relativ überzeugend finde ich die These, Jesus hätte zur Erreichung seines (nicht durch und durch sympathischen, weil nationalistischen) Oberziels, die jüdische Gemeinschaft in Abgrenzung zu allem anderen zu stärken, die Position der Frau in der Gesellschaft verbessern wollen, daher den Männern (die sich ja scheiden lassen durften unter gewissen Umständen) mehr Beschränkungen auferlegen wollen (z.B. Theißen/Merz, Der historische Jesus, vertreten dies).
Jesus als Nationalist? Dafür hat er sich aber reichlich viel mit "Ausländern" abgegeben. Würde ein jüdischer Nationalist einen Samariter als besseren Menschen hinstellen als einen jüdischen Priester? Auch antirömische Töne sucht man vergebens. Im Gegenteil, Jesus hat doch eher Züge des Judentums, die es strikt von seiner Umgebung abgrenzten und dieser unverständlich und unbeliebt machten (z. B. striktes Sabbatgebot), relativiert.
Wir sollten uns davor hüten, so anachronistische Begriffe wie
Nationalismus ins Spiel zu bringen. Genauso wie wir uns davor hüten sollten, die Evangelien als ereignishistorische Quelle zu lesen. Selbst zeitgenössischen ereignishistorischen Quellen ist nicht naives Vertrauen entgegenzubringen, oder, um es mit Elke Sommer ein wenig anschaulicher zu sagen:
"Wenn man einmal drei Augenzeugen über den selben Verkehrsunfall gehört hat, beginnt man nachzudenken, ob an der ganzen Weltgeschichte überhaupt etwas Wahres dran ist."
Obwohl ich sicher bin, dass die Geschichte vom barmherzigen Samariter wirklich auf ein Jesuswort zurückgeht (Samariter waren ja auch nicht so richtig "Ausländer" sondern eher "Dissidenten"), sind gerade die anderen Bezüge zu Nichtjuden wohl eher im Kontext der Entstehung der Evangelien zu verstehen, also auch als Ergebnis des Jerusalemer Apostelkonzils. Echte Nähe zu Römern findet man ja nicht, lediglich der Hauptmann (ἑκατόνταρχος, ein römischer Zenturio??? So übersetzt es zumindest Hieronymus in der
Vulgata) von Kafernaum und später Pontius Pilatus begegnen Jesus (wobei diese Begegnung zwischen Pontius Pilatus und Jesus vermutlich unhistorisch ist, da Pontius Pilatus nicht in Jerusalem sondern in Caesarea Maritima residierte. Auf der anderen Seite kann es natürlich sein, dass er zum Hochfest der Juden diesen die Ehre erweisen wollte und in der Antonia Quartier nahm.
Paulus sei der wahre Prophet der Christenheit und nicht Jesus. Ob wir dies wirklich so einseitig beleuchten sollten würde ich nicht bejahen.
Hüh oder hott, auf beide ist der Begriff
Prophet aus christlicher Sicht falsch. Lediglich die Muslime sehen Jesus als solchen.