@dekumatland Hast du irgendwelche Erklärungen dafür warum R. Wolters Wald in Klammern setzt?
eigentlich ganz einfach: um korrekt, aber allgemein genug zu bleiben (ich nehme an, der wollte Diskussionen wie diese hier in einer kurz gefassten, Übersicht für die aus schmalen Bänden bestehende Reihe Becks Wissen ausscheiden - nicht dass ein saltus-versessener Rezensent lospoltert...)
irgendwo weiter vorne hatte ich die Bedeutung der Vokabel saltus innerhalb der 21 Belege bei Tacitus zusammengefasst - ich wiederhole das aus altphilologischer Perspektive noch mal:
laut Wörterbuch:
saltus -u-s, m
1. Schlucht, Gebirgspass
2. Waldgebirge, Waldschlucht, Waldung
saltus Teutoburgiensis - der Teutoburger Wald
3. Viehtrift, Weideplatz
4. Landgut
5. bedenkliche Lage
6. weibliche Scham
Die Etymologie von saltus ist zwar ungeklärt, ganz klar ist aber, daß die Bedeutung, von der auszugehen ist, "waldiges Hügelland" ist,
solches, das wegen seiner Beschaffenheit nicht zum Landbau geeignet ist (so der Altmeister Mommsen im Hermes Bd. 15, lt. van Vaan, Et. Dict.). Das ist auch an den Ableitungen erkennbar: saltuosus ist `waldreich', ein saltuarius ein `Revierförster'.
Die Lesarten 1-3 sind kontextabhängige Varianten dieser Bedeutung, Nr. 6 eine durchsichtige Metapher, ebenso Nr. 5, gebildet auf der Basis von angustiae `Enge -> Problem'.
Nr. 4 ist klärlich eine Metonymie, etwa `Alm': Landgut, das auf Viehwirtschaft spezialisiert ist. Hierher gehört auch die fachsprachliche Verwendung als Flächenmaß, die natürlich in jedem alten Lexikon steht und keine sensatioelle Entdeckung ist. Wie dt. `Morgen' zum Flächenmaß wurde, wurde es hier die prototypische Vorstellung von der Größe einer Alm. Eine solche Bedeutung gibt es aber nur im technischen Kontext (Landwirtschaft - erster Beleg bei Varro - und Geodäsie). Derlei ist typisch für die Substantivarmut des Lat. (man denke an Lukrenzens `patriae sermonis egestas'); auch vox etwa bedeutet fachsprachlich nicht Stimme, sondern Wort, und dennoch kämen wir nicht auf die Idee, bei der Übersetzung einer Äußerung über einen Sänger zu postulieren, der Autor meine, der Sänger habe ein schönes Wort.
Entscheidend ist, daß Tacitus in allen 21 Belegen für saltus immer mit der Bed. (großes) Waldgebiet arbeitet, z.B.
Ger. 30.1 Ultra hos Chatti initium sedis ab Hercynio saltu incohant,
Ger. 43.2 omnesque hi populi pauca campestrium, ceterum saltus et vertices montium insederunt
Altphilologen sind für lateinische Texte zuständig - das ist alles nötige, was aus deren Perspektive zur Vokabel saltus bei Tacitus zu bemerken ist. Bemerkenswert ist, dass "Hercynio saltu" eigentlich nicht wesentlich anders als "Teutoburgiensis saltu" auftaucht :winke: und nun käme eigentlich kaum jemand auf die Idee, den Herkynischen Wald zum Engpass, Sprung (dass Berge versetzt werden, glaubte Tacitus wohl noch nicht, und dass sie springen, ist auch eher atypisch), oder gar zur abgemessenen Domäne zu machen :winke: Das mag für die Verwendung dieser Vokabel innerhalb der taciteischen Texte hoffentlich genügen.