Historizität Jesu von Nazareth

Ich weiß nicht, was Du konkret mit "familienfeindliche Äußerungen" meinst. Falls Du bestimmte sexualfeindliche Ansichten meinst, so sind die nicht in den Evangelien, sondern in den Paulusbriefen enthalten, also nicht unmittelbar auf Jesus zurückzuführen. Die Evangelien selbst enthalten eigentlich nur ein Scheidungsverbot sowie die Ablehnung der Todesstrafe für Ehebrecherinnen.

Gibt es da nicht eine Stelle in den Evangelien: "Wer gerettet werden will, verlasse seine Eltern oder seine Frau und folge mir nach!"?
 
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Ansonsten glaube ich nicht, dass Jesus gewisse jüdische Gesetzesstellen geringgeschätzt hat, sondern dass er sie reformieren wollte.

Denke ich auch.

Es ist ja auch nichts ungewöhnliches. Jede Zeit bringt doch jemanden hervor, der was verändern möchte. Das die Lehren des Jesus oder seine Ideen zu einer Weltreligion wurden, hat der Mensch Jesus wohl nicht voraussehen können. Wie sagt man so schön zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und scheinbar haben diese Lehren den Nerv vieler Menschen getroffen, das es so weiterverbreitet wurde. Hätte ja auch anders laufen können. Hat es aber nicht.
 
Damit stellt sich die Gegenfrage: was wäre denn so schlimm, wenn sich herauskristallisieren würde, dass es Jesus nicht gegeben hatte bzw. dass es sich nur um eine erfundene Kunstfigur handelte: Würde das an Eurem Glauben etwas änderen?
Natürlich wäre das von Relevanz! Immerhin beziehen die christlichen Lehren ihre Legitimation daraus, dass sie von Jesus, der nach christlicher Auffassung der Sohn Gottes ist, verkündet wurden, sie gelten also als unmittelbar göttlichen Ursprungs und insofern unantastbar. Würden sie bloß von irgendeinem Menschen stammen, wären sie genauso relativ wie alle anderen von Menschen erdachten Gesetze und Morallehren.
Außerdem ist der Glaube an den dreieinigen Gott der zentrale Kern des Christentums. Kein Jesus, keine Trinität.

Aber auch für eine rein historische Betrachtung wäre das ein Problem: Die ersten Christen waren ebenso wenig eine homogene Truppe wie die späteren. Zwischen Paulus und Jakobus z. B. gab es tiefgreifende Auffassungsunterschiede. Wenn es also keinen unipersonalen Stifter gab, wie konnte dann überhaupt diese Religion entstehen?
 
Denke ich auch.

Es ist ja auch nichts ungewöhnliches. Jede Zeit bringt doch jemanden hervor, der was verändern möchte. Das die Lehren des Jesus oder seine Ideen zu einer Weltreligion wurden, hat der Mensch Jesus wohl nicht voraussehen können. Wie sagt man so schön zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und scheinbar haben diese Lehren den Nerv vieler Menschen getroffen, das es so weiterverbreitet wurde. Hätte ja auch anders laufen können. Hat es aber nicht.


Plus hatte er in Paulus einen gerissenen Marketingchef der schon frühzeitig auf Expansion setzte. :D

Auch die neue jüdische Sekte anderen Menschen (Nichtjuden) schmackhaft machen konnte.
 
"Und wer verläßt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben." Matt 19,29, Lutherübersetzung. Demgegenüber stehen natürlich zahlreiche Bekräftigungen der Zehn Gebote (du sollst Vater und Mutter ehren) und das Scheidungsverbot. Auch wird die Verfolgung der Christen "vorausgesagt", welche Familien auseinander reißen wird. (Matt 10, 16 ff.)
 
Plus hatte er in Paulus einen gerissenen Marketingchef der schon frühzeitig auf Expansion setzte. :D

Auch die neue jüdische Sekte anderen Menschen (Nichtjuden) schmackhaft machen konnte.
Allerdings hatte (laut Evangelien) schon Jesus keine Berührungsängste mit Nichtjuden. Weiters hat er (laut Evangelien) seine Jünger selbst schon einmal zur Missionierung ausgeschickt.
 
Allerdings hatte (laut Evangelien) schon Jesus keine Berührungsängste mit Nichtjuden. Weiters hat er (laut Evangelien) seine Jünger selbst schon einmal zur Missionierung ausgeschickt.

Allerdings eine Weltoffenheit die Beschneidung und Schweinefleisch Konsum als nicht so wichtig für das Selenheil findet, würde ich einem Petrus nicht zutrauen.
 
Stimmt, das führte dann ja auch zu einem ersten schweren innerchristlichen Streit, der auf dem Apostelkonzil in Jerusalem entschieden wurde. Einer der wenigen Fälle übrigens, der nicht zu einem Schisma führte.
 
Stimmt, das führte dann ja auch zu einem ersten schweren innerchristlichen Streit, der auf dem Apostelkonzil in Jerusalem entschieden wurde. Einer der wenigen Fälle übrigens, der nicht zu einem Schisma führte.

Wäre allerdings sehr interessant ob die Judenchristen und Heidenchristen sich dannach weiterhin mit Misstrauen begegneten.

Aber es ist verständlich die Judochristen haben sich assimiliert so das wir ausser den mesianischen Juden (ungefähr 100.000) keine Christen mit jüdischer Identität gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings eine Weltoffenheit die Beschneidung und Schweinefleisch Konsum als nicht so wichtig für das Selenheil findet, würde ich einem Petrus nicht zutrauen.



Vom Apostel Philippus ist eine Geschichte überliefert, dass er auf dem Weg von Gaza nach Jerusalem einen Kammerherrn und Eunuchen vom Hof der Königin von Äthiopien tauft, der den Propheten Jesaja liest, als Eunuche aber nicht dem mosaischen Glauben beitreten kann. (Apg 8)

Petrus betritt das Haus eines Centurios der Legion Italica namens Cornelius der "gottesfürchtig" ist und ihm zu essen anbietet, daraufhin bekommt Petrus eine Vision, die ihm verheißt, dass Gott die mosaischen Speisegebote aufgehoben habe, und allen Menschen, die an ihn glauben Erlösung zuteil werden lasse. (Apg, 9) Beim Apostelkonzil in Jerusalem redet Petrus in Zungen, und verteidigt die Heidenmission.

Unter den aus Jerusalem nach der Steinigung des Stephanus versprengten Christen befanden sich laut der Apg auch Leute aus Diasporagemeinden in Kyrene und Zypern, die das Evangelium auch Griechen predigten und in Antiochia ad Orontem die erste gemeinde gründeten.
 
Ich weiß nicht, was Du konkret mit "familienfeindliche Äußerungen" meinst. Falls Du bestimmte sexualfeindliche Ansichten meinst, so sind die nicht in den Evangelien, sondern in den Paulusbriefen enthalten, also nicht unmittelbar auf Jesus zurückzuführen. Die Evangelien selbst enthalten eigentlich nur ein Scheidungsverbot sowie die Ablehnung der Todesstrafe für Ehebrecherinnen.

Ansonsten glaube ich nicht, dass Jesus gewisse jüdische Gesetzesstellen geringgeschätzt hat, sondern dass er sie reformieren wollte.

Jesus kann in verschiedenster Weise interpretiert werden, und das ist ja auch mannigfach geschehen. Man kann die Geringschätzung der Familie z.B. aus der Tätigkeit als Wanderprediger erklären, dessen Jüngerschar die "neue Familie" war oder aus der eschatologischen Ausrichtung. El Quijote hat ja schon eine Stelle zitiert, eine andere wäre z.B. Matthäus 8, 21 mit der Aufforderung, Jesus nachzufolgen und das Begräbnis des Vaters den Toten zu überlassen, ein für antike Verhältnisse extrem krasser Fall für die Vernachlässigung von Familienpflichten.

Jesus Sexualmoral ist zwiespältig, einerseits wird z.B. das Scheidungsverbot verschärft, andererseits hat er Umgang mit Sündern. Das kann man wieder verschieden bewerten, z.B. relativ überzeugend finde ich die These, Jesus hätte zur Erreichung seines (nicht durch und durch sympathischen, weil nationalistischen) Oberziels, die jüdische Gemeinschaft in Abgrenzung zu allem anderen zu stärken, die Position der Frau in der Gesellschaft verbessern wollen, daher den Männern (die sich ja scheiden lassen durften unter gewissen Umständen) mehr Beschränkungen auferlegen wollen (z.B. Theißen/Merz, Der historische Jesus, vertreten dies).

Aber ich wollte keine Inhaltsdiskussion starten. Diese ganzen Ambivalenzen, Unklarheiten, Widersprüche bei einem in wichtigen Teilen doch stimmigen, auf den jüdischen Hintergrund bezogenen "Lehrgebäude" sind für mich ein ganz starkes Indiz, daß da wirklich jemand herumgezogen und etwas Neues, wenn auch nicht fundamental Neues (das kam erst später), gepredigt hat.
 
ok .. dann kann ich Gilgamesh u.a. andere anführen.
Da gibt es jede Menge "Geschichten" zu, die sich auch teilweise mit archäologischen Funden decken. Gleichzeitig wurden diese sogar recht kurz nach dem Tode der entsprechenden Figuren oder sogar zu deren Lebzeiten geschrieben. UND diese Texte sind auch zum Teil mit externen Quellen zur Deckung zu bringen, d.h. mit Texten anderen Sprachen / Völker.
Es gibt sogar einen König vor Gilgamesh, der als historisch gesichert gilt, Gilgamesh dagegen wird ja nur als wahrscheinlich gesehen.

Das mag etwas OT sein, aber einen neuenThread wollte ich für diese Frage nicht eröffnen. Lässt sich sicher auch in einem Satz beantworten.

@Bonito
Mich würde interessieren ob der fett hervorgehobene Teil Deines Beitrags sich auf Gilgamesch bezieht. Der Eindruck entsteht, obwohl der Plural eher auf die im ersten Satz erwähnten, namentlich nicht genannten "Anderen" hinweist.
Sollte Ersteres zutreffend sein: Von welchen schriftlichen Quellen sprichst Du?
 
Das kann man wieder verschieden bewerten, z.B. relativ überzeugend finde ich die These, Jesus hätte zur Erreichung seines (nicht durch und durch sympathischen, weil nationalistischen) Oberziels, die jüdische Gemeinschaft in Abgrenzung zu allem anderen zu stärken, die Position der Frau in der Gesellschaft verbessern wollen, daher den Männern (die sich ja scheiden lassen durften unter gewissen Umständen) mehr Beschränkungen auferlegen wollen (z.B. Theißen/Merz, Der historische Jesus, vertreten dies).
Jesus als Nationalist? Dafür hat er sich aber reichlich viel mit "Ausländern" abgegeben. Würde ein jüdischer Nationalist einen Samariter als besseren Menschen hinstellen als einen jüdischen Priester? Auch antirömische Töne sucht man vergebens. Im Gegenteil, Jesus hat doch eher Züge des Judentums, die es strikt von seiner Umgebung abgrenzten und dieser unverständlich und unbeliebt machten (z. B. striktes Sabbatgebot), relativiert.
 
Diese Geschichten wie "der historische Jesus" sind mit Vorsicht zu genießen.

Nachedem man Jesus in der jüdischen Gemeinden teilweise hart versporttet hat, veruscht man in hier als Pharisäer und jüdischen Nationalisten, vorallem den Begriff Zionist der im Buch auftaucht find ich arg witzig da dieser frühestens nach der Vertreibung der Juden zu benutzen ist.

Jesus wird da als Megajude dargestellt der vom fießen Paulus (wieder Paulus) auf gut deutsch verarscht wurde.

Paulus sei der wahre Prophet der Christenheit und nicht Jesus. Ob wir dies wirklich so einseitig beleuchten sollten würde ich nicht bejahen.
 
relativ überzeugend finde ich die These, Jesus hätte zur Erreichung seines (nicht durch und durch sympathischen, weil nationalistischen) Oberziels, die jüdische Gemeinschaft in Abgrenzung zu allem anderen zu stärken, die Position der Frau in der Gesellschaft verbessern wollen, daher den Männern (die sich ja scheiden lassen durften unter gewissen Umständen) mehr Beschränkungen auferlegen wollen (z.B. Theißen/Merz, Der historische Jesus, vertreten dies).

Jesus als Nationalist? Dafür hat er sich aber reichlich viel mit "Ausländern" abgegeben. Würde ein jüdischer Nationalist einen Samariter als besseren Menschen hinstellen als einen jüdischen Priester? Auch antirömische Töne sucht man vergebens. Im Gegenteil, Jesus hat doch eher Züge des Judentums, die es strikt von seiner Umgebung abgrenzten und dieser unverständlich und unbeliebt machten (z. B. striktes Sabbatgebot), relativiert.

Wir sollten uns davor hüten, so anachronistische Begriffe wie Nationalismus ins Spiel zu bringen. Genauso wie wir uns davor hüten sollten, die Evangelien als ereignishistorische Quelle zu lesen. Selbst zeitgenössischen ereignishistorischen Quellen ist nicht naives Vertrauen entgegenzubringen, oder, um es mit Elke Sommer ein wenig anschaulicher zu sagen:
"Wenn man einmal drei Augenzeugen über den selben Verkehrsunfall gehört hat, beginnt man nachzudenken, ob an der ganzen Weltgeschichte überhaupt etwas Wahres dran ist."
Obwohl ich sicher bin, dass die Geschichte vom barmherzigen Samariter wirklich auf ein Jesuswort zurückgeht (Samariter waren ja auch nicht so richtig "Ausländer" sondern eher "Dissidenten"), sind gerade die anderen Bezüge zu Nichtjuden wohl eher im Kontext der Entstehung der Evangelien zu verstehen, also auch als Ergebnis des Jerusalemer Apostelkonzils. Echte Nähe zu Römern findet man ja nicht, lediglich der Hauptmann (ἑκατόνταρχος, ein römischer Zenturio??? So übersetzt es zumindest Hieronymus in der Vulgata) von Kafernaum und später Pontius Pilatus begegnen Jesus (wobei diese Begegnung zwischen Pontius Pilatus und Jesus vermutlich unhistorisch ist, da Pontius Pilatus nicht in Jerusalem sondern in Caesarea Maritima residierte. Auf der anderen Seite kann es natürlich sein, dass er zum Hochfest der Juden diesen die Ehre erweisen wollte und in der Antonia Quartier nahm.

Paulus sei der wahre Prophet der Christenheit und nicht Jesus. Ob wir dies wirklich so einseitig beleuchten sollten würde ich nicht bejahen.

Hüh oder hott, auf beide ist der Begriff Prophet aus christlicher Sicht falsch. Lediglich die Muslime sehen Jesus als solchen.
 
wobei diese Begegnung zwischen Pontius Pilatus und Jesus vermutlich unhistorisch ist, da Pontius Pilatus nicht in Jerusalem sondern in Caesarea Maritima residierte. Auf der anderen Seite kann es natürlich sein, dass er zum Hochfest der Juden diesen die Ehre erweisen wollte und in der Antonia Quartier nahm.
Wenn, dann hatte es wohl weniger mit Ehrerbietung zu tun, sondern um vor Ort zu sein, wenn bei dieser riesigen Ansammlung Juden irgendwelche Unruhen ausbrechen ...
Für die Historizität spricht meiner Meinung nach, dass sich die Evangelisten (bzw. ihre Vorlage) ihrer Glaubwürdigkeit beraubt hätten, wenn sie die Geschichte erfanden, obwohl vielleicht manchem Leser bekannt war, dass der Statthalter nie nach Jerusalem kam. Außerdem ist umstritten, ob der Sanhedrin überhaupt ohne römische Zustimmung Todesurteile fällen durfte. Wenn nein, dann hätte er erst mal einen Boten nach Caesarea schicken müssen, um die Genehmigung einzuholen. Außerdem schreibt auch Tacitus, dass Christus durch Pontius Pilatus hingerichtet wurde und nicht bloß unter seiner Statthalterschaft.
 
Naja schon den Kindermord von Herodes wurde von den damaligen Christen nicht übelgenohmen.

Wenn man davon ausgeht das viele jüdische Christen von diesem Ereigniss gehört haben mussten wenigstens.
 
Da hast Du recht, aber bonito unterstellte dem Christentum, eine auf einen Putsch ausgerichtete revolutionäre Bewegung der Unterschicht gewesen zu sein, darauf zielte meine Antwort. Man stelle sich einmal vor, die Kommunisten im 19. Jhdt. hätten zur Loyalität gegenüber den Monarchen aufgerufen und eine gewaltsame Veränderung der herrschenden politischen und gesellschaftlichen Zustände strikt abgelehnt ...
Bonito verkennt das Wesen einer Erlösungsreligion völlig.
Ich habe das nicht unterstellt, sonder als einen der möglichen Gründe für den Erfolg und das Entstehen dieser jüdischen Sekte angegeben.
 
Das mag etwas OT sein, aber einen neuenThread wollte ich für diese Frage nicht eröffnen. Lässt sich sicher auch in einem Satz beantworten.

@Bonito
Mich würde interessieren ob der fett hervorgehobene Teil Deines Beitrags sich auf Gilgamesch bezieht. Der Eindruck entsteht, obwohl der Plural eher auf die im ersten Satz erwähnten, namentlich nicht genannten "Anderen" hinweist.
Sollte Ersteres zutreffend sein: Von welchen schriftlichen Quellen sprichst Du?
Also aus den Gilgamesh "Geschichten" gibt es einiges was sich mit historischen Funden dekct, z.B. die Beschreibungen Uruks. etc.
Es gibt aber auch Texte zu andern historischen Figuren, die sich archäologisch gut nachprüfen lassen.
Z.b. den babylonischen Editor des Gilgamesh Epos (hatte ich denke ich auch schon erwähnt)
Da gibt es Heiratsurkunden usw. einer ganzen Familien Dynasty von Schreibern.
Meine Quelle dazu war "Mathematics in the Ancient Iraq / A social study" von Robson. In dem Buch sind auch die benutzten Tafeln gelistet, soll ich die raussuchen?
 
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