Timur i Lenk

Das die Araber erst nur eine kleine Führungsschicht bildeten wusste ich gar nicht.
Allerdings hatten sich damals viele der Einwohner im byzantinischen Reich im Gebiet des Nahen Ostens von der rechtgläubigen orthodoxen Kirche abgespalten und eigene Glaubensgemeinschaften gegründet, weshalb da eine ziemliche Anti-Byzanz Stimmung herrschte.
 
Auch wäre der Widerstand gegen ihn wahrscheinlich viel größer gewesen, als er bei den Arabern war, da große Teile der Bevölkerung in den Gebieten des byzantinischen Reichs nicht unbedingt gegen einen Führungswechsel abgeneigt waren als die Araber einfielen. Timur war hingegen natürlich überhaupt nicht willkommen und man hätte nachdem er weitergezogen war wahrscheinlich sehr schnell rebelliert. So denke ich, war die Verwüstung eroberter Gebiete zu einem !kleinen! Teil notwendig.

Dass Timur nicht willkommen war, hat er sich und seiner Politik allein zuzuschreiben. Du kannst hier noch so oft von "Notwendigkeit" faseln - der Mann war einfach nur, wie @Dieter so schön schreibt, ein durchgeknallter Psychopath.
 
Falls da etwas missverstanden wird: Ich möchte damit nicht ausdrücken, dass ich mich in irgend einer Weise mit Timurs Taten identifizieren kann. Die Thematik soll nur eine Randnotiz von seiner Zerstörungswut darstellen.

Aber eine andere Frage: Warum ist der Mann in der Türkei (von der Namensgebung her) eigentlich so beliebt?
 
Aber eine andere Frage: Warum ist der Mann in der Türkei (von der Namensgebung her) eigentlich so beliebt?

Weil viele Menschen in Mittelasien vergangenen Großmachtzeiten hinterher trauern, sprich nationalistisch eingestellt sind. Dazu kommt der allgemein niedrige Bildungsgrad, da wird gar nicht näher über seine Verbrechen nachgedacht. In der eigentlichen Türkei konnte man sich ja auch bis heute nicht dazu durchringen den Völkermord an den Armeniern zuzugeben, geschweige denn sich zu entschuldigen.
 
Und wo bleibt der dritte Teil der "Fortsetzung"?
...
Ich weiß nicht ob es was bringt mir die Mühe zu machen und weiteres aus meinen Standardwerken zu zitieren, wenn ich anhand des Diskussionsfadens erkennen kann, dass selbst die bisherigen Zitate eher weniger zur Kenntnis genommen werden... Abgesehen davon, dass ich die Ironie deines Postings schon verstanden habe...:D

Nach der Presseschau mehr... :devil:

Einmal mehr lieber @lynxxx: Man kann die Shoah nicht gegen die deutsche Autobahn aufrechnen.

Ich habe oben schon geschrieben, dass ich das "Rechnen" gerne anderen überlasse. Ausserdem ist es doch wohl klar, dass heutige Menschen die Taten/Massaker der Vergangenheit keineswegs gutheißen.
Die Frage ist doch, wie ist es im damaligen historischem Kontext zu sehen, wie handelten andere Herrscher seiner Zeit oder vor ihm und schauen wir eher mit Abscheu auf "das Fremde", verschließen hingegen allzu oft die Augen auf ähnliche Vorgehensweisen "unserer" Herrscher und Generäle?

Ich sehe z.B. überall in Deutschland Statuen von "Heiligen" oder "Seligen" der Kirche, deren Namensgebungen unserer Strassen, usw., deren Rolle bei der Christianisierung "Germaniens" und weiter östlicher Gebiete ggf. höchst brutal, unmenschlich, "gewissenlos", zahllose Opfer fordernd, Kulturen zerstörend gewesen ist - aus heutiger Zeit beurteilend.
Viele viele Kirchen stehen auf Grund ehemaliger Thor-Tempel und anderer Kultstätten, die ohne Wimpernzucken vernichtet wurden, und niemanden von uns juckt diese historische Kulturvernichtung höchsten Grades.
Hingegen gibt es bei uns einen (berechtigten) Aufschrei, wenn die mittelalterlichen Taliban die Bamiyan-Buddha-Figuren in die Luft sprengen.
Beides Handeln ist aus heutiger Sicht verwerflich.

Was mir aber nicht gefällt, wenn zuuu sehr Schwarz-Weiß gemalt wird, also wenn Timur der "Antichrist", die "Geißel Gottes", und als was nicht alles bei uns betrachtet, gleichzeitig wir uns über "Heroisierungen" durch Usbekistan (zurecht) mokieren, demgegenüber aber nicht die kritische Distanz zu unseren "Heroen" bewahren und dem Umgang von uns mit "unserer" Geschichte.

Abgesehen davon finde ich Vergleiche mit Diktatoren des 20. Jh. und des Mittelalters schwierig, und dazu kommt noch, dass man Gefahr läuft, einen Hitler zu "verharmlosen", wenn man ihn mit einem Dschingis Khan, Cäsar, Karl V., Timur, Alexander, Tokugawa Ieyasu, Attila, Peter oder Karl dem Großen vergleicht...

(Macht doch einfach mal das Gedankenexperiment, indem ihr euch in die Opfer "unserer" Herrscher, Kaiser, Könige, Generäle hinein versetzt, so wie ihr euch in die Opfer eines Timurs hineinversetzt um ihn zu be- und verurteilen. Dabei muss man sich nicht mal in die vorchristlichen Völker hineinversetzen, noch Jahrhunderte später gab es grausamste Massaker mitten in unseren Lande, Stichwort Magdeburg im 30. Jh. Krieg, und die Aggressoren waren kein Nomadenreich...)

Geschichte ist meist komplizierter, mit grauen Schattierungen, und vielleicht ist die Zeit Timurs nicht schwarz sondern dunkelgrau und die Zeit Cäsars sicherlich nicht hellweiß sondern grau. Das war meine Intention, ansonsten lest nochmals obige Einschätzungen von Historikern die ich zitierte. So nun Presseschau... :)
 
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Balticbirdy schrieb:
Weil viele Menschen in Mittelasien vergangenen Großmachtzeiten hinterher trauern, sprich nationalistisch eingestellt sind.

Nicht nur in Zentralasien wird vergangenen Großmachtzeiten hinterhergetrauert.:still:
 
Ja, aus ihm jetzt aber einen Mäzen zu machen, ich weiß nicht. Jedenfalls hinterließ er auf seine Nachwelt einen bleibenden Eindruck, das vor allem nicht unbedingt positiv...
Ich wollte aus ihm auch nicht DEN Mäzen machen. Sondern ich fand die hier gebrachten Sätze, er habe überhaupt gar nix ausser Terror über die Welt gebracht, nix hinterlassen, keine Kultur, usw., im Widerspruch zu meiner Literatur und dem was ich in deutschen Museen gesehen habe.
Diese Aussagen waren einfach übertrieben, gekennzeichnet offensichtlich von Unkenntnis.
Hoffentlich konnte ich diese Lücke in der Kulturgeschichte ein wenig schließen, auch wenn hier die meisten wohl "Fans" der Militärgeschichte sind.

Das ändert nichts daran, dass er meist negativ in der Geschichte gesehen wird, trotz kultureller Blüte durch deportierte Künstler und Gelehrter.

Das er ein "Psychopath" war, lese ich nicht in den bisherigen Stellen meiner Literatur. Dieses Urteil soll wohl vor allem dazu dienen, es sich einfach zu machen, statt sich mit seiner komplexen Persönlichkeit auseinander zu setzen?
Denn obwohl er meist negativ gesehen wird, wird er doch auch im Westen nicht selten für seine militärische Begabung als Stratege und Taktiker gerühmt und bewundert. Er war auch kein ungebildeter Barbar, wie oft verunglimpft, sondern beherrschte das Persische, umgab sich auch privat mit Künstlern, Wissenschaftlern und Gelehrten seiner Zeit und diskutierte mit ihnen.

Was sich ausserdem hier sagen lässt, ist der ewige Gegensatz zwischen Sesshaften und Nomaden, denn Timurs Reich war letztlich ein Nomadenreich.

Übrigens wurden nicht selten auch deshalb die Städte zerstört, nachdem sie die Warnung übergangen haben zu rebellieren. Also viele sind erst nach der Eroberung zerstört worden, mit aller Grausamkeit, um jegliche Aufstände anderer Regionen und Städte gleich dadurch im Keim zu ersticken.
In religiöser Hinsicht führte er das mongolische Erbe der "Toleranz" fort. Er kämpfte zwar auch für den Glauben, aber der orthodoxe Islam wurde von ihm nicht forciert, so dass Sufitum, Volksislam, Astrologie, ja selbst Schiitentum aufblühten. Er versuchte das mongolische Gesetz (yasa) mit der Scharia (=islam. Gesetz) zu verknüpfen und bestrafte Übergriffe auf Kaufleute schwer, so dass wie in der Pax Mongolica sichere Reise- und Handelswege entstanden, wie wir durch ein gut funktionierendes Nachrichten und Post-System erfahren können.

Ausführlich wird im Buch: Markus Hattstein (Hrsg.): Islam. Kunst und Architektur. auf die große künstlerische Blüte unter den Timuriden eingegangen, welches ein Grund dafür ist, dass diese Epoche ihre Bewunderer findet. (siehe oben die Bewertung Timurs durch Monika Gronke)

Man kann auch in die Britannica schauen, um eine Bewertung oder eine Gewichtung zu ersehen:

Timur (Turkic conqueror) -- Britannica Online Encyclopedia
ggf. auch nur als mobile (Handy-)Version abrufbar:
Britannica Mobile - iPhone Edition

"Timur was, above all, master of the military techniques developed by Genghis Khan, using every weapon in the military and diplomatic armory of the day. He never missed an opportunity to exploit the weakness (political, economic, or military) of the adversary or to use intrigue, treachery, and alliance to serve his purposes. The seeds of victory were sown among the ranks of the enemy by his agents before an engagement. He conducted sophisticated negotiations with both neighbouring and distant powers, which are recorded in diplomatic archives from England to China. In battle, the nomadic tactics of
mobility and surprise were his major weapons of attack.

Timur’s most lasting memorials are the Timurid architectural monuments of Samarkand, covered in azure, turquoise, gold, and alabaster mosaics; these are dominated by the great cathedral mosque, ruined by an earthquake but still soaring to an immense fragment of dome.
..."

Ich habe mal in meine Biographie über Timur von Tilman Nagel geschaut:

Dicker Wälzer, ich suche mal nach Zusammenfassungen. In der Einleitung wird anfangs gleich das Bild gezeichnet, welches hier teilweise auch gezeichnet wurde: Schlimmer noch als Dschingis Khan, nichts als Ruinen hinterlassend, usw. Keinesfalls wird das Leid durch den Ausbau der glanzvollen Metropole aufgewogen, usw. (aus einem deutschen Geschichtsbuch der 60er Jahre)

Dann schreibt der Autor gleich darauf, ob es nicht merkwürdig sei, dass trotz all der bekannten Tatsachen vor 400 Jahren das Urteil über Timur ganz anders gewesen sei. So zitiert er Genuesen, die ihn positiv sehen, und zwar nicht nur wegen dem Sieg über die Osmanen.
Er werde in einem Atemzug mit Cäsar, Alexander und Darios in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur gerühmt.
Der Einfluss dieses positiven Timurbildes reiche vom 15. Jh. über Marlowe (1564-1593) bis Händel 1724!

Ich breche hier mal ab, um mich der Einleitung näher zu widmen, und mal einige zusammenfassende Sätze über Timur in diesem Standardwerk zu suchen. Denn das ganze Buch dreht sich darum, wer Timur ist, und was man von ihm zu halten habe.

Scheint doch recht interessant zu sein, mal unter die Oberfläche eines "Steppen-Hitlers" zu schauen.... ;)

Muss aber in ner Stunde ins Kino... hoffentlich schaffe ich es vorher die 500 Seiten durchzuforsten...falls es wen interessiert...
 
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Kurzer Einschub von der Diagonallese"front"... ;):

Rene Groussett: Die Steppenvölker von 1965 schreibt (zwar veraltetet, trotzdem wird es immer noch mal gelegentlich als Standardwerk herangezogen):

Der ganze Tamerlan offenbahrt sich in dieser klassischen Tragödie. "Was ihn beherrscht ist ein zweckmäßiger Macchiavellismus, ein heuchlerisches Zweckdenken, dessen einzige Richtschnur die Staatsräson ist; wir haben einen Napoleon vor uns mit der Seele eines Fouche; einen Philipp II. (von Spanien), das Blut Attilas in den Adern."
Ich lese nix von "Hitler"... :D
Nein im Ernst, nun kommen Vergleiche zu Dschingis Khan, dass seine Reden die Art von Titus Livius hätten, dass er, wenn er verraten wird, ggf. ebenso verräterisch handelt und seinen Verräter vernichtet, etc.

Nun kommt ein Absatz, der es in sich hat:

"[Das Weltreich Tamerlans] ist kulturell turko-persisch, rechtlich turko-dschingiskhanidisch, politisch religiös mongolo-arabisch. Unter diesem Aspekt bringt Tamerlan ebenso viele Persönlichkeiten in sich wie Karl V.. Diese Widersprüche machen sich nicht bei ihm bemerkbar, ihr schillerndes Spiel erhöht vielmehr seine Persönlichkeit, denn es handelt sich in der Tat um eine unvergleichliche Erscheinung, um einen "Übermenschen", der an der Schwelle zweier großer Epochen mehrere Kulturen durchmißt. ... Timur, der Mann aus Eisen."

Oha, hier haben wir einen renommierten Historiker, keinen usbekischen Diktatoren, und wie es für die Geschichtsbücher Mitte der 60er-70er Jahre des 20. Jh. gebührt, wird in deftigen blumigen Tönen ein Geschichtsbild gezeichnet, bis hin zu "gezüchteten" Türkenkriegern, die durch die Glut Indiens und die Eiseskälte des Pamir gestählt seien. Erinnert mich an zeitgleiche Werke meiner Jugendzeit über Cäsar, Napoleon, usw., die ebenfalls in diesem Duktus geschrieben wurden...
 
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Das ändert nichts daran, dass er meist negativ in der Geschichte gesehen wird, trotz kultureller Blüte durch deportierte Künstler und Gelehrter.

Dass sich Gewaltherrscher mit Künstlern umgeben, ändert an ihren grässlichen Taten nicht das mindeste - es gibt Beispiele aus allen Epochen und aus jüngerer Zeit, die ich hier nicht erneut aufzählen will.

Das er ein "Psychopath" war, lese ich nicht in den bisherigen Stellen meiner Literatur. Dieses Urteil soll wohl vor allem dazu dienen, es sich einfach zu machen, statt sich mit seiner komplexen Persönlichkeit auseinander zu setzen?

Dass es sich bei unserem hinkenden Freund um eine "komplexe Persönlichkeit" handeln soll, kann ich nicht erkennen.

Temür ibn Taraghai Barlas war vielmehr ziemlich eindimensional konstruiert und gekennzeichnet von einer dissozialen, schizoiden und narzisstischen Persönlichkeitstörung mit paranoiden Zügen, die Gefühlarmut, Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen mit sich brachten. Geringes Frustrationsniveau und eine niedrige Schwelle für aggressives, gewalttätiges Handeln sind durch seine verheerenden Kriegszüge und Massenmorde gut dokumentiert.

Denn obwohl er meist negativ gesehen wird, wird er doch auch im Westen nicht selten für seine militärische Begabung als Stratege und Taktiker gerühmt und bewundert.

Bekanntlich hat das eine mit dem anderen wenig zu tun. Massenmörder können durchaus eine hohe Intelligenz und hervorrragendes taktisches Geschick aufweisen.

Er war auch kein ungebildeter Barbar ...

Hitler liebte Musik von Richard Wagner, Göring umgab sich mit unzähligen Kunstschätzen ...

Über die Ursachen menschlicher Gewalttätigkeit und destruktiver Aggression kann man hier einiges nachlesen Anatomie der menschlichen Destruktivität ? Wikipedia

Übrigens wurden nicht selten auch deshalb die Städte zerstört, nachdem sie die Warnung übergangen haben zu rebellieren. Also viele sind erst nach der Eroberung zerstört worden, mit aller Grausamkeit, um jegliche Aufstände anderer Regionen und Städte gleich dadurch im Keim zu ersticken.

Es ist durch zahllose zeitgenössische Quellen erwiesen, dass Timur seine Eroberungen durch Anwendung gezielter Terrormaßnahmen verfolgte, denen ganze Landstriche und zahllose Menschen zum Opfer fielen. Dieser charakteristische Zug seiner Kriegs- und Beutezüge zeigt sich unter anderem bei der Eroberung von Isfahan, Delhi oder Bagdad.

Dass Timur Handel, Gewerbe und Kunst förderte, weil er Gelehrte, Künstler und Handwerker gewaltsam (!) und planmäßig aus den eroberten Gebieten vor allem in seine Hauptstadt Samarkand umsiedelte, ist bekannt. Soll man diese gewaltsam herbeigeführte Kulturblüte in Samarkand wirklich als Errungenschaft und Timur als "Kulturmäzen" feiern?
 
Temür ibn Taraghai Barlas war vielmehr ziemlich eindimensional konstruiert und gekennzeichnet von einer dissozialen, schizoiden und narzisstischen Persönlichkeitstörung mit paranoiden Zügen, die Gefühlarmut, Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen mit sich brachten. Geringes Frustrationsniveau und eine niedrige Schwelle für aggressives, gewalttätiges Handeln sind durch seine verheerenden Kriegszüge und Massenmorde gut dokumentiert.

Ich frag mich eigentlich wo sie die das Psychogramm des Patienten Temür ibn Taraghai Barlas heraus geholt haben :fs:


Ich versteh gar nicht den Wirbel um Tamalan, sicherlich er war grausam und ein Rabauke ihn aber als "Steppenhitler" zu bezeichnen geht indes deutlich zu weit, dass ist ja schon fast eine Verharmlosung Hitlers.

Auswirkungen hatte seine Herrschaft sowohl positiv als auch negativ und ich würde sie gar nicht als so unwichtig einstufen, Timurs-Einfall wird ja Indiens-Geschichte nachhaltig prägen und die des Islams auf dem Subkontinent und sein Enkel Ulugh Beg konnte auch nur durch die Förderungen seines Großvaters seine Wissenschaft voran bringen, ihn als einen Helden anzusehen ist jedoch schon fragwürdig, vor allem wenns die Usbeken tun :fs:
 
Na dann bist du ja bestens und objektivst infomiert.


Grossartig, diese Ironie.:D


Was Timur angeht: Die Gemetzel, mit denen er halb Asien überzog, waren selbst für damalige Verhältnisse ein Novum. Und dass er Künstler und fähige Handwerker verschleppt hat, um durch die "Schaffung" einer kulturellen Blüte sein eigenes Image anzuheben, war nicht nur billig und fadenscheinig, sondern eine kurzfristige Scheinblüte.
 
Auswirkungen hatte seine Herrschaft sowohl positiv als auch negativ und ich würde sie gar nicht als so unwichtig einstufen, Timurs-Einfall wird ja Indiens-Geschichte nachhaltig prägen und die des Islams auf dem Subkontinent und sein Enkel Ulugh Beg konnte auch nur durch die Förderungen seines Großvaters seine Wissenschaft voran bringen, ihn als einen Helden anzusehen ist jedoch schon fragwürdig, vor allem wenns die Usbeken tun :fs:

Dass Timur selbst für damalige Verhältnisse ein unglaubliches Blutbad anrichtete und eine Straße der Zerstörung hinterließ, wurde bereits gesagt. Sein Reich war nur kurzlebig, das Niveau Transoxaniens hob sich nur für wenige Generationen, während die Zerstörungen der Nachbarländer schwer wogen.

Geblieben sind seine prächtigen Bauten in Samarkand, Buchara und Kesh.
 
Letztendlich ist es doch so: Die nomadischen Reitervölker der eurasischen Graslandzone werden von den zivilisierteren (hier im Urspunge des Wortes, von civitas, zivilisiert als sesshaft, agraraisch geprägt, nicht so sehr in dem arroganten Sinne, den man dem Wort früher aufgestempelt hat) Völkern als minderwertig angesehen, der Handel zwischen beiden Zonen verläuft nur sehr schleppend, auch weil die Nomaden den agrarischen Gesellschaften nur wenig anzubieten haben. Fleisch und Milchprodukte produzieren diese i.d.R. selber, das produziert Begehrlichkeiten, die sich eine gewisse Zeit lang durch Tribute befriedigen lassen, aber eine Prestigeökonomie bei den Reitervölkern auslösen. irgendwann sind die Gefolgschaften so groß, dass die Tributleistungen nicht mehr ausreichen. Dann kommt es zum Konflikt, das lässt sich in der Geschichte der Interaktion der Reitervölker mit den zivilisierten (s.o.) Völkern immer wieder beobachten. Bei Skythen, Sarmaten, Goten, Hunnen, Ungarn, den vorosmanischen Türken, Mongolen gegenüber der griechischen Stadtstaatenwelt, dem Perserreich, Indien, China, dem römischen und später byzantinischen Reich, gegenüber dem arabischen Kalifat oder auch gegenüber den Ottonen.
Im Endeffekt übernehmen die Reitervölker oder Teile davon irgendwann immer die Lebensweise der sesshaften Bevölkerung, und dann gibt es, bis ein neues "Volk" die Lücke schließt, eine relative Ruhe und der kreislauf beginnt von Neuem. Letztendlich wollen nämlich die Barbaren nicht die Reiche die sie angreifen zerstören, sondern am Reichtum und Luxus partizipieren. Das erreichen sie aber nur mittels Gewalt, da es einen Interessengegensatz der jeweiligen Reichsführungen und den Interessen der Reitervölker gibt.

Ich schrieb oben, dass die zivilisierteren Völker auf die Nomaden hinab sehen, zum einen natürlich weil es sich aus ihrer Sicht um Barbaren handelt, aber Barbaren können auch Völker auf einer gleichen oder sogar höheren Entwicklungsstufe sein (es ist schwer ohne Begriffe wie zivilisiert und Entwicklungsstufenmodelle zu operieren), etwa aus griechischer Sicht die Perser, zum anderen, weil es sich um weniger zivilisierte Völker handelt, Reitervölker eben.
Gleichzeitig gilt aber Nomaden selbst die Aufgabe des nomadischen Lebens häufig als sozialer Abstieg. Dementsprechend werde Gesandtschaften dann in Zelten empfangen, obwohl Herrscher über Palastanlagen verfügen. Es gibt also eine gewisse Diskrepanz zwischen der Ansiedlung, die als sozialer Abstieg wahrgenommen werden kann, und dem Wunsch, so zu sein, wie die angesiedelten Völker.

Die Verschleppung von Handwerkern und Künstlern durch Timur Lenk ist also letztendlich nur folgerichtig, sie ist nicht unbeingt ein Versuch, eine eigene Zivilisation aufzubauen, sondern an der angegriffenen Zivilisation teilzuhaben. Anstatt des Beutegutes nimmt man halt diejenigen mit, die die entsprechenden Werte schaffen können.

Es wäre im Übrigen eine Aufgabe der Siedlungs- und Landschaftsarchäologie Mittelasiens herauszufinden, ob Timur Lenk tatsächlich so grausam war, wie man ihm vorwirft.
 
Die nomadischen Reitervölker der eurasischen Graslandzone [...] die sich eine gewisse Zeit lang durch Tribute befriedigen lassen, aber eine Prestigeökonomie bei den Reitervölkern auslösen. Irgendwann sind die Gefolgschaften so groß, dass die Tributleistungen nicht mehr ausreichen. Dann kommt es zum Konflikt, das lässt sich in der Geschichte der Interaktion der Reitervölker mit den zivilisierten (s.o.) Völkern immer wieder beobachten. Bei Skythen, Sarmaten, Goten, Hunnen, Ungarn, den vorosmanischen Türken, Mongolen gegenüber der griechischen Stadtstaatenwelt, dem Perserreich, Indien, China, dem römischen und später byzantinischen Reich, gegenüber dem arabischen Kalifat oder auch gegenüber den Ottonen.
Im Endeffekt übernehmen die Reitervölker oder Teile davon irgendwann immer die Lebensweise der sesshaften Bevölkerung, und dann gibt es, bis ein neues "Volk" die Lücke schließt, eine relative Ruhe und der Kreislauf beginnt von Neuem. Letztendlich wollen nämlich die Barbaren nicht die Reiche die sie angreifen zerstören, sondern am Reichtum und Luxus partizipieren. Das erreichen sie aber nur mittels Gewalt, da es einen Interessengegensatz der jeweiligen Reichsführungen und den Interessen der Reitervölker gibt.

Eine Parallele zu den Völkern der eurasischen Graslandzone lässt sich im Übrigen auch für die Araber und Berber Nordafrikas konstatieren. Als die Fāṭimiden nach ihrer Übersiedlung von Tunesien nach Ägypten mit den arabischen Banū Hilāl auf der einen Seite und ihren zīrīdischen Statthaltern in Tunesien auf der anderen Seite Probleme bekamen, engagierten sie einfach die Banū Hilāl, ein nomadisierender Stamm gegen die Zīrīden. Nach Meinung einiger Sprachwissenschaftler hatte das zwei Nebeneffekte: Den Verlust der letzten romanischen Sprachinseln in Nordafrika (Romania submersa) und eine weitere und profundere Arabisierung der Berber. Die Zīrīden stammten aus der berberischen Stammeskonföderation der Ṣinhāǧa, sie hatten sich unter den Fāṭimiden an der Küste niedergelassen. Aber die Stammeskonföderation der Ṣinhāǧa war sehr viel größer. Weiter im Süden kämpften die Ṣinhāǧa jahrzehntelang gegen das Reich Ġana, bis sie dannn im 10. Jahrhundert den Islam annahmen und dem Kampf gegen das Goldreich einen neuen Stempel aufdrückten. Plötzlich war der Kampf, der schon immer geführt wurde, religiös motiviert. Hieraus ging die religiöse Bewegung der Almoraviden (Murābiṭūn) hervor, der Ribā-Kämpfer (ein Ribāist ein Grenzfort). Den Almoraviden passierte so ziemlich das gleiche, sie wurden zivilisierter und weil sie angeblich den Islam nicht mehr so ausübten, wie es gottgefällig sei, kam eine neue Glaubensbewegung, die sich erneut aus berberischen Nomadenstämmen speiste ins Spiel, die Almohaden (Muwaḥḥidūn - darin steckt ḥid 'eins', man übersetzt den Begriff häufig mit 'Unitarier'). Diesmal bildeten das konstituierende Element nicht die Ṣinhāǧa sondern zwei andere Stammeskonföderationen, die Maṣmūda und die Zanāta. Von dem letzten Stammesnamen ist das spanische Wort jinete abgeleitet: 'Reiter', 'Jockey'.
 
Die Araber haben im 7. Jh. ein riesiges Gebiet vom Atlantik bis zum Indus erobert, ohne dass sie indes die zivilen Bewohner in Massen massakriert, die Städte großflächig zerstört und uraltes Kulturland dem Untergang preisgegeben hätten. Daran zeigt sich, dass man Invasionen auch auf ganz andere Art führen und dennoch nicht nur den Sieg davon tragen, sondern die Unterworfenen sogar vielfach für sich gewinnen kann.

Die Verwüstungen Timurs waren weder geboten, noch von der kriegerischen Lage her gerechtfertigt. Sie waren allein Taten eines grausamen, sadistischen und vermutlich pathologischen Eroberers.

Bitte? Persien und das byzantinische Gebiet wurden ja nicht gerade mit Blumen erobert und auch in Persien gab es ständig Aufstände vor allem im heutigen Nordiran, die Revolte von Bābak Khorramdin, das Bündnis von Pirouz von Persien und der chinesischen Tang-Dynastie usw. also wohlwollend wurden die Araber ja nicht aufgenommen, obwohl die Sassaniden gut quälen konnten.

Davon mal abgesehen sollte man die Zanj-Rebellion nicht vergessen bei denen Unmengen Menschen ums Leben kamen, laut Tabari bis zu 350.000 Menschen. Also das waren afrikanische Skalven - Zanj für schwarz - zu mal die Araber ja noch Millionen Afrikaner versklavt haben, also sooooo toll stehen die gegen Timur nun auch nicht da.
 
Wieso sollte er? Er wollte doch offensichtlich nicht einmal Anatolien so wirklich unterwerfen, sondern begnügte sich nach seinem Sieg über die Osmanen damit, türkische Kleinfürstentümer (wieder)zuerrichten. Letztlich ging es ihm anscheinend nur darum, die Bedrohung durch die Osmanen auszuschalten, aber ansonsten interessierte er sich mehr für Eroberungen und Plünderungen in Asien.
 


Eine Frage, die man prinzipiell bei jedem Feldzug stellen könnte.

Stand der Weg nach Konstantinopel nicht mehr oder weniger offen, bzw. wer hätte ihn noch aufhalten sollen? Zumal er ja bereits Smyrna eingenommen hatte, da wäre ein weiteres Vorstossen jetzt nicht so undenkbar gewesen.
 
Theoretisch hätte er wohl gegen Konstantinopel ziehen können, aber wozu? In der Stadt gab es zwar immer noch einiges zu holen, aber längst nicht mehr so viel wie vor der Plünderung im 4. Kreuzzug. Wie sich schon oft gezeigt hatte, war die Stadt nicht so leicht zu erobern, und was hätte ihm eine langwierige und aufwändige Belagerung gebracht? Sein letztes großes Ziel war China, und da er alt und fast blind war, lief ihm auch schon die Zeit davon.
Aber letztlich können wir nur spekulieren, was in ihm vorging.
 
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