Die Kirche als Bremser des wissenschaftlichen Fortschritts ab 1540

Im Falle Bruno zeigt doch wohl auch die Bitte keine Strafen gegen Leib und Leben zu verhängen und die dann trotzdem erfolgte Hinrichtung wie weit es mit dem Abhängigkeitsverhältnis der Römer vom Vatikan so her war.
Wir wissen doch gar nicht, was Stadt und Vatikan hinter den Kulissen so ausmauschelten. Liest man einen Lebenslauf Brunos, so muss er wie manche frühchristliche Heilige geradezu Sehnsucht nach dem Martyrium gehabt haben. Auch er hätte wie später Galilei jederzeit abschwören und sich meinetwegen seinen Teil dabei denken können.
 
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Wir wissen doch gar nicht, was Stadt und Vatikan hinter den Kulissen so ausmauschelten.
Nein das wissen wir nicht. Es gibt allerdings einschlägige Quellen und solange keine anderslautenden Quellen irgendwo entdeckt werden, gilt nun mal das was bis dato überliefert ist, nicht mehr und nicht weniger. In dubio pro reo sollte auch hier der Grundsatz sein und eben nicht in dubio contra ecclesia.

Auch er hätte wie später Galilei jederzeit abschwören und sich meinetwegen seinen Teil dabei denken können.
Das Angebot eines teilweisen Widerrufs kam sogar von ihm, nachdem er aber vollständig widerrufen sollte, lehnte er ab (insbesondere weil er die Gottessohnschaft Jesu und das Jüngste Gericht anzweifelte).
 
Versteh ich nicht. Was ist mit Godman nicht?

Aus dem Link:
"Im Herbst 2002 hat er [Peter Godman] einen Ruf an die Sapienza in Rom angenommen. Man tritt ihm wahrscheinlich nicht zu nahe, wenn man ihn als Vertrauensmann der Glaubenskongregation. also der Nachfolgerin der von Pius III. gegründeten Behörde, bezeichnet." [SIZE=-1]Willi Winkler zur Fernsehdokumentation "Die geheime Inquisition" nach dem Buch von Peter Godman, SZ, 11.1.2003, S.18[/SIZE]
Dessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe...
 
Also bitte, das ist zum einen eine Tatsache und nicht nur eine bloße Behauptung, zum anderen haben es dir die in der verlinkten Diskussion Beteiligten sehr wohl erklärt und entsprechend verlinkt. Und nur weil es sich bei der Scheibenerde um ein beliebtes Hollywood-Motiv handelt, heißt das noch lange nicht, dass das tatsächlich gelehrt wird. Zumindest ich habe es im Geschichstunterricht richtig beigebracht bekommen und halte genau dieses Wissen auf für Allgemeinbildung, insbesondere, wenn man sich für Geschichte interessiert.

Wobei man zugestehen muss, dass in aktuellen Schulgeschichtsbüchern, z.B. Zeiten und Menschen 2 für die Jahrgangsstufe 8 schlicht falsche Informationen stehen. In dem Buch steht zwei Mal, dass man im MA eine Scheibenvorstellung gehabt habe und es wird außerdem zur Illustrierung der im 19. Jhdt. von Camille Flammarion gefälschte Druck beigefügt, auf dem ein Mann durch die Sphäre über den Scheibenrand schaut. Dies im Kontext zum Weltbild des 16. Jhdts., ohne entsprechenden berichtigenden Kommentar.
 

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Wobei man zugestehen muss, dass in aktuellen Schulgeschichtsbüchern, z.B. Zeiten und Menschen 2 für die Jahrgangsstufe 8 schlicht falsche Informationen stehen. In dem Buch steht zwei Mal, dass man im MA eine Scheibenvorstellung gehabt habe und es wird außerdem zur Illustrierung der im 19. Jhdt. von Camille Flammarion gefälschte Druck beigefügt, auf dem ein Mann durch die Sphäre über den Scheibenrand schaut. Dies im Kontext zum Weltbild des 16. Jhdts., ohne entsprechenden berichtigenden Kommentar.
Peinlich genug, dass sowas geschrieben, verlegt und dann auch noch von Schulen angeschafft wird. Nichts desto trotz gibt es aber doch wohl noch Geschichtslehrer, die hoffentlich zu entsprechenden Kommentaren fähig sind.
 
Die Kirche als Bremser des wissenschaftlichen Fortschritts nach 1540


Um 1480 hatte sich eine neue Sichtweise auf die Gestalt der Erde durchgesetzt: Sie sei eine Kugel, auf deren äußeren Oberfläche wir leben. Dies ergibt sich beim Blick auf die freie See. Entgegen kommende Schiffe tauchen am Horizont allmählich auf, zuerst die Masten, dann der Rumpf. Die Oberfläche der See ist also gekrümmt, das Festland auch. Befürchtungen, die Wasser des Ozeans würden außen als Sturzbach abfließen, bewahrheiten sich nicht. Auch die Angst, auf der anderen Seite der kugelförmigen Erde müsse man sich mit am Boden festgeschraubten Hanteln vor einem Absturz bewahren, verfliegt. Die Welt sieht auch in Down Under (Australien) aus wie bei uns: Alle Dinge fallen nach unten Richtung Mittelpunkt der Erde. Die Expeditionen von Columbus, da Gama und Magellan bestätigen dies.
Als Globus dargestellt wird der Gedanke verlockend, die Erde gegenüber einer fest stehenden Sonne um die eigene Achse rotieren zu lassen. So läßt sich der Wechsel von Tag und Nacht leicht erklären. Ein Umlauf um die Sonne braucht dann ein Jahr (Nikolaus Kopernikus 1543).
Die neue Sichtweise schiebt die Menschheit von Platz Eins (Ebenbild Gottes) auf einen hinteren Platz:
1. Gegenüber einer flachen Erde ist der Blick auf die Weltkugel schwieriger: Der liebe Gott sieht alles!
2. Die Erde ist nur ein Planet von einigen (Merkur, Venus, Mars,...), nach Giordano Bruno von im Weltall unendlich vielen.
3. Wer möchte schon auf einer Welt leben, die im All herumwirbelt, wo doch der Augenschein lehrt, alles ist stabil.

Die Kirch befürchtet eine Loslösung von Gott: Ist der Mensch nicht einzigartig, so kümmert sich Gott vielleicht nicht um ihn, Gebete erreichen nicht ihr Ziel. Die Kirche widersetzt sich zunehmend der Sichtweise des wissenschaftlichen Fortschritts:
Giordano Bruno wird 1600 als Ketzer verbrannt.
Das Buch von Kopernikus "De Revolutionibus..." kommt 1616 auf den Index.
Galileo Galilei muß 1633 die These von der sich bewegenden Erde widerrufen.
Wie beurteilen wir Heutigen diese Haltung: Rückwärtsgewandt und borniert oder erfüllt von Fürsorge für die Menschen?
 
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Erstens einmal die Kirche wie alle Gebildeten gingen von der Kugelgestalt der Erde aus, im Mittelalter genauso wie wir heute. Kolumbo hatte das Glück, dass Amerika dazwischen war sonst wäre er verdurstet auf seinen Weg nach Indien.

Nun gut man muss da jetzt differenzieren, dass Verhalten mit welchem man Galileo und Bruno strafte ist unentschuldbar. Bruno lehrte übrigens das es viele Sonnen gäbe die ähnlich beschaffen sind wie unsere.

Bei Galileo ist allerdings so, dass er auch in der heutigen Regeln in der Wissenschaft sich damals nicht durchgesetzt hätte. Denn seine Berechnungen der Laufbahn der Erde waren Falsch (weil er von davon ausging das die Erde in Kreisbahnen um die Sonne kreist). Erst Kepler gab die richtige mathematische Beschreibung, welche dann auch akzeptiert wurde.
 
Es ist unverkennbar, dass Kirche und Naturwissenschaften lange Zeit auf Kriegsfuß standen.

Über das ganze Mittelalter hinweg und bis in die Neuzeit beanspruchte die römische Kirche hinsichtlich der Naturwissenschaften die letzte Erkenntnis zu besitzen. Gegen Forschungen hatte die Kirche nichts einzuwenden, doch wandte sie massive Zwangsmittel an, wenn Forschungsergebnisse den "Wahrheitsgehalt" der Bibel oder die Autorität der Kirche in frage stellten. Bekannte Bdeispiele sind Galileo Galilei oder die Erkenntnisse des Darwinismus.

Extrem rückschrittlich ist schließlich der religiös-fundamentalistische Kreationismus in den USA, der noch heute die Evolution des Menschen leugnet.
 
@Zoki55, #2: Bis zu den Entdeckungsreisen war die Kugelgestalt der Erde eine Vorstellung, danach eine Tatsache. Schlimmer, der Globus, den ein Bürger, z.B. ein wohlhabender Kaufmann, besaß, war ein anschauliches Modell der Kugelerde. Hier konnte jeder die Entdeckungsreisen nachvollziehen. Seitlich beleuchtet, war auf dem Globus auf der einen Seite Helligkeit (Tag), auf der Rückseite entsprechend Nacht. Wird der Globus gedreht, wandert die Tagseite. Das ist einfacher, als mit der Lampe um den Globus herumzugehen. Mancher fragte sich entsetzt, sollten wir tatsächlich auf so einer Kugel leben, evtl. einer Kugel von vielen? Die Reaktion der Kirche, überspitzt: Nicht der Globus wird verboten, sondern seine Rotation.
 
@ Dieter, #3: Der Darwinismus ist ein gutes Beispiel, hier sträubte sich die Amtskirche beharrlich. Es besteht wohl Übereinstimmung, lieber schmerzliche Wahrheiten zu erfahren als mitleidige Verhüllungen. Aber auch das gilt nur eingeschränkt. So müssen Ärzte prüfen, wieviel sie dem Patienten als Diagnose zumuten dürfen.
 
Der WTF ist so ein weites Feld...
Die Kirche als Bremser!?

Besser wäre vielleicht gewesen die Frage so formulieren...

Hat sich der Einfluss der Kirche nach 1540 auf den WFT verringert?
Wenn nein, ergibt sich die Frage, wo hatte oder hat denn die Kirche noch Einfluss, mit welcher Nachhaltigkeit, mit welcher Wirksamkeit auf den WFT?

Ich stelle deshalb diese Frage so.
Der Begriff „Bremsen“ bedeutet für mich, es gibt eine Entwicklung deren Tempo ich nicht mittrage, es geht mir zu schnell, ich kann aber hier nur bremsend wirken weil, ich kann ja die Entwicklung sowieso nicht aufhalten. Im Gegensatz dazu, Möglichkeiten eines abbremsen im Sinne von Blockade, Stillstand.

Besser wäre es, wenn sich dieses Thema mit der Wirksamkeit (positiv - negativ)
des Einflusses und mit Möglichkeiten des Abbremsens beschäftigen.


Hier sollte man aber sehr differenziert vorgehen und sich auf konkrete Sachverhalte beschränken. Pauschal bringt hier m.E. nichts.

Mein Eindruck ist, die Kirche (katholische wie evangelische) weist verstärkt auf der Grundlage ihrer Berufung, ihrer Lehre auf die moralische Verantwortung der Menschen im Umgang/Verwendung von Ergebnissen des WTF hin.
Sie beschäftigt sich damit und schaut hin, was Menschen mit dem einen oder anderen Forschungsergebnis anstellen, wie der Mensch mit diesen Forschungsergebnis umgeht, dh. zum Nutzen oder zum Fluch der Menschen.
Dieses Tätigkeitsfeld sehe ich im zunehmenden, wachsenden Maße.

Das schließt jedoch nicht aus, dass die Kirche das eine oder andere Forschungsthema und oder deren Ergenisse ablehnt, dies jedoch aus vielerlei Gründen.

Schaut man sich an um was es da geht, stellt man auch fest, einige solcher Themen sind auch unter Atheisten umstritten.
Hier meine ich spezielle Forschungen im militärischen Verteidigungsbereich, aber auch spezielle Forschungen im Bereich der Biologie und auch anderen.

Andere Themen, wie das z.B. schon hier genante große Thema Evolutionstheorie sind nicht so ihr Ding.
Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob die Kirche generell die Evolution ablehnt oder nur einige Teilgebiete.


Allerdings, beim WFT sollte man schon auspassen, denn...

Einerseits:

"Ihr mögt mit der Zeit alles entdecken, was es zu entdecken gibt, und euer Fortschritt wird doch nur ein Fortschreiten von der Menschheit weg sein.
Die Kluft zwischen euch und ihr kann eines Tages so groß werden, dass euer Jubelschrei über irgendeine neue Errungenschaft von einem universalen Entsetzensschrei beantwortet werden könnte.“

Andererseits:

„Der Kampf um die Messbarkeit des Himmels ist gewonnen durch Zweifel; durch Gläubigkeit muß der Kampf der römischen Hausfrau um Milch immer aufs neue verloren gehen.“

Beides B. Brecht: „Leben des Galilei“.
 
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Es ist unverkennbar, dass Kirche und Naturwissenschaften lange Zeit auf Kriegsfuß standen.

Über das ganze Mittelalter hinweg und bis in die Neuzeit beanspruchte die römische Kirche hinsichtlich der Naturwissenschaften die letzte Erkenntnis zu besitzen. Gegen Forschungen hatte die Kirche nichts einzuwenden, doch wandte sie massive Zwangsmittel an, wenn Forschungsergebnisse den "Wahrheitsgehalt" der Bibel oder die Autorität der Kirche in frage stellten. Bekannte Bdeispiele sind Galileo Galilei oder die Erkenntnisse des Darwinismus.

Extrem rückschrittlich ist schließlich der religiös-fundamentalistische Kreationismus in den USA, der noch heute die Evolution des Menschen leugnet.


Fast das ganze Mittelalter hindurch waren die einzigen Bildungseinrichtungen in Europa kirchliche Einrichtungen Klöster kopierten und tradierten antike Texte, verbreiteten Techniken der Land- und Teichwirtschaft und nicht zuletzt der alkoholischen Veredelung von Agrarprodukten. Kathedralenbau ist nicht möglich ohne solide mathematische Kenntnisse, und auch eine Kalenderreform wie die Gregorianische setzt Forschung und Lehre voraus. Das Bildungsmonopol der römisch-katholischen Kirche im Mittelalter wurde erst durch die Gründung von Universitäten seit 13. Jahrhundert in Frage gestellt, und es lag in der Natur der Sache, dass andere Fakultäten sich von der Theologie emanzipierten und nicht länger in den Denkmustern der Spätscholastik verharrten. Der bedeutendste Orden der Gegenreformation, der der Jesuiten war seit seiner Gründung Bildung, Forschung und Lehre gegenüber sehr aufgeschlossen, und Gregor Mendel, der die nach ihm benannten Regeln der Genetik entdeckte, war Augustinerpater.

Die Kirchen konnten es sich gar nicht leisten, mit der Wissenschaft auf totalem Kriegsfuß zu stehen, denn dann hätten sie nicht gewusst, was man indizieren sollte. Es gab Theologen, die keinen Widerspruch zwischen dem kopernikanischen Weltbild und dem Schöpfungsbericht sahen. Einige Päpste förderten weiterhin Forschung und Lehre, nur das Bildungsmonopol hatte die mittelalterliche Kirche verloren, als Bildungseinrichtung war sie überholt worden und dazu hatte sie auch die Deutungshoheit über das Weltbild verloren, das seit der Aufklärung ein säkulares geworden war.
 
Nun gut so was wie Wissenschaft gab es im Frühmittelalter so gut wie nicht, die Leute waren zu sehr damit beschäftigt damit zu überleben.

Was die Kirche angeht man muss auch sagen, bei der Evolutionstheorie gab es auch unter atheistischen Wissenschaftlern Gegner, genauso wie Theologen die für Darwin waren.

Bei Bruno ist auch die Frage was führte zu seiner Hinrichtung seine wissenschaftliche Arbeit oder sein pantheistisches Weltbild.

Galileo muss man jetzt auch fragen, war es seine wissenschaftliche Arbeit oder die persönliche Kränkung des Papstes (als er diesen als Idioten darstellte) welche zu seiner Strafe führte.

Da gibt es einige Aspekte die dort mitspielen.
 
@ Ralf.M, #6: Die Amtskirche stellte sich, besorgt um das Seelenheil ihrer Gemeinden, schützend vor sie: Niemand sollte Gottesferne erleben, als Kleinstlebewesen auf einer wirbelnden Erde, auf ihrer Reise durch ein leeres All. Diese Vorstellung, uns geläufig, behagte nicht jedem. So kam es um 1900 (!) zur Hohlwelt-Theorie, die rasch Anhänger fand. Danach leben wir in einem kleineren, anheimelnden Universum, nämlich auf der Innenseite einer Hohlkugel, Durchmesser 12000 km, die USA schräg über uns. Das Licht beschreibt Parabelbahnen wie ein geworfener Stein, daher der Horizont. Fachastronomen rauften sich die Haare, ohne Erfolg. Heute, nach dem Flug zum Mond ist jedem klar, daß wir auf der Erdkugel außen leben. Ähnlich wirkte die Welteis-Lehre, wonach eine Anzahl Sterne nur Eisstücke sind, die im Lichte unserer Sonne schimmern. Auch diese Ansicht fand ab 1920 viele Anhänger, ohne daß die Fachwelt mit Argumenten durchdrang. Der Hintergrund war wohl die Angst vor einem grenzenlosen Weltall, in dem wir nur Partikel sind.
Auch wir Heutigen sind nicht frei von durch nichts bestätigten Meinungen: Wer geht nicht nach dem Lesen eines für ihn günstigen Horoskops beschwingt in den Tag, ungetrübt durch Überlegungen nach dem Wahrheitsgehalt solcher Prophezeiungen?

Heute hat sich die Amtskirche aus ihrer Bremserfunktion zurückgezogen, vermutlich sowohl infolge Machtverlust wie auch durch Überlegung.
 
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