard (wie im Übrigen auch die EÜ), die alle auf die Urtexte zurückgehen. Und doch muss man - mit erneutem Verweis auf die Septuaginta - fragen, ob nicht geistesgeschichtlich die Jungfrau doch die richtige Interpretation ist.

Wozu nun das lange Ausschweifen? Um zu belegen, dass die explizite Bedeutung ›Jungfrau‹ für ʿalmā sich nicht durch den Kontext im MT belegen lässt, ebenso wenig unter Berücksichtigung der Etymologie. Alles was sich sagen lässt ist, dass ʿalmā wahrscheinlich allgemein auf ein Mädchen oder eine junge Frau referiert, eventuell sogar auf eine verheiratete Frau (s. Spr 30,19).

Zu dem fachwissenschaftlichen Exkurs kann ich nichts sagen, ich gehe aber davon aus, dass du weißt, wovon du schreibst. Jetzt allerdings die Frage: Was soll die Feststellung die junge oder gar die verheiratete Frau wird ein Kind gebären? Das ist doch ein allzu alltäglicher Vorgang, nichts, was jetzt irgendwen vom Hocker reißen würde. Mit ca. zwölf Jahren werden viele Mädchen langsam geschlechtsreif (was nicht heißt, dass sie dann schon ausgewachsen sind)

Um noch einmal auf παρθένος in Jes 7,14 zurückzukommen: Zumindest im Altgriechischen kann das Wort auch ganz allgemein ›maiden‹ oder ›girl‹ bedeuten (LSJ: παρθένος).
Aber maiden bedeutet doch 'Jungfrau' und girl bzw. Mädchen würde ich generell als vor der Geschlechtsreife interpretieren.

Zur Verwendung von naʿărā: In Gen 34,2 wird die gewaltsame Vergewaltigung Dīnās durch Šəḵēm geschildert:
[...] er [Šəḵēm] nahm sie [Dīnā], schlief mit ihr und vergewaltigte sie.
Gen 34,2​
Im nächsten Vers wird die Liebe Šəḵēms für [Dīnā] und sein Werben um sie erzählt :
Doch hing seine Seele an Dīnā [...], er liebte das Mädchen [naʿărā] und redete dem Mädchen [naʿărā] gefällig zu.
Gen 34,3​
Interessanterweise übersetzt nun die Septuaginta naʿărā] beide Male mit parthénos (bzw. flektiert im Akkusativ resp. Genitiv). Es gibt keinen Grund parthénos bei diesem Handlungsverlauf technisch und betonend als Jungfrau aufzufassen. [...] Jedenfalls erweckt das Zweifel ob parthénos in der Septuaginta per se ›Jungfrau‹ bedeutet und ob in Jes 7,14 überhaupt die Jungfräulichkeit hervorgehoben werden soll – ich habe da einige Zweifel.
Interessant ist auch, dass spätere Bibelübersetzungen ins Griechische neânis ›Mädchen‹ in Jes 7,14 bedienen, wie der HALAT-Eintrag zeigt. Dem Begriff fehlt jedenfalls die explizite jungfräuliche Konnotation.

Ich begebe mich hier mal auf das unsichere Feld der Interpretation: Dass Dina nach ihrer Vergewaltigung technisch gesehen keine Jungfrau mehr war, scheint offensichtlich (wobei wir ja nicht wissen, wie z.B. Petting (kennt das Wort noch jemand?) vom Verfasser aufgegriffen worden wäre, aber schließen wir das mal aus). Möglicherweise wollte aber der Übersetzer der Septuaginta mit der Wahl des griechischen παρθένον hier noch einmal die Unschuld des Mädchens an dem Akt der Vergewaltigung betonen, also sozusagen die geistige Jungfräulichkeit als Kriterium. Aber wie gesagt, dass ist Interpretation, die sich nicht nachweisen lässt.
Edit: Aber du hast schon recht: Diese Stellen in Genesis generieren starke Zweifel an dem Verständnis des Septuaginta-Übersetzers von parthénos.

In Mt 1,23 wird explizit Jes 7,14 zitiert und als Vorhersage Jesu Geburt gedeutet. Gleichzeitig kann man wohl annehmen, dass so ein Verweis an so hervorstechender Stelle am Anfang des Evangeliums auch eine Legitimation der Botschaft selbst darstellen soll.

Natürlich ist die Stelle in MT legitimistisch.

Aus philologischer Perspektive halte ich es jedenfalls nicht ratsam, Jes 7,14 im Lichte von Mt 1,23 zu betrachten – das Evangelium ist immerhin mindestens einige Jahrhunderte später entstanden.

Nein, nein, natürlich umgekehrt: Matthäus im Lichte der jüdischen Überlieferung, allerdings in der Variante der Septuaginta.

Interessant an dieser Stelle ist immerhin noch, dass es in der Septuaginta in Jes 7,14 καλέσεις (Futur 2. Person Singular) und in Mt 1,23 καλέσουσιν (Futur 3. Person Plural) steht – wie auch im Hebräischen das eigenwillige wə-qārāṯ. Ich habe aber gerade keine kritische Ausgabe der Septuaginta zur Hand. Wird da auf weitere Varianten hingewiesen? Nestle-Aland machen jedenfalls in Mt 1,23 darauf aufmerksam.
Welche Bedeutung misst du dem zu?
 
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Die Einheitsübersetzung ist aber für meine Argumentation gar nicht ausschlaggebend, sondern die Septuaginta, die schließlich eine jüdische Übersetzung für hellenisierte Juden ist (oder judaisierte Hellenen?). In der jüdischen Septuaginta wird העלמה ('die junge Frau') mit Παρθένος ('Jungfrau') wiedergegeben. Die EÜ war nur der Hinweis, wie der Satz in der katholischen Interpretation wiedergegeben wird. Die katholische Interpretation des Jesajazitats allerdings deckt sich hier mit einer vorchristlichen(!) jüdischen Interpretation eben - hoffentlich ohne redundant zu werden - der Septuaginta.
Ich wollte mit meiner zeigen, dass (a) παρθένος in der Septuaginta vielleicht gar nicht unbedingt 'Jungfrau' bedeuten muss, (b) der hebräische Text diese Leseart auch nicht zwingend nahelegt, (c) man über die (jüdische) Interpretation der Textstelle in vorchristlicher Zeit wenig sagen kann.

In Mt 1,23 wird die Passage als Vorhersage der Geburt Jesu gedeutet und genutzt. Immerhin sind wir uns dabei einig, dass es sich dabei um eine Form von religiöser Legitimation geht. Das sollte aber auch wenigstens skeptisch machen, ob das der Exegese des "Mainstream"-Judentums der Zeit entspricht.
Wenn man z.B. an das islamische Recht denkt, dann gibt es dort mit den Analogschlüssen (qiyās) beinahe eine Paradedisziplin, religiöse Texte mehr oder minder willkürlich auszulegen, um dies oder jenes zu legitimieren.

Ja, das sind eben Übersetzungen auf modernen philologischem Standard (wie im Übrigen auch die EÜ), die alle auf die Urtexte zurückgehen. Und doch muss man - mit erneutem Verweis auf die Septuaginta - fragen, ob nicht geistesgeschichtlich die Jungfrau doch die richtige Interpretation ist.
Mal der ganze Vers der EÜ mit dem der NZB gegenübergestellt:
Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben.
Jes 7,14 nach Einheitsübersetzung
Deshalb wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Seht, die junge Frau ist schwanger, und sie gebiert einen Sohn. Und sie wird ihm den Namen Immanu-El geben.

Jes 7,14 nach der Neuen Zürcher Bibel
Der Unterschied ist viel größer als nur die Wahl des Wortes "Jungfrau" oder "junge Frau". Man beachte einfach die unterschiedlichen Tempora: Futur in der EÜ ("wird ein Kind empfangen", "wird einen Sohn gebären"), dagegen Präsens in der NZB ("ist schwanger", "gebiert einen Sohn"). Ich behaupte das steht exemplarisch für zwei verschiedene theologische Auslegungen des Verses.

Die EÜ hält sich eng an die Septuaginta, wechselt aber im letzten Teilsatz zum Masoretischen Text. In der Septuaginta heißt es (wie schon erwähnt) "καλέσεις" 'du wirst nennen', nicht 'sie wird nennen'. (Aber wie gesagt, ich habe zuhause keine kritische Ausgabe der Septuaginta. Vielleicht gibt es ja Varianten? Bin ja noch guter Hoffnung, dass sich jemand meldet, der über einen kritischen Apparat verfügt.) Die NZB andererseits folgt eng dem Masoretischen Text und der Unterschied wird doch hier klar: Der EÜ nach ist es eine Prophezeiung eines Ereignisses das in der Zukunft liegt und eine Jungfrauengeburt voraussagen soll (wahrscheinlich sehr bewusst mit Mt 1,23 im Hinterkopf). Die NZB interpretiert die Worte als speech act, der auf einen momentanen Zustand hinweisen soll, paraphiert vielleicht als: Siehe, diese Frau ist schwanger (dazu könnte man sich der Hörer Jesaja denken, wie er auf eine bestimmte/s Frau/Mädchen zeigt).

Warum bevorzugt denn die EÜ an der Stelle die Septuaginta gegenüber dem Masoretischem Text, obwohl dieser im Wesentlichen die Textgrundlage der EÜ bildet? Ich glaube aufgrund einer bestimmtem theologischen Position und Tradition. Deswegen habe ich die EÜ auch explizit katholisch genannt. Das heißt aber nun nicht, dass ich diese Übersetzung für falsch halte. Ich habe keine definitive Meinung zu der Passage, bin aber der Meinung, man kann auch gegen die EÜ argumentieren.
Jetzt allerdings die Frage: Was soll die Feststellung die junge oder gar die verheiratete Frau wird ein Kind gebären? Das ist doch ein allzu alltäglicher Vorgang, nichts, was jetzt irgendwen vom Hocker reißen würde. Mit ca. zwölf Jahren werden viele Mädchen langsam geschlechtsreif (was nicht heißt, dass sie dann schon ausgewachsen sind)
Dem kann man auch ganz einfach entgegenhalten: Warum sollte man ein Wunder erwarten, das irgendwen vom Hocker reißt? Die Rede funktioniert schließlich auch mit folgendem Schema: "Der Herr selbst wird(/soll) euch ein Zeichen geben. Seht, diese Frau ist schwanger [...], noch ehe ihr Sohn zwischen Gut und Böse unterscheiden kann, wird folgendes passieren."

Aber maiden bedeutet doch 'Jungfrau' und girl bzw. Mädchen würde ich generell als vor der Geschlechtsreife interpretieren.
Das stimmt! Das war mein Fehler. Ich wollte eher etwas sagen wie: "Zumindest im Altgriechischen kann das Wort neben ›maiden‹ auch ganz allgemein ›girl‹ bedeuten." Jedenfalls sollte das ein Indiz sein, dass man nicht immer ganz explizit eine Jungfrau im Kopf haben muss.

(wobei wir ja nicht wissen, wie z.B. Petting (kennt das Wort noch jemand?) vom Verfasser aufgegriffen worden wäre, aber schließen wir das mal aus).
Wie man Petting biblisch ausdrücken könnte, weiß ich nun auch nicht -- spielt in Gen 34,2 aber auch keine so große Rolle, denke ich. šāḵaḇ bedeutet 'schlafen', 'sich hinlegen' und wird häufig als Euphemismus für 'den Geschlechtsakt vollziehen' benutzt, daher heißt way-yiškaḇ ʾōṯāh vielleicht wörtlich 'da legte er sich zu ihr' oder 'er schlief mit ihr'. ʿinnā bedeutet 'bedrücken', 'demütigen', 'Gewalt antun', '(eine Frau) vergewaltigen' (HALAT), daher wa-yəʿannǣhā 'er vergewaltigte sie'.
 
Der Begriff der in Jes 7,14 für "junge Frau" genommen wurde findet sich noch mehrfach in der Bibel .. allerdins im Zusammenhang mit Ehebrecherinen ... wohl keine Jungfrauen, oder?

Der eindeutigere Begriff für Jungfrau findet sich auch in der Bibel, allerdings sind dann auch immer Jungfrauen gemeint .. aber in Jes 7,14 soll das dann eine Ausnahme sein?
 
Die Bibel ist ein dickes Buch. Vielleicht listest du einfach mal die entsprechenden Stellen auf.

Es geht dabei um das hebräische Wort Alma ("junge Frau") Betula würde im übrigen Jungfrau bedeuten.

"Drei sind mir zu wundersam, und vier verstehe ich nicht: / des Adlers Weg am Himmel, der Schlange Weg auf dem Felsen, des Schiffes Weg mitten im Meer und des Mannes Weg beim Weibe [alma]. / So ist der Weg der Ehebrecherin: sie verschlingt und wischt sich den Mund und spricht: Ich habe nichts Böses getan." (Sprüche 30:18-20)

An allen Stellen im AT wo zwingend eine Jungfrau gemeint ist, wurde auch Betula verwendet!


Genesis 34
1 Als Dina, die Tochter Jakobs, welche Lea ihm geboren hatte, einst ausging, um sich unter den Mädchen des Landes umzusehen, 2 da sah Sichem sie, der Sohn des Hewiters Hemor, des Landesfürsten; der ergriff sie und tat ihr Gewalt an. 3 Sein Herz hing aber an Dina, der Tochter Jakobs; er gewann das Mädchen lieb und redete ihr freundlich zu. 4 Er sagte daher zu seinem Vater Hemor: »Nimm (= freie) mir dieses Mädchen zur Frau!« 5 Nun hatte Jakob zwar von der Entehrung seiner Tochter Dina Kunde erhalten; weil aber seine Söhne gerade bei seinem Vieh auf dem Felde waren, verhielt er sich ruhig, bis sie heimkamen.

Die griechische Übersetzung hat auch hier für "...3 Mädchen ..." Jungfrau .. wie aber aus dem Text hervorgeht ist das absurd.

Auch ist Jes 3:14 nicht als Vorhersage beschreiben, sonder im Präsenz, d.h. die Frau IST schwanger und nicht "wird schwanger sein" ... dann hätte Maria lange schwanger gewesen sein müssen.
 
Manche Konfusion entsteht aus dem Gebrauch und dem Kontext von Wörtern.

Mir ist die Frage, "ob Maria Jungfrau" war etwas zu vieldeutig - aller Jungfern zu allerlei Zeiten müssen nicht jungfräulich gewesen sein :still:

insofern wäre eher zu fragen, wie es um die Jungfernschaft Mariae bestellt gewesen ist - und da betritt man ein doch wunderliches Gelände, welches zumindest im Deutschen so viel unfreiwillige Wortkomik enthält, dass u.v.a. Heinrich Heine auf diesem Gebiet neckisch gewitzelt hatte :rofl:

...zwielichtig freilich werden in diesem Kontext allerlei Hymnen auf das Hymen der Muttergottes (um auch einen Wortwitz zu machen), und solche wie auch sehr wunderliche Reflexionen religiöser Autoren über das Praeputium des Gottessohnes waren immer wieder Anlaß für despektierliche Heiterkeiten...
 
Die Geburt Jesus musste fast zwangsläufig von den Evangelisten als großes Wunder beschrieben werden.

Johannes der nur ein Vorbote war wird auch in der Bibel als Kind einer eigentlich schon zu alten Frau beschrieben. Das ist schwer zu toppen.
 
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