Ausgangspunkt für meine Wortmeldung war die Antwort "Die Unterstützung im Weltkrieg" (#4) auf die Eingangsfrage, "was bekam die Weltmacht Großbritannien als Gegenleistung für solch einen großen Schritt?" (#1). Die Bücher von Schneer und Fromkin liegen mir nicht vor...
So hatte ich die Fragen auch verstanden. Ausgangspunkt war die "Finanzthese".
Bezugnehmend auf Schneer ist die Vorgeschichte - keine Überraschung - multikausal, und die Deklaration "interpretationsbedürftig" (Stichwort: "
a homeland, not the homeland"). Lassen wir dabei mal individuelle Ziele bzw. höchstpersönliche Prioritäten der Akteure außer Acht, dann ist sicher richtig, dass sich breit akzeptierte Wünsche bis 1916 in Richtung
a) Unterstützung Kriegseintritt der USA
b) finanzielle Flankierung
finden. Im Zeitpunkt der Deklaration ist das überholt, vielmehr eher ein inhaltlicher Widerspruch zu früheren Positionierungen. Ein "eingelöster Scheck" in Form der BD ist quellenseitig nicht belegt. Was bzgl. der Memoirenliteratur als Motive angegeben wird, ist nach der Quellenlage mit ihren scharfsinnigen Politikanalysen des Foreign Office, gepaart mit Wunschdenken, Visionen und totalen Fehlkalkulationen ua. des arabischen Nationalismus, nur mit spitzen Fingern anzufassen.
Vielmehr ist ein kurz nachfolgendes Angebot an das Osmanische Reich zur Garantie der "turkish flagg" als Gegenleistung für sofortigen Kriegsaustritt interessant. Bereits das zeigt, dass man lt. Schneer hier bzgl. des Adressatenkreises der Deklaration bzw. der Stoßrichtung umdenken muss, und schon aufgrund des Wegfalls von oben a) und b) erweitern muss.
Bernstorff, der in seinen Erinnerungen darlegt, auch die deutsche Regierung habe positiv zu der "Errichtung eines nationalen Heimes für die Juden in Palästina" gestanden. Aber "was wir wollten", sei "von England in die Hand genommen worden durch die bekannte Balfour-Deklaration [...]"
Das wäre das ex-post-Gejammer über die unzureichende Führung des eigenen deutsch-osmanischen Djihads (McMeekin: The Berlin-Baghdad-Express - The Ottoman Empire and Germanys Bid for World Power), und die deutsche Wahrnehmung, nicht die britische Nabelschau der Motive.
Konkurrenz zu Frankreich. Dass dieses starke Interesse in der Levante hatte, ist allgemein bekannt. ...Wenn schon die gesamte Last des Krieges im Mittleren Osten von GB getragen würde und FR nichts dazu beisteuern könnte: "Why then should the French acquire such a dominant position in the Levant? There is little doubt that this was a main consideration in the policy leading to the Baldour Declaration."
Das ist nun umstritten. Wie das Beispiel Syrien und Libanon zeigt, griff Frankreich durchaus ein, auch wenn man dafür länger brauchte, es aber vor dem Krieg als "Schutzmacht" geübt hatte. "main consideration" ist durch Schneer überholt. Der Kern der Überlegung ist richtig, und oben schon angesprochen: mit den strategischen Verschiebungen war GB mit der "internationalen Lösung" für Palästina, Stand 1916, nicht mehr zufrieden.
...könnte man in diesem Zusammenhang die Frage diskutieren, wie sich eigentlich die Balfour-Deklaration zu Wilsons "Vierzehn Punkten" verhielt: Stimmten beide in der Zielrichtung überein?
Da kann man noch weiter ausholen; inwiefern liegt ein Widerspruch zur Haager Konvention von 1907 vor? Das bejahend:
Allain, Jean: International Law in the Middle East (dort Kapitel 3: "Disregard for International Law ...")
Im Übrigen gab es noch eine Fortentwicklung von der BD zu den "Covenants" der Völkerbund-Mandatierung. Auch hier gibt es inhaltliche Brüche.