lemming099
Aktives Mitglied
Gibt es da einen wissenschaftlichen Dissens, der mir verborgen geblieben ist?
Nein, ich hab bisher auch noch nicht gelesen, dass ein Autor sich zur dieser Frage überhaupt geäußert hat. Aber in diversen Foren wird häufig die Behauptung aufgestellt, dass die eingewanderten Türken mongolid waren. Ich hab mir die Frage gestellt, ob es für dafür eine wissenschaftliche Evidenz gibt, die das untermauern würde.
Eine selbstverständliche Annahme, die Türken seien mongolid gewesen, kann es natürlich nicht geben. Angesichts der jahrhundertelangen engen Nachbarschaft zu mongolischen Völkern ist allerdings nicht auszuschließen, dass manche Turkstämme stärkere mongolide Einschläge aufweisen. Das kann, glaube ich, jeder einräumen. Es ist ja auch nicht so, dass dies ein Makel wäre!
Damit man mich nicht falsch versteht: Mir ist es völlig egal, ob jemand mongolid, europid oder gemischt ist. Die anthropologischen Untersuchungen zeigen auch eindeutig, dass die historischen Turkvölker eben keine „Rassengemeinschaften“ und schon immer stark vermischt waren. Was ich aber als extrem rassistisch empfinde, irgendwelche Völker in Ostasien als Rassenmaßstab zu nehmen und zu sagen, die „Türken sind keine Türken“, weil sie nicht aussehen wie die heutigen Mongolen. Nicht einmal die Awaren sahen mehrheitlich aus wie die Mongolen!
Das halte ich für eine sehr gewagte Hypothese, die sich kaum schlüssig beweisen lässt. Skythen, Alanen, Sarmaten, Yüeh-chi (echte Tocharer) und andere iranische Völker haben in historischer Zeit nie im Raum der heutigen Mongolei gesessen. Es gibt für eine solche Behauptung keine schlüssigen Beweise.
Aber die ältesten archäologischen Funde aus der Region, die man bestimmten Populationen zuordnen kann, stammen von iranischen Völkern, wie den Skythen. Die Pazyryk-Kultur am Altai-Gebirge stammt aus der Skythen-Zeit. Es stellt sich doch die Frage, wieso es aus keine archäologischen Funde aus der Zeit gibt, die als „türkisch“ zu klassifizieren sind.
Es handelt sich um ältere Bevölkerungsgruppen, die von den Türken überschichtet und assimiliert wurden. Und das waren vermutlich (!) sowohl iranische Gruppen als auch altaische wie die Juan-Juan (Rouran) oder Hsiung-nu, wobei bis heute unklat bleibt, ob diese Völker nun europid oder mongolid aussahen oder sie eine Turksprache oder ein mongolisches Idiom sprachen. Die Forschungl geht aber seit geraumer Zeit davon aus, dass es sich bei Hsiung-nu, Hunnen oder Awaren um turkstämmige Völker handelte.
Zu den Hsiung-nu habe ich ein Zitat, das belegt, dass auch diese rassisch alles andere als homogen waren:
»Die Frage nach der ethnischen Herkunft der Xiongnu, die von Linguisten und Philologen diskutiert wird, hat bislang noch keine konsensfähige Antwort erbracht. Welche Sprache ihnen zu Eigen war, also ob es sich um eine turksprachige oder eine mongolisch sprechende Bevölkerung handelte, ist ebenfalls noch ein diskutiertes Thema. Weil die Anthropologen bei ihren Analysen zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, bleibt ebenso unklar, ob die Bevölkerung im Wesentlichen mongolide Züge trug. « (Brosseder, Ursula: Zur Archäologie der Xiongnu, in: Attila und die Hunnen, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, Stuttgart 2007, S. 63)
Nicht einmal bei den Hsiung-nu lässt mit Sicherheit sagen, ob diese mehrheitlich mongolid waren. Die Hsiung-nu waren eine Stammesverband im Gebiet der heutigen Mongolei, mit wahrscheinlich altaischer oder altsibirischer Sprache. Also keine Skythen.
Zuletzt bearbeitet: