Balfour Deklaration 1917

@silesia

Danke für den Hinweis. Selbstverständlich ist das beharren auf einen völkerrechtlichen Begriff wie "Mandatsmacht" obsolet.

Die Karte sieht mir zwar sehr stark nach einem "Referentenspiel" aus, aber wenn er im Kriegs-, Außen- und Kolonialministerium virulent und beim MP präsent war, wird er für die BD schon entscheidend gewesen sein.

Danke.


M.
 
Ein wesentlicher Aspekt oben waren die finanziellen Hintergründe (#8).
Ausgangspunkt für meine Wortmeldung war die Antwort "Die Unterstützung im Weltkrieg" (#4) auf die Eingangsfrage, "was bekam die Weltmacht Großbritannien als Gegenleistung für solch einen großen Schritt?" (#1).
Die Bücher von Schneer und Fromkin liegen mir nicht vor. Sei so gut und referiere ganz kurz, ob und mit welchem Ergebnis die Frage der Gegenleistung bzw. des "sauberen reellen Geschäfts" (#9) hier erörtert wird.

Kontextualisierung der Vorgeschichte... Konkurrenzen ...
Was Kontextualisierung und Konkurrenzen betrifft, ist die Literatur ja durchaus reichhaltiger. Zum zweiten Stichwort dreierlei (Entschuldigung für Wiederholungen :winke:):

a) Konkurrenz zum Deutschen Reich. In Ben-Sassons umfangreicher Monographie [1] wird deutlich, dass die Zionistische Bewegung - Zentrum in Berlin! - sich insbesondere um die Juden in Rußland und dem Osmanischen Reich sorgte. Was letzteres betrifft, so wurden in deutschen diplomatischen Kreisen Überlegungen angestellt, ob und wie man als Schutzmacht für die palästinensischen Juden auftreten solle. Besonders engagierte sich dabei der deutsche Botschafter in Washington (später in Istanbul), Bernstorff, der in seinen Erinnerungen darlegt, auch die deutsche Regierung habe positiv zu der "Errichtung eines nationalen Heimes für die Juden in Palästina" gestanden. Aber "was wir wollten", sei "von England in die Hand genommen worden durch die bekannte Balfour-Deklaration [...]"

b) Konkurrenz zu Frankreich. Dass dieses starke Interesse in der Levante hatte, ist allgemein bekannt. Beide Mächte verhandelten seit 1915 über die Aufteilung des "Kuchens" und schlossen am 16.5.1916 das schon erwähnte Sykes-Picot-Abkommen. Richtig zufrieden war GB aber damit nicht. was in der Cambridge Modern History zum Ausdruck kommt [3]. Wenn schon die gesamte Last des Krieges im Mittleren Osten von GB getragen würde und FR nichts dazu beisteuern könnte: "Why then should the French acquire such a dominant position in the Levant? There is little doubt that this was a main consideration in the policy leading to the Baldour Declaration."

c) Konkurrenz zu USA. Silesia kann sicher die Andeutung zur "sich andeutenden" Konkurrenz noch etwas erweitern. Abgesehen von den ökonomischen Aspekten könnte man in diesem Zusammenhang die Frage diskutieren, wie sich eigentlich die Balfour-Deklaration zu Wilsons "Vierzehn Punkten" verhielt: Stimmten beide in der Zielrichtung überein?


[1] Geschichte des jüdischen Volkes: Von ... - Google Books
[2] Erinnerungen und Briefe - Google Books
[3] The new cambridge modern history ... - Google Books
 
Zuletzt bearbeitet:
Ausgangspunkt für meine Wortmeldung war die Antwort "Die Unterstützung im Weltkrieg" (#4) auf die Eingangsfrage, "was bekam die Weltmacht Großbritannien als Gegenleistung für solch einen großen Schritt?" (#1). Die Bücher von Schneer und Fromkin liegen mir nicht vor...

So hatte ich die Fragen auch verstanden. Ausgangspunkt war die "Finanzthese".

Bezugnehmend auf Schneer ist die Vorgeschichte - keine Überraschung - multikausal, und die Deklaration "interpretationsbedürftig" (Stichwort: "a homeland, not the homeland"). Lassen wir dabei mal individuelle Ziele bzw. höchstpersönliche Prioritäten der Akteure außer Acht, dann ist sicher richtig, dass sich breit akzeptierte Wünsche bis 1916 in Richtung

a) Unterstützung Kriegseintritt der USA
b) finanzielle Flankierung

finden. Im Zeitpunkt der Deklaration ist das überholt, vielmehr eher ein inhaltlicher Widerspruch zu früheren Positionierungen. Ein "eingelöster Scheck" in Form der BD ist quellenseitig nicht belegt. Was bzgl. der Memoirenliteratur als Motive angegeben wird, ist nach der Quellenlage mit ihren scharfsinnigen Politikanalysen des Foreign Office, gepaart mit Wunschdenken, Visionen und totalen Fehlkalkulationen ua. des arabischen Nationalismus, nur mit spitzen Fingern anzufassen.

Vielmehr ist ein kurz nachfolgendes Angebot an das Osmanische Reich zur Garantie der "turkish flagg" als Gegenleistung für sofortigen Kriegsaustritt interessant. Bereits das zeigt, dass man lt. Schneer hier bzgl. des Adressatenkreises der Deklaration bzw. der Stoßrichtung umdenken muss, und schon aufgrund des Wegfalls von oben a) und b) erweitern muss.

Bernstorff, der in seinen Erinnerungen darlegt, auch die deutsche Regierung habe positiv zu der "Errichtung eines nationalen Heimes für die Juden in Palästina" gestanden. Aber "was wir wollten", sei "von England in die Hand genommen worden durch die bekannte Balfour-Deklaration [...]"
Das wäre das ex-post-Gejammer über die unzureichende Führung des eigenen deutsch-osmanischen Djihads (McMeekin: The Berlin-Baghdad-Express - The Ottoman Empire and Germanys Bid for World Power), und die deutsche Wahrnehmung, nicht die britische Nabelschau der Motive.

Konkurrenz zu Frankreich. Dass dieses starke Interesse in der Levante hatte, ist allgemein bekannt. ...Wenn schon die gesamte Last des Krieges im Mittleren Osten von GB getragen würde und FR nichts dazu beisteuern könnte: "Why then should the French acquire such a dominant position in the Levant? There is little doubt that this was a main consideration in the policy leading to the Baldour Declaration."
Das ist nun umstritten. Wie das Beispiel Syrien und Libanon zeigt, griff Frankreich durchaus ein, auch wenn man dafür länger brauchte, es aber vor dem Krieg als "Schutzmacht" geübt hatte. "main consideration" ist durch Schneer überholt. Der Kern der Überlegung ist richtig, und oben schon angesprochen: mit den strategischen Verschiebungen war GB mit der "internationalen Lösung" für Palästina, Stand 1916, nicht mehr zufrieden.


...könnte man in diesem Zusammenhang die Frage diskutieren, wie sich eigentlich die Balfour-Deklaration zu Wilsons "Vierzehn Punkten" verhielt: Stimmten beide in der Zielrichtung überein?
Da kann man noch weiter ausholen; inwiefern liegt ein Widerspruch zur Haager Konvention von 1907 vor? Das bejahend:
Allain, Jean: International Law in the Middle East (dort Kapitel 3: "Disregard for International Law ...")
Im Übrigen gab es noch eine Fortentwicklung von der BD zu den "Covenants" der Völkerbund-Mandatierung. Auch hier gibt es inhaltliche Brüche.
 
Noch ein Nachtrag, der insbesondere den bislang nicht genannten Aspekt des britischen Strategiewechsels vom "Liberal Imperialis" zum "New Imperialism" (Kriegsziel: Konsolidierung des Empires, und das betraf auch Arrondierungsfragen bzw. "neue strategische Linien") betrifft:

Daniel Gutwein: The divided elite: economics, politics, and Anglo-Jewry, 1882-1917, dort S. 337ff.

Zum Hintergrund:
Guinn, Paul: British Strategy and Politics 1914 to 1918
 
[Zu Bernstorff:]Das wäre das ex-post-Gejammer über die unzureichende Führung des eigenen deutsch-osmanischen Djihads ... und die deutsche Wahrnehmung...
Das auch, aber nicht nur. Wie Cassar [1] angibt, waren die mutmaßlichen deutschen Pläne Gegenstand der Beratungen im englischen Kabinett. Für Balfour waren sie sogar ein zentrales Argument: "He warned that the Germans were endeavoring to capture the sympathy of the Zionist movement so as to provide themselves with a useful political instrument, particularly inside Russia. [...] Balfour stressed that it was vital that the Britisch government preempt the Germans by acting without delay." - Das müsste doch auch bei Schneer stehen!?

Interessant auch der Hinweis auf Erklärungen von FR und USA (S. 176 oben).


[1] Lloyd George at War, 1916-1918 - Google Books
 
Für Balfour waren sie sogar ein zentrales Argument: "He warned that the Germans were endeavoring to capture the sympathy of the Zionist movement so as to provide themselves with a useful political instrument, particularly inside Russia. [...] Balfour stressed that it was vital that the Britisch government preempt the Germans by acting without delay." - Das müsste doch auch bei Schneer stehen!?

Das ist doch gerade der Widerspruch zwischen individuellen Einschätzungen und britischen strategischen Zielen, auf die Schneer hinweist!

Wenn das Argument ernst genommen worden wäre, wäre ein Widerspruch zum Angebot an das Osmanische Reich zum Ausscheiden aus dem Krieg zu sehen. Beides ist nicht unter einen Hut zu bringen. Für die generelle Strategie (Waffenstillstand im Mittleren Osten - Rausboxen des Deutschen Reiches aus Frankreich) spielten die jüdischen Minderheiten im Nahen Osten keine Rolle (Allain bringt die Meldungen des BEF Ägypten für 1918 mit 66.000 Juden, 512.000 Araber in Palästina). Im Übrigen lief zeitlich parallel die britische Offensive im November/Dezember 1917 mit durchschlagendem Erfolg gegen die Osmanische Armee. Da brauchte man keine Unterstützung angesichts der Zerfallsprozesse. Den erneuten Hinweis auf die jüdische Bevölkerung in Rußland Ende 1917 (ähnliches findet sich auch bereits 1913 und 1916) halte ich aufgrund der dortigen chaotischen Verhältnisse und Zerfallsprozesse für reichlich absurd. Aber wie oben angedeutet: Visionen und Wunschdenken. Auszuschließen sit das vielleicht wirklich nicht.
 
Christopher Hugh Sykes, der zweite Sohn von Sir Mark Sykes, ist ja – neben seinen übrigen Arbeiten - recht bekannt geworden durch sein Buch „Crossroads to Israel, 1917 – 1948“, Indiana University Press, 1973. Auf Seite 16 fasst der Sohn des Architekten der Balfour-Declaration, der es eigentlich wissen müsste, als Ergebnis zusammen:

“Nobody knows, why the Balfour-Declaration was made.“
 
Christopher Hugh Sykes, der zweite Sohn von Sir Mark Sykes, ist ja – neben seinen übrigen Arbeiten - recht bekannt geworden durch sein Buch „Crossroads to Israel, 1917 – 1948“, Indiana University Press, 1973. Auf Seite 16 fasst der Sohn des Architekten der Balfour-Declaration, der es eigentlich wissen müsste, als Ergebnis zusammen:

“Nobody knows, why the Balfour-Declaration was made.“


Dann ist das ja auch geklärt.
 
Wohl kaum. Ist aber ein nettes Zitat.

Die Rezeptionsgeschichte zeigt außerdem, dass die Deutungen gewissen Tendenzen zur Instrumentalisierung unterlagen: ein weiterer interessanter Aspekt, führt aber hier zu weit.
 
Wohl kaum. Ist aber ein nettes Zitat.

Die Rezeptionsgeschichte zeigt außerdem, dass die Deutungen gewissen Tendenzen zur Instrumentalisierung unterlagen: ein weiterer interessanter Aspekt, führt aber hier zu weit.

Adressat war Rothschild, was eine gewisse Interpretations-Richtung nahe legt.
Deutschsprachig scheint mir da aber die letzten 60 Jahre wenig verwertbares vorhanden zu sein.


Viel interessanter:
Warum haben die Tommies den Feisal in Damaskus derart auf die Schnauze fallen lassen?
Hat da einer der Diskutanten näheres?
 
Adressat war Rothschild, was eine gewisse Interpretations-Richtung nahe legt.

Der "Adressat" gibt hier keinen zusätzlichen Informations-Aspekt über den materiellen Inhalt der Deklaration hinaus. Interessant ist höchstens der link zu dem nachfolgenden Angebot an Istanbul, insofern könnte man auch einen mittelbaren Adressanten der Balfour Deklaration annehmen.;)


Warum haben die Tommies den Feisal in Damaskus derart auf die Schnauze fallen lassen? Hat da einer der Diskutanten näheres?
Hat mit der Aufteilung der Interessengebiete zu tun. Großsyrien war Frankreich zugeschlagen. Nachdem gegen Kriegsende einige Küstenstreifen besetzt waren, reicherte man diese Garnisonen auf eine Besatzungsarmee von 90.000 Mann an. Danach erfolgte das französische Ultimatum an Faysal/Damaskus, um die Kontrolle über den mit den Briten vereinbarten französischen Sektor des Nahen Ostens zu erlangen. Faysal akzeptierte, das Volk in Damaskus rebellierte (und unterstütze zukünftig auch andere Rebellionen). Als weitere Maßnahme wurde der Libanon abgetrennt (was verwaltungsseitig schon in einer Bezirksgliederung der Spätphase des Osmanischen Reiches auf französischen Druck eingeleitet worden war).
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Sykes-Picot Abkommen war geheim und somit wussten die Araber von den Gebietsaufteilungen nicht - strategische Kontrolle und vor allem die Jagd nach ÖL waren doch wichtige Ursachen, das Red Line Agreement von 1928 war später ein weiterer Schritt. Die Franzosen erhoben ihren Anspruch auf dieses Gebiet und wurden mit knapp 24% Anteilseigner an der Türkish Petroleum Company. England war an Mossul interessiert, wobei das Gebiet aber den Franzosen unterlag und somit ein Tausch vollzogen wurde, ehemals deutsche Konzessionen für Mossul. (Das Öl Zeitalter - Doku). Desweiteren las ich bei Wikipedia, dass den Franzosen bei der Versaille Conference 1919 ein Mandat über Syrien zugesprochen wurde und die Forderungen der Araber ignoriert wurden.

Der Dokumentarfilm, "Das Öl Zeitalter", ist unwahrscheinlich interessant und absolut empfehlenswert. Es wurde von ARTE ausgestrahlt und ist auch bei youtube auffindbar. Es zeigt inwiefern die ökonomischen Interessen an Öl, bereits auch vor dem 1. Weltkrieg, ihren Einfluss in dieser Region hatten.
 
Das ist doch gerade der Widerspruch zwischen individuellen Einschätzungen und britischen strategischen Zielen, auf die Schneer hinweist!
Steine gibst Du mir statt Brot!:cry:
Alle Einschätzungen sind letztlich individuell, auch die der Mitglieder des War cabinets 1917. Diese Männer sind aber zugleich diejenigen, welche die "britischen strategischen Ziele" formulierten, und deswegen weiß ich nicht genau, auf welchen Widerspruch Schneer abstellt. Spricht er von einem "objektiven" strategischen "master plan", der von X zum Zeitpunkt y entworfen wurde? Oder meint er Ziele, die von Sofa-Strategen im Nachhinein formuliert wurden?

Den erneuten Hinweis auf die jüdische Bevölkerung in Rußland Ende 1917 (ähnliches findet sich auch bereits 1913 und 1916) halte ich aufgrund der dortigen chaotischen Verhältnisse und Zerfallsprozesse für reichlich absurd.
Sicher illusionär, was die Chancen betrifft, im Herbst 1917 auf die neue russische Staatsführung einzuwirken in dem Sinne, dass sie sich entschließt, wieder gegen die Deutschen zu kämpfen.

Ich denke aber, dass Balfours Äußerung eine zweite Komponente hatte, nämlich - berechtigt oder nicht - die fortdauernde Sorge um Leib und Leben der russischen Juden, die seit Kriegsbeginn "aus den Frontgebieten vertrieben, als Geiseln genommen und sogar Opfer von Pogromen" geworden waren (Ben-Sasson, ebd.).

Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass bei politischem Handeln immer zuerst nach dem niedrigstmöglichen Motiv gesucht werden sollte - aber ist es denn ganz unvorstellbar, dass die B.-D. tatsächlich humanitäre Ziele verfolgte?
 
- ...aber ist es denn ganz unvorstellbar, dass die B.-D. tatsächlich humanitäre Ziele verfolgte?

@jschmidt

Ganz unvorstellbar ist das nicht. In der Diskussion weiter oben, fiel von silesia der Begriff "Naivität...". Keiner der Verantwortlichen in den War cabinets konnte die Rezeptionsmächtigkeit der BD vorhersehen.

M.
 
Hat mit der Aufteilung der Interessengebiete zu tun. Großsyrien war Frankreich zugeschlagen. Nachdem gegen Kriegsende einige Küstenstreifen besetzt waren, reicherte man diese Garnisonen auf eine Besatzungsarmee von 90.000 Mann an. Danach erfolgte das französische Ultimatum an Faysal/Damaskus, um die Kontrolle über den mit den Briten vereinbarten französischen Sektor des Nahen Ostens zu erlangen. Faysal akzeptierte, das Volk in Damaskus rebellierte (und unterstütze zukünftig auch andere Rebellionen). Als weitere Maßnahme wurde der Libanon abgetrennt (was verwaltungsseitig schon in einer Bezirksgliederung der Spätphase des Osmanischen Reiches auf französischen Druck eingeleitet worden war).

nun, das ist mir schon klar. Sykes-Picot

Die eindeutig interessantere Frage ist doch, warum die Briten dem Feisal keinen Tipp zukommen ließen.
Einen Verbündeten derart zu blamieren.....

Er hat ja dann auch keinen Fuss mehr auf den Boden bekommen bei seinen Arabern.
 
Viel interessanter:
Warum haben die Tommies den Feisal in Damaskus derart auf die Schnauze fallen lassen?
Hat da einer der Diskutanten näheres?

Die Briten hatten sich ja zwischen ziemlich viele Stühle gesetzt – Hussein-McMahon-Korrespondenz, Sykes-Picot-Abkommen, Balfour-Declaration.

Als der syrische Nationalkongress, der in Groß-Syrien gewählt worden war (Syrien, Libanon, Palästina, Transjordanien), im März 1920 die Unabhängigkeit eben dieses Groß-Syrien ausrief und Feisal zum Monarchen bestimmte, entsprach dies den Grundsätzen der 14 Punkte des Präsidenten Wilson. Dieser hatte, um die Haltung der Bevölkerung der Region im Hinblick auf die Selbstbestimmung zu ermitteln, eine interalliierte Kommission angeregt, die jedoch von Frankreich und Großbritannien boykottiert wurde und der die Italiener aus Mangel an Interesse fern blieben. Es blieb also nur die rein amerikanisch besetzte sog. King-Crane-Kommission übrig, Diese ermittelte im Jahr 1919 in umfangreichen Befragungen zwischen Aleppo und Bersheeba als den ganz überwiegenden Willen der Bevölkerung einen unabhängigen Staat Groß-Syrien.

Die Ergebnisse der Kommission wurden von Frankreich offen abgelehnt, während die Briten sie offiziell nicht zur Kenntnis nahmen. Präsident Wilson war zu diesem Zeitpunkt bereits durch einen körperlichen Zusammenbruch außer Gefecht und konnte seine Politik der Selbstbestimmung der Völker nicht mehr aktiv betreiben.

Den Briten war realpolitisch primär gelegen an Mesopotamien (Ölfelder, Riegel gegen russische Expansion) und an Palästina (Verhinderung einer Ausdehnung Frankreichs auf weitere Teile der Küste). So kam der Deal GB’s mit Frankreich zum Tragen – GB bekommt Mesopotamien, Transjordanien und Palästina, Frankreich Syrien und Libanon. Diesen Deal waren die Franzosen bereit, auch gegen GB mit Waffengewalt durchzusetzen. Und so zogen die Briten am 26. November 1919 aus Damaskus ab und überließen Feisal seinem Schicksal.

Feisal war auch innenpolitisch unter Druck, da ein von ihm mit Chaim Weizmann und Clemenceau ausgehandelter Kompromiss hinsichtlich der weiteren jüdischen Einwanderung in Palästina von seinem Volk und dem Nationalkongress abgelehnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt lebten erst – die Schätzungen gehen sehr auseinander – zwischen 30.000 und 60.000 Juden in Palästina, davon 50% Einwanderer der ersten Generation.

Auf der Konferenz von San Remo 1920 bekräftigten GB und Frankreich ihre Absprachen zur Gebietaufteilung. Die Franzosen vertrieben Feisal.

Als dann der Völkerbund die den beiderseitigen Vereinbarungen entsprechenden Mandate an Franzosen und Briten übertrug, war der Versuch einer Politik der Selbstbestimmung der Völker auch im Nahen Osten endgültig gescheitert. Einen Widerstand der USA gab es nicht mehr. Die Unabhängigkeit Syriens war nach kurzer Dauer zu Ende. Die Araber fühlten und fühlen sich bis heute betrogen, nicht ohne Grund.
 
Eine sehr kompetente und ausführliche Antwort. Ich danke Dir.

Die Araber fühlten und fühlen sich bis heute betrogen, nicht ohne Grund.

Nachvollziehbar.
Besser gesagt, eigentlich vorhersehbar.

Den Briten und Franzosen muss im 1.WK das Wasser tatsächlich bis zum Hals gestanden haben.
Diese Politik des "jedem alles zu versprechen" was er sich nur irgendwie wünschen konnte, ohne Rücksicht darauf, dass es schon einem anderen versprochen war, kann ich mir nicht anders erklären.

Die Entwicklung, dass sie im nächsten Krieg etliche der Angeschmierten auf der Gegnerseite wiederfanden, dürfte nicht soooo überraschend gewesen sein.
 
Es war aber nicht sehr lange geheim.
Abschluss 16. Mai 1916.
Veröffentlichung in "Prawda" 23. November 1917, im "Manchester Guardian am 26. November 1917. Zu diesem Zeitpunkt standen Engländer und Araber gerade mal in Südpalästina.


Lenin ließ diese ganzen Verträge und Abmachungen publizieren.
(Auch die deutschen "Dokumente zum Kriegsausbruch" schöpfen überwiegend aus dieser Quelle)
Ich wage die Behauptung, dass sonst nur sehr wenig davon jemals bekannt geworden wäre.
 
Das Sykes-Picot Abkommen war geheim und somit wussten die Araber von den Gebietsaufteilungen nicht - strategische Kontrolle und vor allem die Jagd nach ÖL waren doch wichtige Ursachen, das Red Line Agreement von 1928 war später ein weiterer Schritt. Die Franzosen erhoben ihren Anspruch auf dieses Gebiet und wurden mit knapp 24% Anteilseigner an der Türkish Petroleum Company. England war an Mossul interessiert, wobei das Gebiet aber den Franzosen unterlag und somit ein Tausch vollzogen wurde, ehemals deutsche Konzessionen für Mossul. (Das Öl Zeitalter - Doku). Desweiteren las ich bei Wikipedia, dass den Franzosen bei der Versaille Conference 1919 ein Mandat über Syrien zugesprochen wurde und die Forderungen der Araber ignoriert wurden.

Der Dokumentarfilm, "Das Öl Zeitalter", ist unwahrscheinlich interessant und absolut empfehlenswert. Es wurde von ARTE ausgestrahlt und ist auch bei youtube auffindbar. Es zeigt inwiefern die ökonomischen Interessen an Öl, bereits auch vor dem 1. Weltkrieg, ihren Einfluss in dieser Region hatten.


Da habe ich nun eher Ahnung.

Bei der Deutschen Bank Konzession zum Bau der Bagdadbahn, war beiderseits der vorgesehenen Trasse ein 30km Streifen enthalten, indem die DB das Recht auf Ausbeutung der Bodenschätze hatte. Vielleicht mit ein Grund zum Erwerb dieser Konzession.
Der Sultan hat Wind von der Sache bekommen, und den jungen Geologen Gulbenkian auf die Sache angesetzt.
Im Ergebnis hat der Sultan die Konzession der DB entzogen.
Nach langjährigen Verhandlungen verblieben der DB noch ca. 24% der neuzugründenden Ölgesellschaft.
Diese 24% erhielten dann die Franzosen aus der Kriegsbeute.

Gulbenkian war von da an "der" Fachmann für Nahostöl, und er soll den roten Strich um die Arabische Halbinsel als ehemaliges Osmanisches Gebiet gezogen haben. "Ich habe in diesem Reich gelebt, wer sonst will wissen, was alles osmanisch war"
soviel zum Red Line Agreement
 
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