Antike Kriegstraumata

Die hohe und fruehe Sterblichkeitsrate aufgrund der hygienischen Verhaeltnisse, eine wesentlich brutalere Gesellschaftsordnung, wo der Tod zum unmittelbarem Umfeld gehoerte (man denke nur an die Toetung oder Opferung der Unmengen an Tieren, Kriegsgefangenen im Alltag usw.) sollte die Menschen schon sehr abgestumpft haben. Nichtdestotrotz werden Traumata im Krieg immer aufgetreten sein, da der Krieg immer brutaler, als der Lebensalltag ist. Man denke nur an die vergewaltigten Frauen nach der Eroberung einer Stadt.
Doch war der Alltag so hart, dass diese Traumata dann in das normale Alltagsgeschehen wieder einflossen und die Menschen dies als "normal" ansahen, wenn jemand butal sein Traumata abreagierte.
 
Es ist natürlich schwer, das heutige Bild von psychologischen Störungen auf die Antike anzulegen, da deren Definition unweigerlich mit den zeitlich und gesellschaftlich korrespondierenden Menschenbildern zusammen hängt.

Ich würde nicht ausschließen, dass es auch in der Antike so etwas wie ein posttraumatisches Syndrom gab, zumal langfristige Verletzungen aus Gewalthandlungen wie Verstümmelungen etc. in manchen Bevölkerungen nicht selten waren. Es fällt aber schwerer, sich vorzustellen, dass die antiken Schriftsteller darüber etwas berichtet hätten.

Dass psychologische Faktoren eine Rolle gespielt haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Dies klingt etwa bei der Selbsttötung unterlegener Gegner an - etwa bei Varus oder noch stärker bei den Verteidigern von Massada, weil diese auch die Frauen und Kinder töteten.

Und dann fällt mir doch noch ein sehr individuelles Beispiel ein, deswegen überliefert, weil hier ein Geschichtsschreiber über selbst Erlebtes spricht: es geht um die Episode, wie Flavius Josephus dem geplanten Massenselbstmord in der Zisterne in Jotapata entgeht. Man weiß freilich nicht, inwieweit ihn das Erlebnis psychisch belastet hat; aber ich denke, so etwas zu erleben, weißt schon in die Richtung eines Traumas.

Josephus-Problem ? Wikipedia
 
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zumal langfristige Verletzungen aus Gewalthandlungen wie Verstümmelungen etc. in manchen Bevölkerungen nicht selten waren. Es fällt aber schwerer, sich vorzustellen, dass die antiken Schriftsteller darüber etwas berichtet hätten.
Das einzige Beispiel,das mir dazu einfällt ist das dem Nibelungenkreis zugehörige Walthari-Lied im Mittelalter, wo alle drei überlebenden Helden verstümmelt sind.
Walther verliert eine Hand,Hagen ein Auge und Gunther kriegt eine Beinwunde´ab.Allerdngs ist hier von Traumatisierung nichts zu lesen-im Gegenteil, die Protagonisten reißen noch Witze über ihre Verstümmelungen.
 
Im Zusammenhang mit Traumatisierung muss man einen ganz wesentlichen Unterschied machen, nämlich einerseits die Traumatisierung und andererseits die Verarbeitung dieses Traumas in Folge, die je nach psychischer Veranlagung ganz unterschiedliche verlaufen kann.
Der Umstand, dass man in antiken Quellen recht wenig über Traumatisierungen findet, liegt zunächst einmal darin, dass man es nicht erkannt und auch nicht anerkannt hat. Folgeerscheinungen von Traumatisierten galten bis in jüngste Zeit als Kennzeichen von Feiglingen und Schwächlingen. Mir fällt dazu gerade die Aussage eines Kommilitonen ein, mit dem ich mich letzten Sommer bei einem Kaffee über dieses Thema unterhalten hatte, woraufhin er in ganz verächtlicher Weise meinte, dass die Soldaten im Irak und Afghanistan doch jetzt plötzlich alle traumatisiert seien, nach dem Motto, sind doch alles nur Drückeberger. Das zeigt doch, dass das Unverständnis bis heute in den Köpfen zuhause ist. Wenn einem nicht der Kopf oder Arm weghängt, dann ist man eben nicht verwundet. So ein bißchen Vergewaltigung oder Miterleben von Kriegsgreuel muss man doch wegstecken können. Die Berichte von Frauen, die diese Grausamkeiten im 20. Jahrhundert erlebt haben und die noch nach vielen Jahrzehnten in gleicher Weise verletzt reagieren wie jene, die es erst ein paar Wochen oder Jahre hinter sich haben, zeigen, dass die Menschen viel verdrängen können, es aber damit noch lange nicht überwunden haben.
Das Argument, die hätten doch damals so viel Grausamkeit erlebt, sticht m.E. nicht. Was hier immer mit der Arena angeführt wird, war doch kein Alltagserlebnis, sondern ein besonderes Ereignis und das erst recht, wenn man nicht in Rom lebte. Weiter ist es immer ein himmelhoher Unterschied das Leid anderer zu betrachten oder darüber zu reden oder ob es um einen selbst geht. Da ändert sich dann so vieles im eigenen Weltbild. Auch finde ich nicht, dass wir uns zu harmlos wahrnehmen sollten. Auch wir dröhnen uns tagtäglich mit schlimmster Gewalt zu. Ob das in irgendwelchen Liedertexten ist oder in Filmen. Teilweise ist es sogar so, dass man im Fernsehen schon gar nicht mehr weiß, wo man hinschalten soll, weil auf jedem Kanal gemordet wird, als gäbe es nur noch Verbrechen und würden diese nur noch aus stumpfen Gewaltverbrechen und Sexualdelikten bestehen. Und jetzt soll keiner sagen, dass das nur Film sei, denn darin besteht ja gerade der Kick am Film, dass man in der entsprechenden Situation gerade das Wissen um die Fiktionalität ausblendet. Im Grunde ist es die gleiche Lüsternheit, die einen die Tatorts dieser Welt ansehen lässt, die auch den Römer in die Arena lockte und dennoch sagt das nichts darüber aus, wie man reagieren würde, wenn es einem selbst an den Kragen ginge.
 
@ Amalaswintha:
Solche Aussagen wie die Deines Kommilitonen kommen eigentlich nur von Leuten, die nie in die Situation einer "Traumatisierung" bzw überhaupt in die Nähe von sowas gekommen sind.
Solche Sprüche wie "dulce est, pro patria mori" kommen von Leuten, die nie dazu Gelegenheit hatten.

Traumatisierungen kannte man schon, "Schrecken des Krieges" genannt, nur war man besser darauf vorbereitet, durch die nicht überlieferten "Heldensagen" und die Erzählungen Überlebender und auch das Verarbeiten ging leichter, weil es Leute gab, die auch die Schrecken überlebt und verarbeitet haben. Wenn Dir beim Schweinschlachten einer sagt, so sieht einer aus dem der Bauch aufgeschlitzt wurde, nur schreit der noch dazu, gut, dann siehst Du den letzten Geburtstagskuchen und das Schnitzel schmeckt erstmal nicht so gut. Aber! es wird erklärt und nicht einfach abgetan. So vorbereitet ist das Trauma nicht so tief und leichter zu verarbeiten.

Gewöhnung geht kaum, es sei denn ,man wird verrückt wie Achill. Früher sagte man in Kreisen schlagender Verbindungen, wer behauptet, vor der Partie keine Angst zu haben, lügt oder hat noch nie gefochten.
Welcher der antiken Schriftsteller, die "Heldentaten" propagierten war eigentlich selbst in vorderster Front an Kriegshandlungen beteiligt?
 
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Na ja, in Erzahlungen wird natürlich nur das vermeintlich Positive herausgekehrt und das Negative,wo immer es geht ,verdrängt. Wie das im Inneren aussieht ist dann ne ganz andere Sache.
Das werden die Veteranen der antike nicht anders gehandhabt haben als die heutigen, insbesondere wenn in den betreffenden Gesellschaften ohnehin ein Machismo-Kult gepflegt wurde.
Und die Chronisten haben diese Erzählungen übernommen.
 
@ Amalaswintha:
Solche Aussagen wie die Deines Kommilitonen kommen eigentlich nur von Leuten, die nie in die Situation einer "Traumatisierung" bzw überhaupt in die Nähe von sowas gekommen sind.
Solche Sprüche wie "dulce est, pro patria mori" kommen von Leuten, die nie dazu Gelegenheit hatten.

Traumatisierungen kannte man schon, "Schrecken des Krieges" genannt, nur war man besser darauf vorbereitet, durch die nicht überlieferten "Heldensagen" und die Erzählungen Überlebender und auch das Verarbeiten ging leichter, weil es Leute gab, die auch die Schrecken überlebt und verarbeitet haben. Wenn Dir beim Schweinschlachten einer sagt, so sieht einer aus dem der Bauch aufgeschlitzt wurde, nur schreit der noch dazu, gut, dann siehst Du den letzten Geburtstagskuchen und das Schnitzel schmeckt erstmal nicht so gut. Aber! es wird erklärt und nicht einfach abgetan. So vorbereitet ist das Trauma nicht so tief und leichter zu verarbeiten.

Gewöhnung geht kaum, es sei denn ,man wird verrückt wie Achill. Früher sagte man in Kreisen schlagender Verbindungen, wer behauptet, vor der Partie keine Angst zu haben, lügt oder hat noch nie gefochten.
Welcher der antiken Schriftsteller, die "Heldentaten" propagierten war eigentlich selbst in vorderster Front an Kriegshandlungen beteiligt?


Dulce et decorum est, pro patria mori= süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben, stammt von Horaz, und der hatte durchaus Kriegserfahrungen an vorderster Front vorzuweisen. Als Militärtribun focht er bei philippi auf Seiten von Brutus und Cassius. Der Militärdienst in der antiken Welt war eine Art Wehrpflicht, die mit Privilegien verbunden war, Sklaven oder Fremde konnten gar keine Hopliten oder Legionäre werden. Thukydides und Xenophon wussten recht genau, wovon sie schrieben, ebenso wie Caesar, Plinius, Sallust und die meisten römischen Historiographen zumindest als Stabsoffiziere militärische Erfahrungen gesammelt haben.

Der Krieg war in der klassischen Antike ein ganz selbstverständliches Mittel der Politik, Griechen wie Römer wie andere Kulturen wuchsen mit den Werken Homers, den Sagen eines Herakles auf, wie die Römer das Andenken von Cincinnatus, Horatius Cocles oder Mucius Scaevola pflegten. Im Amphitheater floss reales Blut, und Plinius, ebenso wie Cicero bewunderten die Gladiatoren. Wenn ein Sklave dazu imstande war, seinen eigenen Tod zu inszenieren und das "Eisen zu empfangen", was mochte dann erst ein freier Römer leisten, schrieb Cicero.

Es fällt schwer zu glauben, dass es sich dabei nur um nebulösen Schwulst handelt. Es handelt sich ja, zumal bei den Römern, um eine Kultur, eine Gesellschaft, in der Blut und Gedärme nicht nur schmückendes Ornament waren, sondern geradezu staatstragende Funktion spielten. Gerade bei Cicero wird das deutlich: Als die Schergen Marc Antons ihn stellten, bot ihnen Cicero den Hals dar.
 
Mit vorderster Front meinte ich eigentlich "erste Reihe". Caesar behauptet das von sich, aber so´n Schwulst hat der sich verkniffen, soweit ich weiß.
Zugucken und Befehle geben ist noch ne andere Qualität als da zu stehen und den Angriff abwarten.
 
Im Zusammenhang mit Traumatisierung muss man einen ganz wesentlichen Unterschied machen, nämlich einerseits die Traumatisierung und andererseits die Verarbeitung dieses Traumas in Folge, die je nach psychischer Veranlagung ganz unterschiedliche verlaufen kann.
Der Umstand, dass man in antiken Quellen recht wenig über Traumatisierungen findet, liegt zunächst einmal darin, dass man es nicht erkannt und auch nicht anerkannt hat. Folgeerscheinungen von Traumatisierten galten bis in jüngste Zeit als Kennzeichen von Feiglingen und Schwächlingen. Mir fällt dazu gerade die Aussage eines Kommilitonen ein, mit dem ich mich letzten Sommer bei einem Kaffee über dieses Thema unterhalten hatte, woraufhin er in ganz verächtlicher Weise meinte, dass die Soldaten im Irak und Afghanistan doch jetzt plötzlich alle traumatisiert seien, nach dem Motto, sind doch alles nur Drückeberger. Das zeigt doch, dass das Unverständnis bis heute in den Köpfen zuhause ist. Wenn einem nicht der Kopf oder Arm weghängt, dann ist man eben nicht verwundet. So ein bißchen Vergewaltigung oder Miterleben von Kriegsgreuel muss man doch wegstecken können. Die Berichte von Frauen, die diese Grausamkeiten im 20. Jahrhundert erlebt haben und die noch nach vielen Jahrzehnten in gleicher Weise verletzt reagieren wie jene, die es erst ein paar Wochen oder Jahre hinter sich haben, zeigen, dass die Menschen viel verdrängen können, es aber damit noch lange nicht überwunden haben.
Das Argument, die hätten doch damals so viel Grausamkeit erlebt, sticht m.E. nicht. Was hier immer mit der Arena angeführt wird, war doch kein Alltagserlebnis, sondern ein besonderes Ereignis und das erst recht, wenn man nicht in Rom lebte. Weiter ist es immer ein himmelhoher Unterschied das Leid anderer zu betrachten oder darüber zu reden oder ob es um einen selbst geht. Da ändert sich dann so vieles im eigenen Weltbild. Auch finde ich nicht, dass wir uns zu harmlos wahrnehmen sollten. Auch wir dröhnen uns tagtäglich mit schlimmster Gewalt zu. Ob das in irgendwelchen Liedertexten ist oder in Filmen. Teilweise ist es sogar so, dass man im Fernsehen schon gar nicht mehr weiß, wo man hinschalten soll, weil auf jedem Kanal gemordet wird, als gäbe es nur noch Verbrechen und würden diese nur noch aus stumpfen Gewaltverbrechen und Sexualdelikten bestehen. Und jetzt soll keiner sagen, dass das nur Film sei, denn darin besteht ja gerade der Kick am Film, dass man in der entsprechenden Situation gerade das Wissen um die Fiktionalität ausblendet. Im Grunde ist es die gleiche Lüsternheit, die einen die Tatorts dieser Welt ansehen lässt, die auch den Römer in die Arena lockte und dennoch sagt das nichts darüber aus, wie man reagieren würde, wenn es einem selbst an den Kragen ginge.

Es ist eine psychologische Erfahrung, dass Menschen Vergangenes glorifizieren oder verklären, um Erlebnisse bewältigen zu können. Das Phänomen der Kriegsneurosen stellte sich massenhaft erst im Verlauf des 1. Weltkriegs. Die Kriegszitterer wurden häufig als Hypochonder und Feiglinge verdächtigt. Erst seit wenigen Jahrzehnten werden Soldaten psychologisch betreut, werden Kriegsneurosen, Gefechtspaniken, Angstzustände überhaupt thematisiert und angesprochen. Wenn die Ideologie und der Dienstplan nicht vorsehen, dass Soldaten ausrasten können, dann rasten sie eben nur inoffiziell aus, und die Sache wird unter den Teppich gekehrt.

In der retrospektive wirken oft noch die schlimmsten Infernos wie Heldenepen. Ernst Jünger hat Kriegserlebnisse aus erster Hand gesammelt, Ernest Hemingway hat massaker im Spanischen Bürgerkrieg miterlebt, und es gewannen die "Stahlgewitter" noch eine morbide Faszination. Faszination deshalb, weil die Gefühle authentisch und nicht aufgesetzt wirken.

Man muss sich fragen, welcher kulturelle Kontext stand einem antiken Soldaten, Krieger zur Verfügung, solche Dinge wie Kriegstraumata zu verbalisieren und zu verarbeiten.

Gefechtspanik
 
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